thanepower
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Ich hab noch mal den Moshe Lewin (-The Soviet Century-) dazu gelesen.
Nach seiner Darstellung ist es ihm ein gebliebenes Rätsel wie Krushchev Stalin überleben konnte, bedenkt man wie sehr sich die Charaktere unterschieden und wie gefährlich die Nähe Stalins war. .
Hi, vielen Dank für diese Darstellung. Interessanterweise geht Fitzpatrick in "On Stalins team" in der "Conclusion" auf diese Problematik ein.
Der traditionelle Narrativ - und Lewin steht für diese Sichtweise - ging von einem klassischen "Alleinherrscher" aus und es wurde sein Charisma, der Kult um seine Person und seine administrative Omnipotence und -präsenz in den Vordergrund gerückt. "Stalin war es" in etwa so wie der auch beliebte Narrativ "Hitler war es".
In dieser Sichtweise aus dem KK wurde seinen "cronies", der "Entorage", dem "Clan" oder den "Fraktionen" (wie Lenin sie noch im Rahmen des "faction-ban" benannt hatte) lediglich ausführende Funktionen zugewiesen und das eigenständige Machtpotential übersehen.
Diese Sichtweise ist in der neueren Geschichtsschreibung einer Revision unterzogen worden, die an den Begriff des "Roten Hofes" von Simon Sebag Montefiore anknüpft. Bei Montefiore ist allerdings die Dimension der kollektiven Herrschaft nicht vertieft worden.
Die veränderte Sicht wurde maßgeblich durch Chlewnjuk "Das Politbüro. Mechanismen der Macht in der Sowjetunion der dreißiger Jahre" angestoßen. Seine Analyse legte offen, dass die "Magnate" Stalin`s ihre spezifische Machtbasis aus dem sowjetischen Regierungsapparat und der Parteiorganisation ziehen konnten.
Es war zudem Arch Getty, der Lewin kritisierte und ausführte: "pointing out that the inner circle members were powerful politicians in their own right, ....they collectively ran the country, with Stalin intervening by letter and telegram only on minor issues (Fitzpatrick, S. 272)
Ab ca. 2005 schloss sich Chlewnjuk zunehmend der Sicht von Arch Getty an und sah weiterhin in Stalin den Diktator - als unumschränkter letzter Entscheider - aber er schrieb: "We can identify the formation of quasi-collective mechanisms of decision-making as evidence of the emerging oligarchisation of power in the last years of Stalin`s life" (zitiert in Fitzpatrick, S. 272)
In diesem Sinne wies der Modus operandi, über den die administrative Arbeit im Kreml organisiert wurde, so der Konsensus von Wheatcroft, Chlewnjuk, Arch Getty und Fitzpatrick Parallen in den Abläufen auf, wie sie für westliche Regierungschefs und ihre Kommunikation mit ihren Fachministern auch zu erkennen sind. (Fitzpatrick, S. 273)
Dieses Modell erklärt deutlich angemessener die komplexen administrativen Anforderungen, die an die Regierung eines so großen Reichs wie der UdSSR gestellt waren.
Für diese "administrative" Erklärung der Zusammenarbeit zwischen Stalin und seinem inneren Zirkel sprechen beispielsweise auch die Quellenbelege, wie beispielsweise die Korrespondenz von Stalin mit Kaganovich. Und es wird deutlich, wie pragmatisch und trivial die Probleme waren, die das tägliche Geschäft definiert haben.
In diesem Sinne geht die aktuelle Sicht von einer oligarchischen Herrschaftsstruktur im Kreml unter Stalin aus, ohne seine zentrale Dominanz als finaler Entscheider - so er entscheiden wollte - in Frage zu stellen.
Link Fitzpatrick
https://books.google.de/books?id=HAIACQAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=on+stalins+team&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=on%20stalins%20team&f=false
Link zur Stalin Kaganovich Correspondence
https://books.google.de/books?id=x3s8o6KL-HkC&printsec=frontcover&dq=the+stalin+kaganovich+correspondence&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwik0o2Oh-DQAhWMDCwKHTyWB0kQ6AEIHTAA#v=onepage&q=the%20stalin%20kaganovich%20correspondence&f=false
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