Ich behaupte mal, dass ich zumindest ein bisschen Ahnung von der Materie habe - zumindest auf rudimentärste Art und Weise :scheinheilig:
Zur Sprache Madagaskars (bekannt als Madagassisch, Malagasy, etc.):
Malagasy ist der austronesischen Sprachfamilie zugehörig, und gehört innerhalb dieser (wie hier schon erwähnt) zum Malaio-Polynesischen. Wenn man noch weiter gehen möchte, sieht die schematische Darstellung etwa so aus:
Austronesisch
--> Malaio-Polynesisch
--> West-Malaio-Polynesisch
--> Barito
--> Ost-Barito
--> Malagasy
(--> Merina-Dialekt als Grundlage der Nationalsprache)
Nächst verwandt sind dem Malagasy die Barito-Sprachen Kalimantans in Indonesien. Wenn man nun rein linguistische Evidenzien berücksichtigt, müsste Madagaskar also von dieser Region aus besiedelt worden sein. Weitere Anhaltspunkte liefern Sanskrit-Entlehnungen im Malagasy. Diese müssen wohl über Malaisch und Javanisch aufgenommen worden sein; da das Lehngut aus dem Malai v.a. maritimen Charakters ist, brachte Adelaar die Migration mit dem Aufstieg der sumatranischen Seemacht Srivijaya im 7. nachchristlichen Jahrhundert in Verbindung.
Für eine Besiedelung durch maritime Ethnien aus dem indonesischen Raum sprechen auch andere Anhaltspunkte. Da ist zum einen die Gruppe der Vezo auf Madagaskar; hierbei handelt es sich um eine maritime Ethnie, deren Eigenname "Rudere!" bedeutet. Die Vezo wurden in jüngerer Zeit häufig mit den Bajau, einer maritimen Ethnie in Südostasien in Verbindung gebracht. Berücksichtigt man regelmäßige Lautverschiebungen, entsprechen sich sogar die Wörter "Bajau" und "Vezo". Diese Gruppe wurde auf Indonesisch als "Orang laut" (Seemenschen) und auf Sumatra als "Sekak" bezeichnet.
Auch archäologische Zeugnisse sprechen dafür, dass es sich bei den Vezo um die Bajau handelt. So bestatten die Vezo ihre Toten mit dem Kopf gen Westen, wie man es auch bei den Bajau findet. Auch finden sich Ähnlichkeiten mit der Sprache der Sekak (v.a. was Personalpronomina anbetrifft). Hier gibt es leider jedoch noch keine Studie, die näheren Aufschluss über eine mögliche Sprachverwandtschaft des Vezo-Dialekts und der Sekak-Sprachen bringen könnte.
Auf Madagaskar selbst gelten die Vazimba als "Ureinwohner". Um diese Gruppe entwickelte sich im Laufe der Zeit ein regelrechter Kult, in dessen extremster Ausbildung sie mit Naturgeistern gleichgesetzt werden. Eine Studie aus dem Jahr 1963 (Schomers-Gernböck) zeigt m.E., dass es diese Gruppe trotz allem wirklich gegeben hat bzw. noch immer gibt. Augenscheinlich handelte es sich bei den Vazimba um Reisbauern im Hochland, die nach der Einwanderung der Merina nach Westen abgedrängt wurden, wo sie sich in den Höhlen der Nadelfelsen ansiedelten. In den 60er Jahren waren noch genau 3 Gruppen nachweisbar: Die Antsingy, die Sakalava-Vazimba, und die ursprünglichen Vazimba, die noch immer den Traditionen der Ahnen folgen.
Ob es sich bei den Vazimba tatsächlich um die früheste Einwanderergruppe handelt, ist unbekannt. Fest steht, dass sie klein von Wuchs sind, und sich offenbar schon früh mit den Bantu (also Bewohnern des afrikan. Festlandes) vermischten. Dennoch gibt es keine mir bekannten Anhaltspunkte dafür, dass Madagaskar schon vor der ersten Einwanderungswelle aus Südostasien von Bantu-Gruppen besiedelt war. Das hier schon vorgebrachte Argument, die Bantu wären keine Seefahrer gewesen, hat m.E. Hand und Fuß. Es waren wohl auch eher die südostasiatischen Gruppen, die nach der Besiedelung Madagaskars Kontakt mit dem Festland suchten, als umgekehrt (immerhin hatten sie als angenommene maritime Ethnie auch die Möglichkeiten dazu).
Es wurde oft versucht, Malagasy mit Bantu in Verbindung zu bringen, bisher ist das aber nicht überzeugend gelungen. Zwar gibt es viele Entlehnungen, v.a. was Tierwelt und Religion anbetrifft, doch diese sind samt und sonders lexikalischer Art. Somit halte ich es für ziemlich gesichert, dass Madagaskar von Insel-Südostasien aus erstmalig besiedelt wurde, und diese Siedlergruppen dann Kontakt zu den Bantu suchten - nicht umgekehrt.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich persönlich eine Zuwanderung quer über den indischen Ozean trotz erwiesenermaßen günstiger Meeresströmungen für nahezu unmöglich halte. Die These, mehrere Gruppen wären nacheinander an der Küste entlang gesegelt und so nach Madagaskar gekommen, halte ich für wahrscheinlicher.
LG
Die_Schweigende
P.S.: Ich schließe mich der Reisegruppe in Richtung Madagaskar gerne an :urlaub: