Kriegsverbrechen an der Westfront im WK2

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Das ist Dein Diskussionsstil. Und folgende Passage hast Du in Deinem Beitrag # 72 u.a von Cartier abgetippt:

Frage: Haben die Franzosen diese Bedingung erfüllt?
Antwort: Nein!
Folge: sie wurden nicht aus ihren Verpflichtungen entlassen
Eigentlich ganz einfach zu verstehen, es sei denn, man will unbedingt an Legenden festhalten ... unter Berufung auf Cartier versteht sich...

Wie einfach die Welt immer gleich wird, wenn man nur ein bißchen was weglässt, am besten das, was Gandolfens These widerspricht.

Das habe ich tatsächlich abgetippt.:
Da steht z. b. aaO Seite 181 "Reynaud teilte den kosternierten Ministern anschließend die negative Antwort Roosevelts mit, sowie die Haltung der britischen Regierung, die Worte Churchills, welche die Franzosen als eine Zustimmung zu einem Separat-Waffenstillstand aufgefasst hätten, nicht zu ratifizieren. Renaud fügte noch hinzu, er habe den englischen Premier zu einer klärenden Aussprache für den gleichen Tag nach Nantes gebeten.
Die Ereignisse überstürtzten sich. Campell (britischer Botschafter Repo) erschien wieder auf der Präfektur (dort tagte z. d. Zeit das franz. Kabinett, Repo) und teilte mit, er sei soeben telefonisch von einer neuen Haltung der englischen Regierung informiert worden:
England sei damit einverstanden, dass Frankreich um Bekanntgabe der Waffenstillstandsbedingungen ersuche, unter der Bedingung, dass die französische Flotte sich nach englischen Häfen begebe und während der Dauer der Verhandlungen dort bleibe. Den genauen Text dieser englischen Zustimmung brachte der Gesandte kurz darauf. Einige Minuten vor 16 Uhr erschien er dann zum drittenmal, um den Ministerpräsidenten (Reynaud, Repo) von einem neuerlichen Funkspruch in Kenntnis zu setzen, demzufolge er die Rückgabe des Reynaud bei seinem zweiten Besuch ausgehändigten Textes verlangen müsse. Gründe für dieses seltsame Verlangen konnte er nicht angeben.
Campell befand sich noch bei Paul Reynaud, als dieser von London angerufen wurde. Es war de Gaulle...." Zitatende

De Gaulle kam dann mit dem Plan der Fusion Frankreich/England,

Hervorgehoben sind die Teile, die Gandolf weggelassen hat, da sie seiner These zuwiderlaufen.

Grüße Repo
 
Nach neuerer Völkerrechtsauffassung ist die gezielte Tötung von Zivilisten durch kriegerische Handlung ein Kriegsverbrechen. Im zweiten Weltkrieg war nach meiner Auffassung für die am Luftkrieg über Europa beteiligten Staaten die Haager Landkriegsordnung als völkerrechtliche Grundlage maßgebend. Art. 25 dieser Ordnung verbietet Angriffe auf unverteidigte Städte und Ortschaften. Luftangriffe waren zwar nicht ausdrücklich Gegenstand dieser Regelung, sind aber darunter zu fassen. Die Verwendung der Einschränkung "unverteidigt" dürfte Luftangriffe auf Städte dann rechtfertigen, wenn sie sich in einer Bodenkampfzone befinden und dort Truppen zur Verteidigung liegen. In der Stadt befindliche Flugabwehr läßt sie meines Wissens nicht zu einer verteidigten Stadt werden. Ich halte daher das sog. moral bombing der Briten für kriegsverbrecherisch. Die deutschen Luftangriffe auf britische Städte ebenso.
Daraus könnte sich eine interessante Diskussion ergeben. Meine Bitte an Dich: erstelle zu diesem Thema einen speziellen Strang (War der Luftkrieg im WK2 ein Kriegsverbrechen? oder so ähnlich). Dieser Strang hier hat sich zu einem Flottenangriffs-Strang entwickelt.;)
Zu der weiter oben recht hitzig geführten Diskussion über die Einordnung des Unternehmens Catapult möchte ich beisteuern, daß ich das Ersuchen Frankreichs um Waffenstillstand zwar als Verstoß gegen die mit Großbritannien getroffene Bündnisvereinbarung ansehe, daraus aber kein Recht der Briten herleiten kann, französische Schiffe anzugreifen. Frankreich hat mit Abschluß des Waffenstillstandsabkommens nicht etwa die Seiten gewechselt, sondern ist aus dem Kriege ausgeschieden. Eine Notwehrlage als Rechtfertigung ist nicht zu erkennen. Allenfalls "Putativnotwehr", wenn die Briten irrig davon ausgingen, daß die französischen Schiffe gegen sie eingesetzt werden würden und diese Gefahr nicht anders abzuwenden sei.
Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund. Bevor man über das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes nachdenkt, muss man zunächst ein Handlungsverbot finden, gegen das die Briten mit ihrem Angriff auf die französische Flotte verstoßen haben sollen.

Somit wären wir wieder bei der Frage angekommen, wie der Kriegsächtungspakt (1928) auszulegen war.
hrubesch schrieb:
Bleibt aber die Frage, ob der Angriff als Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt von 1928 anzusehen ist. Gandolf stellte in Beitrag 18 die enge und die weite Auslegung des Pakts vor und ergänzte in Beitrag 40 zur weiten Auslegung wie folgt: "Wer den Pakt in den 30er Jahren weit auslegte und durch ihn auch ein allgemeines Gewaltanwendungsverbot begründet sah - international betrachtet setzte sich diese Auffassung unter den Völkerrechtlern in den 30er Jahren durch - kam eben auch zu sehr weitgehenden Schlussfolgerungen. Die vertragswidrige Waffenstreckung Frankreichs und die Verbringung der eigenen Flotte in von Deutschland kontrollierte Häfen (allein gegen ein "feierliches Versprechen" der deutschen Regierung die französische Flotte nicht für die eigene Kriegsführung zu nutzen) begünstigte den deutschen Paktbrecher. Demzufolge verlor Frankreich seinen Schutz vor Gewaltanwendung – in Bezug auf diese Unterstützungshandlung."
Diese Auslegung und die daraus gezogenen Schlüsse halte ich für zu weitgehend. In der Präambel des Pakts heißt es dazu auszugsweise: ... daß jede Signatarmacht, die in Zukunft danach strebt, ihre nationalen Interessen dadurch zu fördern, daß sie zum Kriege schreitet, dadurch der Vorteile, die dieser Vertrag gewährt, verlustig erklärt werden sollte ... Frankreich hat durch seine Waffenstreckung seine Bündnisverpflichtung gegenüber Großbritannien verletzt, ist aber nicht zum Kriege geschritten.
Wenn Du der Auffassung bist, dass unter einem „Krieg“ im Sinne des Kriegsächtungspaktes nur der klassische Krieg zu verstehen ist, musst Du diese Sichtweise logischerweise nicht nur bei der Präambel sondern auch beim Kriegsverbot des Art. I anwenden. Es liegt somit in der Konsequenz Deiner Betrachtungsweise,
- dass Art. I nur den klassischen Krieg, nicht aber die Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines solchen Krieges verbot;
- der britische Angriff auf die französische Flotte nicht gegen den Kriegsächtungspakt verstieß, da er unterhalb der Schwelle eines klassischen Krieges blieb und
- dass die Briten für ihren Angriff auch keinen Rechtfertigungsgrund benötigten.
Mehr als 1300 Menschen haben durch diesen Angriff ihr Leben verloren. Keiner der Getöteten hat an einem gegenwärtigen oder bevorstehenden Angriff auf das oder Einheiten des britischen Empire mitgewirkt. Großbritannien hat durch diese Aktion zumindest gegen seine Verpflichtung aus Art. 2 des Kriegsächtungspakts verstoßen, seine Anliegen nicht mit Gewalt durchzusetzen. Niemals anders, als durch friedliche Mittel, heißt es dort.
Vorsicht vor Tautologien!

"Friedliche Mittel" (Art. II) bedeutet nichts anderes als das Gegenteil von "Krieg" (Artikel I). Anders ausgedrückt: Wenn man unter Krieg im Sinne des Kriegsächtungspaktes nur den klassischen Krieg verstand, war die Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines solchen Krieges noch ein „friedliches Mittel“.
hrubesch schrieb:
Ist aber die befürchtete Unterstützung des DR durch die mögliche Übergabe der frz. Flotte ein Schreiten zum Kriege im Sinne der Präambel oder eine Gewaltanwendung im Sinne des Art. II des Kriegsächtungspakts? Wenn dies so wäre, hätten die Alliierten Schweden wegen seiner für das DR unentbehrlichen Erzlieferungen angreifen dürfen, ohne daß man ihnen einen Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt hätte vorwerfen können. Oder die Schweiz wegen ihrer Devisengeschäfte mit dem DR. Mit meinem Rechtsempfinden ist das nicht zu vereinbaren.
Mit meinem Rechtsempfinden ist dieser Vergleich von Äpfel mit Birnen auch nicht zu vereinbaren:


Schweden und die Schweiz verhielten sich im Rahmen ihres Neutralitätsrechts. Schweden war prinzipiell bereit, auch den Engländern Eisenerz zu verkaufen und die Schweiz war ebenfalls prinzipiell bereit, auch für die Engländer Devisengeschäfte durchzuführen. Dass es hierzu nicht kam, lag an der geografischen Lage dieser Länder und nicht an einer bewussten Entscheidung der schweizerischen oder schwedischen Regierung. Für ihre geografische Lage sind diese Länder aber nicht verantwortlich zu machen.

Bei Frankreich war das völlig anders: Frankreich war aufgrund seiner übernommenen Bündnisverpflichtungen verpflichtet, gegen das Deutsche Reich weiterzukämpfen; ggf. von seinen Kolonien aus. Gegen diese Verpflichtung hat es durch den Waffenstillstandsvertrag (1940) verstoßen. Zudem hat es im Waffenstillstandsvertrag einem Mechanismus zugestimmt, DEMzufolge die französische Flotte unter deutscher Kontrolle geraten sollte (sei es in "unter deutscher Kontrolle stehenden Häfen" oder in sonstigen Häfen zum Zwecke der Demobilisierung "unter deutscher oder italienischer Kontrolle"). Auch die Entlassung der deutschen Piloten aus der Kriegsgefangenschaft, die auf Grund einer mit MP Reynaud getroffenen Abrede eigentlich vor dem Waffenstillstandsvertrag noch nach England verbracht werden sollten, und die nach ihrer Entlassung England bombardierten, war eine schwere Verletzung der Bündnispflichten. Frankreich, das sich gar nicht „neutral“ verhalten durfte, unterstützte also in rechtswidriger Art und Weise das Deutsche Reich und zwar im zentralen Bereich der militärischen Gewaltmittel.
hrubesch schrieb:
Falls sich außer mir für diese Frage noch jemand interessiert, wäre eine Quellenangabe betreffend die weite Auslegung des Kriegsächtungspakts und deren Durchsetzung unter den Völkerrechtlern sicher weiterführend.
Eine Quelle habe ich ja bereits genannt: die Übereinkunft der International Law Association auf ihrer Konferenz in Budapest vom 10.9.1934 zur Interpretation des Kriegsächtungspaktes; zu finden bei Wilhelm G. Grewe, Fontes Historiae Iris Gentium, Band 3/2 (1815-1945), S. 967 f.
Du, Gandolf, erweckst bei mir den Eindruck, daß Du das Völkerrecht zugunsten einer Rechtfertigung der britischen Aktion zu beugen versuchst, weil es einem genehmen Kriegsausgang nützlich ist. Ich halte das für falsch und für brandgefährlich, weil es Präventivaktionen nach Gutdünken rechtfertigt. Schau Dir den amerikanischen Angriff auf den Irak an.
Es ist schade, dass Du nun auf die Ebene persönlicher Vorwürfe wechselst. Eigentlich sollte es in diesem Forum doch möglich sein, über die damaligen Rechtsvorstellungen und deren Entwicklungen zu diskutieren, ohne dass man sich hierbei bestimmte Motive unterstellen lassen muss.:(
Ferner trifft der von Dir hergestellte Zusammenhang zum Irakkrieg (ab 2003) nicht zu. Spätestens seit der UN-Charta ist es um die Rechtmäßigkeit der „präventiven Selbstverteidigung“ schlecht bestellt. Nach Art. 51 der Charta setzt das Recht auf Selbstverteidigung einen „bewaffneten Angriff“ voraus. Doch die UN-Charta trat ja erst 1945 in Kraft; inklusive dem in Art. 2 Nr. 4 dieser Charta enthaltenen unfassenden Gewaltanwendungsverbot. Hier geht es aber um die Rechtslage VOR dem Inkrafttreten der UN-Charta.
Macht oder Recht, die Operation Catapult ist ein Musterbeispiel dafür, daß dem Sieger diese Frage nicht gestellt wird. Es waren Zweckmäßigkeitserwägungen, die die Briten zu diesem Unternehmen bewogen haben. Hätten völkerrechtliche Erwägungen eine Rolle gespielt, hätte Churchill diese in seinen Erinnerungen zur Rechtfertigung vorgetragen. Keine Rede ist dort davon. Stattdessen bemüht er moralische Ansätze, indem er das Verhalten der Eltern eines getöteten französischen Matrosen hervorhebt, die darum baten, dem Sarg ihres Sohnes neben der französischen auch die britische Flagge beizulegen.
Auch zweckmäßige Entscheidungen können völkerrechtmässig sein.
Übrigens ging Churchill in seiner Unterhausrede zum Schicksal der französischen Flotte vom 4. 7. 1940 auf die Rechtsverletzungen der Bordeaux-Regierung ein, die tödliche Gefahr, die von diesen Verletzungen für Großbritannien drohte, die abgelehnten britischen Vorschläge und die sich hieraus ergebende unausweichliche Notwendigkeit die französische Flotte auszuschalten. Die Rede findet man bei Michaelis/Schraepler, Ursachen und Folgen, 15. Band, Dok.-Nr. 3016 b, S. 365 f.
hrubesch schrieb:
Macht oder Recht, die Operation Catapult ist ein Musterbeispiel dafür, daß dem Sieger diese Frage nicht gestellt wird. (...) Die Lehre aus Nürnberg ist nicht, daß man einen Krieg nicht beginnen darf, sie ist, daß man einen Krieg nicht verlieren darf, sagte mir nach drei Halben ein befreundeter Völkerrechtler.
Aus der Sicht eines Machtmenschen mag diese Einschätzung richtig sein. Wer aber die Wichtigkeit der Kulturleistung Recht erkannt hat, wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass deutsche Kriegsverbrecher in Nürnberg gerichtet wurden.
 
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Wie einfach die Welt immer gleich wird, wenn man nur ein bißchen was weglässt, am besten das, was Gandolfens These widerspricht.
Das habe ich tatsächlich abgetippt.:
Da steht z. b. aaO Seite 181 "Reynaud teilte den kosternierten Ministern anschließend die negative Antwort Roosevelts mit, sowie die Haltung der britischen Regierung, die Worte Churchills, welche die Franzosen als eine Zustimmung zu einem Separat-Waffenstillstand aufgefasst hätten, nicht zu ratifizieren. Renaud fügte noch hinzu, er habe den englischen Premier zu einer klärenden Aussprache für den gleichen Tag nach Nantes gebeten.
Die Ereignisse überstürtzten sich. Campell (britischer Botschafter Repo) erschien wieder auf der Präfektur (dort tagte z. d. Zeit das franz. Kabinett, Repo) und teilte mit, er sei soeben telefonisch von einer neuen Haltung der englischen Regierung informiert worden: England sei damit einverstanden, dass Frankreich um Bekanntgabe der Waffenstillstandsbedingungen ersuche, unter der Bedingung, dass die französische Flotte sich nach englischen Häfen begebe und während der Dauer der Verhandlungen dort bleibe. Den genauen Text dieser englischen Zustimmung brachte der Gesandte kurz darauf. Einige Minuten vor 16 Uhr erschien er dann zum drittenmal, um den Ministerpräsidenten (Reynaud, Repo) von einem neuerlichen Funkspruch in Kenntnis zu setzen, demzufolge er die Rückgabe des Reynaud bei seinem zweiten Besuch ausgehändigten Textes verlangen müsse. Gründe für dieses seltsame Verlangen konnte er nicht angeben.
Campell befand sich noch bei Paul Reynaud, als dieser von London angerufen wurde. Es war de Gaulle...." Zitatende
Hervorgehoben sind die Teile, die Gandolf weggelassen hat, da sie seiner These zuwiderlaufen.
Mir war schon klar, dass Du nun wieder das "ganze Zitat" posten wirst.

Doch steht Dein Zitat von Cartier tatsächlich der These entgegen, dass die Franzosen nicht aus ihren Bündnisverpflichtungen entlassen wurden?????

Cartier bringt auf der S. 181 zum Ausdruck, dass die Franzosen bestimmte Worte von Churchill als Entlassung aus den Bündnisverpflichungen "aufgefasst hatten". Er schreibt nicht, dass Churchill die Franzosen wirklich aus seinen Verpflichtungen entliess. Auf S. 170 hat Cartier diese Worte auch zitiert: "Allerdings könne keine Rede davon sein, Frankreich aus dem am 28. März geschlossenen Vertrag zu entlassen". Ziemlich eindeutig, oder?

Ferner wird aus dem Text von Cartier deutlich, dass sich die Briten weigerten, die angebliche Entlassung aus den Bündnisverpflichtungen "zu ratifizieren". Unter Ratifikation versteht man - das habe ich Dir schon ein paar dutzendmal erklärt, jenen Vorgang mit dem den Erklärungen von Regierungen die völkerrechtliche Wirksamkeit gegeben wird. Ohne Ratifikation handelt es sich nur um unverbindliche Absichtsrklärungen. Wenn also Cartier schreibt, dass die angebliche Entlassung nicht ratifiziert wurde, heisst dies, dass es zu keiner wirksamen Entlassung kam. Auch diese Schlussfolgerung ist zwingend.

Desweiteren wird aus Deinem Zitat deutlich, dass Churchill zu einer klärenden Aussprache nach Nantes gebeten wurde. Von dieser sollte also die Entlassung aus den Bündnisverpflichtungen - auch aus französischer Sicht - abhängen. Doch zu dieser Aussprache kam es nicht, so dass auch diesbezüglich von einer Entlassung aus den Bündnisverpflichtungen keine Rede sein kann. Auch diese Schlussfolgerung ist zwingend.

Schließlich berichtet Cartie von einer "neuen" Haltung der britischen Regierung. Diese sei nun mit der Entlassung Frankreichs aus den Bündnisverpflichtungen einverstanden, wenn die französische Flotte - für die Dauer der Verhandlungen - nach Frankreich verbracht würde. Doch diese Bedingung wurde bekanntlich nicht erfüllt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt von einer wirksamen Entlassung aus den Bündnisverpflichtungen keine Rede sein kann.

Wo ist also der angebliche Widerspruch zu der These, dass die Franzosen nicht aus ihren Bündnisverpflichtungen entlassen wurden???

Antwort: den gibt es gar nicht!
 
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Vorsicht vor Tautologien!

"Friedliche Mittel" (Art. II) bedeutet nichts anderes als das Gegenteil von "Krieg" (Artikel I). Anders ausgedrückt: Wenn man unter Krieg im Sinne des Kriegsächtungspaktes nur den klassischen Krieg verstand, war die Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines solchen Krieges noch ein „friedliches Mittel“.

Abgesehen davon, daß es auch mir Mühe bereitet, einen militärischen Schlag als "friedliches Mittel" zu klassifizieren, möchte ich doch die Frage stellen, worin dem Kriegsächtungspakt zufolge der Unterschied zwischen einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Staaten und einem "klassichen Krieg" gelegen hat.
 
Abgesehen davon, daß es auch mir Mühe bereitet, einen militärischen Schlag als "friedliches Mittel" zu klassifizieren, möchte ich doch die Frage stellen, worin dem Kriegsächtungspakt zufolge der Unterschied zwischen einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Staaten und einem "klassichen Krieg" gelegen hat.
Das Völkerrecht kennt nur den Rechtszustand des Krieges ODER den des Friedens. Beide Rechtszustände können nicht zugleich vorliegen und an beide Zustände knüpfen sich unterschiedliche Folgen (Friedensrecht oder Kriegsrecht). Folge: alles was nicht "Krieg" ist, gehört zum Frieden.

Doch was ist "Krieg"? Das war bis 1945 die schwarze Katze im Sack der Völkerrechtswisenschaft. Wer hineinschaute, holte sich Blessuren. Wer darüber berichtet vermutlich immer noch. Ich versuche mal "holzschnittartig" die wichtigsten Entwicklungen wiederzugeben:

Die Zeit des klassischen Völkerrechts (vor 1914) kannte nur wenige Einschränkungen für den Weg zum Krieg. Infolgedessen hatte man in dieser Epoche eigentlich auch nur wenig Interesse an der Herausbildung eines rechtlichen Kriegsbegriffs.

Aber man hatte das Interesse Gewaltmassnahmen als nichtkriegerische Massnahmen zu bezeichnen, um der rechtlichen Konseqeunz zu entgehen, sich in einem Kriegszustand zu befinden. Diese Praxis fand allseits Anerkennung und verbreitete sich. So existierten kriegsähnliche Gewaltmassnahmen, die dem Friedensbereich zugeordnet wurden, wie z.B. die bewaffnete Intervention, die "friedliche" Blockade oder die militärische "Friedens"-Repressalie. Dies hatte zum Teil absurde Konsequenzen: so wurde auf "friedliche" Gewaltmassnahmen das Recht, mit dem die Art und Weise der Kriegsführung eingeschränkt werden sollte, nicht angewendet, mit der messerscharfen Begründung "kein Krieg", und der Folge, dass "friedliche" Gewaltmassnahmen härter (!) ausfallen duften als Kriegshandlungen.

Nach dem ersten Weltkrieg strebte man einer "besseren Zeit" zu, in der dem Weg zum Krieg mehr Fesseln angelegt werden sollten. Dieser Weg begann mit den zaghaften Kriegsverboten der Völkerbundsatzung (1919), führte über den Kriegsächtungspakt (1928) und endete 1945 im umfassenden Gewaltanwendungsverbot der UN-Charta.

Allerdings tat man sich anfänglich noch sehr schwer mit der Vorstellung, keine Gewalt mehr anwenden zu dürfen, um "berechtigte" völkerrechtliche Ansprüche durchsetzen zu dürfen. Wie sollten solche Ansprüche noch durchgesetzt werden, wenn nicht mit Gewalt? Was war das Völkerrecht noch wert, wenn es nicht notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt werden konnte. War solche Gewalt schon "Krieg"?

1923 ereignete sich der Korfu-Fall. Zur Festlegung der albanisch-griechischen Grenze entsandte die Pariser Botschafterkonferenz eine Kommission in das Grenzgebiet. Am 27.8.1923 wurde ein italienisches Kommissionsmitglied auf griechischem Gebiet in einem Hinterhalt getötet. Italien bezichtigte eine griechische Bande, die Griechen die Albaner. Es kam zum Streit zwischen Italien und Griechenland über die Verantwortung des griechischen Staates für die Tötung des italienischen Kommissionsmitglieds. Um seine Ansprüche auf Wiedergutmachung durchzusetzen, besetzte daraufhin Italien die Insel Korfu. Nun musste sich der Völkerbund mit der Frage beschäftigen, ob Italien entgegen den Einschränkungen der Völkerbundsatzung zum Krieg geschritten war. Dieser setzte zur Klärung dieser Rechtsfrage einen Juristenausschuss ein. Der Ausschuss kam zur Erkenntnis, dass es Zwangsmassnahmen gebe, die keine kriegerischen Akte seien. Über die Vereinbarkeit dieser Massnahmen mit der Völkerbundsatzung müsse der Rat im Einzelfall entscheiden.

Vor diesem Hintergrund entstand 1928 der Kriegsgächtungspakt. Der Kriegsbegriff war im Völkerrecht bis dahin nicht verbindlich definiert und auch im Pakt definierte man den Krieg bewusst nicht. Man hatte Angst vor Umgehungen, die dem Angegriffenen das Selbstverteidigungsrecht abschnitten. Man wollte sich aber auch die Möglichkeit offenhalten, wie Italien 1923 Gewalt anzuwenden, um "berechtigte" Ansprüche durchzusetzen, ohne sich deshalb schon im "Krieg" zu befinden. Ich meine mich daran erinnern zu können, gelesen zu haben, dass bei den Verhandlungen ein Diplomat sagte: "Wir brauchen keinen Kriegsbegriff. Wenn es zum Krieg kommt, wird man diesen erkennen, so wie man einen Sandhaufen von einem Sandkorn unterscheiden kann".

Um Deine Frage zu beantworten: der Sandhaufen ist der "klassische Krieg", das Sandkorn die "Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines Krieges". Die Sandhaufen-Metapher macht deutlich, dass die Quantität der Gewaltanwendung eine Rolle spielte, aber auch die "Weltmeinung", die Einschätzung der Anderen.

Im Laufe der 30er Jahre erkannte man aber, dass mit dieser begrifflichen Schwäche des Paktes Schindluder getrieben wurde (Grenzkonflikte der SU in Asien, Mandschurei, Äthiopien). Allmählich bildete sich unter den Völkerrechtlern die Überzeugung heraus, dass das Kriegsverbot weit ausgelegt werden muss, um zu verhindern, dass der Sinn und Zweck des Pakt ausgehölt wird. Auf der von mir erwähnten Konferenz der ILA in Budapest interpretierte man den Kriegsächtungspakt nun dahingehend, dass die Unterzeichnerstaaten dort auf jede Waffengewalt verzichtet hätten. Unter einem Paktbruch verstand man bereits die Drohung mit Waffengewalt, aber eben auch die Hilfeleistung für einen paktbrüchigen Staat. Und es wurde für zulässig gehalten, dem angegriffenen Staat mit Waffengewalt zu unterstützen - gegenüber dem Paktbrecher.
 
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Es ist schade, dass Du nun auf die Ebene persönlicher Vorwürfe wechselst. Eigentlich sollte es in diesem Forum doch möglich sein, über die damaligen Rechtsvorstellungen und deren Entwicklungen zu diskutieren, ohne dass man sich hierbei bestimmte Motive unterstellen lassen muss.:(

Du hast recht, das war unangemessen und unnötig.
 
Völkerrecht Stand 1940 laut Kriegsächtungspakt von 1928. wie es hier definiert wird.
Übersetzt auf das tägliche Leben:

Mein Nachbar ist 20cm kleiner als ich und wird auch 20kg leichter sein. In seinem Garten stehen mehr Bäume als in meinem. Wenn ich jetzt das in meinem Garten zusammengerechte Laub in seinem Kompost entsorge (ist ja meistenteils von ihm) und er beklagt sich.
Wenn ich ihm dann eine aufs Maul gebe, und er rennt schimpfend weg. Dann habe ich eine zulässige Zwangsmaßnahme ergriffen, unterhalb der Schwelle einer Schlägerei, eines Krieges.

Wenn ich dasselbe bei meinem Nachbar auf der andere Seite meines Grundstücks mache, er ist eher größer als ich, und vermutlich auch schlagkräftiger, der wehrt sich und gibt mir gleich 2 aufs Maul.
Dann habe ich eine Schlägerei, sprich unzulässiger weise einen Krieg begonnen.

Habe ich das 1940 gültige Völkerrecht so richtig verstanden?

Grüße Repo
 
Nur ein kleiner moderativer Einwurf: Da geht jetzt aber bitte nicht die alte Fehde in die nächste Runde, oder?
Nein. Ich wende mich primär gegen Repos sinnlosen Vergleich ("Völkerrecht ... Übersetzt auf das alltägliche Leben"). Wenn er kein Interesse hat, sich für völkerrechtsgeschichtliche Probleme zu interessieren und ein dementsprechendes Verständnis für diese aufzubringen, muss er sich ja auch nicht, an einer solchen Diskussion beteiligen - oder sehe ich das falsch?
 
Repo: Hast Du jemals etwas richtig verstehen wollen???:pfeif:

Darf ich Deinen Worten entnehmen, dass ich das Völkerrecht des Jahres 1940 nicht verstanden habe?

Mal ohne Flachs:
Dass man aus politischen Gründen, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können usw. eine Sache meinetwegen so interpretieren kann und natürlich auch muss, um sie relativ problemlos beenden zu können, ist klar.

Der Korfu-Konflikt, der Duce kurz zuvor mit starken Worten an die Macht im schönen Italien gekommen, braucht einen außenpolitischen Erfolg. (innenpolitische gibt es nicht so wohlfeil)Da laufen ihm die armen Griechen voll ins Messer. Hypothetische Frage: Hätte sich der Duce dasselbe gegen Frankreich erlaubt? Luftangriff auf Bastia, Korsika besetzen .......... Nie und nimmer, derweil er "2 aufs Maul" bekommen hätte.

1940 die Briten mit Churchill an der Spitze usw. .... da laufen ihen die Franzosen voll ins Messer.

Recht aktuell noch, der Falklandkonflikt. Hätten sich die Gauchos das gegen die Amis erlaubt? Sie haben auch so eins aufs Maul bekommen, womit sie wohl eher nicht gerechnet haben. Aber gegen die Amis, nie und nimmer.

Das sind allesamt Aktionen die gestartet wurden um von anderen Problemen abzulenken. Nicht unbedingt honorige Gründe.

Ein anderer Punkt, das schon mal erwähnte Pearl Harbor, ohne die weiteren Aktionen gegen die Philippinen, Aleuten, usw. wären dafür auch Punkte zu finden gewesen, die die das Ganze als Gewaltaktion unterhalb der "Schwelle" geortet hätten?

Gewaltaktionen nichts anderes. Wenn der Gewalttäter gewinnt, ist alles OK, ein Held der "schlimme" Entscheidungen im Interesse des Vaterlandes und der Freiheit treffen "musste". Vielleicht spricht er den Witwen und Waisen noch sein Mitgefühl aus.
Wenn er verliert hängt man den Verbrecher auf. Warum hat er auch mit stärkeren angebunden?

Grüße Repo
 
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Daraus könnte sich eine interessante Diskussion ergeben. Meine Bitte an Dich: erstelle zu diesem Thema einen speziellen Strang (War der Luftkrieg im WK2 ein Kriegsverbrechen? oder so ähnlich). Dieser Strang hier hat sich zu einem Flottenangriffs-Strang entwickelt.;)

Könnte man gewiß in einem eigenen Strang behandeln. Hier bot sich die Strangeröffnung für mich nicht an, da ich mit meinem von Dir in Bezug genommenen Beitrag Nr. 81 auf AndreasKlammers Beitrag Nr. 79 geantwortet hatte.

Wenn Du der Auffassung bist, dass unter einem „Krieg“ im Sinne des Kriegsächtungspaktes nur der klassische Krieg zu verstehen ist, musst Du diese Sichtweise logischerweise nicht nur bei der Präambel sondern auch beim Kriegsverbot des Art. I anwenden. Es liegt somit in der Konsequenz Deiner Betrachtungsweise,
- dass Art. I nur den klassischen Krieg, nicht aber die Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines solchen Krieges verbot;
- der britische Angriff auf die französische Flotte nicht gegen den Kriegsächtungspakt verstieß, da er unterhalb der Schwelle eines klassischen Krieges blieb und
- dass die Briten für ihren Angriff auch keinen Rechtfertigungsgrund benötigten.

Wenn ich dieser engen Auffassung anhinge, hättest Du zweifellos recht. Ein einzelner Gewaltakt ist danach kein Krieg, ist mithin kein Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt und es bedarf keiner Rechtfertigungsdiskussion. Tatsächlich bin ich kein Anhänger der engen Auslegung. Zugegebenermaßen habe ich mich etwas mißverständlich ausgedrückt, als ich hierzu schrieb: "Diese Auslegung und die daraus gezogenen Schlüsse halte ich für zu weitgehend." Als zu weitgehend sehe ich lediglich die Schlußfolgerung an, daß es die weite Auslegung GB erlaubte, den frz. Flottenverband wegen einer nur befürchteten Übergabe an den Gegner zu beschießen. Die Subsumtion der einzelnen Gewaltanwendung unter den Kriegsbegriff halte ich dagegen nicht für zu weitgehend. Den letzten Absatz Deines Beitrags Nr. 105
"Im Laufe der 30er Jahre erkannte man aber, dass mit dieser begrifflichen Schwäche des Paktes Schindluder getrieben wurde (Grenzkonflikte der SU in Asien, Mandschurei, Äthiopien). Allmählich bildete sich unter den Völkerrechtlern die Überzeugung heraus, dass das Kriegsverbot weit ausgelegt werden muss, um zu verhindern, dass der Sinn und Zweck des Pakt ausgehölt wird. Auf der von mir erwähnten Konferenz der ILA in Budapest interpretierte man den Kriegsächtungspakt nun dahingehend, dass die Unterzeichnerstaaten dort auf jede Waffengewalt verzichtet hätten. Unter einem Paktbruch verstand man bereits die Drohung mit Waffengewalt, aber eben auch die Hilfeleistung für einen paktbrüchigen Staat. Und es wurde für zulässig gehalten, dem angegriffenen Staat mit Waffengewalt zu unterstützen - gegenüber dem Paktbrecher."
verstehe ich dahingehend, daß seit den 30ern die herrschende Meinung das Kriegsverbot als Gewaltverbot bzw. sogar als Gewaltandrohungsverbot auslegt - also sozusagen das Sandkorn mit dem Sandhaufen gleichsetzt.

Wenn dies nun richtig ist, muß man den Angriff der Briten doch grundsätzlich als Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt ansehen und anschließend prüfen, ob das Verhalten der Franzosen bereits die Erfüllung des Tatbestands ausschließt (kein Schutz durch den Pakt) oder die britische Handlung rechtfertigt.
Die bisherige Argumentation zum Wegfall des Schutzes überzeugt mich noch nicht, da der Bruch des Bündnisvertrages nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen den multilateralen Kriegsächtungspakt bedeutet. Der Kriegsächtungspakt besagt ja nicht, daß derjenige den Schutz verliert, der anderweitige Verträge nicht erfüllt. Schutzverlustig wird nach Vertragswortlaut derjenige, der zum Kriege schreitet. Falls jede erhebliche Unterstützung eines Paktbrechers ein "zum Kriege schreiten" bedeutet, liegen Äpfel (Frankreich) und Birnen (Schweden und Schweiz) doch wieder nahe beieinander, denn auf ein bilaterales Recht zur Neutralität oder eine bilaterale Pflicht zur Kriegführung kommt es nach meinem Verständnis des Kriegsächtungspakts nicht an.

Leider habe ich nicht die Möglichkeit, die von Dir angegebene Quellen zu studieren (Übereinkunft der International Law Association auf ihrer Konferenz in Budapest vom 10.9.1934 zur Interpretation des Kriegsächtungspaktes; zu finden bei Wilhelm G. Grewe, Fontes Historiae Iris Gentium, Band 3/2 (1815-1945), S. 967 f.). Das Werk liegt mir nicht vor und ich kann es mir nicht leisten, während der Arbeitszeit eine Bibliothek aufzusuchen. Nach weiteren Quellen hatte ich nur gefragt, weil 1934 ein Geschehen aus dem Jahre 1940 nicht Gegenstand der Abhandlung sein konnte. Falls Deine angegebene Quelle zum Thema "Unterstützung eines Paktbrechers durch Nichtkriegführende und Neutrale im Lichte des Schutzverlusts" näheres ausführt, wäre ich Dir für Zitate dankbar. Die Klärung dieser Frage scheint mir für die Beantwortung der Hauptfrage wesentlich zu sein.

Deiner folgend zitierten Schlußbemerkung stimme ich natürlich zu: "Wer aber die Wichtigkeit der Kulturleistung Recht erkannt hat, wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass deutsche Kriegsverbrecher in Nürnberg gerichtet wurden." Es ist ein völkerrechtlicher Meilenstein, daß in Nürnberg erstmals Kriegsverbrechen und im Namen eines Staates begangene Verbrechen im großen Maßstab zum Gegenstand gerichtlicher Verhandlung gemacht wurden. Eine universellere Leistung ohne jeden Beigeschmack im Sinne einer Siegerjustiz wäre es jedoch gewesen, über alle aufklärbaren Kriegsverbrechen zu richten, nicht nur über die von den Verlierern begangenen, und die Anklagevertretung, die Verfahrensordnungsgeber sowie die Richterschaft nicht nur aus Angehörigen der siegreichen Staaten zusammenzustellen.
 
Mal ohne Flachs:
Dass man aus politischen Gründen, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können usw. eine Sache meinetwegen so interpretieren kann und natürlich auch muss, um sie relativ problemlos beenden zu können, ist klar.
Hier triffst Du ins Schwarze. Die Möglichkeit der Gewaltanwendung unterhalb der Kriegsschwelle war auch eine Möglichkeit, den Konflikt zu begrenzen, soweit auch die andere Seite hieran interessiert war. Sie mag die Gewaltanwendung begünstigt haben. Sie hat aber auch verhindert, dass sich ein Konflikt dank "überlegener Diplomatie" zu einem unüberschaubaren Flächenbrand ausweitete.
repo schrieb:
Gewaltaktionen nichts anderes. Wenn der Gewalttäter gewinnt, ist alles OK, ein Held der "schlimme" Entscheidungen im Interesse des Vaterlandes und der Freiheit treffen "musste". Vielleicht spricht er den Witwen und Waisen noch sein Mitgefühl aus.
Wenn er verliert hängt man den Verbrecher auf. Warum hat er auch mit stärkeren angebunden?
Es mag zwar stimmen, dass verbrecherische Regierungen erst einmal besiegt werden müssen, damit man die einzelnen Mitglieder einer solchen Regierung als Kriegsverbrecher bestrafen kann. Es trifft aber nicht zu, dass ein Verlierer allein deshalb als Kriegsverbrecher bestraft werden würde, weil er den Krieg verloren hat. Die (redliche) Bestrafung als Kriegsverbrecher setzt voraus, dass der Angeklagte auch tatsächlich Kriegsverbrechen begangen hat.;)
 
Wenn ich dieser engen Auffassung anhinge, hättest Du zweifellos recht. Ein einzelner Gewaltakt ist danach kein Krieg, ist mithin kein Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt und es bedarf keiner Rechtfertigungsdiskussion. Tatsächlich bin ich kein Anhänger der engen Auslegung.

(...)
verstehe ich dahingehend, daß seit den 30ern die herrschende Meinung das Kriegsverbot als Gewaltverbot bzw. sogar als Gewaltandrohungsverbot auslegt - also sozusagen das Sandkorn mit dem Sandhaufen gleichsetzt.

Wenn dies nun richtig ist, muß man den Angriff der Briten doch grundsätzlich als Verstoß gegen den Kriegsächtungspakt ansehen ...
Das ist zu voreilig. Für die Feststellung des Völkerrechts ist nicht nur die Völkerrechtslehre von Bedeutung sondern auch die Auffassungen der Regierungen vom Völkerrecht und die ausgeübte Staatenpraxis. Zudem sind Vertragsbegriffe grundsätzlich im Lichte derjenigen Definition auszulegen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt, es sei denn, dass sich aus der nachfolgenden Praxis der Staaten etwas anderes ergibt.

Legt man den Kriegsbegriff des Kelloggpaktes nach der Definition aus, die im Zeitpunkt des Zustandekommens dieses Paktes 1928 galt, galt der "klassische Kriegsbegriff". Diesem Begriff zufolge blieb - siehe Korfu-Fall (1923) - ein Schlupfloch für die Anwendung von Gewalt unterhalb der Schwelle eines "klassischen Krieges".

Nun könnte man in den Beschlüssen der ILA (1934) ein Anzeichen dafür sehen, dass sich die allgemeine Rechtsüberzeugung bezüglich der Auslegung dieses Begriffes geändert hat, wofür ja auch einiges spricht. Aber diese geänderte Rechtsüberzeugung wurde von den Staaten - jedenfalls im Hinblick auf die Ausdehnung des Kriegsbegriffes - nicht anerkannt und kam auch nicht in einer entsprechenden veränderten Staatenpraxis zum Ausdruck.

Die ILA-Beschlüsse mögen somit eine neue Rechtsüberzeugung der Völkerrechtler ausdrücken, die in dieser Organisation zusammengeschlossen sind. Zu einer veränderten Staatenpraxis oder einer rechtlich verbindlich neuen Auslegung des Kelloggpaktes haben diese Beschlüsse im Hinblick auf die Ausweitung des Kriegsbegriffs nicht geführt. Die Frage des Gewaltverbotes blieb bis 1945 strittig. Erst in der UN-Charta wurde allgemeine Gewaltverbot wirksam begründet.
Falls jede erhebliche Unterstützung eines Paktbrechers ein "zum Kriege schreiten" bedeutet, liegen Äpfel (Frankreich) und Birnen (Schweden und Schweiz) doch wieder nahe beieinander, denn auf ein bilaterales Recht zur Neutralität oder eine bilaterale Pflicht zur Kriegführung kommt es nach meinem Verständnis des Kriegsächtungspakts nicht an.
Ein zentrales Argument der Kritiker der ILA-Beschlüsse lautete ja auch, dass bei einem derartigen Verständnis des Kelloggpaktes vom Neutralitätsrecht nicht mehr viel übrig bleiben würde. Aber das lag weniger an dem Problemkreis "Ausweitung des Kriegsbegriffes" als an den Schlussfolgerungen, die aus einem Paktbruch als Unrechtshandlung gezogen wurden: keine Anerkennung von Vorteilen, die aus einem Paktbruch resultieren (Stimson-Doktrin); keine Unterstützung eines Paktbrechers; keine Drohung mit einem Paktbruch; etc.

Nur am Rande zum Verhältnis "multilateraler" Pakt und "bilaterale" Bündnisverpflichtungen: Die Rechtsbeziehung zwischen England und Frankreich wurden durch beide Vereinbarungen geprägt. Demnach kann der französische Bündnisbruch auch als Unterstützung des deutschen Paktbrechers bewertet werden - mit den entsprechenden Weiterungen.

Off-Topic zur "bilateralen" Neutralität: Das Recht zur Neutralität war allseits gewohnheitsrechtlich anerkannt und wurde zudem durch 2 Haager Konventionen aus dem Jahr 1907 ergänzt. Die Schweiz wurde sogar durch die Schlussakte des Wiener Kongresses zur "immerwährenden Neutralität" verpflichtet.
Deiner folgend zitierten Schlußbemerkung stimme ich natürlich zu: "Wer aber die Wichtigkeit der Kulturleistung Recht erkannt hat, wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass deutsche Kriegsverbrecher in Nürnberg gerichtet wurden." Es ist ein völkerrechtlicher Meilenstein, daß in Nürnberg erstmals Kriegsverbrechen und im Namen eines Staates begangene Verbrechen im großen Maßstab zum Gegenstand gerichtlicher Verhandlung gemacht wurden.
Das sind wir uns einig.
Eine universellere Leistung ohne jeden Beigeschmack im Sinne einer Siegerjustiz wäre es jedoch gewesen, über alle aufklärbaren Kriegsverbrechen zu richten, nicht nur über die von den Verlierern begangenen, und die Anklagevertretung, die Verfahrensordnungsgeber sowie die Richterschaft nicht nur aus Angehörigen der siegreichen Staaten zusammenzustellen.O
Hier fällt mir spontan ein Ausspruch von Patton ein: Das Vollkommene ist der Feind des Guten!;)
 
Hier triffst Du ins Schwarze. Die Möglichkeit der Gewaltanwendung unterhalb der Kriegsschwelle war auch eine Möglichkeit, den Konflikt zu begrenzen, soweit auch die andere Seite hieran interessiert war. Sie mag die Gewaltanwendung begünstigt haben. Sie hat aber auch verhindert, dass sich ein Konflikt dank "überlegener Diplomatie" zu einem unüberschaubaren Flächenbrand ausweitete.
.;)

Schön, Sehr schön. .
Aber das Ergebnis ist eine Legitimierung des "Rechts des Stärkeren" Siehe exemplarisch der Korfu-Konflikt.
Anders herum, der Schwächere kann aus dem "Konflikt unterhalb der Schwelle eines Krieges", indem er sich wehrt, einen Krieg machen. Also das "Schlupfloch der Gewaltanwendung unterhalb eines Krieges" versperren. Der Gewaltanwender hätte also plötzlich einen Krieg begonnen, ohne es zu wollen. Er wollte doch nur Gewalt anwenden, doch keinen Krieg. Geht so was???????????
Hitler hat in solchen Fällen glaube ich von "Polizeiaktionen" gesprochen.

Weiter im Text, die Völkerbundssatzung verbietet eben die "Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines Krieges" sowohl das Königreich Italien als auch Hellas sind Unterzeichnerstaaten. Nur zum Beispiel. Mit umfangreichen Vorschriften, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.
Ergo: Das Völkerrecht hat sich durch den Kellogg-Pakt zum Schlechten verwandelt. Oder sehe ich das falsch?

Oder eben ein Versuch, das proklamierte Völkerrecht dem tatsächlich angewandten anzunähern?

Grüße Repo
 
Schön, Sehr schön. .
Aber das Ergebnis ist eine Legitimierung des "Rechts des Stärkeren" Siehe exemplarisch der Korfu-Konflikt.
Blleiben wir zunächst beim Korfu-Konflikt (1923). In der Sache selbst entschied die eingesetzte Juristenkommission zu Gunsten der Italiener. Die Griechen hatten es unterlassen, das italienische Kommissionsmitglied vor Anschlägen hinreichend zu schützen. Deshalb waren sie auch für dessen Tod verantwortlich. Diese Entscheidung gilt als historischer Meilenstein zum völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit. Insofern ist der Korfu-Konflikt ein Beispiel dafür, wie mit einer begrenzten Gewaltanwendung ein tatsächlich bestehender völkerrechtlicher Anspruch (hier auf Wiedergutmachung) durchgesetzt wurde. Auch "Stärkere" können im Rahmen des Rechts handeln.
repo schrieb:
Anders herum, der Schwächere kann aus dem "Konflikt unterhalb der Schwelle eines Krieges", indem er sich wehrt, einen Krieg machen. Also das "Schlupfloch der Gewaltanwendung unterhalb eines Krieges" versperren.
Gerade für den Schwächeren konnte es "besser" sein mit einer umfangmässig begrenzten friedlichen Zwangsmassnahme belegt zu werden als mit einem Krieg. Bei einer "begrenzten Aktion" ging es um einen bestimmten ihn gegenüber erhobenen Anspruch und nicht um das schicksalhafte Ringen zweier Staaten. Zudem konnte der "Schwächere" sich auch um die Unterstützung stärkerer "Dritter" bemühen, für die es ebenfalls einfacher war, sich in einen Streit einzumischen als in einen Krieg einzutreten. Kristallisierte sich heraus, dass Dritte sogar zur "ultima ratio" bereit waren, konnte es sich für den "Schwächeren" lohnen, den Spiess umzudrehen, Gegenforderungen zu erheben, Gegengewalt auszuüben oder der "rechtswidrigen Gewalt" sein "Selbstverteidigungsrecht" entgegenzusetzen. Schon die Aussicht einer solchen Entwicklung konnte sich auf den "Stärkeren" ernüchternd auswirken. Bei einem solchen "begrenzten Konlikt" wirkten also verschiedene Kräfte auf dessen Verlauf ein und der Schwächere konnte seine Schwäche mit Diplomatie ausgleichen, so dass sich am Ende ein Gleichgewicht einstellte, das zu einer friedlichen Lösung führte.
repo schrieb:
Der Gewaltanwender hätte also plötzlich einen Krieg begonnen, ohne es zu wollen. Er wollte doch nur Gewalt anwenden, doch keinen Krieg. Geht so was???????????
Das Gewaltopfer durfte von seinem "Selbstverteidigungsrecht" Gebrauch machen. Voraussetzung hierfür war, dass es zu einer unrechtmäßigen Gewaltanwendung gekommen war.
repo schrieb:
Weiter im Text, die Völkerbundssatzung verbietet eben die "Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines Krieges" sowohl das Königreich Italien als auch Hellas sind Unterzeichnerstaaten. Nur zum Beispiel. Mit umfangreichen Vorschriften, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.
Hier hilft ein Blick in die Völkerbundsatzung (1919).

Diese kannte etwas verklausulierte "Kriegs"-Verbote (Art. 12 bis 16), aber kein umfassendes Gewaltanwendungsverbot (wo denn?). Erst mit der UN-Charta (1945) wurde ein allgemeines Gewaltanwendungsverbot begründet.
Im Korfu-Fall (1923) entschied die vom Völkerbund eingesetzte Juristenkommission, dass es militärische Zwangsmassnahmen geben würde, die keine kriegerischen Akte seien.
repo schrieb:
Ergo: Das Völkerrecht hat sich durch den Kellogg-Pakt zum Schlechten verwandelt. Oder sehe ich das falsch?
Das siehst Du falsch. Der Kriegsächtungspakt (1928) weitete die zaghaften KRIEGS-Verbote der Völkerbundsatzung (1919) aus. Die Völkerbundsatzung liess ja die Möglichkeit eines Angriffs-KRIEGES zur Durchsetzung völkerrechtlicher Ansprüche zu, wenn sich zum Beispiel die Gegenseite weigerte, einen Schiedsspruch zu erfüllen (vgl. Art. 12 Völkerbundsatzung). Der Kriegsächtungspakt liess gar keinen Angriffs-KRIEG mehr zu. Der Gewaltanwendung unterhalb der Schwelle eines Krieges stand weder die Völkerbundsatzung noch der Kriegsächtungspakt entgegen. In diesem Bereich konnte also der oben bechriebene politische Mechanismus des klassischen Völkerrechts noch fortwirken.
 
Blleiben wir zunächst beim Korfu-Konflikt (1923). In der Sache selbst entschied die eingesetzte Juristenkommission zu Gunsten der Italiener. Die Griechen hatten es unterlassen, das italienische Kommissionsmitglied vor Anschlägen hinreichend zu schützen. Deshalb waren sie auch für dessen Tod verantwortlich. Diese Entscheidung gilt als historischer Meilenstein zum völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit. Insofern ist der Korfu-Konflikt ein Beispiel dafür, wie mit einer begrenzten Gewaltanwendung ein tatsächlich bestehender völkerrechtlicher Anspruch (hier auf Wiedergutmachung) durchgesetzt wurde. Auch "Stärkere" können im Rahmen des Rechts handeln.
Da lese ich in der Völkerbundssatz aber dies:
Artikel 13.​
Die Bundesmitglieder kommen überein, daß, wenn zwischen ihnen eine Streifrage entsteht, die nach ihrer Ansicht einer schiedsrichterlichen Lösung zugänglich ist und die auf diplomatischem Wege nicht zufriedenstellend geregelt werden kann, die Frage in ihrer Gesamtheit der Schiedsgerichtsbarkeit unterbreitet werden soll.
Streifragen über die Auslegung eines Vertrages, über alle Fragen des internationalen Rechtes, über das Bestehen jeder Tatsache, welche die Verletzung einer internationalen Verpflichtung bedeuten würde, oder über Umfang und Art der Wiedergutmachung im Falle einer solchen Verletzung gelten allgemein als solche, die einer schiedsrichterlichen Lösung zugänglich sind.
Als Schiedsgericht, dem der Streitfall unterbreitet wird, wird das Gericht tätig, das von den Parteien bestimmt wird oder das in früheren Übereinkommen von ihnen vereinbart ist.
Die Bundesmitglieder verpflichten sich, den erlassenen Schiedsspruch nach Treu und Glauben auszuführen und gegen klein Bundesmitglied, das sich dem Schiedsspruch fügt, zum Kriege zu schreiten. Im Falle der Nichtausführung des Spruches schlägt der Rat die Schritte vor, die ihm Wirkung verschaffen sollen.

Haben die Italiener vor dem Luftangriff auf die Inselhauptstadt und die anschließende militärische Besetzung von Korfu den Völkerbund angerufen?

Nein, sie sind den umgekehrten Weg gegangen.

Dem dann 5 Jahre später das Völkerrecht angepasst wurde.

Grüße Repo
NS:Es wurde übrigens die ganze ital. Komission massakriert, nicht nur der General.
 
Da lese ich in der Völkerbundssatz aber dies:
Haben die Italiener vor dem Luftangriff auf die Inselhauptstadt und die anschließende militärische Besetzung von Korfu den Völkerbund angerufen?
Nein, sie sind den umgekehrten Weg gegangen.
Art. 13 VS sieht ja nur vor, dass ein Schiedsgericht einzuschalten ist und nicht, dass der Völkerbundsrat einzuschalten ist. Diese Forderung haben die Italiener durch das Einschalten der Pariser Botschafterkonferenz erfüllt, was unmittelbar nach Bekanntwerden des Zwischenfalls vom 27.8.23 geschah. Die in Griechenland massakrierte Kommission war ja eine Kommission dieser Botschafterkonferenz. Die Botschafterkonferenz wiederum setzte im Auftrag des Pariser Friedenskongresses schiedsrichterlich die dem Versailler Vertrag entsprechenden Grenzen fest. Bei der Grenzziehung entstanden häufiger gewalttätige Konflikte. Die Konfliktparteien haben in solchen Fällen regelmäßig die Botschafterkonferenz mit diesen Konflikten befasst wegen dem Sachzusammenhang zur Grenzziehung - vgl. Art. 13 Abs. 3 VS. Insofern verhielten sich die Italiener rechtmässig. Übrigens haben selbst die Griechen den Italienern keine Verletzung des Art. 13 VS vorgeworfen.

Problematisch war aber, dass Art. 12 und 15 bei Kriegsgefahr die Einschaltung des Völkerbundrates forderte. Nach griechischer Auffassung war das Verhalten der Italiener ein kriegerischer Akt, der zum Bundeskrieg (Art. 16 S. 1 VS) führen musste. Nach Auffassung der Italiener war ihr Verhalten eine friedliche Zwangsmassnahme und kein kriegerischer Akt, so dass auch keine Kriegsgefahr bestand und vor der Besetzung von Korfu (31.8.23) auch nicht der Völkerbund einzuschalten war. Wie bereits gepostet, anerkannte der Völkerbundsrat am 13.3.1924, dass es gewalttätige Zwangsmassnahmen gibt, die keine kriegerischen Akte seien.
 
Art. 13 VS sieht ja nur vor, dass ein Schiedsgericht einzuschalten ist und nicht, dass der Völkerbundsrat einzuschalten ist. Diese Forderung haben die Italiener durch das Einschalten der Pariser Botschafterkonferenz erfüllt, was unmittelbar nach Bekanntwerden des Zwischenfalls vom 27.8.23 geschah. Die in Griechenland massakrierte Kommission war ja eine Kommission dieser Botschafterkonferenz. Die Botschafterkonferenz wiederum setzte im Auftrag des Pariser Friedenskongresses schiedsrichterlich die dem Versailler Vertrag entsprechenden Grenzen fest. Bei der Grenzziehung entstanden häufiger gewalttätige Konflikte. Die Konfliktparteien haben in solchen Fällen regelmäßig die Botschafterkonferenz mit diesen Konflikten befasst wegen dem Sachzusammenhang zur Grenzziehung - vgl. Art. 13 Abs. 3 VS. Insofern verhielten sich die Italiener rechtmässig. Übrigens haben selbst die Griechen den Italienern keine Verletzung des Art. 13 VS vorgeworfen.

Problematisch war aber, dass Art. 12 und 15 bei Kriegsgefahr die Einschaltung des Völkerbundrates forderte. Nach griechischer Auffassung war das Verhalten der Italiener ein kriegerischer Akt, der zum Bundeskrieg (Art. 16 S. 1 VS) führen musste. Nach Auffassung der Italiener war ihr Verhalten eine friedliche Zwangsmassnahme und kein kriegerischer Akt, so dass auch keine Kriegsgefahr bestand und vor der Besetzung von Korfu (31.8.23) auch nicht der Völkerbund einzuschalten war. Wie bereits gepostet, anerkannte der Völkerbundsrat am 13.3.1924, dass es gewalttätige Zwangsmassnahmen gibt, die keine kriegerischen Akte seien.

4 Tage vom Bekanntwerden bis zur militäärischen Besetzung? Arg lange haben es die Italiener auf diplomatischem Weg aber nicht versucht eine Regelung zu finden.

Für mich ist das nichts anderes als die nachträgliche Anpassung des Völkerrechts an die ausgeübte Praxis.
Legalisierung des Faustrechts.

Aber irgendwo siehst Du es doch genauso, was ich aus dieser Zeile schließe:
dass es gewalttätige Zwangsmassnahmen gibt, die keine kriegerischen Akte seien

Grüße Repo
 
4 Tage vom Bekanntwerden bis zur militäärischen Besetzung? Arg lange haben es die Italiener auf diplomatischem Weg aber nicht versucht eine Regelung zu finden.
Am 30.8.23 lehnten die Griechen es ab, die italienischen Forderungen zu erfüllen. Am 31.8.23 begannen die Italiener mit der Besetzung von Korfu, um auf Griechenland Druck auszuüben.

repo schrieb:
Für mich ist das nichts anderes als die nachträgliche Anpassung des Völkerrechts an die ausgeübte Praxis.
Legalisierung des Faustrechts.

Aber irgendwo siehst Du es doch genauso, was ich aus dieser Zeile schließe:
Nein. Ich sehe lediglich, dass Du einen Hang zu Fehlschlüssen hast.:D

Schon in der Epoche des klassischen Völkerrechts (1648-1914) wurde zwischen einem KRIEG und "friedlichen" GEWALT-Massnahmen unterschieden, vgl. meinen Beitrag 103. Im Korfu-Fall (1923) kam eine vom Völkerbundsrat eingesetzte Juristenkommission
zu dem Ergebnis, dass diese althergebrachte Differenzierung von den zaghaften KRIEGS-Verboten der Völkerbundsatzung (1919) nicht berührt wurde. Infolgedessen bestätigte die Juristenkommission die Fortgeltung einer seit langer Zeit bestehenden Sichtweise. Von einer nachträglichen Anpassung des Völkerrechts kann also keine Rede sein!!!

Ich gebe Dir mal ein Beispiel für einen Fall "friedlicher" Gewaltanwendung aus der Zeit vor 1914: Die erste "friedliche" Blockade wurde während des griechischen Befreiungskrieges (1823-30) über die von den Türken beherrschte Küste verhängt. Durch diese "friedliche" Zwangsmassnahme wollten GB, F und R die Türkei zwingen, im Konflikt zu Gunsten der Griechen nachzugeben. Obwohl in Durchsetzung dieser Blockade die ottomanische Flotte in der Schlacht von Navarino versenkt wurde, führte diese - nach Auffassung von GB und F - nicht zum Kriegszustand mit dem Osmanischen Reich. - Anderes Beispiel: 1866 blockierten GB, Deutsches Reich, ÖU, I Und R einen Teil der griechischen Küste, um Griechenland von seinem Plan abzubringen, gegen das Osmanische Reich einen Krieg zu führen. Die Idee von der "friedlichen" Gewalt hatte sich durchgesetzt und wurde allseits praktiziert.

Fazit: die im Korfu-Fall (1923) eingesetzte Juristenkommission setzte eine alte Sichtweise des Völkerrechts fort. Diese wurde weder durch die Kriegsverbote der Völkerbundsatzung (1919) noch durch das Kriegsverbot des Kriegsächtungspaktes (1928) unterbrochen. Erst das umfassende Gewaltanwendungsverbot der UN-Charta (1945) beendete die bis dahin mögliche Differenzierung zwischen Krieg und "friedlicher" Gewalt.

Eigentlich ist das doch ganz einfach zu verstehen.
 
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