Die Widersprüche lassen sich großteils recht simpel damit erklären, dass die verschiedenen biblischen Bücher von verschiedenen Autoren verfasst wurden, die ihrerseits unterschiedliche (und unterschiedlich gute) Quellen hatten.
Dem würde ich mich persönlich nicht anschließen. Um den Eindruck zu vermeiden, dass ich - ob dies der erste Post ist - in irgendeiner Art trollen möchte, nur der Hinweis: ich wollte hier im Forum eigentlich eine andere Frage loswerden, da ich mich aktuell allerdings sehr mit dem Thema Pseudepigraphie im Christentum beschäftige kam ich nicht umher hier kurz anzuhalten.
Ich würde auf die Frage des TE, sofern ich ihn richtig verstand, knapp mit einem "
Ja" antworten in der Hinsicht, dass die Bibel über den Lauf der Zeit verfälscht, d.h. manipuliert bzw. abegeändert wurde, wenn man den Begriff Manipulation nicht mag - obwohl es ja genau dies ist. Unter Pseudepigraphie versteht man - bzw. ich, so wie ich es verstand - das Verfassen eines Textes unter falschem Pseudonym. Das heißt, man verfasst einen Text und publiziert diesem unter einem anderen Namen, die Gründe dafür können divers sein: man möchte eine kritische Schrift nicht mit echten Namen kennzeichnen, um Gefahren zu entgehen, oder man möchte die dem eigenen Standpunkt Nachdruck verleihen indem man
großen Männern Worte in den Mund legt, um sich dann auf sie berufen zu können. Gleichermaßen zählt zur Pseudepigraphie - und das ist wohl häufiger der Fall - die Interpolation von Texten, d.h. das Verändern von bestehenden Texten indem man Worte verändert, Zufügungen vornimmt, Worte streicht, u.ä. Dies ist für die antike Zeit, in welcher das Christentum ja aufkam, nicht ungewöhnlich - etwa die
Epidemien von Hippokrates wurden zu einem Teil von ihm, zu einem Teil von seinem Sohn Thessalus verfasst, alle allerdings, unter dem Namen Hippokrates obwohl ein Teil der Texte aus vom Sohn stammt, auch wenn dieser angab, im Sinne seines Vaters zu schreiben. Gleichermaßen mussten sich auch größere Persönlichkeiten wie Cicero und Co damit rumschlagen, dass andere Personen Texte unter deren Namen verfassten, z.B. um eine Meinung populär zu machen oder politische Gegner in Verruf zu bringen.
Pseudepigraphie würde ich als eine Form der literarischen Fälschung betrachten, auch wenn sie nicht immer - wohl aber oft - mit bewusster Fälschungsabsicht vorgenommen wurde. Im Mittelalter ist das Thema ja völlig präsent, denn der Klerus hat einerseits quasi das Schriftmonopol inne, gleichzeitig erleben Fälschungen eine Hochzeit; gibt nicht wenige Historiker die salopp sagen, dass jede zweite Handschrift aus dem frühen Mittelalter eine Fälschung ist, Pseudoisidor und Konstantinische Schenkung mal in den Raum geworfen.
Um allerdings auf die Bibel zurückzukommen, ist vertritt die historisch-kritische Bibelforschung da eine recht klare Position: die Bibel enthält pseudepigraphische Bestandteile. Tatsächlich: extrem viele. Der Hebräerbrief, der in der Bibel unter dem Namen
Paulus angegeben ist, wurde seinerzeit von Tertullian und Origines als Fälschung bezeichnet da beide ihm nicht Paulus zuschrieben. Über Pseudepigraphie schreibt u.a. auch Augustin in
De consensu evangelistarum. Im
canon Muratori etwa kann man nachlesen, "
Es läut auch [ein Brief] an die Laodicener, ein anderer an die Alexandriner um, auf des Paulus Namen gefälscht für die Sekte des Marcion, und anderes mehr, was nicht in die katholische Kirche aufgenommen werden kann; denn Galle mit Honig zu mischen, geht nicht. Ferner". Über die Petrusbriefe - ebenfalls Bestandteil des Bibelkanons - schrieb Eusebius in der
Historiae ecclesiastica, "
Von Petrus wird ein Brief, der sogenannte erste, allgemein anerkannt. Ihn haben schon die alten Kirchenlehrer als unwidersprochen echt in ihren Schriften verwertet. Bezüglich des sogenannten zweiten Petrusbriefes wurden wir zwar belehrt, dass er nicht zur Bibel gehöre; doch erschien er vielen als lehrreich, so dass sie ihn den anderen Schriften gleichschätzen".
Über den 2. Petrusbrief sagt Eusebius also recht eindeutig: er ist Fiktion, kurz, eine literarische Fälschung die lediglich den Namen Petrus trägt aber gemäß seiner Auffassung nicht von ihm stammt. Dies waren jetzt nur Auszüge. Innerhalb der Evangelien selbst, wurden gleichermaßen diverse Passagen ausfindig gemacht, die als pseudepigraphisch, d.h. nachträglich editiert, gelten. Als Beispiel führe ich mal die, leider, sehr wirkungsmächtige Stelle Mat 28, 19 an, in dem Jesus den Auftrag zur Mission erteilt und der leider durch die Zeit hinweg als Legitimation aufgefasst wurde, um nicht-christlichen Völkern den
wahren Glauben nahezubringen - das Resultat ist wohlbekannt. In diesem Abschnitt steht geschrieben, "
Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, [...]". Die Stelle ist sehr eigentümlich, aus folgenden Grund: sie enthält einen direkten Verweis auf die Trinitätslehre. Es ist die Rede vom Vater, vom Sohn und vom heiligen Geist, allerdings muss man anmerken, dass die Trinitätslehre eine spätere Entwicklung - man mag auch sagen: Erfindung. Soweit mein Kenntnissstand, gab es zur Anfangszeit des Christentums keine Vorstellung einer Trinität und es ist bezeichnend, dass dieser Ausdruck von Vater, Sohn und Heiligem Geist im Neuen Testament in der Form im NT genau einmal auftaucht - ganz zum Schluss des MT-Evangeliums. Alle anderen Berichte über die Taufe in der Bibel, verwenden diese Formel
nicht sondern es wird i.d.R. auf den Namen des Herren odes Jesu getauft, aber nicht in der dreifaltigen Formel. Gleichermaßen taucht diese Formel auch in der Rezeption zeitgenössischer Kirchenlehrer der Zeit nicht auf; bei Eusebius von Cäsarea, der selber Vertreter der Trinitätslehre war, findet sich eine derartige Lesung der genannten MT-Passage nicht; nach dem Konzil von Nicäa, in dem es u.a. um die Trinität ging, taucht diese Lesung wiederum gelegentlich bei ihm auf.
Ich las nunmehr bereits an diversen Stellen, dass diese sehr wichtige MT-Passage als Pseudepigraphie angesehen wird die erst nachträglich eingefügt wurde. Abgesehen davon, gibt es ja diverse Bibelhandschriften sowohl in lateinische als auch altgriechischer Sprache und, nun, in einem Vergleich traten z.T. sehr krasse Unterschiede zu Tage - was nicht überraschend ist.
Da man Bücher schlecht verlinken kann, würde ich nur die beiden Links u.a. empfehlen:
Bibelwissenschaft.de
Uni Leipzig
Als Buch ist ansonsten sicherlich
Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum von A. Baum ziemlich gut. Um eine abschließende Antwort zu geben: Ja, ich erachte die Bibel wie sie heute vorliegt, von Theologen, Exegeten, Apologten, Pfaffen, Gläubigen und Co vorliegt für manipuliert. Schon über die Genese der synoptischen Schriften - Markus, Matthäus und Lukas - gibt es kaum verlässliches Material außer, dass Markus als ältester Evangelist auch auf Hörensagen angewiesen war und schon Kirchenlehrer, kurze Zeit später, beklagten sich über die umlaufenden Fälschungen von denen sich heute nachweislich diverse in der Bibel gehalten haben. Die MT-Passage um die Trinität erachte ich als pseudepigraph, kurz: ich halte diverse Bestandteile der Bibel, so wie wir sie heute vorliegen haben, für bewusst manipuliert.
Auch wenn das anachronistisch gedacht ist, finde ich allerdings, passt es sehr gut: spätetens ab dem Frühmittelalter gehörte das Fälschen ja quasi mit zum Handwerk des Klerus. Dass dabei auch die eigene Heilige Schrift z.T. stark pseudepigraphisch geprägt ist - und ich beziehe mich dabei lediglich auf das NT - kann man wohl als eine Art vorträgliche Trockenübung auffassen. Die Vorstellung, dass ein Buch - eher: Kanon - mit einer derartig komplizierten Entstehungsgeschichte im Verlauf dieser Geschichte manipuliert werden soll, finde ich, wohl im Gegensatz zum TE, völlig nachvollziehbar.
Dass vor allem zu Anfangszeit des Christentums auch u.a. byzantinische Kaiser einen starken Einfluss auf die dogmatische Entwicklung hatten, ist wohl unbestreitbar: Justinian etwa, hat sich ja extra eingemischt, und es waren ja auch die Kaiser welche überhaupt Konzilien einberiefen. In die Bibel ist davon m.A.n. nichts eingeflossen; zumindest nicht durch die späteren Konzilien, die MT-Passage, als Beispiel wie gesagt, legt allerdings eine spätere Manipulation nahe. Sehr wohl aber sind Eingriffe der weltlichen Herrscher in die Tradition, die sich Katholisch nennt, eingeflossen und bis heute wirkmächtig. Dass die Bibel allerdings manipuliert wurde um die Menschen von der
Wahrheit abzulenken denke ich nicht; selbst uneditiert ist die Bibel nach wie vor eine Heilige Schrift unter vielen. Die Bibel enthält nicht mehr und nicht weniger Wahrheit als das Enûma elis, das Kojiki, die Edda, der Koran oder die diversen Erzählungen über Mithras, Dyionisos und Co.