Es ist in der Tat so, dass man in einer dialektal fremden Umgebung sich nach einigen Wochen dem Dialekt unmerklich ein wenig anpasst, insbesondere dann, wenn der Dialekt ganz spezifische Ausprägungen hat.
Weißt du, ich kenne etliche gebürtige Sachsen, die zum Teil seit über 50 Jahren hier im Norden leben und sich nicht die Spur angepasst haben. Warum soll ein Katalane oder Galicier, der ein paar Monate auf die Überfahrt in Cadiz wartete, plötzlich den Dialekt der Region angenommen haben. :grübel:
Ich denke, Ihr diskutiert da ein wenig aneinander vorbei, denn grundsätzlich sehe ich zwischen Euren Aussagen diesbezüglich keinen Widerspruch.
Bei den deutschen Dialekten liegt bekanntlich der Fall so, daß wir zwei Sprachräume und v.a. deren historische Entwicklungen betrachten müssen:
Niederdeutsch und
Hochdeutsch. Im letztgenannten Sprachraum entwickelte sich die hochdeutsche Standardsprache bzw. deutsche Schriftsprache. Nun weiß ich es zwar genau lediglich für das nördliche Brandenburg, für das nördliche Westfalen und für Niedersachsen und kann daher die Situation bspw. für Mecklenburg-Vorpommern nur vermuten, aber vor diesem Hintergrund ist es mW doch wohl so, daß seit Jahrhunderten die entsprechenden niederdeutschen Dialekte weitgehend in den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis bzw. das private Umfeld zurückgedrängt worden sind und im Alltag ansonsten heutzutage die hochdeutsche Standardsprache weit verbreitet ist - ein Grund für die weitverbreitete irrige Annahme, daß die hochdeutsche Standardsprache im Raum Hannover entstanden sei. Oder irre ich im Falle der Mecklenburger da?
Man wird sich demnach im konkreten Fall - Mecklenburger vs. Sachse - beiderseits um das Sprechen der hochdeutschen Standardsprache bemühen, was einer gegenseitigen Annäherung eben durchaus entspricht.
Für einen Sachsen - aus welcher Region überhaupt? (das ist an der Stelle nämlich nicht unwichtig) - ist die Annäherung an die hochdeutsche Standardsprache dabei übrigens weit geringer als man gemeinhin denkt, da bis auf relativ wenige Worte und die typische Lenisierung der Konsonanten die Abweichung zur Standardsprache bei Dialekten wie
Osterländisch oder
Meißenisch am geringsten ist. Was nicht verwundert, wenn man sich vor Augen hält, daß das
Meißner Kanzleideutsch einst die Grundlage des
Neuhochdeutschen gebildet hat. Von daher kann ein Sprecher aus der
Thüringisch-Obersächsischen Dialektgruppe genaugenommen sogar fast beim Dialekt bleiben und wird trotzdem verstanden - wenn es auch für fremde Ohren zugegebenermaßen recht komisch klingt.
Anm.: Diese Ausführungen zur Dialektabweichung gelten so jedoch explizit nur für die genannten Dialektsprecher aus dem Gebiet um Leipzig, im Raum Dresden-Meißen bzw. Elbtal & Osterzgebirgsrand sowie dem Raum etwa zwischen Borna, Chemnitz, Hainichen, Freiberg, Döbeln und Riesa, nicht aber für andere Gegenden des Freistaats Sachsen. Lausitzische Mundartsprecher werden außerhalb ihrer Region nur schwer verstanden, noch schwieriger ist es bei Mundartsprechern aus dem Erzgebirge und dem Vogtland, die man bereits in Chemnitz und Zwickau kaum noch versteht, sofern sie sich nicht um ein gewisses Maß an hochdeutscher Standardsprache bemühen.
Daß man zudem nach einiger Zeit durchaus auch einen anderen Dialekt annehmen
kann, ist ungeachtet all dessen übrigens ebenfalls richtig: meine Tante hatte nach ihrer Schulzeit Lehre und Studium im Dresdner Raum absolviert, dort dann auch geheiratet und lebt seitdem in dieser Gegend. Sie spricht seit Jahrzehnten kein
Erzgebirgisch mehr, aber auch nicht das Standardhochdeutsche, sondern genau das
Südostmeißenische, wie man es aus Dresden und Umgebung kennt. Zwar handelt es sich in diesem Fall um mehr oder weniger räumlich benachbarte Dialekte, jedoch um verschiedene Dialektgruppen, ja sogar mittel- vs. oberdeutsche Dialekte (um gleich Entgegnungen zuvorzukommen, die meinen, daß es sich hier um nahezu gleiche Dialekte handelt).
Aber ich dachte eigentlich, hier ginge es gar nicht um Dialekte... :grübel: