Heeresreform als Auslöser?
...Nick Constable schreibt in seinem Buch "Das antike Rom", dass ab Mitte des 4.Jahrhunderts n. Chr. die Kaiser die Legionen stärker entlang der Grenzen verteilen ließen. Das heißt, dass es keine solchen Truppenkonzentrationen mehr gab wie früher (bis zu 15 Legionen allein an Rhein/Donau).
Dadurch sollte laut Constable vermieden werden, dass Ursurpatoren schnell sehr große Truppenverbände hinter sich kriegen konnten.
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Weiß jemand etwas Näheres über diese Entwicklung?
s.d.caes.
Ein sehr altes Zitat. Ich will trotzdem darauf eingehen:
Erstens gab es im angesprochenen Zeitraum die "alten Legionen" nicht länger. Es waren die bereits weiter oben angesprochenen limitanei und comitatenses welche in jener Zeit die römische Militärmacht bildeten. Ein Zählen von Legionen (den Namen gebrauchte man weiterhin!) führt am Problem vorbei.
Es wurde an den Grenzen durch Maßnahmen wie Kleinkastellen versucht die gegnerischen Einfälle zu kanalisieren und zu überwachen um Zeit zu finden, die mobilen Feldheere heran zu führen.
Hauptsächlich wird Constable wohl die veränderte Organisation des Heeres meinen, mit dem vermieden werden sollte dass ein Offizier innenpolitisch gefährlich große Truppenkonzentrationen unter sein Kommando bekam. Die Abschnittskommandanten an den Grenzen (i.D.R. nun die duces) bekamen dadurch weniger Chancen einen Bürgerkrieg zu entfesseln, wie dies in der Vergangenheit oftmals bei Konzentrationen vieler Legionen unter einem Kommando geschehen war. Ältere Beispiele wie Legionen den Weg zum Kaisertum bahnten, sind Vespasian (der im jüdischen Krieg große Truppen unter sein Kommando bekommen hatte) oder Septimus Severus (welcher die zahlreichen Legionen an der Donau nach Rom führte)…
Spätantike: Im Hinterland lagen an verkehrstechnisch günstigen Orten nun die so genannten Bewegungsheere, die von engen „Begleitern“ (comitatenses bedeutet Begleiter) des regierenden Kaisers oder ihm selbst kommandiert wurden und daher eine relativ höhere Loyalität dem Kaiser gegenüber an den Tag legen sollten. Diese Offiziere waren meist magister militium (= Heermeister, ein Rang), deren Aufgabengebiet flexibel innerhalb eines gewissen geographischen Rahmens war. Sie konnten das Kommando auch über die Truppen eines dux übernehmen oder jenem bei Bedarf Verstärkungen zuteilen. Diese Organisationsreform vereinte militärische Notwendigkeiten mit innenpolitischer Stabilität – zumindest besser, als mit der alten Struktur, bei der große Heere (kombiniert mit der politischen Macht als Provinzstatthalter) in wenigen Händen lagen. In der Spätantike waren meist auch die Verwaltung von Provinzen und militärische Befugnisse voneinander getrennt (Trennung in zivile & militärische Aufgaben), was einerseits die Effektivität erhöhen sollte und die innenpolitische Stabilität ebenso.
Später entwickelte sich der Rang eines magister militiums weiter, ist allerdings nicht immer einfach nach zu verfolgen! Letztlich gab es regionale Eingreifreserven und die Heere der Kaiser selbst, welche jene nach Bedarf verstärkten und diese meist selbst kommandierten – teilweise aber auch übergeordneten Heermeistern (magister militium) übertrugen.
Beispiel: Bei der katastrophalen Schlacht von Adrianopel im Jahre 378 vernichteten die Goten neben Kontingenten der Grenzheere vor allem das regionale (thrakische) Bewegungsheer des örtlichen Heermeisters, wie auch das kaiserliche Bewegungsheer des Ostreiches, zusammen mit Kaiser Valens selbst. Man sieht, dass die Römer trotz der organisatorischen Unterteilungen sehr wohl noch in der Lage waren Schwerpunkte zu bilden und sich nicht auf eine statische Verteidigung der Grenzen konzentrierten. Im Fall von Adrianopel kam es aus anderen Gründen zur Katastrophe. In anderen Fällen operierten römische Kaiser mit solchen Truppenansammlungen durchaus auch erfolgreich im Feindesland und beschränkte sich keineswegs auf die Defensive. Das wird leider zu leicht übersehen! Rein militärisch waren die Gründe für den „Untergang des römischen Reiches“ jedenfalls nicht!