Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Du mißverstehst mich. Ich impleziere nicht, dass nach der Nutzung die Klinge hinterher (zumal für immer) aussieht, wie eine schartige Brechstange ohne das etwas dagegen unternommen wird.
Ich wollte implizieren, dass die Klinge unter der Benutzung einfach leidet. Und die Nutzer wissen dies. In der Metallurgie weiß man, dass auch Frakturriße, die nicht ins Auge stechen oder gesehen werden können durchaus das "überraschende" Ende für eine Metallkonstruktion bedeuten können.
Der custos armorum war seinethalben für Reparaturen zuständig.

Ein Fund aus dem dritten Jahrhundert bspw. zeigt, eine große Ansammlung aus einem Limeskastell, die samt und sonders aus zerbrochenen spathae bestand, die z.t. bereits umgearbeitet waren, zu kürzeren Schwertern.
(Dazu u.a. Miks)
Die Belastung der Waffen ist also im Einsatz da.
Ich finde leider die Quelle nicht und daher ungesichert: ich erinnere mich über einen Strafenkatalog gelesen zu haben, der die Soldaten für fehlende oder unbrauchbare Ausrüstung entsprechend der Bedeutung des jeweiligen Gegenstandes dran nimmt. Vielleicht stoße ich nochmal drauf, bis dahin: mnemotechnisches Hörensagen :D
 
Da kommt mir noch so ein Gedanke. Bis in die Neuzeit gingen regelmäßig Schlachten verloren, weil die zunächst siegreichen Kombattanten lieber den erbeuteten Tross plünderten als den Gegner endgültig zu zerschlagen. Arminius Cherusker waren nun bestimmt keine hochdisziplinierte Truppe und werden es ganz sicher auch so gehalten haben. Vielleicht erklärt das die Fundzusammensetzung in Kalkriese und auch die vorhandenen überlebenden Veteranen bei Germanicus. Es sind womöglich doch noch viele Legionäre mit einem "blauen Auge" davon gekommen.
 
Ein wichtiger Hinweis. Aus welcher Quelle geht denn hervor, dass die Legio I AVG 19 v.Chr. in Spanien ihren Beinamen verlor? Gilt das als gesichert? Welches Fehlverhalten lag denn zugrunde?

Ich zitiere hier einmal aus: Moosbauer: Die Varusschlacht, C.H. Beck 2009, S. 86:

"Die Legio I kämpfte nach heutigem Wissen in den Cantabrerkriegen in Nordwestspanien und wurde von Agrippa 19 v. Chr. wegen selbst verschuldeter Niederlagen mit dem Entzug des Ehrennamens Augusta bestraft. Nach Syme hat sie dann nach ihrer Versetzung nach Gallien bereits 19/18 v. Chr. nach Auffüllung durch neue Rekruten ihre Feldzeichen wiederbekommen."
 
Also Syme kommt in der Bibliographie gar nicht vor? Oder ist es keine nach Autoren geordnete Bibliographie? Das hasse ich!
 
Also Syme kommt in der Bibliographie gar nicht vor? Oder ist es keine nach Autoren geordnete Bibliographie? Das hasse ich!

Genauso ist es!

Er erwähnt Literatur zu den einzelnen Kapiteln in seinem Buch. Dies zwar sehr ausführlich aber das ganze ist mühsam zu lesen. Ich kann jedoch keine Erwähnung eines Werkes von Syme entdecken. Aber das ganze nennt sich ja auch "Ausgewählte Literatur". Da er Syme im Text erwähnt, muß ich davon ausgehen, daß er ihn in irgendeiner Weise als Quelle genutzt hat.
 
Das ist in hohem Maße UNWISSENSCHAFTLICH von Herrn Moosbauer! :motz:
Pfui!!


Ich würde darauf tippen:
R. Syme, Some notes on the legions under Augustus, Journal of Roman Studies 23, 1933


Hab´s jetzt gefunden:
Cassius Dio LIV, 11, 5
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wir sollten nicht zu sehr auf den Herrn Moosbauer schimpfen. Er ist ja schließlich nicht irgendwer.
Im Literaturverzeichnis erwähnt er ein Kölner Jahrbuch 33, 2000. Darin: Bermerkungen zu den Militaria in Kalkriese. In: Gustav Lehmann u. Rainer Wiegels. In diesem Band befindet sich auch ein Beitrag zu den Ritzeinschriften, insbesondere zur legio I von Rainer Wiegels: Legio I in Kalkriese? - Ich hoffe, ich habe das jetzt so richtig wiedergegeben.

Ich zitiere nochmals Moosbauer:

"Auf jeden Fall ist es möglich, daß der Träger des Schwertgehänges, von dem das Mundblech stammt, bereits 20 Jahre früher für die legio I Augusta rekrutiert worden war. Versetzungen von Legion zu Legion waren insbesondere bei Centurionen nicht unüblich. Darüber hinaus ist für die Frühzeit nach neueren Erkenntnissen damit zu rechnen, daß ein Heer aus unterschiedliche Vexillationen zusammengesetzt war. Eine Teileinheit der vermutlich in Mainz stationierten legio I könnte sich also auch unter den für die Varusschlacht erwähnten Alen und Kohorten befunden haben."

Anmerkung meinerseits:
Vieleicht ist die Antwort also ganz einfach...

Und weiter:

" Aus der Inschrift ist demnach weder ein sicherer Zusammenhang mit dem literarisch überlieferten Feldzug des Caecina im Kontext der Offensiven des Germanicus (13 - 16 n. Chr.), der eine legio I mit sich führte, zu rekonstruieren, noch hilft sie bei der Ermittlung der am Kampfgeschehen in Kalkriese beteiligten Einheiten. Alle weiterreichenden Schlüsse würden allein aufgrund der problematischen Lesung und der anderen angesprochenen Unsicherheiten in reinen Spekulationen enden."
 
Die Stelle hab ich gestern auch gelesen. Sie löst nur leider nicht das Problem, denn es ist nur von der augusteischen Legion die Rede, aber von keiner Zuordnungsnummer.

Stimmt, habe ich übersehen.

Ich zitiere nochmals Moosbauer:
"Auf jeden Fall ist es möglich, daß der Träger des Schwertgehänges, von dem das Mundblech stammt, bereits 20 Jahre früher für die legio I Augusta rekrutiert worden war.
Eben dieses „auf jeden Fall“ hätte ich gerne durch eine Quelle belegt.


Versetzungen von Legion zu Legion waren insbesondere bei Centurionen nicht unüblich. Darüber hinaus ist für die Frühzeit nach neueren Erkenntnissen damit zu rechnen, daß ein Heer aus unterschiedliche Vexillationen zusammengesetzt war.
Stattdessen leitet er einen Erklärungsversuch ein.

Eine Teileinheit der vermutlich in Mainz stationierten legio I könnte sich also auch unter den für die Varusschlacht erwähnten Alen und Kohorten befunden haben."
Hier kennzeichnet Moosbauer deutlich („vermutlich“, „könnte“), dass es sich um eine Spekulation, besser zwei, handelt.
Dabei baut die eine Vermutung (die Leg I war eine Vexilation bei Varus) auf die andere (die Leg I war in Mainz stationiert) auf. Eieieiei…..



Anmerkung meinerseits:
Vielleicht ist die Antwort also ganz einfach...
Ja, da gebe ich Dir recht. Herr Moosbauer versucht offensichtlich einen Zusammenhang der Schwertscheide (samt Leg I) mit dem Varusschlachtkontext zu konstruieren.

Es wird noch besser:
(….)noch hilft sie bei der Ermittlung der am Kampfgeschehen in Kalkriese beteiligten Einheiten."

Eben noch hielt er eine Mainzer Leg I als Vexilation bei Varus für möglich und nun erklärt er seine obigen Spekulationen für null und nichtig.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nuja ich bleib dabei, dass LPA wohl einfach nur die Initialen eines gewissen Lucius P[...]A[...] sind.
 
Was mich an den Aussagen von Moosbauer stört ist, dass er einen Erklärungsansatz dafür liefert, wie diese Schwertscheide der Legio I in das Fundgut aus Kalkriese gelangt, allein unter dem Postulat, dass dort die Varusschlacht stattgefunden habe.
Mit dem ebenfalls möglichen Fall "pontes longi" beschäftigt er sich nicht in gleichem Maße.
Dieses Vorgehen ist tendenziös und damit unwissenschaftlich. Auch, dass Moosbauer die Quelle Syme nicht aufführt, passt in dieses Bild.
 
Was mich an den Aussagen von Moosbauer stört ist, dass er einen Erklärungsansatz dafür liefert, wie diese Schwertscheide der Legio I in das Fundgut aus Kalkriese gelangt, allein unter dem Postulat, dass dort die Varusschlacht stattgefunden habe.
Mit dem ebenfalls möglichen Fall "pontes longi" beschäftigt er sich nicht in gleichem Maße.
Dieses Vorgehen ist tendenziös und damit unwissenschaftlich. Auch, dass Moosbauer die Quelle Syme nicht aufführt, passt in dieses Bild.

Naja, daß er auf den möglichen Fall "pontes longi" nicht weiter eingeht ist nicht gerade überraschend.

Auch schreibt er:
"Auf eine Legion verweist eine Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide. Die Lesung dieses Graffitos ist relativ unsicher, da sich mehrere Inschriften überlagern."

Obwohl auch hier ein Widerspruch herauszulesen ist. Einerseits ist die Lesung unsicher, andererseits soll sie auf eine Legion hinweisen.

Trotzdem möchte ich eine Lanze für dieses Büchlein brechen. Es ist interessant geschrieben und gibt einen guten (archäologischen) Überblick über die römische Okkupationszeit in Germanien.
 
Man kann an dieser Stelle natürlich wieder einmal trefflich spekulieren.

Aber das Hauptaugenmerk gilt immer diesen drei Legionen.

Aber es gab auch diese sechs Kohorten. Das unter diesen sechs Kohorten eine (oder auch mehrere) aus der legio I gewesen sein könnten, scheint zumindest nicht unbedingt unwahrscheinlich. Vieleicht waren also wirklich Legionäre aus der ersten Legion in Kalkriese anwesend.:D

Aufgrund der Indizienkette ist das für mich wesentlich plausibler als eine Erklärung bezügl. der Germanicus Feldzüge.
 
Diesen Gedankengang hatte ich auch schon mal:

Die LPA-Inschrift - vorausgesetzt die Lesart Legio Prima Augusta ist korrekt - ist kein schweres Indiz gegen die Varusschlacht, erst Recht kein schlagender Gegenbeweis. Ausrüstungsgegenstände wechselten häufiger ihre Besitzer, wie unterschiedliche Namensinschriften auf ein und demselben Ausrüstungsgegenstand nachweisen. Das Schwert und seine Scheide können also auch dann, wenn die Lesart korrekt ist, bei der Varusschlacht anwesend gewesen sein. Entweder wg. eines möglichen Besitzerwechsels, oder bei Angehörigen fremder Kohorten (sechs Kohorten anderer Legionen gingen schließlich mit den drei Legionen unter). Die erste Legion war zum fraglichen Zeitpunkt in Köln stationiert, es liegt also durchaus Nahe, dass sie eine oder mehrere der genannten sechs Kohorten stellte.

Aber es ist natürlich schwer in einem Thread mit knapp 1200 Beiträgen noch den Überblick an geäußerten Thesen zu behalten.
 
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