Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Wir sprechen hier von der spätaugusteisch-frühtiberischen Zeit.
Warum dann die Legio Prima Augusta erwähnen? Die ist in frühaugusteischer Zeit aufgestellt worden. Du hast postuliert, dass die Germanica identisch mit der Augusta gewesen sei. Dem widerspricht der Umstand, dass bei Neuaufstellungen die Nummer I auch mehrfach vergeben wurde. Die Kontinuität, die Du als gesichert voraussetzt, gab es also nicht zwingend. Genau betrachtet, gehst Du sogar noch einen Schritt weiter und behauptest, dass Waffen (oder gar Personal?), die 20 v.Chr. in der Augusta im Einsatz waren, auch 15 n. Chr. noch zur Germanica gehörten. Ich glaube aber weder, dass ein Legionär 35 Dienstjahre abgerissen hat noch dass er seine Waffen, die sein persönlicher Besitz waren, an neue Rekruten weitergereicht hat.
 
Letzteres stimmt nicht.
Waffen wurden weitergegeben- oder vermutlich verkauft / erneut ausgegeben, das belegen verschiedene Besitzerpunzierungen in Helmen.

Allerdings ist ebenso anzunehmen, dass reich und persönlich verzierte Gegenstände aus eigener Hand gekauft wurden und nicht, wie sonst scheinbar üblich, den Soldaten ausgegeben und vom Sold abgezogen wurden.
Die Weitergabe erfolgte somit nur unter bestimmten Konditionen (etwa an Familienmitglieder oder in Geldnöten).
Aber:
Sollte also die Legio I Augusta wirklich zur Strafe aufgelöst worden sein oder ihren Beinamen schimpflich verloren haben (was mir sonst ehrlich gesagt nicht bekannt ist) wäre es überraschend, wenn dieser Beiname weiterhin stolz fortgetragen würde oder mit ihrem Namen geschmückte Ausrüstung sichtbar provozierte.

Nochmal kurz zusammengefasst:
- Die Auflösung LPA statt LEG I AVG o.ä. wäre eine Reihung von seltenen Kürzeln.
- Die Legio I Augusta verschwindet in früh- bis mittelaugusteiischer Zeit aus den Quellen.
- Die Legio I (Germanica) wird bei Tacitus als von Tiberius aufgestellte Truppe angeführt. Andere Interpretationen dehnen die Ausgabe von Feldzeichen m.E. extrem.
- Grabsteine und weitere Inschriften der LEG I aus tiberischer Zeit in Germanien führen keine Beinamen.

Die Gleichsetzung der beiden Legionen als gegeben zu setzen ist also falsch.
 
Sollte also die Legio I Augusta wirklich zur Strafe aufgelöst worden sein oder ihren Beinamen schimpflich verloren haben (was mir sonst ehrlich gesagt nicht bekannt ist) ...

Ein wichtiger Hinweis. Aus welcher Quelle geht denn hervor, dass die Legio I AVG 19 v.Chr. in Spanien ihren Beinamen verlor? Gilt das als gesichert? Welches Fehlverhalten lag denn zugrunde?

War die Meuterei von 14 n.Chr. am Niederrhein nicht auch ein Fehlverhalten? Haben diese Legionen auch ihre Beinamen verloren? Gibt es darüber irgendwelche Informationen?
 
Ich meinte eigentlich Wissenschaftler, die sich mit römischer Epigraphik befassen.

Ave Nicole,

ja, warum wurde die XIIX nicht so gesehen?

Die Sache ist so einfach wie kompliziert: Das Ding wurde ja schon vor mehr als zehn Jahren gefunden. WAs hier schon zu Verschwörungstheorien führte.

Nun aber: Epigraphik ist ein kniffliges Geschäft. Denn die Abkürzungen waren nicht genormt, und sind daher immer interpretationsbedürftig. Dazu ist der Fundzusammenhang immer ganz entscheidend. Natürlich hätte man gleich HURRA schreien können, guck mal, da ist die 18 !

Tut man aber nicht. Wegen, und NUR wegen der Münze, wurde das Teil zur Donna Paz geschickt. Die hat sich damit dann lange beschäftigt und kam zu ihrem Ergebnis "...legio prima augusta (LPA) Preis (X): 60 denare (LX)...". Für das X IIX wollte sie sich nicht entscheiden, das wären nämlich nur 18 denarii gewesen, und damit viel zu billig. Deswegen nahm sie das (scheinbare) höher stehende L an, die (unten durch eine Beschädigung) geringfügig abgeschnittenen II als unleserlich an.

Die zuständigen Archäologen in Kalkriese haben es dann aus Rücksicht bei dieser Interpretation erstmal belassen. Muss man aber nicht.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Die Sache ist so einfach wie kompliziert: Das Ding wurde ja schon vor mehr als zehn Jahren gefunden.
Das Ding wurde 1992 gefunden, ausgewertet und 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt.



Die zuständigen Archäologen in Kalkriese haben es dann aus Rücksicht bei dieser Interpretation erstmal belassen.
Ich glaube nicht, dass man auf Frau Bellido (alias Donna Paz;)) Rücksicht genommen hat. In 15 Jahren werden einige Epigraphiker darüber nachgedacht haben.
Gibt es denn von Seiten der Wissenschaft vehemente Kritik an Frau Bellidos Deutung? Oder anders gefragt: Gibt es eine Alternativdeutung in der Wissenschaft?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein wichtiger Hinweis. Aus welcher Quelle geht denn hervor, dass die Legio I AVG 19 v.Chr. in Spanien ihren Beinamen verlor?
Wie gesagt ist nicht klar OB es eine I Augusta wirklich gab. Eindeutig belegt ist nur eine II Augusta.
Wenn die Legio I über die wir sprechen wirklich eine Augusta war wissen wir nicht gesichert ob sie aufgelöst oder abgestraft wurde indem man sie ihres Beinamens enthob. Letzteres ist mir sonst wie gesagt nicht bekannt und wäre in meinen Augen eine ungewöhnliche Strafe, die zudem eine Tilgungsreaktion provoziert haben müßte. Wenn es diese Strafe also gab ist die Wahrscheinlichkeit für Legio I Augusta in Kalkriese in beiden Fällen unwahrscheinlich. Auflösung = nicht mehr existent, Strafe = nicht mehr tragbar, nie als Augusta existiert = falsche Auflösung.
Nur ein Szenario läßt die Lesung zu: Es gab eine Legio I, die unter Augustus den Beinamen Augusta erhielt, deren Fundmangel nichts zu sagen hat und die aus irgend einem Grund diesen Beinamen in Germanien nicht mehr erwähnte, später sogar für Germanica fallen ließ.
Die Quelle ist die CIL II Suppl. p. LXXXVIII, schon durch Mommsen so gelesen.

Andersherum wird aber wie gesagt ein Schuh drauß: die Legio I Germanica ist nach der Tacitusstelle erst durch Tiberius ausgehoben worden. Damit sind die Truppen wie gesagt nicht identisch. Eine Prima Augusta am Ort der I (Germanica) wäre ein seltsam Ding.

Gilt das als gesichert? Welches Fehlverhalten lag denn zugrunde?
Nein, das gilt nicht als gesichert und wurde lange Zeit heiß diskutiert, bis römische Militärgeschichte wieder in den Hintergrund gerückt wurde. Die Sekundärliteratur gibt zumeist eine Meuterei oder Unruhen an.



War die Meuterei von 14 n.Chr. am Niederrhein nicht auch ein Fehlverhalten? Haben diese Legionen auch ihre Beinamen verloren? Gibt es darüber irgendwelche Informationen?
Wie war das mit unglücklichen Vergleichen? Aber bitte: übliche Strafen für Meuterei sind Auflösung, Disziplinierung, Aufteilung oder, nur eine Mutmaßung, bewußte Zerschlagung durch den Feind (dazu gibt es Theorien über die Rapax XXI).

Wie ich oben aber schon schrieb hatte die Legio I 14 n.Chr. scheinbar keinen Beinamen, es findet sich keiner der Epigraphie. Die Situation an Donau und Niederrhein wurde unterschiedlich gehandhabt, der Umgang mit dem Meuterern war unterschiedlich.
Und wie ich oben auch bereits schrieb, und in diesem Beitrag bereits wiederholte: mir ist die Aberkennung des Beinamens so nicht geläufig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Reicht Dir nicht die von Tib. Gabinius?:confused:
Es wäre doch interessant zu wissen, ob es auch andere Deutungen in der Literatur gibt, außer die von Frau Bellido.


Dem obigen Beitrag von Tib. Gabi. entnehme ich, dass die Informationen über die Leg I ziemlich unsicher sind, die Schlüsse von Wiegels, fußend auf den Deutungen von Bellido, folglich auch nur spekulativ sind.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gibt es denn von Seiten der Wissenschaft vehemente Kritik an Frau Bellidos Deutung? Oder anders gefragt: Gibt es eine Alternativdeutung in der Wissenschaft?

Die Kritik steht bei Wiegels selbst:

Dazu Wiegels S.95:"...Das folgende X lässt sich vielleicht als Wertzeichen für Denare verstehen, gefolgt von einer Ziffer, die man eventuell als LX (?) lesen kann, zusammen genommen also (denarios) LX (?)....Eine sichere Deutung dieser Details erscheint vorerst nicht möglich."


Nun aber, das Problem ist in der Tat delikat: Denn in seinem Artikel gibt Wiegels erstmal einfach die Meinung von Frau Bellido (naja Donna Paz klingt eigentlich hübscher), die er ja selbst seit langem angefragt hatte, ungeschmälert wieder. Ganz Gentleman eben. Seine eigene Interpretation hätte er ja immer noch schreiben können.

Nun wurde aber der Artikel sofort von der Caecina-Fraktion Umkreis Schoppe und Co. in Beschlag genommen, mit großem Trara und sogar einer anonymen und publikumswirksamnen Strafanzeige gegen die Kalkrieser wegen angeblicher Geschichtsfälschung und Subventionserschleichung.
Hätte Wiegels in dem Umfeld dann seine eigene Interpretation hinterher schieben können? Die Antwort kannst Du dir sicherlich selbst geben. Das Geheule kann man sich leicht ausmalen.

Aber schließlich egal: Denn unter seinen Fachkollegen ist der Keks sowieso längst gegessen, da kommt es auf die Kleinigkeit nicht an. Viel interessanter ist eben die Frage: Wie kam Varus eigentlich nach Kalkriese? Denn dass die Stelle nicht der einzige Schlachtort ist, eben nur das Finale, das ist inzwischen ziemlich klar.

Beste Grüße, Trajan.
 
Nun wurde aber der Artikel sofort von der Caecina-Fraktion Umkreis Schoppe und Co. in Beschlag genommen,...
Ich glaube, Schoppe sah in Kalkriese die Reste von Atlantis.
Oder war´s der Angrivarierwall?:red:




Hätte Wiegels in dem Umfeld dann seine eigene Interpretation hinterher schieben können?
Das hört sich so an, als hätte er eine eigene Deutung. Hat er die veröffentlicht?
 
Letzteres stimmt nicht.
Waffen wurden weitergegeben- oder vermutlich verkauft / erneut ausgegeben, das belegen verschiedene Besitzerpunzierungen in Helmen.
Dass sie weitergegeben wurden, ist unbestritten. An den eigenen Sohn, an Söhne von Freunden, vermutlich auch gegen Geld an Fremde. Wobei ich vermute, dass ein bloßer Verkauf nicht die Regel war, weil Waffen für Soldaten typischerweise auch hohe emotionale Bedeutung haben. Ein Schwert, mit dem ein Legionär 10 oder 15 Jahre gekämpft hat, war für ihn nicht bloß ein Wertgegenstand. Unabhängig davon: Die Bewaffnung war damit nicht mehr zwingend an eine bestimmte militärische Einheit gebunden. Die Waffen waren - anderes als in heutigen Armeen - nicht "Bestand" der Einheit sondern persönlicher Besitz. Mit der Weitergabe durch ausgeschiedene Veteranen an neue Rekruten dürften die Ausrüstungsteile recht häufig von einer Legion in eine andere übergegangen sein. Die Weitergabe dürfte eher von der Herkunft der Beteiligten als von ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Legion abgehangen haben. Daraus ziehe ich den gleichen Schluss wie Du:

Die Gleichsetzung der beiden Legionen als gegeben zu setzen ist also falsch.

MfG
 
Und den getarnten Wall und damit den Hinterhalt verraten hätte. Unsinn!
Das Material wurde dort entnommen, wo die Erbauer gerade waren. Auf der Sumpfseite natürlich.
Das mit dem „rutschigen Untergrund“ ist absoluter Blödsinn, reinstes Asterix-Niveau. Sind die Germanen dann etwa nicht darauf ausgerutscht? Ich erinnere übrigens daran, dass die Legionärssandalen unter der Sohle genagelt waren und damit rutschfester waren als wir denken.
Der Hauptgrund des Benagelns, so mein Eindruck, ist die längere Haltbarkeit der Schuhe. Gegen Rutschigkeit sind die Nägel ziemlich vernachlässigbar. Bin selber schon mit benagelten Schuhen oft durch den Regen gerutscht und die hatten sogar Absätze, was schon ein bisschen mehr Halt gibt.
 
Der Hauptgrund des Benagelns, so mein Eindruck, ist die längere Haltbarkeit der Schuhe. Gegen Rutschigkeit sind die Nägel ziemlich vernachlässigbar. Bin selber schon mit benagelten Schuhen oft durch den Regen gerutscht und die hatten sogar Absätze, was schon ein bisschen mehr Halt gibt.

Dr. Klaus Grote, Ausgräber des Lagers von Hedemünden, berichtete dieses. Er meinte, die Sandalennägel gewährten einen etwas festeren Halt als eine bloße Ledersohle und eigeneten sich auch bestens zum Zutreten.
 
Dass sie weitergegeben wurden, ist unbestritten. An den eigenen Sohn, an Söhne von Freunden, vermutlich auch gegen Geld an Fremde.
Die weitaus meisten, wenn nicht sogar alle Inschriften deuten darauf hin, dass "Fremde", nicht Familienmitglieder die Ausrüstung bekamen.

Das könnte auch mit Vererbung zu tun haben. Da sie keine legitimen Kinder in der Zeit ihres Dienstes hatte könnte bei verfrühtem Ableben ohne dass die Ausrüstung abgezahlt worden war, diese wieder an die Truppen zurück gegangen sein. Wie es dann mit der Neuverteilung stünde ist aber genauso spekulativ, wie dieser Ansatz.

Ein Schwert, mit dem ein Legionär 10 oder 15 Jahre gekämpft hat, war für ihn nicht bloß ein Wertgegenstand.
De facto dürften 10 - 15 Jahre Kampf ein gladius massiv im Wert herabgesetzt haben... aber auch das ist, in beiden Aussagen, Spekulation.
Unabhängig davon: Die Bewaffnung war damit nicht mehr zwingend an eine bestimmte militärische Einheit gebunden.
Das ist korrekt, wenn auch mit dem Hinweis, dass dies auch für das Personal gilt. Wir kennen Versetzungen zwischen Legionen und Kohorten.
Viele Besitzermarken nennen daher ihre Offiziere. "Aus der turma /ala des XY" z.B.

Die Waffen waren - anderes als in heutigen Armeen - nicht "Bestand" der Einheit sondern persönlicher Besitz.
Da muß ich wieder widersprechen. Bei hochwertigen Ausrüstungsgegenständen kann man davon ausgehen, dass diese Prestigobjekte von den Soldaten angekauft wurden.
Der Rest der Ausrüstung wurde ihnen vom Sold abgezogen, und zwar in Raten. Dies deutet auf Ausgabe durch die Einheit oder die Armee hin.


Zum Gripp: beide haben recht. Die Nägel geben mehr Halt, allerdings noch am ehesten wenn sie neu sind. Dann funktionieren sie wie Spikes oder Stollen. Sind sie aber eingelaufen runden sie zunehmend ab und verlieren an Tiefe.
Und auf einem Spitzgrabenwall wirkt nasses Gras dann wie laufendes Wasser auf Kacheln. Auch die "Stollen" greifen dann nicht mehr genug, um ein Abrutschen zu verhindern.
Kritisch wird es mit genagelten auf poliertem Mamorboden. Hier ist statt mehr Halt ein gleitendes Verhalten zu bemerken, sozusagen Schlittschuhe.
 
Wie es dann mit der Neuverteilung stünde ist aber genauso spekulativ, wie dieser Ansatz.
Stimmt, wir spekulieren gerade.

Die weitaus meisten, wenn nicht sogar alle Inschriften deuten darauf hin, dass "Fremde", nicht Familienmitglieder die Ausrüstung bekamen.
Aus dem Mundblech zum Beispiel geht nicht hervor, in welchem Verhältnis der vermutlich bei Kalkriese gefallene Besitzer zu dem (möglicherweise) in Spanien stationierten Legionär stand, der die Schwertscheide um 20 v.Chr. gekauft hat (immer unter der Voraussetzung, dass die Deutung von "LPA" richtig ist). Geben andere Inschriften hier mehr Aufschluss? Mir ist davon nichts bekannt.

Das könnte auch mit Vererbung zu tun haben. Da sie keine legitimen Kinder in der Zeit ihres Dienstes hatte könnte bei verfrühtem Ableben ohne dass die Ausrüstung abgezahlt worden war, diese wieder an die Truppen zurück gegangen sein.
Was "verfrühtes Ableben" angeht, hast Du sicher recht. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Legionäre nicht "verfrüht abgelebt" sind (abgelebt haben? egal). Sie bekamen als Belohnung Land zugewiesen, ihre bis dahin illegitimen Ehen und Kinder wurden offiziell anerkannt und sie wurden, wenn Not am Mann war, als Veteranen wieder zu den Legionen eingezogen. Also besaßen sie noch ihre Ausrüstung und ihre Waffen. Nach menschlichem Ermessen wird diese Ausrüstung erst dann weitergegeben worden sein, wenn die Leute zu alt wurden, um noch zu kämpfen. Es wäre aber auch nicht überraschend, wenn die Waffen dann als "Reliquie" in der Familie behalten worden wären. Man denke an Gräber germanischer Auxiliarsoldaten, in denen Waffen als Grabbeigabe lagen. Darauf wollte ich hinaus, als ich schrieb, dass Waffen für Soldaten auch hohen emotionalen Wert hatten/haben.

De facto dürften 10 - 15 Jahre Kampf ein gladius massiv im Wert herabgesetzt haben... aber auch das ist, in beiden Aussagen, Spekulation.
Spekulieren wir ruhig. Ich glaube nicht, dass ein Gladius regelmäßig so häufig und so massiv beansprucht wurde, dass es unbrauchbar wurde. Damit wurde ja nicht ununterbrochen auf Stein eingeschlagen. Ähnliches gilt für andere Ausrüstungsteile. Ein Beispiel ist vermutlich das Mundblech. Wenn unsere Deutung stimmt, war es zum Zeitpunkt des Verlusts 30 Jahre alt oder älter.

Da muß ich wieder widersprechen. Bei hochwertigen Ausrüstungsgegenständen kann man davon ausgehen, dass diese Prestigobjekte von den Soldaten angekauft wurden.
Der Rest der Ausrüstung wurde ihnen vom Sold abgezogen, und zwar in Raten. Dies deutet auf Ausgabe durch die Einheit oder die Armee hin.
Sicher wird es einen "zentralen Einkauf" gegeben haben. Schon um die Einheitlichkeit der Bewaffnung sicherzustellen; auch um dafür zu sorgen, dass jeder Legionär schnell ein Schwert bekam, ohne erst noch nach einem Schmied zu suchen. Trotzdem ging die Waffe in seinen Besitz über und gehörte nicht zu Bestand der Legion. Zumindest gilt das für die persönliche Ausrüstung. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Bedienungsmannschaften von Schleudermaschinen ihre Bolzen selbst kaufen mussten. Ob die Legionäre für ein Pilum, das nach dem Wurf unbrauchbar wurde, bezahlen mussten, erscheint mir auch zweifelhaft. Aber hier spekuliere ich wieder...

MfG
 
Der Hauptgrund des Benagelns, so mein Eindruck, ist die längere Haltbarkeit der Schuhe.

Nach meiner Einschätzung ist der Hauptgrund die gepflasterten Straßen, auf denen die römischen Soldaten marschierten. Versuch mal die deren Tagesmarschstrecke mit ungenagelten Ledersohlen auf hartem Boden zu bewältigen.

Wenn ich genau überlege: Lass es lieber.;)
 
Versuch mal die deren Tagesmarschstrecke mit ungenagelten Ledersohlen auf hartem Boden zu bewältigen.

Wenn ich genau überlege: Lass es lieber.;)

Dem darf ich mich an der Stelle anschließen: Laß es lieber.
Mit ungenagelten Ledersohlen - wie es bspw. bei Schuhwerk des Hochmittelalters der Fall ist - ist das Laufen auf gepflasterten Straßen u.ä. harten Belägen äußerst unangenehm; und desweiteren spürt man z.B. auch recht deutlich fast jeden Stein u. dgl. Das ist kurzzeitig für einige hundert Meter noch halbwegs zu ertragen, dann aber nicht mehr.
Die von Brissotin angesprochene Haltbarkeit spielt jedoch bzgl. der Sohlen ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle: Eine ungenagelte Ledersohle wird auf derartigen harten Belägen etc. bei längerer Nutzung geradezu abgeschliffen. Auch hier gilt wieder: Für einige hundert Meter hält sich das halbwegs in gerade noch erträglichen Grenzen, auf längeren solchen Strecken ruiniert man definitiv eine ungenagelte Ledersohle.
Anm.: Was den hier ebenfalls angesprochenen Grip betrifft, so verhält es sich damit bei ungenagelten Ledersohlen - um dies der Vollständigkeit hinzuzufügen - in etwa wie mit profillosen Rennreifen. Solange die Lauffläche trocken ist, ist alles nahezu bestens, bei schmierigem und/oder nassem Belag wird es recht bald äußerst rutschig.

Ich denke, daß wir damit die Seitendiskussion über genagelte und ungenagelte Ledersohlen beenden können...
:fs:
 
Aus dem Mundblech zum Beispiel geht nicht hervor, in welchem Verhältnis der vermutlich bei Kalkriese gefallene Besitzer zu dem (möglicherweise) in Spanien stationierten Legionär stand, der die Schwertscheide um 20 v.Chr. gekauft hat (immer unter der Voraussetzung, dass die Deutung von "LPA" richtig ist). Geben andere Inschriften hier mehr Aufschluss? Mir ist davon nichts bekannt.
In einigen Fällen kann man aufgrund der Nennung des kommandierenden Offiziers die gefundenen Stücke mit Grabsteinen identifizieren und so bestimmte Einheiten bestimmen.
Im Fall des Mundbleches ist das aufgrund des Fundstückes selbst und der genannten Probleme mit der "Augusta" nicht möglich.


Was "verfrühtes Ableben" angeht, hast Du sicher recht. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Legionäre nicht "verfrüht abgelebt" sind (abgelebt haben? egal). Sie bekamen als Belohnung Land zugewiesen, ihre bis dahin illegitimen Ehen und Kinder wurden offiziell anerkannt und sie wurden, wenn Not am Mann war, als Veteranen wieder zu den Legionen eingezogen.
Die Statistiken sprechen etwas anderes. Um genau zu sein, können wir erstmal nur schwer von "die Meisten" sprechen. Wie viele nun genau ihre Dienstzeit überlebt haben schwankt in den Schätzungen zwischen 4 und 7 von 10, was zudem stark vom Zeitraum abhängig ist, von dem wir reden. In Zeiten vieler Feldzüge, schlechter Versorgung, Seuchen oder heftigen Angriffen auf das Reich sinkt die Zahl. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts gehen manche davon aus, dass nur jeder 3. sein Dienstzeitende wirklich erlebte.
Der evocati-Status ist ein zusätzliches, schwer greifbares Problem


Also besaßen sie noch ihre Ausrüstung und ihre Waffen. Nach menschlichem Ermessen wird diese Ausrüstung erst dann weitergegeben worden sein, wenn die Leute zu alt wurden, um noch zu kämpfen.
Die Quellen sprechen dagegen. Erstmal ist zwischen Besitz und Eigentum zu unterscheiden.
Ich gehe, wie oben beschrieben von Ratenzahlungen aus, Leihgebühren oder eine Pauschale für Nutzung und Wartung aber sind bspw. ebenfalls nicht völlig abwegig.
Ich gehe wegen einer Beschwerde der Soldaten an Tiberius, überliefert durch Tacitus nicht davon aus, in der diese sich eben beschweren (!), dass sie die Ausrüstung bezahlen müssen. Dies würde aber gegen den Status des Eigentümers sprechen sondern nur für den des Besitzers.
Was die Verweildauer, die du gerne als lebenslang ansehen würdest angeht, so sprechen auch hier die Quellen deutlich dagegen. Angefangen mit einem eques, der seinen pugio in Ägypten verpfändet und dieses Geschäft auf einem Papyrus der uns erhalten blieb verzeichnen läßt.
Ein Mitglied der ala veterana gallica borgte sich, mit Brief, 50 Denare zur Anschaffung von Waffen. Er war zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile im Dienst und auch bei seinen Kameraden bekannt, es wird von fratres gesprochen. Also wenigstens ein Teil der Bewaffnung wurde ausgetauscht.

Ulpian schließlich behandelt in seinen juristischen Schriften den möglichen Fall, dass ein Soldat mit vererbten Geld sich eigene Ausrüstung kaufte. Das impliziert, das sich Soldaten "eigene" Ausrüstung kaufen konnten, aber nicht mußten, und das sie dies durchaus in fortgeschrittenem Dienst taten.

Es wäre aber auch nicht überraschend, wenn die Waffen dann als "Reliquie" in der Familie behalten worden wären. Man denke an Gräber germanischer Auxiliarsoldaten, in denen Waffen als Grabbeigabe lagen
Da schmeißt du allerdings Begräbnissitten anderer Kulturen und ästethische oder sentimentale Tradition durcheinander. Die hier implizierte Grundhaltung müßte dann auch die römische Bewaffnung in deren Gräbern, nicht an deren Söhnen wiederfinden, und das ist nicht der Fall. Wie gesagt gibt es bislang keinen archäologischen Hinweis auf intergentile Vererbung von Waffen.


Darauf wollte ich hinaus, als ich schrieb, dass Waffen für Soldaten auch hohen emotionalen Wert hatten/haben.
Und wie gesagt halte ich dies für nicht richtig. "Das ist mein stolz und das mein Gewehr" ist eine zutiefst aufgesetzte Haltung und vor allem in der Neuzeit zu finden. Bundeswehrsoldaten lernen bspw. ihre Waffe und Ausrüstung zu wertschätzen, sie lieben sie aber nicht und tauschen sie bei defekt oder besserem Ersatz bedenkenlos aus.
Wir kennen genug Quellen die beweisen, dass röm. Soldaten ihre Waffen versetzten, verspielten, im Gefecht austauschten und von Caear wissen wir, dass er als "Belohnung" die Waffen seiner Soldaten mit Edelmetallen versehen ließ, mit dem Hintergedanken, dass sie bei gestiegenem Wert besser aufpassen und pflegen würden (was wohl nicht der Fall war).
Also, die Quellen sprechen dagegen.


Spekulieren wir ruhig. Ich glaube nicht, dass ein Gladius regelmäßig so häufig und so massiv beansprucht wurde, dass es unbrauchbar wurde.
Die metallurgischen Untersuchungen kennen gladii von höchster bis niedrigster Qualität. Auch wenn man damit nicht "auf Stein einprügelt" nutzt sich jede Klinge ab und muß gepflegt sein. Die antike Kampfweise, mit diversen Begegnungen der Klingen mit Schildkanten und Schildoberflächen ist durchaus nicht zu verachten. Sollte also jemand bspw. an den Daker- UND Partherkriegen beteiligt gewesen sein, dürfte die Waffe gelitten haben. Genaue Untersuchungen dazu gibt es leider noch nicht.


Wenn unsere Deutung stimmt, war es zum Zeitpunkt des Verlusts 30 Jahre alt oder älter.
Mit dem Unterschied, dass solche Gegenstände keiner Abnutzung im Kampf wie eine Schwertklinge unterlagen...


Sicher wird es einen "zentralen Einkauf" gegeben haben
Aus dem Legionskontext kennen wir hastilarii, gladiarii, scutarii usw. aus den fabricae arcuariae usw.
Deutet darauf hin, dass sie zu einem bestimmten Teil sich selbst versorgen konnten.
 
@Gabinius, du implizierst, dass sich eine Gladiusklinge zwangsläufig abnutzte und ich gebe dir Recht. Aber nicht durch vielfaches Eindreschen auf gallische oder dakische Schilde (Welcher Legionär hatte in der Formation dazu gehäuft Gelegenheit und überlebte dies noch?)

Es wird eher so gewesen sein, dass auch der römische Kommiss seine Inspektionen hatte - es gibt nichts wirklich Neues in der Welt - und wehe, wenn die Waffen und Rüstungen nicht gut in Schuß waren...
Regelmäßiges Schleifen und Putzen genügte völlig, um die Haltbarkeit der Ausrüstung extrem zu verkürzen.
 
Zurück
Oben