Hallo zusammen,
mich beschäftigt die Frage, wie teuer es eigentlich war im späten 19.Jh. auszuwandern.
Da ich im Living-History-Hobby in dieser Zeit u.a. ein Dienstmädchen darstelle, frage ich mich: wäre es mir überhaupt möglich gewesen auszuwandern, wenn mir die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht mehr passten, oder hätte ich dafür mein Leben lang sparen müssen?
Falls jemand von euch eine Antwort weiß, oder auch Tips für einschlägige Literatur hat, bin ich für jeden Hinweis dankbar
Grüße
Cécile
Ich habe mich gerade damit beschäftigt. Zwar handelte meine Arbeit über Schweizer die nach Brasilien ausgewandert sind und nicht um Deutsche. Wobei es keine Rolle spielt, da die Hintergründe in etwa die gleichen waren.
Nach Brasilien hättest du wenn du auswandern können. Die hatten zwischen 1850 und 1890 ein Halbpachtsystem aufgebaut. Da mussten die Auswanderer einen Vertrag mit einer Kolonisationsfirma unterschreiben. Die Firma übernahm die Überfahrt nach Brasilien, in diesem Fall wäre Santos in São Paulo der Zielhafen gewesen. Die Auswanderer mussten als Gegenleistung in den Kaffeeplantagen der Grossgrundbesitzer arbeiten. Die Ernte wurde dann geteilt. Das klingt jetzt wie die Kolonisten einen grossen Gewinn machen konnten. Dem war nicht so, sie mussten alles teuer einkaufen, Lebensmittel, Werkzeug usw. Bei der Verteilung der Kaffeebäume hatten sie meistens kein Glück, weil die Bäume zu alt waren und so weniger Bohnen abwarfen.
In der Schweiz war es dann noch so, dass viele der Armen (denn die wanderten aus) von den Gemeinden einen Vorschuss bekamen um Auszuwandern, dieser musste auch zurückbezahlt werden.
Wenn du möchtest kann ich dir die Arbeit auch mailen.
Hier meine Literaturliste zum Thema:
Quellen:
Thomas Davatz: Behandlung der Kolonisten in der Provinz St. Paulo in Brasilien und deren Erhebung gegen ihre Bedrücker, Chur 1858
Johann Jakob von Tschudi: Bericht des schweizerischen
ausserordentlichen Gesandten in Brasilien, Herrn v. Tschudi über die
dortigen Verhältnisse der Kolonisten (vom 6. Oktober 1860,
Schweizerischen Bundesblatt, XII Jahrgang III. Nr. 61, 28. November
1860
Sekundärliteratur:
Andres, Ferdinand: Johann Jakob von Tschudi. Forscher Reisender
Diplomat, Allerheiligen-Bücherei Schaffhausen, 1984.
Bernecker; Walther L, Pietschmann, Horst und Zoller, Rüdiger: Eine
kleine Geschichte Brasiliens, Suhrkamp Verlag, 2000.
Cunha, Dilney: Das Paradies in den Sümpfen, Eine Schweizer
Auswanderungsgeschichte nach Brasilien im 19. Jahrhundert, Limmat
Verlag Zürich, 2003
Davatz, Sylvester: Thomas Davatz, Bitterer Kaffee – ein Bündner Lehrer
in Brasilien.
Kohut, Karl (Hrsg.): Deutsch in Lateinamerika – Lateinamerika in Deutschland, Vervuert Verlag, 1996
Neumann, Gerson Roberto (Berlin/Rio de Janeiro), Die brasilianische
Einwanderungspolitik Ende des 19. Jahrhunderts. In Nitschack, Horst
(Hrsg.): Brasilien im amerikanischen Kontext, Vom Kaiserreich zur
Republik: Kultur, Gesellschaft, Politik, TFM Frankfurt, 2005, S. 73 – 89.
Ziegler, Béatrice: Schweizer statt Sklaven, Schweizerische Auswanderer in
den Kaffee-Plantagen von São Paulo (1852 – 1866), Steiner-Verlag, 1985
Ziegler, Béatrice: Als die Schweiz zur Emigration veranlasste…,
Auswanderungen aus der Schweiz im 19. Jahrhundert: In Prodolliet,
Simone (Hrsg.), Blickwechsel, Die Multikulturelle Schweiz an der
Schwelle zum 21. Jahrhundert, Caritas-Verlag, Luzern, 1998, S. 95 -103
Ziegler, Béatrice: Ausgebeutet im Paradies, Schweizerinnen und
Schweizer als Arbeitskräfte auf brasilianischen Kaffeeplantagen, 1852 –
1888. In Dietrich, Eva (Hrsg.): Der Traum vom Glück, Schweizer
Auswanderer auf brasilianischen Kaffeeplantagen 1852 – 1888, hier und
jetzt Verlag, 2003, S. 41 - 58
Ziegler, Béatrice: Das Geschäft mit der Auswanderung, ITINERA, Der
Wer in die Fremde, Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der
Schweiz, Fasc. 11, 1992, S. 59 - 70