Japan und das Deutsche Reich

Darum geht es auch nicht, ob das Sinn macht. Krieg ist eines der besten Beispiele... Denn Sinn machten die wenigsten dieser Konflikte... Denn du hast keine historischen Fakten. Wir warten auf so etwas wie ein Zitat eines deutschen/japanischen Verantwortlichen, der sagt: Japan hat große Bedeutung für uns, weil... Oder einen Erlass zur damaligen Zeit, der deine These belegt.
Du sagst, Deutschland und Japan hätten von einer gegenseitigen Zusammenarbeit profitiert. Kann schon sein. Doch, haben sie das auch gewusst?

Und noch etwas. Wo ist deine Antwort hierauf: admiral, silesia hatte oben um Belege zu deiner These des beiderseitigen Nutzens und v.a. Stattfindens deutsch-japanischen Handels gebeten. Ich bitte doch auch um selbige.
Denn falls du dafür Belege bringst, sind wir gewillt, dir zu glauben. Doch noch scheinst du das völlig zu ignorieren. Gibt es solche Belege überhaupt?

(Sorry, falls das jetzt aggressiv klang, aber wir kommen sonst einfach nicht weiter...)

Und zu deinem Bezug auf die Gegenwart: Das ist nun reines Schulwissen. Die sechs Säulen der japanischen Wirtschaft seien hier nur am Rande erwähnt. Doch ich möchte erwähnen, dass Japans Lage stets ein Hindernis für seinen wirtschaftlichen Erfolg war.
Was Japans Aufschwung brachte, war die Kopie europäischer Produkte, diese dem Prinzip des Kaizen zu unterwerfen und danach aus den so gewonnenen Erkenntnissen mit dem MITI zusammen eine Strategie entworfen, den ausländischen Markt zu erobern. Das ist der Grundsatz des jetzigen Erfolgs, nicht die Lage!
 
Was Japans Aufschwung brachte, war die Kopie europäischer Produkte, diese dem Prinzip des Kaizen zu unterwerfen und danach aus den so gewonnenen Erkenntnissen mit dem MITI zusammen eine Strategie entworfen, den ausländischen Markt zu erobern. Das ist der Grundsatz des jetzigen Erfolgs, nicht die Lage!

Vielen Dank für den Hinweis, Belisarius.

Der japanische Imperialismus in Richtung Korea und China hatte nämlich untergeordnete Bedeutung für die industrielle Entwicklung (Absatzmärkte), selbst für die aus der Perspektive 1914 zukünftig kritischen Rohstoffe (Importe). Der entscheidende Aspekt war Landnahme, ggf. die Aussicht auf billige Arbeitskräfte, siehe Korea -> als eine Art "Sklavenstaat".

Dieser Imperialismus kostete Geld in Form der japanischen Rüstung, und brachte wenig. Die ökonomischen Folgen der japanischen Rüstung - Aufträge für die Binnenwirtschaft - waren ebenfalls überschaubar, da man sich auch Technologie im Ausland besorgen mußte, siehe oben.
 
Tirpitz, Erinnerungen, S. 152 ff., Wilhelm II., Ereignisse..., S. 66 ff., Mehnert, vgl. # 72, alles bereits genannt.
 
„Wir sollen mit Vorspiegelung eines Kolonialreiches in Afrika, mit Erwerbungen auf Kosten Anderer, in Verwicklungen hingezogen und abgezogen werden von der Weltpolitik, d.h. man will die große asiatische Frage ohne uns lösen a trois – Tripleentente mit Japan und Amerika, - und wir sollen dabei nicht beteiligt sein. Wird aber Asien aufgeteilt, ist unser Ausfuhr – Produktion der Industrie – und Handel auf ewig schwer geschädigt und wir müssten ihm die offene Tür per Flotte und Granate öffnen. Auf die Lösung der asiatischen Frage mit uns ist meine ganze Politik auch der Marine aufgebaut und meine militärische Konzentration in Europa. Daher wirkt sie so unbequem, und deswegen soll sie in Kolonialerwerbungen aufgelöst und zersplittert werden. Damit wir in Asien – also sonst auf der Welt – nicht mehr mitreden!“

Diesen Punkt spreche ich zuerst an. Wilhelm sieht hier die "asiatische Frage". Was heißt das konkret? Sehr einfach. Die koloniale Aufteilung Asiens steht für Wilhelm im Vordergrund. Das heißt schlicht und einfach, der dt. Kaiser sieht eine Gefahr für dt. Kolonialbestrebungen durch ein gutes Verhältnis von Amerika und Japan.
Sein Interesse gilt nicht primär Japan, sondern der Lösung dieser Frage. Dabei sieht er eine Gefahr, die klar von dem japanisch-amerikanischen Verhältnis ausgeht. Er folgert daraus allerdings keine Notwendigkeit der Verbesserung des dt.-jap. Verhältnisses.
Wilhelm scheidet m.E. als Beleg deiner These aus.
 
Mir ist nicht bekannt, dass irgend jemand in Deutschland Kolonien in China wollte, Wilhelm scho gar nicht (siehe bereits #48 bezüglich einer Vergrößerung des Kolonialbesitzes sagte Wilhelm „Kolonien haben wir genug“ oder „Wer soll denn das verwalten und aufschließen, woher kommt das Geld“). Tsingtau war bereits ein Handelsplatz mit "trotz erschwertem Wettbewerb stürmischer" Entwicklung (Tirpitz, S. 66, auch 68, insb. 76, es war eine Messe "Musterausstellung deutscher Erzeugnise" geplant). Was soll man den mit einer Koloniein China? Deutschland war ein Industriestaat, wichtig war Industrieprodukte zu verkaufen.
Japan als kommende Industriemacht (Deine Kurzdarstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Japans reduziert das Ganze auf ein Abkupfern) - Japan hatte schon früh eine bedeutende Schwerindustrie - war natürlich ideal (auch die bereits zitierte Mehnert geht in diese Richtung) und Wilhelm betont bei Japan ausdrücklich "seinen Anteil an Handel...in der Welt" und Dein eigenes Zitat spricht bzgl. Asien von "Ausfuhr – Produktion der Industrie – und Handel."
 
Japans Exporte bis 1914 lassen sich auf drei Stichworte reduzieren: Tee, Seide, Kohle. Die Baumwolle, die Chemieindustrie und Stahl kamen erst in Folge des Ersten Weltkriegs bzw. danach hinzu.

Die Zahl der Fabriken mit >20 Arbeitnehmern stieg erst nach 1905 schnell an (davon maschinisiert), hier liegt die eigentliche Boomphase zwischen 1905-1909:
1892: 2.767 (???)
1900: 7.284 (2.388)
1904: 9.234 (4.000)
1909: 32.228 (9.155)
1914: 31.717 (15.578)

1919 betrug der Wert der Textilproduktion ca. 50% der gesamten Industrieproduktion von 6,47 Mrd. Yen. Die bedeutende Entwicklung der Maschinenindustrie auf ein international wahrnehmbares Niveau erfolgte nach 1922. 90% der Ausfuhr (i.w. Textilien, Tee, Kohle) verblieben in Asien und den USA, die wiederum etwa doppelt so viel aufnahm wie China. 1900 wurden 63% des japanischen Exports und 60% des Imports von ausländischen Handelshäusern abgewickelt. Dabei spielten chinesische Händler eine große Rolle.

Handelsbilanz-Defizite waren in den 40 Jahren vor 1918 für Japan die Regel. Korrespondierend ergaben sich Kapitalimporte. Die Stellung in der globalen Wirtschaft erspare ich mir einmal, sie läßt sich aus der oben dargestellten Ausstattung von Unternehmen schließen.


Wesentliche Veränderungen der japanischen Wirtschaft ab 1914 sind Kriegsfolgen.


Nachtrag zu der "Milliarde" von Plumpe:
die basiert ausschließlich auf einer Festschrift-Darstellung von 1940 zur Ostasien-Bank, nicht auf Recherche von Plumpe. Die Angabe beruht auf dem Streit der Bank um Ausgleichszahlungen wegen der Beschlagnahmungen durch China und Japan. Die Zahl ist daher mindestens mit Vorsicht zu genießen, mE aufgebauscht. Erhalten hat die Bank rd. 24 Millionen RM.
 
admiral, die dt. Kolonialbestrebungen in China gab es. Max Weber beispielsweise befürwortet in einigen seiner Schriften vehement die Erschließung neuer dt. Kolonien. China wurde von der dt. Presse der damaligen Zeit oftmals zur Überlebensfrage hochstilisiert. Meine Quellen hierzu sind zwar, zugegebenermaßen, "nur" mein Schulbuch. (Die Wikipedia fasst zwar noch einmal gekonnt in ihrem Artikel Kiatschou zusammen, aber als Quelle dient sie nicht) Das dt. Kaiserreich folgte der kolonialistischen Annahme, die Erschließung neuer Märkte oder Produzenten im Ausland werde die heimische Wirtschaft stärken. Hier wurde China oft als Schlüssel zur weiteren Ausdehnung gesehen. Nicht umsonst sollte die Kolonie Kiatschou als Muster für die gründliche dt. Kolonialpolitik herhalten (da standen handfeste Interessen hinter!).
 
Man muss unterscheiden zwischen von irgendwelchen Gruppen (es gab ja Kolonialvereine etc) und konkreter Politik. Insbesondere wenn das Kaiserreich negativ dargestellt werden soll, werden die Kolonialideen herausgeholt. Die wirtschaftliche Bedeutung war null. Deutschland war ein Industriestaat, Eisen, Stahl, Chemie, Elektrizität waren die Quellen des Reichtums. Kolonien brauchte man für die Rohstoffbesorgung (da die Welt unter den Europäern und Amerikanern aufgeteilt wurde, meinte man sich auch Kolonien sichern zu müssen, da man sonst irgendwann ohne Rohstoffe dazustehen würde, so meinte man zumindest). Absatzkolonien (wie Indien) wären nur über einen großen Krieg zu haben gewesen (wie China, daher auch die offene Tür Politik). Kiautschou war keine Kolonie, sondern gehörte zur Marine (Kiautschou ? Wikipedia).

Im Reichskolonialamt dachte man über Mittelafrika nach (Deutsch-Mittelafrika ? Wikipedia), da gab es durchaus Möglichkeiten, vgl. Tschapek, Bausteine eines zukünftigen deutschen Mittelafrika. Nur, die Reichsregierung und Wilhelm wollten – mit guten Gründen – nicht. Es gab im übrigen auch kein Interesse der Wirtschaft, diese Gebiete zu erschließen. Warum auch, das waren äußerst riskante Geschäfte und – wie gesagt – Deutschland war ein Industrieland (in der Chemie hatte man Monopolgewinne, die Chemie außerhalb Deutschlands kann man vernachlässigen). Man muss sehen wie die deutsche Wirtschaft strukturiert war, dann sieht man, dass China (oder Asien, und dazu gehört Japan) als Absatzmarkt interessant war.

Die Beschreibung der japanischen Wirtschaft dürfte richtig sein, die wichtigsten Industrien waren Eisen (Kohle) und Textil. Und Japan war sicherlich ein Abnehmermarkt (schreibt meine ich auch Mehnert).

Die Ausgleichszahlungen sind sicherlich nicht ins Blaue beantragt worden. Man musste eben bei Plumpe oder der Historischen Gesellschaft nachfragen (die email Adressen findet man bestimmt). Sind die Zahlen aufgebauscht? Vielleicht, vielleicht nicht. Sie stehen zumindest mal als Forderung im Raum.
 
Die Beschreibung der japanischen Wirtschaft dürfte richtig sein, die wichtigsten Industrien waren Eisen (Kohle) und Textil.

Die Aussage zum Stahl ist ungenau, das betrifft nämlich nur die Weiterverarbeitung, im Verhältnis zu den Großmächten von untergeordner Bedeutung.

Zur japanischen Stahlindustrie:
Die Entwicklung folgte vor dem Weltkrieg in zwei Schüben, beide in Zusammenhang mit den Kriegen 1895 und 1905, in denen auch die Bedeutung der Stahlindustrie für die Rüstung in Japan voll erkannt wurde. Danach wurden die ersten Kapazitäten aufgebaut. Grundproblem war die unzureichende Roheisenerzeugung (bis 1941, weswegen das amerikanische Embargo hart traf).

Die Roheisenerzeugung erreichte 1913 rd. 240 T-To., und stieg dann nach dem Krieg bedeutend an:
1923: 600
1924: 586
1925: 685
1926: 810
1927: 895

Die Rohstahlerzeugung lag höher, 1913 mit 255 T-To.
1923: 255
1924: 820
1925: 905
1926: 1.103
1927: 1.331
1928: 1.400

Die Entwicklung der Stahlindustrie – Rohstahlerzeugung - ist relativ wie folgt einzuschätzen: 1913-1923-1928

Saargebiet: 2.080 - 1.064 – 2.073
Belgien: 2.467 – 2.297 – 3.934
Kanada: 1.059 – 899 – 1.260 (in 1897: 53 T-To., Japan 28 T-To.)
Welt: 76.000 – 78.600 – 109.400
Die Rohstahlproduktion lag unter dem belgischen Niveau, ganz erheblich unter dem Niveau von US,D,GB,F und unter 1% der Weltproduktion in 1928.

1913 wurden mangels eigener japanischer Kapazitäten bei einer Produktion von 240 T-To. Roheisen weitere Importe Eisen-/Stahlimporte von 2.200 T-To. getätigt. Die Importe überstiegen also die Binnenproduktionen um das 10-fache. Der japanischen Stahlindustrie fehlte also vor dem Krieg und bis zum Zweiten Weltkrieg die bedarfsdeckende Erzeugung des Roheisen als Grundlage.


Im übrigen kann ich die Reihenfolge der Bedeutung für die außenwirtschaftlichen Beziehungen und binnenwirtschaftlichen Bedingungen bis 1914 nur wiederholen:
Japans Exporte bis 1914 lassen sich auf drei Stichworte reduzieren: Tee, Seide, Kohle. Die Baumwolle, die Chemieindustrie und Stahl kamen erst in Folge des Ersten Weltkriegs bzw. danach hinzu.
 
Nachtrag Quellen (danke für den Hinweis ;)) :

Zahlen vorwiegend:
Statistische Jahrbücher des Deutschen Reichs, internationale Übersichten Handel, Stahl, Kohle etc.

Wertungen, Details etc. zur Industrialisierung zB:
Barloewen/Wehrhahn-Mees: Japan und der Westen
Fraser/Mason/Mitchell: Japans Earl Parliaments 1890-1905
Schencking, J. Charles: Making Waves - Politics, Propaganda, and the Emergence of the Imperial Japanese Navy 1868-1922
Neu, Charles E.: An uncertain friendship - Theodore Roosevelt and Japan 1906-1909
Sugiyama, Shinya: Japans Industialization in the World Economy 1859-1899
 
Was ist denn die Aussage bzgl. der Wirtschaft Japans? Es ist doch nur von Interesse, ob Japans Wirtschaft in einem Stadium war, der sie zu einem potentiellen Abnehmer entwickelter deutscher Produkte machte. Wird das ernstlich bestritten?

Nochmals zur Idee von Tsingtau. Eine Kolonie in China wäre für Deutschland ungünstig gewesen. Das hätte bedeutet, dass China zwischen den interessierten Mächten aufgeteilt worden wäre. Das widersprach deutschen Interessen, da man seine Produkte in ganz China (oder in ganz Asien) anbieten wollte. Ich wüsste überhaupt nicht, was man mit einer solchen Kolonie anfangen sollte (Steuerhoheit?). Nebenbei bemerkt: Tirpitz schreibt ausdrücklich, dass so wenig Land wie möglich gepachtet werden soll. Auch die Bergbaukonzessionen oder Schantungbahn waren kleinere Projekte (vermutlich wollte man Erfahrung sammeln), aber auch für die angedachten – von den Engländern heftig bekämpften – Eisenbahnkonzession Shanghai- Hankau (Teegebiet) oder die Nordbahn Tientsin – Pukau (vgl. Plumpe, Deutsche Bank in Ostasien, S. 59) brauchte man nicht unbedingt eine politische Präsenz (siehe z.B. die Eisenbahnfinanzierungen in Nordamerika, siehe auch die zahlreichen Bankfilialen in Asien oder Amerika).

Der Grundgedanke von Tsingtau war die Schaffung eines Einfallstors für die deutsche Wirtschaft in China und ganz Asien (und nicht um ein paar Projektfinanzierungen durchzuführen oder um einen deutschen Bankier zu zitieren, nicht wegen peanuts). Tsingtau wäre eine Messestadt für deutsche Industrieprodukte in Asien geworden und ein Ansiedlungsplatz für deutsche Unternehmen, die ihre asiatischen Kunden betreuen wollten, die Tsingtau als Einfuhrhafen und Lagerlatz nutzen sollten. Dahingehend ist Tsingtau konzipiert worden. Es wurde ein Stahl- und Walzwerk angelegt, um weitere Industrieunternehmen anzusiedeln. Es wurden deutsche Schulen und eine deutsche Hochschule (für Chinesen) gegründet. Dabei hatte man Wert darauf gelegt, dass die chinesischen Behörden die Abschlüsse anerkannten. Ziel war sicherlich eine deutschfreundliche Elite heranzubilden. Und das alles innerhalb kürzester Zeit.
In dieses Projekt passt gut das Ostasiengeschwader. Kriegsschiffe waren damals Hochtechnologieprodukte und Tirpitz hat diese Schiffe auch als schwimmende Industrieausstellungen betrachtet (und man hat Wert darauf gelegt, dass nur gute Schiffe in Tsingtau stationiert waren).

Vor diesem Hintergrund ist Tsingtau zu sehen, vor diesem Hintergrund ist die Beziehung zu Japan zu sehen. Voraussetzung für einen Erfolg von Tsingtau (also für einen deutschen Erfolg in Asien) wäre der weitere Erfolg der deutschen Exportwirtschaft gewesen und das Interesse asiatischer Kunden an eben solchen Produkten. Und ich gehe davon aus, dass auch Japaner zu diesem Personenkreis gezählt hätten.
 
Es ging hierum:
Die Beschreibung der japanischen Wirtschaft dürfte richtig sein, die wichtigsten Industrien waren Eisen (Kohle) und Textil. ...

Was ist denn die Aussage bzgl. der Wirtschaft Japans? Es ist doch nur von Interesse, ob Japans Wirtschaft in einem Stadium war, der sie zu einem potentiellen Abnehmer entwickelter deutscher Produkte machte. Wird das ernstlich bestritten?

Die Aussage im ersten Zitat ist - wie schon erwähnt - teilweise ungenau, teilweise falsch.
Die Antwort auf die erste Frage im zweiten Zitat ergibt sich nicht aus den Memoiren des Großadmirals, sondern aus den zitierten Untersuchungen sowie #86 + 89.

Was "doch nur" von Interesse ist, vermag ich auch nach der ganzen Beschäftigung mit Lektüre zu Japan nicht zu sagen.


Zum zweiten Zitat:
Welches Stadium ist hier eigentlich angesprochen - die Wirtschaft von 1895/1898/1902/1905/1907 oder 1914?

Die Beschäftigung mit und damit ein ernstliches Bestreiten der letzten Aussage ("potentieller Abnehmer entwickelter deutscher Produkte") ist wenig ergiebig, da die Aussage zu oberflächlich ist und auf eine einzelne Glühbirne genauso zutrifft wie auf die Lieferung einer Textilspindel, Industrie-Nähnadel oder eines 14"/45 (35.6 cm) Mark I/III-Geschützes für die KONGO-Klasse.


Wenn Du etwas zum"Absatzmarkt Japan" für deutsche Lieferanten aussagen wolltest, sind folgende Daten interessant, um vom "potentiellen" Abnehmer auf die historisch nachweisbaren Exporte ohne visionäre Industriemessen überzuleiten:

deutsche Einfuhr aus Japan: 1907-1911, 1913 (wertmäßig etwa den Einfuhren aus Ceylon oder Britisch-Malakka vergleichbar)
29,2-19,0-29,1-36,8-37,2-46,6 Mio. RM

deutsche Ausfuhr nach Japan: 1907-1911 (wertmäßig etwa den Ausfuhren nach Indien, Brasilien oder Rumänien vergleichbar)
102,4-94,6-77,6-89,3-112,6-123,8
(hier sieht man übrigens sehr schön die Auswirkungen der schwankenden japan. Zahlungskraft; wo man den Kapitalbedarf deckte, habe ich schon oben erwähnt)


Off topic:
In dieses Projekt passt gut das Ostasiengeschwader. Kriegsschiffe waren damals Hochtechnologieprodukte und Tirpitz hat diese Schiffe auch als schwimmende Industrieausstellungen betrachtet (und man hat Wert darauf gelegt, dass nur gute Schiffe in Tsingtau stationiert waren).
Das ist ja wohl mit der Dreadnought-Phase, jedenfalls ab 1909, besonders angesichts der britischen KONGO-Lieferung, ein Witz.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wirtschaftliche Sachverhalte kann man unter zwei Aspekten betrachten, value (der aktuelle Wert, der zu einem Stichtag besteht) oder growth (der Wert unter Berücksichtigung von Wachstumsaussichten). Für eine Zukunftstinvestition wie hier kommt nur die zweite Betrachtungsweise in Frage.

Die visionäre Industriemesse ist ausdrücklich bei Tirpitz als Ziel erwähnt.

Zum "Witz" mit den Kriegsschiffen: Sieben Jahre später haben unterlegene deutsche Kräfte beim direkten Zusammentreffen der Navy ein erhebliches Mehr an Schaden zufügen können.
 
Zum "Witz" mit den Kriegsschiffen: Sieben Jahre später haben unterlegene deutsche Kräfte beim direkten Zusammentreffen der Navy ein erhebliches Mehr an Schaden zufügen können.

...und das Ziel doch nicht erreicht. Jellicoe hat nach Skagerrak immer noch eine deutlich Überlegenheit an Großkampfschiffen und Scheer konnte vorläufig nicht mehr an eine große Schlacht denken, während Großbritannien seine Straegie der Seeblockade aufrechterhalten konnte.
 
Wirtschaftliche Sachverhalte kann man unter zwei Aspekten betrachten, value (der aktuelle Wert, der zu einem Stichtag besteht) oder growth (der Wert unter Berücksichtigung von Wachstumsaussichten). Für eine Zukunftstinvestition wie hier kommt nur die zweite Betrachtungsweise in Frage.

Die visionäre Industriemesse ist ausdrücklich bei Tirpitz als Ziel erwähnt.

Da fallen mir die Worte unseres Altkanzlers ein: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen." Die Industriemesse ist ja nun schon dreimal erwähnt worden. Was sollte die denn Tolles bewirken angesichtes der übrigen Zugänge der Großmächte zu chinesischen Markt, Shanghai etc., und den deswegen beschränkten deutschen Aussichten?


OT: Es ging hier mal ausnahmsweise nicht um den Skagerrak-Mythos und die tradierten deutschen Legenden der 20er Jahre dazu, sondern um das Ostasiengeschwader:
In dieses Projekt passt gut das Ostasiengeschwader. Kriegsschiffe waren damals Hochtechnologieprodukte und Tirpitz hat diese Schiffe auch als schwimmende Industrieausstellungen betrachtet (und man hat Wert darauf gelegt, dass nur gute Schiffe in Tsingtau stationiert waren).
Und das war technisch nie so ganz auf der Höhe der Zeit, 1911ff. war das in Fernost die KONGO-Klasse, britische Konstruktion, und die (kaliberseitig britischen) Schlachtschiffe ISE und FUSO.


Die britisch-japansiche Marinefreundschaft habe ich schon mehrfach angesprochen. Es gibt dazu ein bemerkenswertes Kapitel von
Marder, Arthur J.: Old Friends, New Enemies The Royal Navy and the Imperial Japanese Navy 1936-1941 (der leider sein zweites Buch nicht mehr vollenden konnte). Die IJN war stets auf die Royal Navy als Vorbild fixiert; die Spannungen ergaben sich erst in den 30ern (dort sehr detailliert geschildert, das wiederum hat mit den späten strategischen Zielstellungen in Südostasien zu tun). Wenn man nun diese Feststellungen mit dem bedeutenden Einfluß der IJN im Japan des frühen 20. Jahrhunderts mixt: siehe oben. Auf der "Feindliste" tauchten bis 1914 Deutschland/Frankreich und Rußlands auf, die beiden ersteren wurden 1919 gestrichen. Rußland wurde unverändert ernst genommmen, hinzu kamen die USA. Bei letzteren galt noch bis in die 30er das Schlagwort: "sie wenden uns [höflich umschrieben] die Rückseite zu, die US-Interessen liegen in Blickrichtung [heißt Osten] und unter ihren Füßen [natürlich aus japanischer Sicht]". Dabei sollte man berücksichtigen, dass schon aus technologischer Sicht - Reichweiten unter pazifischen Bedingungen - eine US-Flotte bis 1914 keine Bedrohung für das japanische Mutterland darstellen konnte.
 
Das wiederum halte ich für einen gewagten und einen Fehl-Schluß. Der Einfluß der Militärs - "Rechtsruck" ist da schlecht denkbar - war die Konstante 1907-1941.
Im Buch über den 2. WK (ich meine von Cartier) stand, dass es eine Tauwetterperiode gegeben hätte, zwischen 1. WK und Weltwirtschaftskrise, wo die japanischen Militärs innenpolitisch an Macht gegenüber den Politikern verloren hätten. Dadurch sei dann die allgemeine Abrüstung zur See möglich geworden.
 
Die IJN war stets auf die Royal Navy als Vorbild fixiert; die Spannungen ergaben sich erst in den 30ern (dort sehr detailliert geschildert, das wiederum hat mit den späten strategischen Zielstellungen in Südostasien zu tun).

Wachsende Spannungen gab es bereits seit den frühen 20-Jahren.

The Imperial Japanese Navy was split into two opposing factions, Treaty Faction and Fleet Faction. The Treaty Faction wanted to stay within the limitations of the Washington Naval Treaty, arguing that Japan could not afford an arms race with the western powers, and hoping through diplomacy to restore the Anglo-Japanese Alliance.

The Fleet Faction was composed of the political right-wing within the Navy, including many influential admirals in the Imperial Japanese Navy General Staff such as Yamamoto Eisuke, Katõ Hiroharu, Suetsugu Nobumasa,Takahashi Sankichi and Nagumo Chuichi, and was headed by Prince Fushimi Hiroyasu. The Fleet Faction wanted nullification of the Washington Naval Treaty, and unlimited naval growth to build the most powerful navy possible, thus challenging the naval supremacy of the United States and British Empire.
Fleet Faction - Wikipedia, the free encyclopedia

Wenn man nun diese Feststellungen mit dem bedeutenden Einfluß der IJN im Japan des frühen 20. Jahrhunderts mixt: siehe oben. Auf der "Feindliste" tauchten bis 1914 Deutschland/Frankreich und Rußlands auf, die beiden ersteren wurden 1919 gestrichen. Rußland wurde unverändert ernst genommmen, hinzu kamen die USA.

Die VSA war bereits spätestens seit 1907, dem Beginn der Spannungen zwischen beiden Ländern wegen der Mandschurei und der Fahrt der "Großen Weißen Flotte" an der Spitze der Gegner der japanischen Marine.
Russland blieb seit dem Sieg für das Heer, nicht aber für die Marine als Gegner relevant.

Dabei sollte man berücksichtigen, dass schon aus technologischer Sicht - Reichweiten unter pazifischen Bedingungen - eine US-Flotte bis 1914 keine Bedrohung für das japanische Mutterland darstellen konnte.

Schon Perrys Flotte 60 Jahre zuvor stellte für Japan eine beträchtliche Bedrohung dar.
1914 war diese Bedrohung durch die zum Teil beunruhigend aggressive Expansion der VSA im Stillen Ozean und dem erheblichen Ausbau der amerikanischen Kriegsmarine trotz der Stärkung Japans nicht weniger geworden.

Im Buch über den 2. WK (ich meine von Cartier) stand, dass es eine Tauwetterperiode gegeben hätte, zwischen 1. WK und Weltwirtschaftskrise, wo die japanischen Militärs innenpolitisch an Macht gegenüber den Politikern verloren hätten. Dadurch sei dann die allgemeine Abrüstung zur See möglich geworden.

Korrekt. In den 20er-Jahren gelang es bürgerlich dominierten Partei sich gegen andere vorher dominierenden Gruppen (Heer, Marine, Adelskammer und andere) durch zu setzen und Parteikabinette zu bilden, welche eine gemäßigtere, weniger konfrontative Außen- und Militärpolitik betrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Buch über den 2. WK (ich meine von Cartier) stand, dass es eine Tauwetterperiode gegeben hätte, zwischen 1. WK und Weltwirtschaftskrise, wo die japanischen Militärs innenpolitisch an Macht gegenüber den Politikern verloren hätten. Dadurch sei dann die allgemeine Abrüstung zur See möglich geworden.
Korrekt. In den 20er-Jahren gelang es bürgerlich dominierten Partei sich gegen andere vorher dominierenden Gruppen (Heer, Marine, Adelskammer und andere) durch zu setzen und Parteikabinette zu bilden, welche eine gemäßigtere, weniger konfrontative Außen- und Militärpolitik betrieben.

Dieses - insbesondere die Shidehara-Diplomatie - bildet mE und entgegen der Wikipedia-Darstellung - keine Schwächung des Militarismus ab (was auch sehr plastisch durch sein vorläufiges politisches Aus dargestellt wird).

Ausgangspunkt des zeitweisen Schwenks sind zwei Aspekte:
- der bevorstehende Staatsbankrott aufgrund der eingeleiteten, dann nicht realisierten Rüstungspläne
- das von Exponenten der Marine getragene Washingtoner Flottenabkommen.

Die Wende ist durch diesen Richtungsstreit innerhalb der Marine eingeleitet worden; das Abkommen leitete hier zunächst eine Tauperiode ein, bevor Teile der Marine oppnierten. Dass überhaupt eine gemäßigte Diplomatie möglich wurde, lag weniger an der sich durchsetzenden Politik, als vielmehr an dem Richtungsstreit der Militärs (pro/kontra Rüstungsbeschränkung wegen der mangelnden Finanzierbarkeit) und an dem zeitweise bestehenden öknomischen Druck. Letztlich blieb das ein Zwischenspiel, nachdem innerhalb der Militärs Einigung über die weitere Aufrüstung hergestellt war.

Weiterhin: den insbesondere innerhalb der Marine ausgetragenen Streit über die weitere Flottenrüstung sollte man nicht mit britisch-japanischen Spannungen verwechseln. Im Gegenteil, beide Marinen stimmten sich für die weiteren Konferenzen zT gegen die USA ab.
 
Schon Perrys Flotte 60 Jahre zuvor stellte für Japan eine beträchtliche Bedrohung dar.
1914 war diese Bedrohung durch die zum Teil beunruhigend aggressive Expansion der VSA im Stillen Ozean und dem erheblichen Ausbau der amerikanischen Kriegsmarine trotz der Stärkung Japans nicht weniger geworden.

1906/1919 ist das Zeitalter der Dreadnoughts, die Logistikprobleme großer Flottenverbände stehen dabei im Vordergrund. Eine trans-pazifische Operation mit dem Endpunkt einer Bedrohung des japanischen Mutterlandes war den USA-Marinestreitkräften bis 1914 unmöglich und ist vielmehr ein Nachkriegsszenario:

- die Version des "Orange-Plans" untersuchte 1924 die Möglichkeit, in einem evt. Krieg mit Japan über die mittelpazifischen Inselgruppen vorzugehen, dort zunächst die notwendigen Stützpunkte zu gewinnen, um gegen Japan operieren zu können und die exponierte Stellung von Manila aufzuheben

- erstmals 1924 (oder 1923?) operierte die US-Flotte in einem Manöver mit rd. 150 Schiffen, darunter einem Dutzend Schlachtschiffen von Pearl Harbor nach Neuseeland, um die Durchführbarkeit einer pazifischen Großoperation zu testen. Am Zielpunkt wurde eine logistische Aufnahme sichergestellt, die sich auch als dringend notwendig erwies. Dieser erste Test - und die Bewältigung der Logistik-Probleme - fand bei der japanischen Marine große Beachtung. 1914 wurde in Japan jedenfalls keine Bedrohung durch eine solche Operation gesehen. Das Manöver bestätigte im übrigen die Bedeutung von mittelpazifischen Inselstützpunkten als Flottenbasen aus japanischer Sicht, die nämlich eine Versorgung sicherstellen sollten. Mit "Perry" haben diese Planungen und Operationen ebenfalls nichts mehr zu tun.

_________________
eine Bitte an die Moderation: könnten die Beiträge ab #96 vielleicht in ein eigenes Thema in der Rubrik "Zwischenkriegszeit" ausgelagert werden":
"Japan zwischen den Weltkriegen"?
 
Da hier mehrfach auf den "Plan Orange" in seinen Ursprüngen abgestellt wurde - der pazifische Krieg gegen Japan, und behaupteten "natürlichen Interessengegensätzen" - sollte der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass es sich um Studien der US-Navy handelte, die militärtypisch und emotionslos, daneben recht sorgfältig jede Möglichkeit eines Krieges untersuchte:

- Plan Black: der Krieg gegen das Deutsche Reich, obsolet und eingestellt 1918

- Plan Red: der Krieg gegen Großbritannien

- Plan Gold: gegen Frankreich

zB: War Plan Red - Wikipedia, the free encyclopedia

Es gab auch noch eine Kombination red/orange gegen Japan und Großbritannien.
 
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