Woher kommt der Name Wikinger?

Nimm es mir nicht übel, aber da muß ich nochmal einhaken... :fs:

Mia Pallasch schrieb:
Meiner Meinung nach waren die Wikinger ganz normale Leute (kommt halt drauf an, was man unter normal versteht), die sich aus Platzmangel über die Meere davongemacht und alles überrannt haben, was sich ihnen in den Weg gestellt hat.

Du versuchst eine Verallgemeinerung, um in einem einzigen Satz eine Definition zu gewinnen - kann man tun, ist manchmal für das eigene Verständnis bzw. das Verständnis abseits der Fachliteratur ganz nützlich, aber eben auch nicht ganz ungefährlich.
Wenn Du schon derart verallgemeinern willst, solltest Du aber darauf achten, daß Du nicht einige wichtige Dinge wegläßt: den Satz solltest Du dann zumindest abschließen mit "alles überrannt haben, was sich ihnen in den Weg gestellt hat und nicht wehrhaft genug war".

Mia Pallasch schrieb:
Mit den Kelten (auch mit Pikten) haben sie allem Anschein nach regen Handel getrieben.

Mit keltischen Völkern (zu denen mW die Pikten gehören) hatten nicht nur nordgermanische Stämme Kontakt; zudem gab es von Seiten der Wikinger/Normannen/Waräger/Rus Handelsbeziehungen mit vielen fremden Völkern, die ihnen begegneten (u.a. auch mit Byzantinern, Arabern, ...).

Mia Pallasch schrieb:
Man muß schon berücksichtigen, wie die Menschen früher gedacht haben. Nicht auszurauben hieß damals wahrscheinlich soviel wie: ausgeraubt werden.
Somit glaube ich, daß sie nur das getan haben, was für das Überleben ihrer Art am besten schien.

Natürlich muß unbedingt berücksichtigt werden, wie die Menschen damals dachten; gerade für die gesamte Zeit des Mittelalters ist dies quasi essentiell.
Beutemachen - der Ausdruck ist dann IMHO etwas passender als "Ausrauben" - war aber bis in die jüngste Zeit stets mit Kriegszügen untrennbar verbunden (Stichwort: "Beutekunst" des 2. Weltkrieges) und ist deshalb nicht unbedingt ein (nord-)germanisches Phänomen, ja nicht einmal ausschließliches Symptom jener Zeit.
Allerdings hat so etwas weniger mit dem Überleben des eigenen Volkes zu tun, sondern dient schlicht und ergreifend dem Erwerb - wie z.B. Handel und Gewerbe ebenso, was "die Nordmänner" in nicht minderem Maße auch betrieben.

Mia Pallasch schrieb:
Außerdem bin ich überzeugt, dass die Wikinger ein sehr gläubiges Volk waren. Man darf die Berserker nicht vergessen, die daran glaubten, die Stärke des Tieres, in dessen Fell sie sich kleideten, würde auf sie übergehen.

Das ist eher Ausdruck eines magisch-mythischen Aberglaubens, den es in anderen Formen auch zu anderen Zeiten und in anderen Kulturkreisen immer gegeben hat bzw. gibt.
Daß die Wikinger im religiösen Sinne nicht besonders gläubig waren (wie ihre anderen germanischen Verwandten auch), hatte Fingalo übrigens bereits hier sehr detailliert ausgeführt. Ich erlaube mir deshalb nur den Verweis auf Island, wo auf dem Althing quasi basisdemokratisch (den Ausdruck bitte nicht auf die Goldwaage legen) beschlossen wurde, das Christentum anzunehmen.

Mia Pallasch schrieb:
Die Wikinger haben die neugeborenen Mädchen ins Meer geschmissen, dass sie mehr Zeit und Energie darauf verwenden konnten, männliche Nachkommen - und somit Krieger - zu zeugen.

Diesen Satz mußt Du mir bitte noch einmal erklären - und auch, wo Du das gelesen hast...

Mia Pallasch schrieb:
Ich glaube, dass es uns heutzutage wirklich sehr schwer fällt, ein so altes Volk verstehen zu können und dass die dinge, die wir wirklich über sie wissen sollen, einfach nicht überliefert wurden oder überliefert werden konnten.

Ich stimme dem zu, daß uns das Verständnis für alte Völker wie überhaupt für die Menschen in vergangenen Zeiten schwer fällt. Dies hat aber nicht nur damit zu tun, daß nichts oder zuwenig überliefert wurde, sondern daneben ebenso, daß es de facto keine neutrale Quellenlage gibt und zudem vieles eine "Fremdsicht" ist.
 
Eine sowohl geschichtlich als auch soziologisch recht differenzierte Beschreibung der norwegischen, schwedischen und dänischen Wikinger und der von ihnen abstammenden Normannen findet sich unter
http://www.madron-die-wanderin.de.vu/
Eine auch vom Bildmaterial her sehr schöne Darstellung der Geschichte der Wikinger ist bei Otto Maier Ravensburg 1990 erschienen, und zwar von Yves Cohat: Die Wikinger, Bd 4 aus der Reihe Abenteuer Geschichte.
Einen speziellen Aspekt behandelt Annemarieke Willemsen in ihrem ausführlichen, auf dem aktuellen Forschungsstand beruhender Ausstellungskatalog "Wikinger am Rhein 800-1000", hrsg. vom Centraal Museum Utrecht 2004. (Die Ausstellung war u. a. im Rhein. Landesmuseum Bonn im Jahr 2004 zu sehen.)
 
Hallo an alle,

ich habe folgende Fragen: Was beweist die Annahme, daß "Wikinger/Normannen" und "Waräger/Rus" zwei Bezeichnungen für dasselbe Volk sind? Und wieso meint man, daß die Slawen ausgerechnet die Wikinger mit den Namen "Waräger" und "Rus" nannten?

Gruß
Andreas
 
Andreas Weitzel schrieb:
Hallo an alle,

ich habe folgende Fragen: Was beweist die Annahme, daß "Wikinger/Normannen" und "Waräger/Rus" zwei Bezeichnungen für dasselbe Volk sind? Und wieso meint man, daß die Slawen ausgerechnet die Wikinger mit den Namen "Waräger" und "Rus" nannten?

Gruß
Andreas

Ich wäre nicht so verwegen alle Wikinger/Waräger/Rus/Normannen "ein Volk" zu nennen, aber es kann wohl kaum jemand widersprechen, wenn man sagen würde, daß die Stämme und Verbände der Genannten aus der gleichen Region (Skandinavien + das nördliche Mitteleuropa) entstammen, eine sehr ähnliche Sprache und Kultur besitzen und sich in den Augen anderer Völker auch wenig voneinander unterschieden.
Übrigens kommen die Bezeichnungen Wikinger, Waräger und Rus alle aus dem Nordgermanischen und keineswegs aus dem Slawischen - alle bezeichnen einen Zustand bzw. eine Tätigkeit und beziehen sich keineswegs auf die gesamten nordischen Völkerschaften und grenzen somit auch kein Volk ein: Wikinger - Seeräuber, Waräger - Schwurbruder, Rus - Ruderer

Lediglich "Normanne" ist ein Name, der von anderen germanischen Völkern gegeben wurde und eigentlich ein Synonym für alle "Nordmänner" war, aber am meisten wohl für die späteren Herrschaften wie Normandie/England und Sizilien/Süditalien verwendet wird.
 
@ H. von Salza:

Hm, es steht in manchen Büchern, "Waräger" und "Rus" seien Namen, mit dem Slawen Wikinger genannt haben. Keine Eigenbezeichnungen. Mich würde interessieren, woher diese Information stammt? Wieso sind sich einige so sicher, daß 1) es diese Namen gab, 2) die Slawen (oder sonst jemand) sie verwendeten, und 3) daß sie sie im Bezug zu den Wikingern verwendeten?

Der Hintergrund der Fragen ist ganz einfach: Viele Slawen nennen sich heute "Russen", und das alte Kiewer Reich nannte sich auch "Rus". Sonst nennt sich keiner so, oder? Wieso bringt man die Namen dann in einen zusammenhang mit den Wikingern?

Gruß
Andreas
 
Andreas Weitzel schrieb:
Hallo an alle,

ich habe folgende Fragen: Was beweist die Annahme, daß "Wikinger/Normannen" und "Waräger/Rus" zwei Bezeichnungen für dasselbe Volk sind? Und wieso meint man, daß die Slawen ausgerechnet die Wikinger mit den Namen "Waräger" und "Rus" nannten?

Gruß
Andreas
Zunächst mal sollte man mit dem "Volks"begriff für die damalige Zeit vorsichtig sein. In Nordeuropa wird es zu der Zeit das nicht gegeben haben, was man heute als Volk bezeichnet. Zum Volksbegriff gehört nach heutiger Sprechweise ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn man sich die Geschichte Norwegens und Islands ansieht, war ein solches Gefühl allenfalls im Stadium nascendi. Dabei spielte die Kirche eine bedeutende Rolle, indem sie Olav den Heiligen zum Nationalheiligen aufbaute. Der norwegische König Magnus der Gute fühlte sich noch im 11. Jh. als Beschützer Dänemarks. Nach dem Tode Knuts d. Gr. beginnt in Norwegen eine antidänische Propaganda. Die dänische Herrschaft über Teile des Oslofjordes wird als "Fremdherrschaft" empfunden. Dies ist letztlich eine Folge des neuen Königsbildes, das ganz allmählich seit den Tagen Harald Hårfagres unter dem Eindruck der fränkischen, schwedischen und englischen Reiche heranwuchs. Erst danach kann man von einem "norwegischen Volk" sprechen. Bei den Schweden mag das schon etwas früher eingesetzt haben.
Dabei ist das Bewusstsein auch schichtenspezifisch zu differenzieren. Das zeigt der Unterschied im Heiratsverhalten. In den unteren und mittleren Schichten war es sehr lokal beschränkt, während die Häuptlinge bereits ihre Partner aus größeren Distanzen dynastisch wählten und die Könige gar in der Partnerwahl völlig frei von Volks- und Kulturbindungen rein nach politischen Gesichtspunkten heirateten.

Ein "wikingisches" Volk hat es nie gegeben. Nur von außen wurden die verschiedenen Stämme über einen Kamm geschoren. Das galt umgekehrt übrigens genauso: Alles, was südlich Dänemarks lebte, waren für die Norweger "Saxen" (mit x, damit man sie nicht mit dem Stamm der Sachsen verwechselt).
 
@ fingalo:

Ich danke Dir, aber das beantwortet in keinster Weise meine Frage. Es ist nähmlich so: Man sagt, es seien die "schwedischen Wikinger" gewesen, die "Waräger" und "Rus" genannt wurden. Deswegen auch meine Formulierung ("ein Volk"). Damit meinte ich nur diese "schwedischen Wikinger".

Gruß
Andreas
 
Hallo Andreas,

jetzt glaube ich zu verstehen, worauf Du hinaus willst...

Andreas Weitzel schrieb:
... das beantwortet in keinster Weise meine Frage. Es ist nähmlich so: Man sagt, es seien die "schwedischen Wikinger" gewesen, die "Waräger" und "Rus" genannt wurden. Deswegen auch meine Formulierung ("ein Volk"). Damit meinte ich nur diese "schwedischen Wikinger".

Der Begriff "schwedische Wikinger" ist einer, der natürlich nachträglich von Historikern geprägt wurde und eigentlich nur wenig Sinn macht (übrigens genauso wie auch "dänische Wikinger" und "norwegische Wikinger"), weil Dänemark, Norwegen und Schweden zum Ende der Wikingerzeit gerade erst im Entstehen waren.
Exakt müßte man wohl sagen "diejenigen Wikinger, welche aus dem Gebiet stammten, das später einmal Schweden werden sollte"...
Daß sie aus diesem Raum stammten, ist mW anhand von Berichten und wohl sogar auch anhand Fundlagen belegt worden.
Beantwortet dies Deine Frage?

Viele Grüße

Timo

PS: Bitte um Korrektur, wenn ich mich irren sollte. Besten Dank!
 
soviel ich immer gelesen hab, wurden und werden die Wikinger aus dem "heutigen Schweden" immer als Rus oder Waräger bezeichnet.

Den Namen Rus sollen ihnen die Slawen verpasst haben. Soll vom finnischen Wort "Ruotsi" kommen was soviel wie "Ruderer" bedeutet.
Waräger soll vom altnordischen Varingr - var= Schwur (bei Handelsverträgen) auch diesen Namen sollen sie durch die Slawen erhalten haben.

Dabei sollen die Slawen die in Osteuropa seßhaft, einheimisch gewordenen Wikinger als Rus und die fremden, reisenden Wikinger als Waräger bezeichnet haben

Da die "schwedischen" Wikinger eher im baltischen und osteuropäischen Raum unterwegs waren könnte diese Theorie doch stimmig sein?


Also ich hab mir das so im Laufe der Zeit "zusammengelesen", könnte jetzt aber keine sichere Quellen dazu nennen.
 
Nun gut.
2. Anlauf:
Die Ostslaven entlehnten das Wort von den Ostseefinnen, die diesen Namen schon sehr früh für ihre germanischen Nachbarn gebrauchten. Die Vermutung, es könne etwas mit der Rudermannschaft zu tun haben, ist sprachgeschichtlich nicht haltbar. Denn diese Wortentstehung war vor dem 6. Jh. nicht möglich. Weder das Wort Finnen für die Ostnachbarn der Germanen, noch das Wort Rus für die germanischen Nachbarn der Finnen ist etymologisch noch aufzuklären. Als die Waräger Ende des 10. Jh. in die Slawen eingeschmolzen waren, ging die Bezeichnung auf die Ostslawen über, also von den Zuwanderern auf die Eingesessenen. Daraufhin rückten für die Nordgermanen andere Wörter nach, die ursprünglich von Skandinaviern ausgeübte Funktionen bezeichnet hatten: Varjag (anord. *váringan > væringi), das ursprünglich einen Söldner aus Skandinavien bedeutete, galt in Kiew, während man in Nowgorod noch längere Zeit Kolbjag verwendete, das mit anord. kylfingr = Kaufmannsgenosse verwandt ist. Das spiegelt wieder, dass man die Nordleute in Südrussland eher als Kriegsvolk, im NO eher als Kaufmannsgilden wahrnahm.
Die Skandinavier selbst verwendeten dagegen eigene Namen. Der Ostrand Europas wurde analog zu Nordvegi nun Austrvegar = Ostwege genannt. Als Name für das um 900 konsolidierte Großreich der Waräger wurde Garðar und Garðarriki gebildet. Garðar war im Russlansdschwedischen und anord. "Gehöft" und bekam die Zweitbedeutung "Burgstadt", hergeleitet auch vom anord. kænugarðar für Kiew. Die systematische Anlage von Stützpunkten im Norden führte zur Wortbildung Hólmgarðr > Nowgorod. Die Männer selbst dürften sich mit ihren Stammesnamen aus ihren Herkunftsgebieten benannt haben.
(Aus RGA).
 
timotheus schrieb:
Der Begriff "schwedische Wikinger" ist einer, der natürlich nachträglich von Historikern geprägt wurde und eigentlich nur wenig Sinn macht (übrigens genauso wie auch "dänische Wikinger" und "norwegische Wikinger"), weil Dänemark, Norwegen und Schweden zum Ende der Wikingerzeit gerade erst im Entstehen waren.
Exakt müßte man wohl sagen "diejenigen Wikinger, welche aus dem Gebiet stammten, das später einmal Schweden werden sollte"...
Also, das halte ich für überzogen.
Norwegen, Schweden und Dänemark sind vor Millionen von Jahren entstanden. Es handelt sich nämlich nicht um politische Einheiten, sondern um geologische Formationen. Norwegen war immer Norwegen, wenn es auch mal Bestandteil des dänischen Reiches gewesen ist. Um 800 konnten also durchaus korrekt Menschen aus Schweden nach Russland einwandern und nicht Leute aus einem Niemandsland, das einmal Schweden werden sollte, in ein anderes Niemandsland, das einmal Russland werden sollte.
Allerdings hatten sie nicht das Bewusstsein, Schweden zu sein, sondern waren subjektiv Leute aus Östergötland, Värmland, Uppland oder Södermanland usw.
 
fingalo schrieb:
Also, das halte ich für überzogen.
Norwegen, Schweden und Dänemark sind vor Millionen von Jahren entstanden. Es handelt sich nämlich nicht um politische Einheiten, sondern um geologische Formationen. Norwegen war immer Norwegen, wenn es auch mal Bestandteil des dänischen Reiches gewesen ist. Um 800 konnten also durchaus korrekt Menschen aus Schweden nach Russland einwandern und nicht Leute aus einem Niemandsland, das einmal Schweden werden sollte, in ein anderes Niemandsland, das einmal Russland werden sollte.
Allerdings hatten sie nicht das Bewusstsein, Schweden zu sein, sondern waren subjektiv Leute aus Östergötland, Värmland, Uppland oder Södermanland usw.

Akzeptiert; mit dieser Korrektur kann ich durchaus leben :)
 
Aha... Aber kann mir bitte jemand sagen, WOHER man diese Informationen nimmt? In welcher Chronik steht, daß die Slawen den Namen "Rus" bzw. "Waräger" für die Wikinger ausgedacht haben? Wo steht es, daß der Namen "Rus" von den Finnen kommt? Und wieso nimmt man an, daß gerade die Wikinger Städte wie Kiew und Nowgorod gebaut haben?

Wieso sagt man nicht folgendes (als Beispiel): Die Slawen teilten sich in mehrere Stämme, wie Rus, Waräger, Slowenen, Chroaten, Wjatitschi usw. Dieselben Slawen haben ihre Stände, wie Kiew, Nowgorod, Susdal usw. Wie kommt es, daß diese Annahme (gestützt auf russischen Chroniken) nicht auftaucht?

Wenn man beispielsweise Kiew und Nowgorod nimmt... "Kiew" (eigentlich Kijew) heißt "von Kij" = die Stadt von Kij (legendärer slawischer Fürst und Gründer der Stadt). "Nowgorod" heißt "neue Stadt" (nowyj gorod) = die neue Stadt, die an Stelle der alten gebaut wurde. Dies führt doch zur Annahme, daß die beiden Städte rein slawischer Herkunft sein sollen.

Gruß
Andreas
 
Andreas Weitzel schrieb:
Aha... Aber kann mir bitte jemand sagen, WOHER man diese Informationen nimmt? In welcher Chronik steht, daß die Slawen den Namen "Rus" bzw. "Waräger" für die Wikinger ausgedacht haben? Wo steht es, daß der Namen "Rus" von den Finnen kommt? Und wieso nimmt man an, daß gerade die Wikinger Städte wie Kiew und Nowgorod gebaut haben?
Das bedeutet Quellenstudium. Da empfehle ich Dir, in eine Bibliothek zu gehen und Bd. 25 des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde auszuborgen. Dort ist nach dem Lemma "Rus und Rußland" die "Literatur zum derzeigen Forschungsstand" aufgeführt.
Da ist z.B. als ergiebigste Quelle für das 9. und 10. Jh. die Anfang des 12. Jh. verfasste Nestorchronik. Daneben gibt es griechische und arabische Quellen. Dann gibt es von C. Rafn (Hrsg.) Antiquités russes d'après les monuments hist. des Islandais et des anciens Scandinaves (1850 - 1852, Neudr. 1969) mit Quellenangaben. Im 10. Jh. gibt es verstreute skaldische Erwähnungen über Unternehmungen nach Russland. Runensteine in Schweden und Gotland geben vor allem für die 2. Hälfte des 11. Jh. Auskünfte über Fahrtziele, Lebensalter und Familienstand einzelner Ostwikinger. Da gibt es den Stein von Pilgårds auf Gotland, der um 1000 von einem tödlich endenden Versuch berichtet die gefährlichste der 7 Stromschnellen des unteren Dnjepr zu durchfahren. Ergiebig ist F. Braun, das historische Rußland im nordischen Schrifttum des X. - XIV Jh. (Festschrift E. Mogk, 1924).
Tja, und dann kommen die Sprachwissenschaftler, die Wörter einem Wortschatz zuzuordnen vermögen. Da kann man nicht mehr alles unmittelbar aus den Quellen lesen.
 
fingalo schrieb:
Da ist z.B. als ergiebigste Quelle für das 9. und 10. Jh. die Anfang des 12. Jh. verfasste Nestorchronik.
Die Nestorchronik... Sie ist zwar tatsächlich die ergiebigste Quelle für diesen Zeitraum (das sagen alle oder zumindest fast alle), aber ich finde dort keine Aussagen, die diese Theorie (Wikinger = Waräger bzw. Wikinger = Rus) bestätigen. Die meisten modernen Arbeiten nehmen in erster Linie den Bezug zur Nestorchronik, um diese Theorie zu bestätigen. Ich sehe zurzeit keinen Grund dafür, weil ich (wie bereits gesagt) solche Aussagen dort nicht finde.

Gruß
Andreas
 
Andreas Weitzel schrieb:
Die Nestorchronik... Sie ist zwar tatsächlich die ergiebigste Quelle für diesen Zeitraum (das sagen alle oder zumindest fast alle), aber ich finde dort keine Aussagen, die diese Theorie (Wikinger = Waräger bzw. Wikinger = Rus) bestätigen. Die meisten modernen Arbeiten nehmen in erster Linie den Bezug zur Nestorchronik, um diese Theorie zu bestätigen. Ich sehe zurzeit keinen Grund dafür, weil ich (wie bereits gesagt) solche Aussagen dort nicht finde.

Gruß
Andreas
Gut möglich, ich nannte ja auch andere Quellen. Die Nestorchronik habe ich gerade nicht zur Hand.
 
fingalo schrieb:
Gut möglich, ich nannte ja auch andere Quellen. Die Nestorchronik habe ich gerade nicht zur Hand.
Sind denn diese "andere Quellen" eine Bestätigung dafür, daß die Slawen ausgerechnet "Wikinger" meinten, als sie "Warjagi" oder "Rus" schrieben? Die Araber beschreiben beispielsweise oft das Volk "Rus". Man nimmt an, daß sie damit die Wikinger meinen. Wieso? Steht in den alten skandinawischen Schriften, daß die Wikinger die Namen "Warjagi" oder "Rus" trugen? Wenn ja, welche Schriften sind das, und wo kann ich sie finden?

Wie gesagt, in den altrussischen Chroniken sind solche Bestätigungen nicht zu finden. Deswegen interessiert mich sehr, was die Basis dieser Theorie ist.

Gruß
Andreas
 
Da musst Du schon selbt die einschlägige Literatur durchforsten. Das Problem liegt bei mir an der Peripherie des Interesses - bin mehr mit dem Westen befasst.
Es ist auch damit zu rechnen, das zwei Quellen das gleiche Ereignis beschreiben, die eine Quelle nennt 'Wikinger' als die Handelnden, die andere 'Waräger' oder 'Rus'. Dann gibt es zwar überhaupt keine Quelle, die selbst aussagt, dass Waräger oder Rus 'Wikinger' sind. Gleichwohl ergibt sich das aus dem Quellenvergleich. Ich vermute, dass Ereignisse aus der Nestorchronik in dieser Weise auch in anderen skandinavischen Quellen zu finden sind, nur dass die Beteiligten anders genannt werden.
 
fingalo schrieb:
Da musst Du schon selbt die einschlägige Literatur durchforsten. Das Problem liegt bei mir an der Peripherie des Interesses - bin mehr mit dem Westen befasst.
Es ist auch damit zu rechnen, das zwei Quellen das gleiche Ereignis beschreiben, die eine Quelle nennt 'Wikinger' als die Handelnden, die andere 'Waräger' oder 'Rus'. Dann gibt es zwar überhaupt keine Quelle, die selbst aussagt, dass Waräger oder Rus 'Wikinger' sind. Gleichwohl ergibt sich das aus dem Quellenvergleich. Ich vermute, dass Ereignisse aus der Nestorchronik in dieser Weise auch in anderen skandinavischen Quellen zu finden sind, nur dass die Beteiligten anders genannt werden.
Danke, fingalo,

es ist nähmlich so: Ich habe jetzt wieder und wieder die Nestorchronik durchgelesen, und dort werden Warjagi und Rus als Slawenstämme bezeichnet. Und alle slawischen Stämme werden mit einem gemeinsamen Namen genannt - Skythen. Außerdem werden dort Schweden unter dem Namen "Sweje" erwähnt, aber auf keinen Fall mit Warjagi oder Rus verwechselt.

Gruß
Andreas
 
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