Die verschiedenen „Wertigkeiten“ des Krieges hat es ganz sicher in den alten Gesellschaften gegeben. Auch der „Totale Krieg“ der Moderne mit seinem unterschiedslosen Morden in den Hochstufen der beiden Weltkriege bis hin zum ABC-Waffenarsenal sind ja relativ späte Erfindungen der Menschheit. Ich finde Themistokles und Bartek haben dabei auf wichtige Punkte hingewiesen. Es war in der Frühzeit die Ausnahme das ganze Populationen vernichtet wurden, eben weil nicht nur Land und bewegliche Habe, sondern auch der Mensch (besser gesagt seine Arbeitskraft) ein Wert war, dessen man nicht unnütz entledigen wollte. Der Unterlegene wurde als Sklave oder Knecht fortan Teil des eigenen Wertschöpfungsprozesses. Selbst die „Benutzung“ Kriegsgefangener als Opfer für heidnische Gottheiten (besonders extrem bei Maya und Azteken) sind in diesem Sinne eine krude „Wertschöpfung“, die durch Massaker unterbunden würde.
Wie bereits gesagt gab es auch immer schon den Vernichtungskrieg als Ausnahme, wenn die Ressourcen für zwei menschliche Populationen zu knapp wurden. Themistokles hat bereits das bekannteste und beste Beispiel genannt, wenn nomadische Völker keinen Bedarf an zusätzlicher Arbeitskraft hatten. Nicht umsonst hinterließen gerade nomadische Reitervölker in der Geschichte oft eine Ödnis in ihrem Einfallsgebiet. Das ist der Kontext zu vielen Geschichten zu Hunnen, Awaren und Mongolen... Geraubte Menschen haben diese in der Regel versklavt und weiter verkauft, wenn der Aufwand dafür nicht zu groß war.
Es gibt noch ein Beispiel für Vernichtungskriege der Frühzeit: Das antike Palästina! Bei guten Jahren und Ernten der frühen Stadtstaaten wuchsen die Bevölkerungen immer sehr stark an, während es nach Hungerjahren oft um die nackte Existenz ging. Vielleicht sind vor diesem Hintergrund die biblischen Berichte über den Bann an so vielen Städten besser zu verstehen, wo kein Mensch verschont wurde? Man wollte keine Esser, sondern Nahrung! Das änderte sich erst, als entsprechende Lagerhaltung und staatliche Versorgung in Palästina die Versorgung auch über Hungerperioden hinweg erhalten konnte. Auch wenn es den „Bann“ auch etwa bei Kelten und Germanen geben konnte, waren dies einmalige Opferungen und nicht die Vernichtung ganzer Völker.
Weder Germanen noch Kelten haben in der Regel ihre eigenen Angehörigen bewusst der Gefahr ausgesetzt. Es greift zu Kurz zu glauben, Arovist hätte den Anhang seiner Völkerschaften besser hinter den Rhein in Sicherheit bringen können. Wie er es tat konnte sein ganzes Heer diese schützen, während dieser Schutz nicht hinter dem Rhein gegeben war! Es ist ein strategisches Grundmotiv, einen Feind zur Schlacht unter selbst gewählten Bedingungen zu zwingen. Wenn Caesar den Flüchtlingen nachgesetzt hätte, hätten Arovists Krieger einige Sorgen mehr gehabt statt weniger. Völker auf Wanderschaft sind kein gutes Beispiel für Frauen und Kinder als „gewählte Zuschauer“. Dagegen war die Nähe und Gefahr für die Angehörigen für „barbarische Volksheere“ oft genug ein zusätzlicher Ansporn im Kampf nicht zu weichen! Man hatte vor Augen wofür man kämpfte.
Im Kontext mit dem Thema des Threads möchte ich auch auf die religiös-schamanistische Ebene von Halluziniden hinweisen. Ob durch Alkohol oder mit anderen Drogen, wurde in heidnischen Religionen meist eine Möglichkeit gesehen mit den Göttern in Kontakt zu kommen. Man gab sich somit ganz in die Hand des gewählten Gottes dessen Beistand man erbat und der persönliche Erfolg in der Schlacht war eine Art von Gottesurteil. Die enthemmende Wirkung der Drogen half ja auch wirklich Schmerz und Angst zu überwinden und sich selbst zu enthemmen. Als „Gewöhnlich“ möchte ich das kollektive Besäufnis vor der Schlacht aber weder bei Kelten noch Germanen annehmen. In modernen Zeiten (ursprünglich vor allem bei den Marinen) war das Ausgeben von Alkohol vor der Schlacht in meinen Augen eher ein Versuch leistungssteigernde Psychopharmaka einzusetzen wie es in vielen SciFi-Szenarien bereits Usus ist.
Im Gegensatz dazu waren die römischen Heere deutlich Brutaler als die meisten ihrer Gegner, da ihr Ziel politisch immer die komplette Unterwerfung des Feindes war! Selbst den Römern wirklich wohl gesonnene moderne Autoren heben die Tatsache hervor, dass die Römer mit ihren harten Kriegsbräuchen ganz bewusst Schrecken verbreiteten. Widerstand wurde schrecklich bestraft. Sie mag über das Ziel hinausschießen, aber ich zitiere:
Jane Penrose schrieb:
“Ein bedeutender Faktor bei den Siegen der republikanischen Armee Roms muss die Brutalität ihrer Soldaten gewesen sein… diese Kriege verschärften nur eine bereits tief verwurzelte Gewaltbereitschaft… Brutalität und Gemetzel waren die Kennzeichen der römischen Kriegsmethoden, und auf die Eroberung einer griechischen Stadt folgten gewöhnlich Massenvergewaltigungen sowie Massaker, von denen selbst Hunde nicht verschont wurden…
Die Aussicht auf Vergewaltigung, Gewalt und Plünderung in einem fremden Land war…[..] sehr wirkungsvoll, die Aufmerksamkeit der Armen von den unerträglichen Ungerechtigkeiten des politischen Systems in Rom abzulenken. Daher war Gewalt nicht einfach ein übler Auswuchs des römischen Gesellschaftssystems, es war vielmehr der Schmierstoff, der es zusammenhielt. Diese Brutalität trug dazu bei, die Fähigkeit der Feinde Roms zu lähmen, sich wirksam zu widersetzen.“
All die genannten Schrecken kennzeichneten jeden Krieg antiker Gesellschaften. Es war der Umfang und die Konsequenz mit der Rom dies in Szene setzte, welche es von den üblichen Kriegen abhob. Griechische Bürgerhopliten hatten einst zuhause Besitz gehabt, den sie vornehmlich bewirtschafteten, das Kriegshandwerk war nur Beiwerk. Söldnerheere wurden wenn immer möglich in strenger Zucht gehalten und solange sie gut bezahlt wurden, durften sie nicht hemmungslos plündern, außerdem blieb ihre Kopfzahl gewöhnlich relativ klein. Die gewaltigen Bürgerheere Roms mit vielen zehntausenden Legionären, schließlich vom Staat bezahlter und ausgerüsteter Männern ohne Privatleben eröffnete neue Dimensionen. Die strenge Disziplin welche gewöhnlich in der römischen Armee herrschte und mit dem Rohrstock durchgesetzt wurde, konnte diese Auswüchse zu anderen Anlässen wirksam zügeln. Im Getümmel der Schlacht und in deren Nachspiel, konnte sich wohl die angestaute Aggressivität ihre Bahn brechen?