Der Russlandfeldzug Napoleons

Einige russische Historiker versuchen dies so zu deuten, dass Kutuzov den Durchbruch der Franzosen nach Kaluga über die Medyn‘ befürchtete.Um dies zu verhindern soll Kutuzov diesen Marsch unternommen haben.

Das ist wenig plausibel, wenn man die Lagekarten zur Hand nimmt:

Nach Freigabe des Weges über Medyn (Smolensk) -und diese Freigabe war bereits mit dem ersten kleinen Rückzug bewirkt, nicht erst dem dem Rückzug auf Kaluga - bedarf es des "Umweges" über Kaluga nicht. Die Frage "über Medyn oder weiter nördlich" betrifft dann Wegstrecken mit ca. 60km Unterschied bis Smolensk.

Das "Pripjet-Problem" von 1915 und 1941 bestand mE auch bereits 1812. Und nördlich der Pripjets liegt (torartig) die Düna-Dnjepr-Landbrücke, dort an der einen Seite Smolensk, an der anderen Witebsk.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und dies war erst ein leiser Vorgeschmack auf das, was sich in Rußland ereignen würde ...
Ich denke, man kann nicht oft genug an die Entsetzlichkeiten erinnern, die Bonaparte über Europas Bevölkerung gebracht hat.
Das ist aber nichts sepziell Französisches. Es überrascht mich selber auch immer wieder, wenn von Kriegsgreueln weitab von den Schlachtfeldern und den Hauptrouten der Armeen die Rede ist. Ich habe auch schon von Klagen in Dtl. über die Russen von 1815 gelesen. Da war Deutschland zwar nicht Kriegsschauplatz, aber es traten Zustände ein, die sehr an Krieg scheinbar erinnerten, frei nach dem Motto, wo die Armee ist, da ist der Krieg, was sehr an den Dreißigjährigen Krieg erinnern mag.

Mit Pech fraßen sich also auch die Armeen durch neutrales oder gar verbündetes Territorium eine Schneise, die auch Raub und dergleichen kannte.
Kein Wunder, dass die Potentaten daher darum bemüht waren, auf eine bestimmte Trasse der Marschrouten zu achten, was einheimische Kommissare eigentlich bewerkstelligen sollten, welche den Verbündeten den Weg durch das Gebiet weisen sollten (und vielleicht auch überwachen sollten, dass diese sich nicht wie Räuber benahmen:grübel:).
 
Das ist wenig plausibel, wenn man die Lagekarten zur Hand nimmt:

Nach Freigabe des Weges über Medyn (Smolensk) -und diese Freigabe war bereits mit dem ersten kleinen Rückzug bewirkt, nicht erst dem dem Rückzug auf Kaluga - bedarf es des "Umweges" über Kaluga nicht. Die Frage "über Medyn oder weiter nördlich" betrifft dann Wegstrecken mit ca. 60km Unterschied bis Smolensk.

Das "Pripjet-Problem" von 1915 und 1941 bestand mE auch bereits 1812. Und nördlich der Pripjets liegt (torartig) die Düna-Dnjepr-Landbrücke, dort an der einen Seite Smolensk, an der anderen Witebsk.

=)Scheinbar verwenden wir verschiedenen Karten. Also das was ich auf der Karte sehe ist folgendes:
Damit Napoleon von Malojaroslavec nach Medyn‘ oder Kaluga marschiert, muss er entweder a. Den s.g. „neuen kaluger Weg“ nehmen, aber da versperrt ihm Kutuzov den Weg.
b. Er marschiert nach Borovsk, von wo er entweder weiter nach Norden in Richtung von Možajsk vorstoßen kann oder er geht nach Westen, nach Medyn‘. Von dort aus kann er nochmals nach Süden Abdrehen, um nach Kaluga zu kommen.

Im jeden Falle ist der Rückzug von Kutuzov für den Marsch nach Medyn‘ bedeutungslos, denn die Abzweige nach Medyn‘ befindet sich nicht bei Malojaroslavec sondern beim Borovsk.

Aus Borovsk nach Medyn‘ marschiert Napoleon mit seiner Hauptmacht auch nicht, vielleicht liegt es zum Teil daran, dass bei Medyn‘ Poniatowski auf die Kavallerieeinheit von General Ilovajskij stößt. Für Napoleon war das wahrscheinlich der Hinweis darauf, dass der Weg nach Medyn‘ durch die Russen blockiert ist. Also marschiert er von Borovsk in Richtung von Možajsk.

Irgendwie war die Situation so, dass Kutuzov nicht wusste wohin Napoleon marschiert und Napoleon nicht richtig wusste wohin er marschieren kann.
 
Das hier verblüfft mich allerdings:


Das ist sehr interessant, allerdings völlig widersprüchlich zur Lage und zu seinem Handeln.

Bereits das erste "Absetzen" in die günstigere Stellung erfolgte unter Druck. K. war nicht in der Lage, "totale Vernichtung" auch nur zu erwägen.

Der Rückzug nahm die Kontrolle über den Weg nach Medyn, bzgl. dessen doch vorher die feste Absicht der Sperre bestand.

Sind K. diese Worte ex post "zugefallen", bzw. wer verbürgt den aktuellen Zeitpunkt beim Treffen der Entscheidung? Das sieht konstruiert aus, und konträr zur militärischen Lage.

Ich war über die Worte von Kutusow auch verblüfft. Aber eher in der Hinsicht, dass ein Militär machtpolitisch dachte.

Lieven gibt als Quelle für Kutusows Zitat die Erinnerungen Wilsons an. Nicht dargelegt wird, welche Vorwürfe Wilson erhoben hat. Da mir das Werk nicht zur Verfügung steht, könnte ich nur mutmaßen. Kutusows Worte "wiederhole ich ihnen noch einmal, was ich ihnen bereits gesagt habe..." lassen aber den Schluss zu, dass es vorher schon mindestens eine Auseinandersetzung über die Strategie gegeben haben muss, die Kritik oder frühere Vorschläge Wilsons wohl in Kutusow den Verdacht geweckt haben, dass Wilson als "Agent einer fremden Macht" eine Strategie/Politik verfolgte, die mit russischen Interessen wenig gemein hatte.

Grüße
excideuil
 
Politisch weitsichtig gedacht und aufzeigend, dass Kutosow nicht bereit war, seine Armee sinnlos/vorschnell ... und möglicherweise fremden Interessen zu opfern.

Angesichts der Opfer der russischen Armee auch verständlich:
"Am 19.Dezember berichtete Kutusow an Alexander, die Verluste seien so gewaltig, dass er sie nicht nur vor dem Feind, sondern selbst vor seinen eigenen Offizieren geheimhalten müsse ... [1/Seite 340]

Grüße
excideuil

[1] Lieven, Dominic: Russland und Napoleon – Die Schlacht um Europa, C. Bertelsmann, München, 2011 (2009)

Dieser Konzept der „goldenen Brücke“, das Kutuzov angeblich den Napoleon laufen lassen wollte um nicht für die Interessen Englands zu kämpfen, ist eigentlich ein alter russischer Mythos. Recht amüsant, dass er nun die westliche Literatur infiltriert. =)

In Privatgesprächen mit Wilson konnte Kutuzov jede Menge Blödsinn erzählen. Vielleicht „trollte“ er den guten Wilson ein wenig. Wie auch immer was mehr zählt, sind seine Berichte über die Kampfhandlungen.

Aus denen geht hervor, dass er Napoleon durchaus einholen und besiegen wollte. Und er war schon sehr enttäuscht, dass er dies bei Berezina nicht tun konnte. Seine Armee wollte er tatsächlich ausruhen lassen, aber gleichzeitig verlangte er, dass die weniger zermürbten Armeen von Admiral Čičagov und Witgenstein den Gegner bis zu der Weichsel verfolgen sollen. Am 2 Jan. 1813 befiehlt er die Zerschlagung des Gegners in seinem eigenem Lande.
 
=)Scheinbar verwenden wir verschiedenen Karten. Also das was ich auf der Karte sehe ist folgendes:
Damit Napoleon von Malojaroslavec nach Medyn‘ oder Kaluga marschiert, muss er entweder a. Den s.g. „neuen kaluger Weg“ nehmen, aber da versperrt ihm Kutuzov den Weg.
b. Er marschiert nach Borovsk, von wo er entweder weiter nach Norden in Richtung von Možajsk vorstoßen kann oder er geht nach Westen, nach Medyn‘. Von dort aus kann er nochmals nach Süden Abdrehen, um nach Kaluga zu kommen.

Reichlich verwirrend.

Um die Karten mal festzuzurren: von Malojaroslawez gingen 2 Hauptstraßen
a) nach Süden zu Kaluga/Oka
b) nach Westen Medyn

(sowie zwei weitere, eine nach Norden nach Borowsk, eine nach Nordwesten nach Moskau).

Borowsk liegt direkt nördlich von Malojaroslawez, und ist ein Umweg, gesehen von Maloj., wo sich dann die Masse der Armee befand. Niemand marschiert von Maloj. wieder zurück über Borowsk nach Medyn, wenn die direkte Verbindungsstraße Maloj./Medyn (also nach Westen) freigekämpft ist.

Die bei Maloj. versammelten frz. Truppen mussten nunmehr für den Marsch auf Smolesnk in jedem Fall über Medyn, das heißt, direkt nach Westen.

Im jeden Falle ist der Rückzug von Kutuzov für den Marsch nach Medyn‘ bedeutungslos, denn die Abzweige nach Medyn‘ befindet sich nicht bei Malojaroslavec sondern beim Borovsk.

Das ist vermutlich das Kernproblem.

Hast Du mal eine Straßenkarte von 1812, auf der ein direkter Weg Borowsk-Medyn eingezeichnet ist? Nun die Dynamik: wenn die russische Armee die Positionen bei Maloj. hält, die frz. Armee dann von Borowsk über Medyn ausweichen will, wird dort (aufgrund des kürzeren Weges von Maloj.) erneut blockiert. An der südlichen Flanke des Rückzugsweges fand damit eine Art Wettrennen statt, was zB Dokhturov schon im Fall Malojaroslavez gewonnen hatte und dort "blockieren" konnte.

Lieven gibt als Quelle für Kutusows Zitat die Erinnerungen Wilsons an. Nicht dargelegt wird, welche Vorwürfe Wilson erhoben hat. Da mir das Werk nicht zur Verfügung steht, könnte ich nur mutmaßen. Kutusows Worte "wiederhole ich ihnen noch einmal, was ich ihnen bereits gesagt habe..." lassen aber den Schluss zu, dass es vorher schon mindestens eine Auseinandersetzung über die Strategie gegeben haben muss, die Kritik oder frühere Vorschläge Wilsons wohl in Kutusow den Verdacht geweckt haben, dass Wilson als "Agent einer fremden Macht" eine Strategie/Politik verfolgte, die mit russischen Interessen wenig gemein hatte.

Kutusov sprach über eine objektive Unmöglichkeit, Stand 25.10.1812. Er war überhaupt nicht in der Position, über eine totale Vernichtung Napoleon an diesem Ort, zu dieser Zeit nachdenken zu können. Deswegen sind die Worte in Bezug auf den Rückzug nach Kaluga Schminke für die Entscheidung Kutusovs, der Hauptschlacht auszuweichen und erst einmal den Weg über Medyn freizugeben.
 
Reichlich verwirrend.

Ich denke aber, du hast es richtig aufgedrøselt.

Ein wenig widersprechen møchte ich aber, dass der Weg nach Medyn nach dem Fall von Mal. "frei" war - es standen zwar keine russischen Truppen direkt im Weg, aber bei der Benutzung dieser Strasse, ob sofort, oder ueber den Umweg nach Borovsk (Ich habe da aber uebrigens keine Verbindungstr. nach Medyn gefunden), hætte man die russ. Truppen quasi links liegen lassen muessen. Sie hætten dann den ganzen Marsch durch Mal. und weiter nach Medyn støren kønnen, in jedem Fall hætte er die gesamte Russische Armee sehr dicht auf den Fersen gehabt.
Es gab somit nur die Wahl Annahme der Schlacht oder Rueckzug ueber Borovsk --> Mozjaisk --> Smolensk.

Damit wurden die Flankenangriffe Kutuzows allerdings nur zeitlich verschoben, er konnte sie spæter teilweise æusserst erfolgreich durchfuehren, in dem er (nach seinem kurzfristigen Rueckzug Richtung Kaluga) parallel zu N. marschierte und die weit auseinander gezogenen frz. Korps immer wieder abschneiden konnte.

Die Gruende fuer Napoleons Entscheidung, die Schlacht nicht anzunehmen, werden wohl verborgen bleiben. Er war in diesem Fall ungewøhnlich zøgerlich und fragte in seiner Umgebung vielfach um Rat. Die Mehrzahl seiner Marschælle war jedenfalls der Meinung, es nicht zu tun.
Møglicherweise hat auch die Begegnung mit Kosaken, die ihn und seine Begleitung angriffen, und der entsetzliche Anblick des Schlachtfeldes in den Ruinen von Mal. den Ausschlag gegeben.

Zur Entscheidung Kutuzows ueber die Nicht-Annahme der Schlacht lese ich als Erklærung, dass:

- er die Kampfkraft der Franzosen imens hoch veranschlagte (und der Kampf um Malojaroslavets hatte das ja auch gezeigt), wæhrend er selbst mit ueberwiegend frischen Rekruten und unerfahrenen Offizieren vorlieb nehmen musste, die eine schlechte Vorstellung im Kampf abgeliefert hatten.

- er davon ausging, dass die Franzosen sich zur Schlacht vorbereiteten, da sie sich nicht absetzten, sondern vielmehr das Gelænde rekognoszierten.

- gemeldet wurde, dass Franzosen einen Uebergang ueber die "Luzja" (Ich fand den Fluss nicht) suchten. Er fuerchtete damit von Kaluga abgeschnitten zu werden.

Das gab den Ausschlag, sich fuer den Rueckzug zu entscheiden - gegen die Ueberzeugungsversuche von Benningsen, Wilson, Konovnitsyn und Toll.

Benningsen schrieb an seine Frau, dass sich ein solch stuemperhaftes Verhalten nur ein Feigling leisten kann.

Gruss, muheijo
 
Anm.: die Flussabschnitte Lusha - Protwa befinden sich nw- n - nö von Malojaroslawez, in einem Bogen, der mit der Protwa östlich der Stadt abfliesst.

(Quelle: neuzeitliche Heeres-Karte "Z-55 Moskau", auf Basis russischen Kartenmaterials der 1920er und 1930er Jahre, wobei die Stadt Malojaroslawez dabei sicher gewachsen ist).
 
Gibt es eigentlich - abgesehen von Kopien bzw. Übernahmen der älteren Karten - irgendeine neuere Karte, in der die Ereignisse von Maloj. eingetragen sind?
 
Gemeint war etwas aktuelleres als das hier (Foord 1914):
 

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Die Stadt hat sich hauptsächlich nach Süden erweitert. Der Flusslauf ist weitgehend erhalten geblieben und zeigt, dass die Karte erstaunlich genau ist.
 

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Das ist vermutlich das Kernproblem.

Hast Du mal eine Straßenkarte von 1812, auf der ein direkter Weg Borowsk-Medyn eingezeichnet ist? Nun die Dynamik: wenn die russische Armee die Positionen bei Maloj. hält, die frz. Armee dann von Borowsk über Medyn ausweichen will, wird dort (aufgrund des kürzeren Weges von Maloj.) erneut blockiert. An der südlichen Flanke des Rückzugsweges fand damit eine Art Wettrennen statt, was zB Dokhturov schon im Fall Malojaroslavez gewonnen hatte und dort "blockieren" konnte.

Sie haben recht. Ich hab jetzt eine Karte der Umgebung aus dem Jahre 1821 angesehenб da führt tatsächlich eine Straße von Malojaroslavec nach Medyn‘.
 

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Sie haben recht. Ich hab jetzt eine Karte der Umgebung aus dem Jahre 1821 angesehenб da führt tatsächlich eine Straße von Malojaroslavec nach Medyn‘.

Danke für die Bestätigung.

Die Preisgabe der Straße ist bei Foord erwähnt. Und der hatte vor sich als Berichterstatter Clausewitz, von dem er vermutlich auch abgeschrieben hat.
 
Spanien & Russland

Bin in den spanischen Kriegen Napoleons eher unbelesen. Deswegen wollte ich die Fragen, die sich damit auskennen, ob meine Einschätzung stimmen kann.

Lese gerade Gregory Fremont-Barnes und irgendwie entsteht die Frage, der Beeinflussung der Kriegshandlungen, auf der iberischen Halbinsel auf den russischen Feldzug. Immerhin mussten die Franzosen in Spanien ein beachtliches Truppenkontingent von 230.000 Mann (laut Fremont-Barnes) zurücklassen. Nur 27.000 Mann konnte Napoleon von der Halbinsel abziehen. Abgesehen von den Truppen erforderte Spanien vom Napoleon, eine Finanzspritze von 1-4 Milliarden Realen. (zu mindestens klingt die Summe schon sehr beeindruckend)

:grübel:Also, wenn man das Verhältnis der Kampagnen in Spanien &Russland danach bewerten soll, dann drängt sich der Gedanke auf, dass Spanien für Russland, eine vollwertige “Zweite Front“ war. Will in keiner Weise den span. Krieg überbewerten. Es geht mir lediglich darum, die reelen Grenzen des spanischen Einflusses zu ermiteln.
 
Der Russlandfeldzug ist nicht wegen einer zu kleinen Armee verloren gegangen.
200.000 Mann mehr hætten nur bewirkt, dass 200.000 mehr verhungert wæren. Schon die halbe Million Mann war unterversorgt. Es sind ja auch wæhrend des Feldzuges stændig Verstærkungen nachgeschickt worden - wirklich genutzt hat das nicht viel: Wer davon ueberhaupt ankam, war einfach nichts gewohnt, im Gegensatz zu den bereits erprobten Soldaten. Die Neulinge fielen schneller den Gefahren, Krankheiten, Erschøpfung, usw. zum Opfer als die bis dahin Ueberlebenden.

Insofern war die Zahl der anderweitig (= Spanien) eingesetzten Truppen fuer den Russlandfeldzug nur zweitrangig.

Insgesamt gesehen wird Napoleon die Absetzung der spanischen Kønige aber mehr geschadet als genutzt haben.

Gruss, muheijo
 
....
:grübel:Also, wenn man das Verhältnis der Kampagnen in Spanien &Russland danach bewerten soll, dann drängt sich der Gedanke auf, dass Spanien für Russland, eine vollwertige “Zweite Front“ war. Will in keiner Weise den span. Krieg überbewerten. Es geht mir lediglich darum, die reelen Grenzen des spanischen Einflusses zu ermiteln.

Es war auch ein permanenter Brandherd von 1808 bis 1814 und hat, nach Schätzungen, Napoleon über 300.000 Mann Verluste gekostet. Dazu kommen die finanziellen Kosten und der moralische Verschleiss.

Zeitweilig (z.B. 1810) hatte Napoleon über 325.000 Mann in Spanien, aber kaum ein Viertel davon standen in direkter Konfrontation mit feindlichen Feldtruppen, der Rest als Besatzungen, in Sicherungsaufgaben, als Belagerungsring etc.

Die Verrohung der dort zeitweilig eingesetzten Truppen und deren späteres Verhalten in anderen besetzten Ländern hat auch dort zu unmut und schliesslich zu Aufruhr geführt.

Dazu das Beispiel an anhaltenden Widerstand trotz der zahlreichen Niederlagen, dass m.W. sogar von Zar Alexander gegenüber des französischen Botschafters erwähnt wurde.
 
:grübel:Also, wenn man das Verhältnis der Kampagnen in Spanien &Russland danach bewerten soll, dann drängt sich der Gedanke auf, dass Spanien für Russland, eine vollwertige “Zweite Front“ war. Will in keiner Weise den span. Krieg überbewerten. Es geht mir lediglich darum, die reelen Grenzen des spanischen Einflusses zu ermiteln.
Napoleon selbst schrieb später, dass sein Scheitern im Krieg in Spanien begründet war.

Ich kann mich irgendwie erinnern, dass N. seine Niederlage mit Spanien begründet hat, finde aber auf die Schnelle das Zitat und den Zusammenhang nicht.

Bei Gourgaud findet sich zu Rußland dies:
"Las Cases: "Wenn Eure Majestät nicht den Krieg mit Spanien gehabt hätten, so wären 150000 bis 200000 Mann mehr gegen Rußland verfügbar gewesen."
Napoleon: "Das wären 200000 Mann mehr gewesen, die zugrunde gegangen wären! Denn der Frost, nicht der Feind hat uns vernichtet ..." [1]

Sieht man von der Legende "General Winter", die N. gern gebrauchte ab, dann wird deutlich, dass er militärisch keinen direkten Zusammenhang zwischen beiden Feldzüge sah.

Spanien unterschied sich von den bisherigen Kriegen: N. konnte nicht mit einem schnellen Sieg seinen "Frieden" diktieren sondern der Konflikt wurde zum Flächenbrand und kostete viel Geld statt wie es bisher üblich war, dass er Geld brachte.

Mit Spanien deutete sich die Machtüberdehnung des Empire an: Napoleon war politisch gezwungen, Erfurt einzuberufen, um Rußland zu versichern, Österreich "in Schach" zu halten, damit er selbst freie Hand in Spanien behielt. Der gleiche Kongress machte deutlich, dass sein Verständnis von "Frieden" selbst für ihn trügerisch war, da in diesem Fall Österreich nur auf eine "Revanche" zu warten schien.

Mit Spanien ging der Nimbus der Unbesiegbarkeit entgültig den Bach herunter, der moralische Aspekt ist für die folgenden Jahre nicht zu vernachlässigen.

Mit der Vertreibung der letzten auf einem Thron verbliebenen Bourbonen in Europa werden die dynastischen Bestrebungen N. deutlich, die von vielen Notabeln des Kaiserreiches nach Einführung des kaiserlichen Adels mit immer mehr Argwohn betrachtet wurden. Immer deutlicher wurde die Abkehr N. von den Brumairianern, die Abkehr vom Bürgertum und zunehmend als Verrat an den Interessen der Notabeln empfunden. Kein Wunder daher, dass die Weitsichtigen die Katastrophe vorausahnten. Damit stand das Empire auch innenpolitisch unter einem gewissen Druck, was dem Ausland nicht verborgen blieb.

Grüße
excideuil

[1] (Gourgaud): „Napoleon – Erinnerungen und Gedanken – St. Helena 1815 -1818“, bearbeitet von Heinrich Conrad, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1961, Seite 64
 
Bei Gourgaud findet sich zu Rußland dies:
"Las Cases: "Wenn Eure Majestät nicht den Krieg mit Spanien gehabt hätten, so wären 150000 bis 200000 Mann mehr gegen Rußland verfügbar gewesen."
Napoleon: "Das wären 200000 Mann mehr gewesen, die zugrunde gegangen wären! Denn der Frost, nicht der Feind hat uns vernichtet ..." [1]

Sieht man von der Legende "General Winter", die N. gern gebrauchte ab, dann wird deutlich, dass er militärisch keinen direkten Zusammenhang zwischen beiden Feldzüge sah.

Stimmt, militærisch gab es keinen direkten Zusammenhang - ausser vielleicht, dass Napoleon persønlich nicht længer in Spanien sein konnte.
(Wobei es aber Spekulation bleiben muss, ob er unter seinem eigenen Kommando und mit mehr Truppen die Lage unter Kontrolle bekommen hætte. Die Erfolge seines persønlichen Einsatzes und die Misserfolge seiner Marschælle ohne ihn deuten aber darauf hin.)

Ersetzt man sein "Frost" durch "mangelnde Logistik", liegt Napoleon richtig - ob er diese Einsicht wenigstens auf St. Helena hatte, weiss ich nicht - zugeben wuerde er es wohl nicht.
Seinerzeit hatte er sie jedenfalls nicht, siehe mein Beitrag weiter oben.

...., da in diesem Fall Österreich nur auf eine "Revanche" zu warten schien.

Hier sollte man doch der Fairness halber "zu warten schien" durch "wartete" ersetzen.

Gruss, muheijo
 
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