2008 Habsburger Gedenkjahr

Darf man Historikern trauen oder wie genau müssen es Historiker nehmen?

Da wird ein Zitat ohne Quellenangaben von mehreren Autoren immer weiter kolportiert, ohne dass offenbar jemand den ominösen bayrischen Chronisten kennt und das gilt trotzdem als seriöse Geschichtsschreibung. Es gibt zweierlei Massstäbe für Plagiate; der eine wird angewendet, wenn es um Schülerarbeiten geht und der andere wenn sich Fachleute in anderen Werken bedienen, ohne den Quellen wirklich nachzugehen.

Das ist ja nichts neues und wird auch immer wieder an historischen Seminaren an der Uni erwähnt.

Etwas ähnliches ist vermutlich auch dem hier mehrmals zitierten Bruno Meier unterlaufen. Er schreibt in seinem Aufsatz zum Habsburgerjahr, dass Joseph II. im Jahr 1777 die Habsburgergruft in Königsfelden besucht habe. Wie heute ein Leserbriefschreiber in der NZZ (der Historiker Peter Genner, am 6.5.2008)) richtig stellte, habe man dies im Aargau gehofft und in Bern befürchtet. Der "empereur philosophe" sei jedoch direkt von Bern nach Basel gereist, ohne sich "für seine Vorfahren mütterlicherseits noch für Geschichte überhaupt" interessiert zu haben .

Malefix

In seinem Buch gibt Bruno Meider die Quelle an: Max Baumann, Geschichte von Windisch vom Mittelalter zur Neuzeit, Brugg 1983, S. 96 -98

Macht wohl doch einen Unterschied ob ein Artikel in einer Tageszeitung erscheint oder ob man es in einem Buch veröffentlicht. Gibt den Peter Genner in seinem Leserbrief die Quelle an?
 
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Och ich würde beim Joseph II. nicht zuviel hinein interpretieren. Er hatte halt keine Zeit, außerdem dürfte er inkognito gereist sein - ich denke mal als Graf von Falkenstein.
 
Och ich würde beim Joseph II. nicht zuviel hinein interpretieren. Er hatte halt keine Zeit, außerdem dürfte er inkognito gereist sein - ich denke mal als Graf von Falkenstein.

Ja ist er. Dies schreibt Meier auf Seite 218 seines Buches, und er nimmt eben Bezug auf die von mir erwähnte Literatur.
 
Macht wohl doch einen Unterschied ob ein Artikel in einer Tageszeitung erscheint oder ob man es in einem Buch veröffentlicht. Gibt den Peter Genner in seinem Leserbrief die Quelle an?

Wenn ich eine unzuverlässige "Quelle" zitiere, macht das eine Aussage nicht zuverlässiger.

Peter Genner würde ich als Spezialisten für die Schweizer-Reise Joseph II. bezeichnen. Immerhin hat er 1992 eine mehr als 200-seitige Lizentiatsarbeit dazu geschrieben.

Peter Genner: Wollte Joseph II. die Schweiz erobern? Der politische und psychologische Hintergrund seiner Durchreise im Jahre 1777. Zürich 1992.

Malefix, in der ZB Zürich
 
Wenn ich eine unzuverlässige "Quelle" zitiere, macht das eine Aussage nicht zuverlässiger.

Peter Genner würde ich als Spezialisten für die Schweizer-Reise Joseph II. bezeichnen. Immerhin hat er 1992 eine mehr als 200-seitige Lizentiatsarbeit dazu geschrieben.

Peter Genner: Wollte Joseph II. die Schweiz erobern? Der politische und psychologische Hintergrund seiner Durchreise im Jahre 1777. Zürich 1992.
Ich dachte immer 1777 hatte er vieles anderes im Kopf, u.a. seine Schwester Marie Antoinette, die er in dem Jahr, wenn ich nicht irre, sowie Freiburg besuchte.
Worauf ich hinaus wollte, war dass man die Reisen, die inkognito durchgeführt wurden, nicht überschätzen sollte. Natürlich wurde dann bisweilen der Aspekt des "inkognito" von der offiziellen Seite her ignoriert, so behandelte der französische König den schwedischen Gustav III. und den Kaiser eben im persönlichen Umgang wie ein gekröntes Haupt. Dennoch wurden aber zuviele Halte und dergleichen möglichst vermieden. Es ging ja darum u.a. Kosten zu sparen und relativ wenig aufgehalten zu werden. Offizielle Staatsbesuche von Königen bei anderen Königen aus dem 18.Jh. kenne ich selbst aber auch nur eher wenige.
 
Wenn ich eine unzuverlässige "Quelle" zitiere, macht das eine Aussage nicht zuverlässiger.

Warum ist diese Quelle unzuverlässig? Ich hab das Buch von Max Baumann nicht zur Hand. Aber warum sagst du jetzt das es unzuverlässig ist, kennst du das Buch? Kennst du den Autor?


Peter Genner würde ich als Spezialisten für die Schweizer-Reise Joseph II. bezeichnen. Immerhin hat er 1992 eine mehr als 200-seitige Lizentiatsarbeit dazu geschrieben.

Peter Genner: Wollte Joseph II. die Schweiz erobern? Der politische und psychologische Hintergrund seiner Durchreise im Jahre 1777. Zürich 1992.

Malefix, in der ZB Zürich

Mag sein, ich kenn das Buch nicht. Ich kenn auch Peter Genner nicht.

Wenn du sagst er ist Spezialist, nun dann wird es wohl so sein.
 
Mag sein, ich kenn das Buch nicht. Ich kenn auch Peter Genner nicht.
Das Buch klingt jedenfalls recht interessant.

Scheinbar sind über die Reisen vom Grafen von Falkenstein viele zeitgenössischen Quellen vorhanden, die diese vermutlich gut nachzeichnen und mit den Augen der Zeit schildern.
Wenn ich mir Quellenangaben bei Wikipedia allein anschaue:
Joseph II. (HRR) – Wikipedia

Ach du liebe Güte, hoffentlich ist das nicht auch so spannend, dass ich mich damit beschäftige. :angsthab:;)
 
Wenn du sagst er ist Spezialist, nun dann wird es wohl so sein.

Bezieht sich die Aussage von Genner , dass der Besuch Joseph II. im Königsfelden dem Wunschdenken der Aargauer entsprungen ist, nicht nur auf Meier und Baumann, sondern auch auf Ursi aus Scherz/AG ?:devil:

Ein Scherz von Malefix
 
Bezieht sich die Aussage von Genner , dass der Besuch Joseph II. im Königsfelden dem Wunschdenken der Aargauer entsprungen ist,
Sozusagen eine Oral Legend, wer will nicht gern einem Herrscher in die Schuhe schieben, bei irgendeinem Ahnen am Grabe ins große Grübeln geraten zu sein(?). Reisejournale machen dann solche Illusionen leicht zunichte.:devil::cool:
 
Bezieht sich die Aussage von Genner , dass der Besuch Joseph II. im Königsfelden dem Wunschdenken der Aargauer entsprungen ist, nicht nur auf Meier und Baumann, sondern auch auf Ursi aus Scherz/AG ?:devil:

Ein Scherz von Malefix

Sehr witzig.

Erstens kenn ich das Buch von Genner nicht, weiss also nicht auf welche Quellen er sich bezieht.

Ich kenn auch das Buch von Baumann nicht, hab da lediglich gesagt, dass Meier in seinem Buch dieses als Quelle angibt. Das es eben einen Unterschied macht ob man eine Artikel in einer Tageszeitung schreibt oder in einem Buch was erwähnt.

Wenn du sagst Genner ist der Spezialist muss es wohl sein - wenn ich auch nicht viel über ihn finde.
Da ich ihn und seine Arbeit nicht kenne kann ich das nicht beurteilen.

Du sagst, dass Meier aus unzuverlässigen Quellen zitiert, dann weiss du scheinbar mehr.

So erübrigt sich jede weitere Diskussion.
 
Sozusagen eine Oral Legend, wer will nicht gern einem Herrscher in die Schuhe schieben, bei irgendeinem Ahnen am Grabe ins große Grübeln geraten zu sein.

In der Schweiz ist ja gerade der Kanton Aargau bekannt für seine Vorliebe für die Royals. Nicht nur steht in jedem zweiten Dorf ein Haus mit herausgehängtem Habsburgersymbol (Restaurant zum Adler), nein jetzt beflaggen sie auch ganze Dorfstrassen zu Ehren von unseren Erzfeinden und rufen hochoffiziell ein Habsburger Jahr aus. Wenn das nur gut kommt während der Fussball EM...

Malefix, der Antiroyalist
 
Sehr witzig.
Du sagst, dass Meier aus unzuverlässigen Quellen zitiert, dann weiss du scheinbar mehr.
So erübrigt sich jede weitere Diskussion.

Liebe Ursi,

Ich habe nie behauptet, dass Meier unzuverlässige Quellen zitiere, sondern allgemein bemerkt:

Wenn ich eine unzuverlässige "Quelle" zitiere, macht das eine Aussage nicht zuverlässiger.
Zu dieser Aussage stehe ich voll. Es ist eine Tatsache, die wir in der historischen Arbeit immer wieder feststellen müssen. Es braucht ein waches Auge und oft auch ein gewisses Gespür, um nicht auf das Zitat des Zitates, des Zitates hereinzufallen. Und ich beziehe mich mit dieser Aussage weder auf Meier noch auf Ursi oder alle die Wikipediasten.

In diesem Sinne ist die Diskussion keinesfalls beendet.

Malefix, der Quellenhirsch
 
Liebe Ursi,

Ich habe nie behauptet, dass Meier unzuverlässige Quellen zitiere, sondern allgemein bemerkt:

Nun denn, dann hab ich dich falsch verstanden.

Zu dieser Aussage stehe ich voll. Es ist eine Tatsache, die wir in der historischen Arbeit immer wieder feststellen müssen. Es braucht ein waches Auge und oft auch ein gewisses Gespür, um nicht auf das Zitat des Zitates, des Zitates hereinzufallen. Und ich beziehe mich mit dieser Aussage weder auf Meier noch auf Ursi oder alle die Wikipediasten.

Dem widerspreche ich ja nicht. Schliesslich lernt man das in der ersten Stunde über Quellen und Sekundärliteratur. Da ich hier (im Forum) keine wissenschaftliche Quellenkritik betreibe (das mache ich schon sonst schon genug), begnüge ich mich im Geschichtsforum mit der Literatur die ich gerade bei mir liegen habe (leider wohne ich nicht in einer Universitätsbibliothek).
 
Dem widerspreche ich ja nicht. Schliesslich lernt man das in der ersten Stunde über Quellen und Sekundärliteratur. Da ich hier (im Forum) keine wissenschaftliche Quellenkritik betreibe (das mache ich schon sonst schon genug), begnüge ich mich im Geschichtsforum mit der Literatur die ich gerade bei mir liegen habe (leider wohne ich nicht in einer Universitätsbibliothek).
Die Quellenkritik ergibt sich sowieso, auch unbeabsichtigt aus der Diskussion hier im Forum immer mal wieder. Das ist ja das Schöne an DIESEM Forum und eigentlich ein wenig selten in der Forenwelt überhaupt. Nur bei Napoleon-Online kannte ich das, dass dort Tagesbefehle als Primärquellen und dergleichen sich derart um die Ohren gehauen wurden, dass eigentlich die Sekundärquellen ganz extrem hinterfragt wurden.
:yes:
(OT, ich weiß.:rotwerd:)

PS: Meinst Du mit erster Stunde, erste Stunde im Gymnasium (11.Kl.)? So war es bei uns zumindest. Das ging so nach dem Motto: "So, jetzt sind wir ja alle groß geworden, nun können wir Geschichte mal wie die Großen anschauen." Das war zumindest mein Eindruck damals.
 
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Aber schließt dies aus, dass nicht auch die Wettiner z.B. das nötig Potenzial hatten?:grübel:


Ich müsste mich erst bei den Wettinern einlesen, um kompetent argumentieren zu können und dazu fehlt mir momentan schlichtweg die Zeit. In erster Linie zielte ich damit auf eine starke Hausmacht ab. Wie ich bei den Wettinern gelesen habe, wurden sie ja erst 1423 Kurfürsten von Sachsen. Ob sie hier innerhalb weniger Jahre eine auf die eigene Dynastie gerichtete und schon Früchte tragende Territorialpolitik betreiben konnten, kann ich zwar nicht beurteilen, es erscheint mir jedoch eher unwahrscheinlich. Ich möchte den Rückhalt durch Thüringen und Meißen nicht zu niedrig bewerten, doch ob er wirklich für einen eventuellen Kampf um die Königskrone gereicht hätte, mag ich bezweifeln. Du bist da jedoch sicherlich besser informiert über die Wettiner.
 
Darf man Historikern trauen oder wie genau müssen es Historiker nehmen?

Da wird ein Zitat ohne Quellenangaben von mehreren Autoren immer weiter kolportiert, ohne dass offenbar jemand den ominösen bayrischen Chronisten kennt und das gilt trotzdem als seriöse Geschichtsschreibung. Es gibt zweierlei Massstäbe für Plagiate; der eine wird angewendet, wenn es um Schülerarbeiten geht und der andere wenn sich Fachleute in anderen Werken bedienen, ohne den Quellen wirklich nachzugehen.

Ich bin mir so gut wie sicher, dass das Zitat von Veit Arnpeck oder von Aventinus stammt. Morgen komme ich nicht dazu, nachzusehen, aber ich hoffe, dass ich bis Ende der Woche mal Zeit finde.
 
Was war mit den Wettinern, waren die nicht vor der Teilung in den 1480ern auch "königsfähig"?
...
... schließt dies aus, dass nicht auch die Wettiner z.B. das nötig Potenzial hatten?
In erster Linie zielte ich damit auf eine starke Hausmacht ab. Wie ich bei den Wettinern gelesen habe, wurden sie ja erst 1423 Kurfürsten von Sachsen. Ob sie hier innerhalb weniger Jahre eine auf die eigene Dynastie gerichtete und schon Früchte tragende Territorialpolitik betreiben konnten, kann ich zwar nicht beurteilen, es erscheint mir jedoch eher unwahrscheinlich. Ich möchte den Rückhalt durch Thüringen und Meißen nicht zu niedrig bewerten, doch ob er wirklich für einen eventuellen Kampf um die Königskrone gereicht hätte, mag ich bezweifeln. Du bist da jedoch sicherlich besser informiert über die Wettiner.

Dann erlaube ich mir an dieser Stelle, noch einen weiteren Blickwinkel einzubringen, auf den ich schon in einem anderen Thread zum kursächsischen Kontext verwiesen hatte.
Die Wettiner waren für den Ausbau ihrer Hausmacht sowie für die damit verbundene Territorialpolitik bis zur Mitte des 16. Jh. auf einen gewissen Ausgleich mit der böhmischen Krone - d.h., bspw. ab dem 14. Jh. mit den Luxemburgern und ab dem 16. Jh. mit den Habsburgern - angewiesen, da sich in ihrer Nachbarschaft eine Herrschaft befand, welche sowohl dem kursächsischen als auch dem böhmischen Lehnsverband angehörte, deren Einfluß auf die albertinisch-wettinische Politik noch im ersten Viertel des 16. Jh. enorm war und deren Bestreben, die Selbständigkeit zu wahren, erst infolge des Dreißigjährigen Krieges, gestiegener Verschuldung einzelner Herrschaften sowie von Konflikten innerhalb des eigenen Hauses aussichtslos wurde und erst mit dem Rezess von 1740 endgültig gebrochen werden konnte.
Diejenigen, welche mich hier schon etwas länger kennen, wissen, auf welche alte Adelsimmunität ich hinaus will; dennoch hierzu der Überblick: Schönburg, Fürsten, Grafen und Herren von | Sächsische Biografie | ISGV
 
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