Scorpio
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Ein schweres Thema.
Was nützt denn eine angebliche Distanzierung hinterher?
Das sind doch leere Worte.
Wenn ich hier etwas über die Stränge schlage, entschuldige ich mich nach aussen und bei mir denke ich, ihr könnt mich alle mal.
Nicht persönlich nehmen.
Die Künstler, seien es Gustav Gründgens, Carl Orff, Wilhelm Furtwängler, Will Quadflig, Herbert von Karajan, Gerhard Hauptmann, Hans Moser oder Heinz Rühmann, die nach 1933 in Deutschland blieben, mussten sich natürlich anpassen, mussten Kompromisse schließen und Kröten schlucken.
Viele von ihnen machten nach dem Krieg weiter Karriere, wurden öffentlich gefeiert, hoch geehrt.
Sehr viele deutsche Künstler hatten durchaus nichts dagegen, von Goebbels hofiert zu werden, und die meisten gingen nur allzu willig auf Tuchführung mit den Nazis. Für viele Literaten und Künstler wäre es allerdings lebensgefährlich gewesen, in Deutschland zu bleiben, und Billie Wilder, Lion Feuchtwanger, Herrmann Hesse, Peter Lorre, Marlene Dietrich und viele andere mußten emigrieren. Aufmüpfige Künstler lebten gefährlich, sie wurden drangsaliert und verächtlich gemacht.
Das führt uns zu der Frage nach der Verantwortung der Kunst.
Leni Riefenstahl, Zarah Leander, Winifred Wagner, Veit Harlan waren namhafte Ikonen, die sich als solche der Kulturpolitik der Nazis zur Verfügung gestellt haben. Sie waren tief genug involviert, um nur allzu genau zu begreifen, was der Begriff "entartete Kunst" bedeutete, ebenso wie sie wußten, was mit entarteten Künstlern passiert. Während andere, vielleicht nicht schlechtere,Künstler unter Berufsverbot zu leiden hatten oder in Schutzhaft saßen, haben diese Herrschaften Privilegien genossen, und fett und etabliert und privilegiert und warm gesessen waren sie auch in der BRD.
Etwas mehr Reflexion und weniger Selbsbeweihräucherung hätte ihnen allen gut gestanden. Aber sie hatten sich ja nichts vorzuwerfen, sie sind geblieben, um Schlimmeres zu verhindern, sie haben nur Befehle befolgt, nur Dokumentarfilme gedreht und im übrigen wurden sie von Siegerjustiz und -Willkür heimgesucht, und überhaupt, wo kommen wir denn hin, "irgendwann muß schließlich Schluß sein". Das war die Standargumentation aller, die irgendwann mal etwas zu verantworten gehabt haben.
Alle, so gut wie alle haben sich rausgewunden, kaum ein Einziger war bereit, Verantwortung zu übernehmen oder auch nur die eigene Rolle zu reflektieren.
Statt dessen nahm man die Opferrolle an und war furchtbar beleidigt, wenn man auf gewisse Dinge angesprochen wurde. Anerkennung für künstlerische Leistungen wollten sie aber haben, und haben sie auch bekommen.
Die "Entsorgung der Vergangenheit", das trifft es ziemlich genau auf den Punkt, und wenn es auch psychologisch nachvollziehbar ist, so halte ich es für ein großes Armutszeugnis, dass eine große Regisseurin und intelligente Frau wie Riefenstahl nicht willens und in der Lage war, ihre eigene Rolle besser zu reflektieren.