jchatt
Aktives Mitglied
zumal ja auch mit der "Wüste der Boier" ein antikes Toponym für ein verlassenes Siedlungsgebiet überliefert ist.Aus den Faden haben sich für mich zwei Fragen ergeben:
1.
Die Vorstellung, dass Dio als Markomannia das alte Stammesgebiet der Markomannen vor ihren Umzug nach Böhmen meinte.
Wir kennen dies zum Beispiel von Schlesien. Als man seit 1945 die dortige schlesische Bevölkerung vertrieben hat, bezeichnet man das Gebiet weiterhin als Schlesien. Das Gebiet war und ist Namensgeber und nicht die Bewohner. Die Frage ist, ob die Römer/Griechen, dies vor fast 2.000 Jahren genau so sahen. Oder bedeutet Markomannia zwingend das Gebiet, in welchem die Markomannen wohnen
Ich denke dass die Statthalter unter Augustus noch recht selbständig aggieren konnten. Konkrete Ziele kann man schwer ableiten. Die überlieferten Einschränkungen (Verbot die Elbe zu überschreiten) liessen noch genug Freiraum. Es ging wahrscheinlich tatsächlich darum, wie Du schreibst, Ruhm und Ehre der Römer und des Kaisers zu mehren. Das geschah primär durch Feldzüge oder Expeditionen. Die dagegen eher verwaltende Tätigkeit des Varus wurde als Schwäche ausgelegt.(Velleius)2.
Hier im Faden noch gar nicht thematisiert:
Wie autonom war ein römischer Provinzverwalter in seinen Handlungen? Ist es vorstellbar, dass Ahenobarbus gar keine konkreten Befehle aus Rom brauchte um einen Vorstoß nach Norden zu unternehmen. Gab es eine Konkurrenz zwischen den Statthaltern in den einzelnen Provinzen? Will heißen, für Ruhm und Ehre versuchte jeder Statthalter möglichst spektakuläre Erfolge in den unbesetzten Teilen Europas zu erringen. Sicherlich am besten durchleuchtet ist Julius Cäsar und Gallien. Leider ist dies nicht mit der Situation eines Statthalters unter einem Princeps Augustus vergleichbar. War Ahenobarbus Vorstoß über die Elbe einfach ein Egotrip? Oder brauchte er für solch ein gefährliches Unternehmen den Segen oder gar den ausdrücklichen Befehl des Augustus?
Es bestand somit sicherlich ein gewisser Druck innerhalb einer Statthalterschaft zu spektakulären Aktionen.
Die logistisch aufwändigsten und weiträumigsten Aktionen (Drusus Zug zur Elbe oder Tiberius Feldzug gegen Marbod) fanden dabei erst nach mehrjährigem Aufenthalt des betreffenden Statthalters statt. So als ob sie von langer Hand geplant wurden. Möglicherweise ist dies ein Hinweis, dass Ahenobarbus seinen Zug zur Elbe tatsächlich noch als Statthalter von Illyrien durchführte und nicht mit den erst frisch zugeteilten gallischen Heeren.
Dass er sich in dieser Art in Germanien profilieren konnte, lag vielleicht auch an dem Problem, dass die designierten Thron-Nachfolger Gaius&Lucius noch nicht als Heerführer auftreten konnten.
Im Zuge der Diskussion frage ich mich mittlerweile wieder, ob ein direkter Zug von Carnuntum zur Elbe nicht doch die wahrscheinlichere Version darstellt. Immerhin ist Marbod zunächst als römischer Klientel-König an die Macht gekommen, der durchziehende römische Heere dulden und wahrscheinlich sogar unterstützen musste.Auch die Idee, dass Ahenobarbus die Elbe im Bereich des heutigen Magedeburgs oder sonstwo in Mitteldeutschland überschritten habe, ist wohl vom Lokalpatriotismus getragen. Da wünscht sich wohl mancher "Elbländer" die Römer in seinem Vorgarten. Ist man aber Realist, dürfte die Entfernung von Raetia nach der Magdeburger Börde doch etwas zu weit sein. Wobei, seit der Wiederentdeckung des Schlachfeldes am Harzhorn darf man die römischen Vorstöße nicht zu klein denken.
:grübel:
Sepiolas Argument des fehlenden archäologischen Nachweises eines militärischen Aufmarsches zu dieser Zeit gilt aber natürlich auch hier.
Gruss
jchatt