Die wave-of-advance-Theorie

@Hans,
ich habe angefangen Dir zu antworten, aber das würden 10 Seiten werden. Versuch einfach:
- sprachliche
- ethisch/genetische
- wirtschaftliche
- fantasievoll-statische
Aspekte vollständig voneinander zu trennen. Beachte, dass die Einwanderungs- bzw. Kolononialgeschichte von Kanada, US-Amerika, Mexiko, Brasilen, den "weißen" südamerikanischen Staaten, den "roten" südamerikanischen Staaten, der Karibik deutlich unterschiedlich abläuft. Da führen Pauschalierungen nur in die Irre!
 
Wenn man davon ausgeht, daß die Ackerbau treibende Neubevölkerung eine höhere effektive Reproduktionsrate hat (also inkl. Kindersterblichkeit und ähnlicher Effekte), während sie der indigenen Jäger- und Sammlerbevölkerung den Raum nimmt, müßte doch die indigene Bevölkerung schon durch diesen Effekt im Zeitverlauf einen immer geringeren Anteil an der Gesamtbevölkerung stellen.
Global gesehen, ja.
Wenn wir die ackerbautreibende Bevölkerung als Bezugsgröße nehmen, nimmt mit ihrer Ausbreitung der Anteil der indigenen Bevölkerung zu.


Ein Siedlungsraum hat für gewöhnlich natürliche Grenzen. Die Menschen überwinden dann entweder diese Grenzen und erreichen vielleicht einen noch menschenleeren oder ebenfalls von Jägern und Sammlern besidelten Raum, oder sie sterben mangels Existenzgrundlage aus.

Ausgestorben ist noch keine Bevölkerung, nur weil ihr Siedlungsraum natürliche Grenzen erreicht hat. Die Alternative lautet also:
a) Entweder überwindet die Bevölkerung diese Grenzen
oder
b) Sie bleibt innerhalb dieser Grenzen; die Ausdehnung kommt damit zum Stillstand.

Diejenigen, die sich den Spielregeln der Neubevölkerung unterwerfen, bringen ihre Gene in den Genpool dieser Bevölkerung ein.
Und damit steigt mit der Expansion der Neubevölkerung an den Rändern der Genanteil der "Konvertiten"

Die Frage der Toleranz stellt sich nicht nur hinsichtlich des Kaluens von Feldfrüchten und des Elegens von Weidetieren. Eine soweitgehende Toleranz wird selten sein.
Ich würde behaupten, eine so weitgehende Toleranz findest Du nirgends. Kein Bauer "toleriert" es, wenn jemand anders sein Feld aberntet und sein Vieh abschießt.

Oft ist es aber doch so, daß schlicht Rassismus die als minderwertig empfundene indigene Bevölkerung von der Aufnahme in die Neubevölkerung ausschließt.
Ach was. Wenn ein Bauer, der Neuland unter den Pflug nimmt, eine Lebensgefährtin findet, die ihm bei seiner Arbeit hilft, wird er mit ihr auch Nachwuchs zeugen, auch wenn sie aus einer Jäger-und-Sammler-Population stammt. Wer wird da so verschroben sein, daß er sich irgendwelche "Blutreinheits-" oder sonstige rassistische Skrupel macht?

Ohne ein gewisses Maß an Rassismus wird es auch schwierig sein, nachts gut zu schlafen, wenn man seine Lebensgrundlage dadurch geschaffen hat, anderen Menschen ihre Lebensgrundlage zu zerstören.
Die Menschen, die Rassismus als Schlafmittel brauche, würde ich erst in der späten Neuzeit verorten.


In Lateinamerika hört man dagegen viele verschiedene Dialektfärbungen, die jeweils etwas mit dem dortigen Bevölkerungsmix und der jeweiligen Urbevölkerung zu tun haben.

Dann müßte es Dialektgrenzen an den Stellen geben, die früher Sprachgrenzen zwischen indigenen Sprachen markiert haben. Hast Du dazu Beispiele, die sich mit konkreten sprachlichen Befunden (Aussprache, Grammatik, Wortschatz) untermauern lassen?


Dazu Wikipedia zur mexikanischen Bevölkerungsstruktur:
"Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus 60 % Mestizen, 30 % indigenen Völkern (nach anderen Angaben 13 % beziehungsweise 7 %, unter anderem Maya und Nahua, Nachkommen der Azteken) und etwa 9 % Europäischstämmigen (meist Spanier). Das übrige 1 % Prozent bilden Bevölkerungsgruppen anderer Abstammung (größtenteils aus Afrika)."

Das Bild in Brasilien ist wieder ganz anders, Wikipedia dazu:
"Nach einer Erhebung des IBGE im Jahre 2005 bezeichnen sich rund 49,9 % der Brasilianer selbst als Weiße, 43,2 als Mischlinge (pardo) und 6,3 % als Schwarze, 0,7 % als Gelbe oder Indigene."

Da sieht man doch, wie unterschiedlich das aussieht: Indigene im einen Fall als starker Bevölkerungsanteil, im anderen (ähnlich wie in den USA) nur noch Promillebereich...
 
und womöglich noch mehr daran, daß die Mannschaften der Schiffe in Andalusien und auf den Kanaren ausgehoben wurden, wo man nuneinmal den andalusischen Dialekt spricht.

Die Andalucismo-Hypothese ist in der Hispanistik mindestens so umstritten, wie hier im Forum die Zuordnung der Kalkrieser Funde. Es geht dabei auch weniger darum, wer die Seeleute waren, sondern dass die habsburgische und bourbonische Bürokratie ziemlich genau prüfte, wer nach Amerika durfte und wer nicht (limpieza de sangre). Das geschah in der Casa de Contratación in Sevilla, ab 1715 in Cádiz. Die Andalucismo-Hypothese ging (in ihrer einfachen Fassung) davon aus, dass die Kolonisten während der Wartezeit in Andalusien so sehr vom Dialekt Sevillas bzw. Cádiz' beeinflusst worden wären, dass sie später alle diesen Dialekt gesprochen hätten. Es ist in der Tat so, dass man in einer dialektal fremden Umgebung sich nach einigen Wochen dem Dialekt unmerklich ein wenig anpasst, insbesondere dann, wenn der Dialekt ganz spezifische Ausprägungen hat. Man fällt aber i.d.R., sobald man diese Umgebung verlässt, wieder in den eigenen Dialekt zurück. Was zudem gegen die Andalucismo-Hypothese spricht ist, dass man in Andalusien, insbesondere in Cádiz, kein besonders gutes Spanisch spricht ("se come las palabras/letras") in den meisten lateinamerikanischen Ländern aber - insbesondere in Kolumbien - ein sehr reines Spanisch gesprochen wird, so wie man es in Spanien, wo der andalusische Dialekt (obwohl, den gibt es eigentlich auch nicht) nämlich auf dem Vormarsch ist, immer weniger hört.

In Lateinamerika hört man dagegen viele verschiedene Dialektfärbungen, die jeweils etwas mit dem dortigen Bevölkerungsmix und der jeweiligen Urbevölkerung zu tun haben.

Es gibt in Lateinamerika eine ganze Reihe an Regionalismen, die z.T. aus den Indígena-Sprachen stammen, aber mit dem Bevölkerungs"mix" haben sie eher wenig zu tun. Die meisten ins Spanische übergegangenen Amerikanismen sind karibischen (geographisch nicht unbedingt linguistisch) Ursprungs, die Ureinwohner dieser Gebiete sind aber die, welche am stärksten dezimiert wurden, also Substrate, natürlich gibt es eine Reihe an Adstraten, die z.T. nur in bestimmten Regionen verwendet werden.
 
Es ist in der Tat so, dass man in einer dialektal fremden Umgebung sich nach einigen Wochen dem Dialekt unmerklich ein wenig anpasst, insbesondere dann, wenn der Dialekt ganz spezifische Ausprägungen hat.
Weißt du, ich kenne etliche gebürtige Sachsen, die zum Teil seit über 50 Jahren hier im Norden leben und sich nicht die Spur angepasst haben. Warum soll ein Katalane oder Galicier, der ein paar Monate auf die Überfahrt in Cadiz wartete, plötzlich den Dialekt der Region angenommen haben. :grübel:
 
Weißt du, ich kenne etliche gebürtige Sachsen, die zum Teil seit über 50 Jahren hier im Norden leben und sich nicht die Spur angepasst haben. Warum soll ein Katalane oder Galicier, der ein paar Monate auf die Überfahrt in Cadiz wartete, plötzlich den Dialekt der Region angenommen haben. :grübel:
Ein Katalane oder Galicier sprach eine ganz andere Sprache, kein Spanisch.
 
Es ist in der Tat so, dass man in einer dialektal fremden Umgebung sich nach einigen Wochen dem Dialekt unmerklich ein wenig anpasst, insbesondere dann, wenn der Dialekt ganz spezifische Ausprägungen hat.
Weißt du, ich kenne etliche gebürtige Sachsen, die zum Teil seit über 50 Jahren hier im Norden leben und sich nicht die Spur angepasst haben. Warum soll ein Katalane oder Galicier, der ein paar Monate auf die Überfahrt in Cadiz wartete, plötzlich den Dialekt der Region angenommen haben. :grübel:

Ich denke, Ihr diskutiert da ein wenig aneinander vorbei, denn grundsätzlich sehe ich zwischen Euren Aussagen diesbezüglich keinen Widerspruch.
Bei den deutschen Dialekten liegt bekanntlich der Fall so, daß wir zwei Sprachräume und v.a. deren historische Entwicklungen betrachten müssen: Niederdeutsch und Hochdeutsch. Im letztgenannten Sprachraum entwickelte sich die hochdeutsche Standardsprache bzw. deutsche Schriftsprache. Nun weiß ich es zwar genau lediglich für das nördliche Brandenburg, für das nördliche Westfalen und für Niedersachsen und kann daher die Situation bspw. für Mecklenburg-Vorpommern nur vermuten, aber vor diesem Hintergrund ist es mW doch wohl so, daß seit Jahrhunderten die entsprechenden niederdeutschen Dialekte weitgehend in den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis bzw. das private Umfeld zurückgedrängt worden sind und im Alltag ansonsten heutzutage die hochdeutsche Standardsprache weit verbreitet ist - ein Grund für die weitverbreitete irrige Annahme, daß die hochdeutsche Standardsprache im Raum Hannover entstanden sei. Oder irre ich im Falle der Mecklenburger da?
Man wird sich demnach im konkreten Fall - Mecklenburger vs. Sachse - beiderseits um das Sprechen der hochdeutschen Standardsprache bemühen, was einer gegenseitigen Annäherung eben durchaus entspricht.
Für einen Sachsen - aus welcher Region überhaupt? (das ist an der Stelle nämlich nicht unwichtig) - ist die Annäherung an die hochdeutsche Standardsprache dabei übrigens weit geringer als man gemeinhin denkt, da bis auf relativ wenige Worte und die typische Lenisierung der Konsonanten die Abweichung zur Standardsprache bei Dialekten wie Osterländisch oder Meißenisch am geringsten ist. Was nicht verwundert, wenn man sich vor Augen hält, daß das Meißner Kanzleideutsch einst die Grundlage des Neuhochdeutschen gebildet hat. Von daher kann ein Sprecher aus der Thüringisch-Obersächsischen Dialektgruppe genaugenommen sogar fast beim Dialekt bleiben und wird trotzdem verstanden - wenn es auch für fremde Ohren zugegebenermaßen recht komisch klingt.
Anm.: Diese Ausführungen zur Dialektabweichung gelten so jedoch explizit nur für die genannten Dialektsprecher aus dem Gebiet um Leipzig, im Raum Dresden-Meißen bzw. Elbtal & Osterzgebirgsrand sowie dem Raum etwa zwischen Borna, Chemnitz, Hainichen, Freiberg, Döbeln und Riesa, nicht aber für andere Gegenden des Freistaats Sachsen. Lausitzische Mundartsprecher werden außerhalb ihrer Region nur schwer verstanden, noch schwieriger ist es bei Mundartsprechern aus dem Erzgebirge und dem Vogtland, die man bereits in Chemnitz und Zwickau kaum noch versteht, sofern sie sich nicht um ein gewisses Maß an hochdeutscher Standardsprache bemühen.

Daß man zudem nach einiger Zeit durchaus auch einen anderen Dialekt annehmen kann, ist ungeachtet all dessen übrigens ebenfalls richtig: meine Tante hatte nach ihrer Schulzeit Lehre und Studium im Dresdner Raum absolviert, dort dann auch geheiratet und lebt seitdem in dieser Gegend. Sie spricht seit Jahrzehnten kein Erzgebirgisch mehr, aber auch nicht das Standardhochdeutsche, sondern genau das Südostmeißenische, wie man es aus Dresden und Umgebung kennt. Zwar handelt es sich in diesem Fall um mehr oder weniger räumlich benachbarte Dialekte, jedoch um verschiedene Dialektgruppen, ja sogar mittel- vs. oberdeutsche Dialekte (um gleich Entgegnungen zuvorzukommen, die meinen, daß es sich hier um nahezu gleiche Dialekte handelt).

Aber ich dachte eigentlich, hier ginge es gar nicht um Dialekte... :grübel:
 
... Aber ich dachte eigentlich, hier ginge es gar nicht um Dialekte... :grübel:

Super-Beitrag und dann noch mit dem Paukenschlag, daß das alles irrelevant für den Thread sei :yes:

Was die anderen Ausführungen, insbesondere von Quijote betrifft, muß ich mich mal schlau machen (ist ja immer vorteilhaft), was die Zufuhr spanischer Muttersprachler unterschiedlicher Dialekte nach Lateinamerika betrifft. Das beschriebene Szennario, die Leute hätten sich während einer Wartezeit in Andalusien mit der dortigen Sprache infiziert, halte ich auch für abstrus - soweit geschenkt.

Daß Rassissumus ein Phänomen der Neuzeit wäre, halte ich für unwahrscheinlich. Im Prinzip handelt es sich doch um ein Ausgrenzungsphänomen, das hilfreich ist, um einer Gruppe das schlechte Gewissen zu nehmen, wenn diese sich unfair bis unmendschlich gegen eine andere Gruppe verhält. Ich würde eher sagen, unrassistische Sichtweisen sind die löbliche Ausnahme. Schon das Kamasutra sagt, der Edelmann solle sich Frauen aussuchen, die nicht wesentlich heller oder dunkler sind als er selbst. Das ist aber sicherlich kein Werk, das der Neuzeit zuzurechnen wäre.
 
Ich würde eher sagen, unrassistische Sichtweisen sind die löbliche Ausnahme. Schon das Kamasutra sagt, der Edelmann solle sich Frauen aussuchen, die nicht wesentlich heller oder dunkler sind als er selbst.
Ich würde daraus eher den Schluß ziehen: "Rassismus muß man sich erst mal leisten können"...
 
Zu Renfrew und Anatolien gibt es einen Thread.
http://www.geschichtsforum.de/f22/die-wave-advance-theorie-20664/
Ich habe mal eine Karte aus Gamkrelidze & Ivanov gescannt (Sonderheft Spektrum der Wissenschaft), damit auch die nicht so mit dem Thema vertrauten Forianer sehen können, um was es geht. Bei allen dort aufgeführten Argumenten, es überzeugt mich persönlich nicht. Warum dieser Umweg der frühen Indoeuropäer?? Dazwischen liegen zudem Zagros-Gebirge, Kopet-Dag und die Halbwüsten östlich des Kaspischen Meeres.

Das Gamskrelidze kein Spinner ist, weiß ich, sollte so auch nicht verstanden werden. Trotzdem heißt das noch lange nicht, dass er recht hat.

PS: Das Bild ist Wasser auf den Mühlen der Kurden-Fraktion, die wir hier im GF mitunter erlebt haben.
 

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Eine blonde Tocharermumie in China zeigt Gene nach Europa. Man weiß, dass sie indoeuropäisch sprachen.

Niemand weiß, ob die Mumie skythisch, sonst eine indoeuropäische Sprache oder gar eine finnougrische Sprache gesprochen hat. Eine nachweisbaree Verbindungslinie zwischen der Mumie und den Sprachzeugnissen der Tocharer besteht jedenfalls nicht. Der an den (blonden) Haaren herbeigezogenen Verbindung zu den Tocharern wurde mit gutem Grund widersprochen, z. B. Stefan Zimmer, Modern Necromancy, or How to Make Mummies Speak, in: Journal of Indo-European 26, 1998
 
@Jemand: Wer sagt denn sowas???
Hast du Gegenbeispiele?

Eine nachweisbare Verbindungslinie zwischen der Mumie und den Sprachzeugnissen der Tocharer besteht jedenfalls nicht.
Gut, aber dass diese Mumien dort gefunden wurden, wo später die tocharischen Schriftzeugnisse entstanden, macht es schwer an einen bloßen Zufall zu glauben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal eine Karte aus Gamkrelidze & Ivanov gescannt (Sonderheft Spektrum der Wissenschaft), damit auch die nicht so mit dem Thema vertrauten Forianer sehen können, um was es geht. Bei allen dort aufgeführten Argumenten, es überzeugt mich persönlich nicht. Warum dieser Umweg der frühen Indoeuropäer??

Ich kann diesen Einwand nicht ganz nachvollziehen. Von einem "Umweg" kann man nur dann sprechen, wenn man den frühen Indoeuropäern unterstellt, mit einem bestimmten Ziel (z. B. der Unterjochung Europas) auszuwandern.

Das Gamskrelidze kein Spinner ist, weiß ich, sollte so auch nicht verstanden werden. Trotzdem heißt das noch lange nicht, dass er recht hat.
Hat jemand behauptet, daß er "recht hat"? Oder daß seine Theorie um ein Haar besser wäre als all die anderen Urheimattheorien? Ich bestimmt nicht. Mir geht es nur darum, ein gewisses Niveau der Argumentation zu wahren. wenn auch sicher unbeabsichtigt, kam Dein Statement so in der Art "Gamkrelidze ist Georgier, da kann's mit seiner Theorie wohl nicht so weit her sein."

PS: Das Bild ist Wasser auf den Mühlen der Kurden-Fraktion, die wir hier im GF mitunter erlebt haben.
Auch das ist kein Argument.

PS: Wenn die Kurden-Fraktion irgendwelche frühen indogermanischen Gruppen als "(Proto)-Kurden" bezeichnen würde, bekäme sie von mir dasselbe zu hören wie Dieter mit seinen "(Proto)-Hethitern".
 
@Jemand: Wenn die Kurden-Fraktion die irgendwelche frühen indogermanischen Gruppen als "(Proto)-Kurden" bezeichnen würde...
Wenn du eine Weile hier bist, wirst du es bestimmt erleben. Manches steht in älteren Threads, manches wurde von den Moderatoren gelöscht.

Von einem "Umweg" kann man nur dann sprechen, wenn man den frühen Indoeuropäern unterstellt, mit einem bestimmten Ziel (z. B. der Unterjochung Europas) auszuwandern.
Die Bildarstellung suggeriert dies, dass die Bewegung der Stämme nicht vorausschauend das konkrete Ziel Europa hatte, ist klar und bedarf keiner extra Erwähnung. Doch wie gesagt, östlich ums Kaspische Meer ist die mühseligste aller Routen. Die Steppen Westeurasiens waren damals auch nicht menschenleer. Warum nicht dort den Ausgangspunkt des UIG suchen, wie es die Mehrheit der Fachwelt anscheinend nach wie vor vertritt? Ostanatolische Bergbauern wandern nordwärts in die Steppe, werden Hirten, zähmen Pferde und erfinden das Rad? Sämtliche Völkerbewegungen in diesem Raum seit dem Altertum, von denen wir konkrete Kenntnis haben, gingen eher den umgekehrten Weg. Tut mir leid, Gamkrelidzes Theorie entspricht jedenfalls nicht meinem Verständnis von "Oghams razor".

OT: Warum postest du zu jedem Beitrag bzw. Mitdiskutanten einzeln statt zusammenfassend? Willst du damit deine Beitragszahl pushen?
 
Hast du Gegenbeispiele?

Ei, ja doch: Gerste, Weizen, Flachs, Wein (sehr wahrscheinlich), Roggen (mit Vorbehalt).

Verrätst Du mir nun auch, wo Du Deine Behauptung herhast?

Gut, aber dass diese Mumien dort gefunden wurden, wo später die tocharischen Schriftzeugnisse entstanden, macht es schwer an einen bloßen Zufall zu glauben.
Zum einen stammen die gefundenen Mumien nicht aus derselben Zeit wie die tocharischen Schriftzeugnisse. Zum anderen gehört Ostturkestan zu den Gegenden, wo sich in historischer Zeit (von der prähistorischen Zeit, aus der die frühen Mumien stammen, wollen wir gar nicht erst reden) allerhand Völker die Klinke in die Hand gegeben, solche mit bekannter und solche mit unbekannter Herkunft (by the way: Erinnert sich noch jemand an unsere schöne Hunnendiskussion vor ein paar Tagen?), daß wir uns auf jeden Fall im Zufallsbereich bewegen, egal ob wir eine Zuordnung vornehmen oder nicht.

Ich halte es auch nicht für gar zu abwegig, an einen Zusammenhang zu denken ("jeder hat drei Schuß frei"). Abwegig wäre es aber, die Sprache pfeilgerade von der Haarfarbe abzuleiten und zu behaupten: "Man weiß, daß (die Mumien) indoeuropäisch sprachen". Wissen tut man da gar nix, man kann bloß glauben.
"One can neither prove nor disprove the Indo-European, let alone the Tohkarian, connection" (Denis Sinor)
 
Was die Tocharer betrifft, ich schrieb nichts von derselben Zeit, sondern dass die Schriftdokumente SPÄTER entstanden - und dass ich in dieser Weltgegend doch einenZusammenhang vermute.

Zu den Nutzpflanzen muss ich erstmal nachsehen, wo gelesen - gedulde dich bitte bis morgen. Wein ist z.B. wohl aber ein Lehnwort altmediterraner (Pelasger???) Herkunft. Schade, dass @hyokkose als studierter Linguist nicht mehr schreibt.
 
Die Bildarstellung suggeriert dies, dass die Bewegung der Stämme nicht vorausschauend das konkrete Ziel Europa hatte, ist klar und bedarf keiner extra Erwähnung. Doch wie gesagt, östlich ums Kaspische Meer ist die mühseligste aller Routen.

Auch das leuchtet mir nicht recht ein. Den Weg über den Kaukasus würde ich mir z. B. noch mühseliger vorstellen. Für die Vorfahren der späteren Indo-Arier haben wir auf der verlinkten Karte ja den direktesten Weg, den man sich vorstellen kann. Dasselbe gilt für die Vorfahren der späteren Tocharer. Eine dritte Gruppe mag es in die Steppen nördlich des Kaspischen Meers verschlagen haben. Daß nun gerade diese sich dort so stark vermehren konnte, daß sie von dort aus ganz Europa überschwemmen konnte, mag man freilich als Pferdefuß dieser Theorie bezeichnen. Aber genau daran krankt ja auch jede andere Theorie, die eine indogermanische Invasion (in welcher Form auch immer) aus dem eurasischen Steppengürtel postuliert.

Die Wanderungsrouten (an die ich persönlich auch nicht glaube) sind ja nicht der kreativen Phantasie der Autoren entsprungen, sondern versuchen die Verwandtschaftsverhältnisse der indoeuropäischen Sprachzweige untereinander sowie die Lehnsbeziehungen des Gemeinindogermanischen und einzelner Sprachzweige zum Semitischen und zum Finno-Ugrischen zu erklären. Eine Kritik der Gamkrelidze-Ivanovschen Konstruktion müßte also an den Schwachpunkten der linguistischen Argumentation ansetzen und nicht vom Standpunkt eines Routenplaners.


Ostanatolische Bergbauern wandern nordwärts in die Steppe, werden Hirten, zähmen Pferde und erfinden das Rad?
Und den Weinbau, wohlgemerkt.

Sämtliche Völkerbewegungen in diesem Raum seit dem Altertum, von denen wir konkrete Kenntnis haben, gingen eher den umgekehrten Weg.
Nach dieser Logik müßte man die Urheimat der Indogermanen bei den Tocharern suchen. Denn konkrete Kenntnis von Völkerbewegungen innerhalb der eurasischen Steppe haben wir nur von den Türken und Mongolen, und die gingen von Ost nach West, nicht umgekehrt.

OT: Warum postest du zu jedem Beitrag bzw. Mitdiskutanten einzeln statt zusammenfassend? Willst du damit deine Beitragszahl pushen?

Nein, ich wüßte ja nicht, was mir das brächte. Aber ein einziger Klick "Antworten" ist für mich (quasi nach Occam's razor) weniger Arbeit, als den Text des einen Beitrags in den anderen reinzukopieren.
 
@Jemand: Eine Kritik der Gamkrelidze-Ivanovschen Konstruktion müßte also an den Schwachpunkten der linguistischen Argumentation ansetzen und nicht vom Standpunkt eines Routenplaners.
Dazu kann ich leider nichts zu sagen, ich bin historisch interessierter Biologe und kein Linguist. Dass der Kaukasus über die Pässe im Sommer relativ einfach zu queren ist, haben schon die Kimmerer bei ihren Raubzügen nach Vorderasien bewiesen. Also warum in die Halbwüste Turkmenistans ziehen...(Mal ganz davon abgesehen, dass ich weder das eine noch das andere glaube, weil ich eigentlich Marija Gimbutas Kurganthese (in modifizierter Form) für plausibler halte.

Denn konkrete Kenntnis von Völkerbewegungen innerhalb der eurasischen Steppe haben wir nur von den Türken und Mongolen, und die gingen von Ost nach West, nicht umgekehrt.
Es kann ja durchaus so gewesen sein, dass die Protoindoeuropäer viel weiter östlich saßen, als viele denken.
Andronowo-Kultur ? Wikipedia

Und den Weinbau, wohlgemerkt.
Weinbau kann aus klimatischen Gründen weder in der Steppe Eurasiens noch im Bergland Anatoliens entstanden sein. Interessanterweise führen Gamzkrelidse & Ivanov ihn als Argument für indoeuropäische Lehnworte in anderen Sprachfamilien an (frühsemitisch: *wajnu, ägyptisch: *wns, kartwelisch: *vino) an. Wäre das Wort wirklich urindoeuropäisch, kann keine heute der diskutierten Theorien stimmen. Ist es nicht eher denkbar, dass verschiedene Sprachfamilien (Indoeuropäisch, Südkaukasisch und Semitisch) es aus dem Mittelmeerraum von einer heute ausgestorbenen Sprache übernommen haben? Solche gab es, ich erinnere nur an die Etrusker oder Pelasger.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Thema wave-of-advance-Theorie habe ich bisher als Diskussion zur Neolithischen Revolution und Renfrews Ausbreitungsthesen gesehen.
Nun werden hier alternative Theorien zur indoeuropäischen Urheimat und "Wanderung" besprochen.
Das ist auch spannend, dafür sollte es doch andere Threads geben oder ein solcher eröffnet werden können.
 
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