Sommerlager des Varus

Schon Dieter Timpe wies in den Arminius-Studien 1970 darauf hin, dass ein römischer Statthalter im Jahre 9 n.Chr. keine drei Legionen benötigte, um im rechtsrheinischen Germanien unterwegs zu sein. Varus befand sich vielmehr auf einer Inspektionsreise zur Entwicklung der zivilen Infrastruktur des Landes, in erster Linie zur Rechtsprechung. In welchem Lager er dieses Tat ist nicht bekannt.

Ebenfalls nicht bekannt ist, welche Standorte die drei Legionen 17,18 und 19 zu dieser Zeit hatten. Tiberius hatte 5 n.Chr. das Land zwischen Rhein und Elbe befriedet, so dass es als militärisch gesichert bezeichnet werden konnte.

Nun gehen allerdings einige Leute mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit davon aus, die Legionen 17,18 und 19 hätten am Rhein gelegen. Es ist m.E. viel wahrscheinlicher, dass sie Standorte im Landesinneren (auch in den Wintermonaten) besetzt hielten (z.B. Haltern und Anreppen).

Als der Statthalter Varus diese Gegend im Jahre 9 n.Chr. aufsuchte und ein Aufstand gemeldet wurde, sammelte er große Teile dieser drei Legionen, um gegen einen entfernten Feind zu ziehen. Vexilationen blieben in der Eile fern, so dass keine Sollstärke erreicht wurde.

Vom „Rückmarsch an den Rhein“ ist in den Quellen nirgends die Rede. Diese Vorstellung hat sich leider in den Köpfen festgesetzt.
 
Nun gehen allerdings einige Leute mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit davon aus, die Legionen 17,18 und 19 hätten am Rhein gelegen. Es ist m.E. viel wahrscheinlicher, dass sie Standorte im Landesinneren (auch in den Wintermonaten) besetzt hielten (z.B. Haltern und Anreppen).

Als der Statthalter Varus diese Gegend im Jahre 9 n.Chr. aufsuchte und ein Aufstand gemeldet wurde, sammelte er große Teile dieser drei Legionen, um gegen einen entfernten Feind zu ziehen. Vexilationen blieben in der Eile fern, so dass keine Sollstärke erreicht wurde.

Vom „Rückmarsch an den Rhein“ ist in den Quellen nirgends die Rede. Diese Vorstellung hat sich leider in den Köpfen festgesetzt.

Absolute Zustimmung!:winke:

Ich kann mich erinnern, daß in einem Vortrag von J. Harnecker im letzten Jahr dieser erklärte, daß die Archäologie mittlerweile davon ausgeht, daß ein Großteil der Truppen den Winter in den Lagern im Inneren Germaniens verbracht hat. Ein Rückzug an den Rhein war daher unnötig und der Weg (aus einem möglichen Sommerlager) in die Winterlager wohl auch kürzer als bisher angenommen.

In Anreppen hat man ebenfalls Brandspuren gefunden. Diese könnten auf eine planmäßige Auflassung hindeuten. Das dieses Lager im Jahre 9 n.Chr. keinen Bestand mehr hatte gilt auch aufgrund der weiteren Funde dort als sehr wahrscheinlich. Haltern wird wohl der Hauptstützpunkt gewesen sein. Und wer weiß:

Vieleicht gab es an der Lippe noch das ein oder andere Lager, von dem wir aber bislang noch nichts wissen?:fs:
Für gänzlich unwahrscheinlich halte ich das absolut nicht.
 
Varus war Statthalter in Germanien- daß zu der Zeit als befriedet galt. Statthalter heißt, an Kaisers statt in einer Provinz- was macht es für einen Sinn, wenn das nur saisonal ist ?
Tacitus schreibt, daß sich die Germanen auf die Belagerung und Einnahme von Kastellen nicht verstanden (siehe Aliso)- das erklärt, das man die Römer, die sich das ganze Jahr in Germanien in Garnisonen verteilt aufhielten aus den Kastellen ins Nirgendwo locken mußte, um im unwegsamen Gelände zuzuschlagen.
Die Tatsache, daß Asprenas, der in der Rheingegend operierte, jederzeit als Entsatz den Kastellen im Falle einer Belagerung zur Hilfe kommen konnte, spricht auch dafür.
Zudem war auch so eine Zusammenrottung von scheinbar unterstützenden Germanenstämmen unauffällig.
Ich sehe hier auch die 2 Legionen des Asprenas in Castra Vetera stationiert (eben für den Winter)- mehr Platz war da nicht.
Denkbar ist auch ein Rotationsprinzip, wonach periodisch die Legionen ausgetauscht wurden, um mal Pause von dem barbarischen Germanien zu haben.
Wo sind nun die Garnisonskastelle ? Entweder überbaut oder noch nicht entdeckt.
Man bedenke die Ortschaft Waldgirmes wäre nur 200 Meter westlich entstanden- wir wüßten nichts von einer römisch- germanischen Siedlung.
Wo sind die unzähligen Marschlager von Drusus, Tiberius und Germanicus ? Auch muß es alle 20 KM (ein Tagesmarsch) bis Anreppen ein Marschlager geben. Es gibt da wohl noch viel zu entdecken !
Zu unserem Thema: Veranlassung für das Sommerlager- will ich hier zur Überlegung geben, daß Varus klare Vorstellung von dem Aufbau einer (seiner) Provinz haben konnte. Wenn man sich seinen Tätigkeitsbereich zuvor ansieht - in Nordafrika und Syrien - gibt es hier sicher die Strukturen, die er auch in Germanien umsetzen wollte oder bereits umgesetzt hatte, was die Infrastruktur und Siedlungspolitik betrifft. Die Steuerpolitik ist hier bestes Beispiel. Eine Provinz braucht eine Hauptstadt- vielleicht war so etwas schon in der Überlegung, wenn man sich mit der Weser als Grenze begnügte- vielleicht aber auch zwischen Weser und Elbe in Planung.
 
Richtig. Das Lager Anreppen zum Beispiel befand sich im inneren Germaniens und bot den Hintergrund für römische Repräsentation. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß Varus nur wenige Kilometer weiter östlich an der Weser eine Art Zeltlager aufschlug.
Darauf hat Salvus ja schon geantwortet:
Anreppen war das östlichste der bekannten Lippelager. Daher könnte eine solche Vermutung durchaus plausibel sein. Allerdings geht die moderne Forschung (u.a. Kühlborn) davon aus, daß es sehr wahrscheinlich ist, daß dieses Lager kurz nach den Tiberius-Feldzügen aufgegeben wurde und somit während der Statthalterschaft des Varus garnicht mehr existierte.

Weiter unten dazu mehr.

Ebenfalls richtig. Es ist allerdings von Asprenas die Rede, nicht von Varus. Asprenas führte nach Bekanntwerden der Niederlage des Varus in Eilmärschen seine beiden Legionen in ein Lager am Rhein, um die diesseits lebenden Stämme vom Aufstand abzuhalten. Es handelt sich also um eine vollkommen andere Situation als bei Varus selbst.

Man muss den Absatz auch mit der gebührenden Ironie lesen. Es handelt sich eben nicht um eine Laudatio, sondern um eine "Laudatio".

"Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Asprenas Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes und mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und indem er in Eilmärschen in die Winterquartiere Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheins wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue.* Dennoch gibt es Leute, die glauben, er habe zwar die Lebenden gerettet, aber auch die Hinterlassenschaft der mit Varus umgekommenen an sich gebracht und nach Belieben die Erbschaft der getöteten Soldaten angetreten."

*Das ist die Übersetzung von Marion Giebel. Allerdings würde ich animos confirmavit anders übersetzen: Er bestärkte sie nicht in ihrer Treue (fides, fidelitas) sondern in ihrer Zuversicht oder ihrem Mut (animus).

Vom „Rückmarsch an den Rhein“ ist in den Quellen nirgends die Rede. Diese Vorstellung hat sich leider in den Köpfen festgesetzt.

Eben das steht dort nicht. Diese Vorstellung hat sich jedoch in 500 Jahren Varusschlachtforschung derart in den Köpfen zementiert, daß sie mittlerweile als Tatsache angenommen wird. Überlebende flohen ins Lager Aliso und saßen dort erst einmal fest.

Natürlich steht dort nicht, dass sie "ad Rhenum" marschierten. Cassius schreibt schließlich auf Griechisch und nicht auf Latein. ;)
Nein, ernsthaft: Wenn man mit Cassius ein mehrtägige Marschschlacht annimmt, dann kann man nicht davon ausgehen, dass die Römer - von ihren Verbündeten verraten - weiter marschieren um die angebliche Rebellion niederzuschlagen. Stattdessen müssen sie versucht haben, sicheres Gebiet zu erreichen. Und das wäre der Rhein gewesen. Wir hören explizit bei Velleius, dass Asprenas seine Truppen über den Rhein führte, um sie in Sicherheit zu bringen. Bei Cassius steht explizit, dass die Cherusker die varianischen Truppen "weit vom Rhein weg" führten, auch hier wieder der Rhein als sicheres Gebiet.
Aliso ist auch kein überzeugendes Argument gegen den Marsch zum Rhein, da Aliso offensichtlich nicht allzuweit vom Rhein entfernt lag. Immerhin gelang es den in Aliso Festsitzenden dort auszubrechen und zum Rhein zu gelangen und Asprenas soll diesen entgegen geeilt sein.

Mag sein, dass man aus den Schriftquellen noch die mögliche Existenz von Winter- und Sommerlagern herauslesen kann.

Man kann es nicht nur herauslesen, es steht dort explizit: hiberna. An hiberna lässt sich nicht herumdeuteln.


Die archäologischen Befunde stützen das aber nicht. Schon in der Okkupationsphase hatten die Lager im Inneren Germaniens (das Prominenteste dürfte Oberaden sein; belegungsdauer von 11 bis ca. 8 v. Chr.) eine feste Innenbebauung, die Rheinlager hingegen nicht. Das kann nur bedeuten, dass die Legionen schon zu dem frühen Zeitpunkt nicht am Rhein sondern in Germanien überwintert haben. Dass Varus zu irgendwelchen Winterlagern am Rhein ziehen wollte, ist also auszuschließen, weil es dort keine Winterlager gab.

Stattdessen ist anzunehmen, dass die römischen Truppen in einer Reihe von ganzjährige benutzten Lagern in Germanien stationiert waren. Z. B. Haltern (meiner Ansicht nach identisch mit Aliso).

Vetera, Novaeisium, oder Ulpia Noviomagus waren auch in augusteisch-tiberischer Zeit befestigte Lager. Natürlich blieben auch Legionen in den Lagern an der Lippe und sicher auch an der Lahn, schon um Waldgirmes zu sichern. Aber im Winter wurde kein Krieg geführt und daher wurden sicher auch die Lippelager im Winter nicht voll besetzt gehalten, schon wegen des Versorgungsaufwandes.


Asprenas hat die ihm unterstellten beiden Legionen dann über den Rhein geführt, weil die Germanen nach der Niederlage des Varus auch alle Lager östlich des Rheins gestürmt haben und die römischen Truppen dorthin folglich nicht zurückkehren konnten. Die Funde von Waldgirmes deuten darauf hin, dass die Römer auch selbst Standorte kampflos geräumt haben, weil sie sie nicht mehr hätten halten können.




Vielleicht muss man Florus so lesen, dass er die Eroberung der Lager nach der Varusniederlage mit der Schlacht selbst bloß in einen Topf geworfen hat.

Möglicherweise. Florus gilt insgesamt als unpräzise.


Der römische Statthalter wird nicht die befreundeten cheruskischen Führer in einem Zeltlager empfangen haben, sondern ließ sie im nächstgelegenen größeren Standlager vorladen, um ihnen römische Macht und Kultur zu repräsentieren.

Das konnte man auch mit mobilen Dingen tun. Siehe etwa den Hildesheimer Silberschatz. Dazu brauchte man kein luxuriöses Standlager, zumal es beeindruckend genug für die Germanen gewesen sein wird, wie die Römer in Nullkommanix ihre Lager aufbauten.




Das hängt alles letztlich von der Frage ab, warum Varus mit den drei Legionen unterwegs war und was er bei den Cheruskern wollte. Beeindrucken musste er die bestimmt nicht, denn sie galten den Römern als "Vorzeige-Germanen" und waren ihre wichtigsten und treuesten Verbündeten in der Gegend.

Dass er die Truppen auf die Nachricht von dem Aufstand dort versammelt hat, scheint unzutreffend zu sein. Den Quellen zufolge befand sich Varus bereits bei den Cheruskern und war mit Rechtsprechung beschäftigt, als ihm die Meldung über den angeblichen Aufstand überbracht wurde. Das liest sich eher so, als hätte er sich bereits auf den Abmarsch vorbereitet und wäre dann von den "Verrätern" überredet worden, einen kleinen Umweg zu machen, um den widersetzlichen weit entfernten Stamm quasi im Vorbeimarsch zu züchtigen.

Ich halte Cassius Dio nach wie vor für eine unglaubwürdige Quelle und würde ihm nicht allzuviel Glauben schenken wollen. Bezeichnend ist doch, dass immer wieder mit dem Eigentteil Cassius' argumentiert wird.

Schon Dieter Timpe wies in den Arminius-Studien 1970 darauf hin, dass ein römischer Statthalter im Jahre 9 n.Chr. keine drei Legionen benötigte, um im rechtsrheinischen Germanien unterwegs zu sein. Varus befand sich vielmehr auf einer Inspektionsreise zur Entwicklung der zivilen Infrastruktur des Landes, in erster Linie zur Rechtsprechung. In welchem Lager er dieses Tat ist nicht bekannt.

Ebenfalls nicht bekannt ist, welche Standorte die drei Legionen 17,18 und 19 zu dieser Zeit hatten. Tiberius hatte 5 n.Chr. das Land zwischen Rhein und Elbe befriedet, so dass es als militärisch gesichert bezeichnet werden konnte.

Nun, Timpe scheint sich mit dieser Ansicht nicht voll durchgesetzt zu haben. Und wie zu sehen ist, reichte es eben nicht einen germanischen Stamm zu besiegen oder in die Flucht zu schlagen. Da konnte man hundert Mal bis an die Elbe ziehen und das Land war doch nicht erobert.

Nun gehen allerdings einige Leute mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit davon aus, die Legionen 17,18 und 19 hätten am Rhein gelegen. Es ist m.E. viel wahrscheinlicher, dass sie Standorte im Landesinneren (auch in den Wintermonaten) besetzt hielten (z.B. Haltern und Anreppen).

Es gibt Zeugnisse für diese Legionen in Haltern, aber auch in Vetera. Die 19. wird direkt bei Varus gewesen sein, zu ihr dürfte er seit 15 ein gutes Verhältnis gehabt haben. Von ihr ist ein Bleibarren in Haltern belegt.
Marcus Caelius' Kenotaph stand in Vetera, das spricht dafür, das er hier stationiert war, also 18. Legion dort.

Varus war Statthalter in Germanien- daß zu der Zeit als befriedet galt. Statthalter heißt, an Kaisers statt in einer Provinz- was macht es für einen Sinn, wenn das nur saisonal ist?


Pro vincia heißt ja zunächst einmal nichts anderes als 'Auftrag' und stammt von pro vincere, 'zu besiegen'.
Galt Germanien als befriedet? Die Brukterer, Ubier, Sugambrer Cherusker und Marser sicher, aber weitere Völker?

Wie sprechen die römischen Autoren Varus an? Manilus und Velleius schreiben dux ("cum fera ductorem rapuit Germania Varum"; "segnitia ducis", "marcore ducis", "Duci plus ad moriendam quam ad pugnandum animi fuit"). Das bezieht sich auf den militärischen Bereich. Strabon nennt ihn einen Strategen ("
στρατηγοῦ Ὀυάρου Κουιντιλλίου"), Velleius bezeichnet ihn als Vorsteher des Heeres in Germanien ("is cum exercitu, qui erat in Germania, praeesset"), Florus spricht Varus mit seinem höchsten erreichten politischen Amt an: "consulis corpus", dies allerdings in einem Kontext militärischer Treue: Die römischen Soldaten hätten den Leichnam des Varus vergraben, den die Germanen aber wieder ausgruben.
Cassius Dio nennt Varus den Hegemon: ἡγεμών, was dem lateinischen dux entspricht.

Eine Provinz braucht eine Hauptstadt- vielleicht war so etwas schon in der Überlegung, wenn man sich mit der Weser als Grenze begnügte- vielleicht aber auch zwischen Weser und Elbe in Planung.

Das ist richtig. Und diese Hauptstadt war die ara Ubiorum, also Köln, wo man man den Kaiserkult für die Provinz Germania eingerichtet hatte. So zumindest sieht das Werner Eck, der Köln mit Lugdunum/Lyon als Zentrum des Kaiserkults in Gallien vergleicht, mit dem Hinwies auf Segimuntos, der als Cherusker Dienst an der ara Ubiorum tat. Von hier muss auch Varus "ins Innere Germaniens" gezogen sein.

Ergo: Es ist kein Widerspruch, dass es Standlager an der Lippe gab, sie waren Sicherungslinie eines Aufmarschgebietes der noch im Aufbau befindlichen Provinz, sie werden zwar ganzjährig besetzt gewesen sein, aber sicher nicht - gerade während der Wintermonate - voll besetzt. Immerhin musste die ganze Gerste, der Hafer, das Öl, Wein, etc. auch transportiert werden. Die Existenz dieser Standlager steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass sich ein Feldherr ins Innere Germaniens begeben konnte und doch noch "haud procul [...] Amisiam et Lupiam amnes inter"
vernichtend geschlagen werden konnte.
 
Ergo: Es ist kein Widerspruch, dass es Standlager an der Lippe gab, sie waren Sicherungslinie eines Aufmarschgebietes der noch im Aufbau befindlichen Provinz, sie werden zwar ganzjährig besetzt gewesen sein, aber sicher nicht - gerade während der Wintermonate - voll besetzt. Immerhin musste die ganze Gerste, der Hafer, das Öl, Wein, etc. auch transportiert werden.

Dies könnte sicherlich ein wichtiges Argument sein. Zumal die Lippe vor 2000 Jahren sicherlich anders ausgesehen hat als heute (viele Seitenarme, unterschiedliche Tiefen, sumpfiges Gelände etc.). Außerdem muß man bedenken, daß die Lastkähne gegen den Strom bewegt werden mußten. Das war sicher ein ziemlich mühsames Unterfangen. Bleibt weiterhin die Wahrscheinlichkeit, daß Haltern das Hauptlager in Germanien war. Dies lag ja auch unweit vom Rhein. Irgendwo habe ich einmal gelesen, daß dieses Lager eine Dauerbesetzung von ca. 3000 Mann gehabt haben könnte. Die Quelle müßte ich allerdings suchen.

Bleibt die Frage nach Anreppen. Die Fundsituation spricht wohl eindeutig für eine planmäßige Auflassung vor der Statthalterschaft des Varus.
Allerdings halte ich dies auch tw. für fraglich. Aufgrund der Lage des Lagers unmittelbar an der Lippe - ohne Rücksicht auf mögliches Hochwasser - sowie die hohe Anzahl an wirklich großen Speicherbauten war dieses Lager doch offensichtlich eine wichtige Versorgungsstation. Wären diese Speicher gefüllt gewesen, so hätte eine doch beachtliche Anzahl von Legionären (eine komplette Legion?) über den Winter kommen können. Außerdem war die Lage des Lagers so weit östlich auch recht günstig. Warum sollten die Römer sich von einem derartigen Lager nach so kurzer Zeit trennen? Dieses Lager hätte wohl auch in einer tributpflichtigen Provinz Germanien eine wichtige Rolle spielen können. Oder hat man die Lage des Lagers aufgrund eintretenden Hochwassers doch für zu ungünstig gehalten?
Viele Fragen!:grübel:
 
J.S. Kühlborn kann nicht mit Sicherheit sagen, wann Anreppen aufgelassen wurde.
Ich habe einen Bericht eines Kühlborn-Vortrags von 2005 von Wilhelm Dräger gefunden:


Ende einer Grabungsära: Anreppen

Zur Datierung des Lagers verwies der Referent (Kühlborn) auf die dendrochronologische Auswertung der Hölzer eines Brunnens im Lagerinneren und einer Mannschaftslatrine: 5 n.Chr. Nicht festlegen wollte er sich trotz Nachfrage jedoch auf das wichtige Enddatum, das er aber ausdrücklich nicht mit dem auch in der Fachwissenschaft wieder umstrittenen Enddatum Halterns (bisher mehrheitlich 9 n.Chr.; jetzt jedoch wieder tiberisch?) gleichsetzt.







Kühlborn geht davon aus, daß Anreppen 4/5 n.Chr. von Tiberius errichtet und von Velleius Paterculus erwähnt wird:




Dabei traten u.a. zu Tage: ein offenbar für besondere Repräsentationsaufgaben errichtetes außerordentlich großes Prätorium, bei dem der Ausgräber (Kühlborn) im Einklang mit Velleius Paterculus II, 105 an Tiberius denkt (Winterlager in Germanien 4/5 n.Chr.);





Bei Velleius Paterculus II, 105 steht:
„...Germaniam, in cuis mediis finibus ad caput Lupiae fluminis hiberna digrediens princeps locaverat.


...nach Germanien. Dort hatte er (Tiberius), mitten im Landesinneren an der Quelle des Flusses Lippe, vor seiner Abreise als erster ein Winterlager aufgeschlagen.




Wenn Kühlborns Annahme stimmt, d.h. Anreppen mit dem o.g. Lager des Tiberius identisch ist, so handelt es sich hierbei um ein Winterlager (hiberna) rechts des Rheins. Der Umfang des Lagers lässt eine Legion als Besatzung zu, die überaus zahlreichen Speicheranlagen lassen auch deren Überwinterung zu. Und das außergewöhnlich große und luxuriöse Prätorium, entsprach dem Repräsentationbedürfnis eines Statthalters.
 
Man kann es nicht nur herauslesen, es steht dort explizit: hiberna. An hiberna lässt sich nicht herumdeuteln.
...
Vetera, Novaeisium, oder Ulpia Noviomagus waren auch in augusteisch-tiberischer Zeit befestigte Lager. Natürlich blieben auch Legionen in den Lagern an der Lippe und sicher auch an der Lahn, schon um Waldgirmes zu sichern. Aber im Winter wurde kein Krieg geführt und daher wurden sicher auch die Lippelager im Winter nicht voll besetzt gehalten, schon wegen des Versorgungsaufwandes.
Dass die Lager befestigt waren, habe ich nicht bestritten. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Rheinlager - mit Ausnahme von Nijmegen Kops Plateau - in dieser Zeit keine feste Innenbebauung hatten. Die Soldaten haben dort in Zelten kampiert. Es handelte sich also um Marschlager, die häufiger von durchziehenden Truppen benutzt wurden, die aber nicht dauerhaft besetzt waren. In Lagern, in denen die Legionäre den Winter verbracht haben, haben sie feste Häuser gebaut. Feste Innenbebauungen hatten die innergermanischen Lager, nicht aber die Rheinlager. Also waren die Rheinlager keine Winterlager, auch wenn irgendwo explizit hiberna steht. Erst nach der Varusniederlage lassen sich zum Beispiel in den Lagern bei Neuss und Xanten feste Gebäude nachweisen. Offenbar wurden die Rheinlager also erst nach der Varuskatastrophe und dem Verlust der "Provinz" zu festen, dauerhaft besetzten Standorten ausgebaut.

Nachzulesen unter anderem in "Kontinuität und Diskontinuität: Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft", 2002.

Ich halte Cassius Dio nach wie vor für eine unglaubwürdige Quelle und würde ihm nicht allzuviel Glauben schenken wollen. Bezeichnend ist doch, dass immer wieder mit dem Eigentteil Cassius' argumentiert wird.
Nicht nur Cassius Dio hat geschrieben, dass Varus während seines Besuchs bei den Cheruskern mehr mit zivilen (Verwaltungs-)Tätigkeiten beschäftigt war als mit militärischen. Und Dios Glaubwürdigkeit ist durch den Fund von Waldgirmes jedenfalls deutlich aufgewertet worden. Er ist auch derjenige, der die Ereignisse am "neutralsten" schildert. Die anderen Autoren wollen mit ihren Werken politisch Position beziehen. Bei Dio ist das so nicht erkennbar.

Nochmal zurück zur Frage nach dem Sommerlager des Varus: Es kann nicht sein, dass sein Besuch bei den Cheruskern spontan oder überraschend erfolgt ist. Die Cherusker müssen gewusst haben, dass er kommen würde. Sonst hätte Arminius unmöglich den Aufstand ins Werk setzen können. Es ist undenkbar, dass er spontan genug Krieger zusammenscharen konnte, um drei Legionen zu gefährden - selbst wenn diese drei Legionen nicht die volle Einsatzstärke hatten. Dieser Aufstand muss von langer Hand vorbereitet gewesen sein. Als Varus ankam, standen die aufständischen Germanen schon bereit oder sammelten sich gerade.

Was auch immer Varus mit drei Legionen in der Wesergegend wollte: Die Germanen wussten davon im Voraus.

MfG
 
Dass die Lager befestigt waren, habe ich nicht bestritten. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Rheinlager - mit Ausnahme von Nijmegen Kops Plateau - in dieser Zeit keine feste Innenbebauung hatten. Die Soldaten haben dort in Zelten kampiert. Es handelte sich also um Marschlager, die häufiger von durchziehenden Truppen benutzt wurden, die aber nicht dauerhaft besetzt waren. In Lagern, in denen die Legionäre den Winter verbracht haben, haben sie feste Häuser gebaut. Feste Innenbebauungen hatten die innergermanischen Lager, nicht aber die Rheinlager. Also waren die Rheinlager keine Winterlager, auch wenn irgendwo explizit hiberna steht. Erst nach der Varusniederlage lassen sich zum Beispiel in den Lagern bei Neuss und Xanten feste Gebäude nachweisen. Offenbar wurden die Rheinlager also erst nach der Varuskatastrophe und dem Verlust der "Provinz" zu festen, dauerhaft besetzten Standorten ausgebaut.

Nachzulesen unter anderem in "Kontinuität und Diskontinuität: Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft", 2002.

Entschuldige, Formulierungsfehler. Ich meinte natürlich nicht befestigte Lager, sondern feste Innenbebauung. Aber Ich muss Dir wohl glauben, dass die Rheinlager zu diesem Zeitpunkt noch keine feste Innenbebauung hatten, auch wenn es mir wirklich schwer fällt.

Nicht nur Cassius Dio hat geschrieben, dass Varus während seines Besuchs bei den Cheruskern mehr mit zivilen (Verwaltungs-)Tätigkeiten beschäftigt war als mit militärischen.

Darum ging es mir nicht. Es ging mir um die Nachricht von dem angeblichen Aufstand. Die findet man nämlich nur bei Cassius, wie so vieles andere, was man nur bei Cassius findet.

Und Dios Glaubwürdigkeit ist durch den Fund von Waldgirmes jedenfalls deutlich aufgewertet worden.

Ich wusste, dass Waldgirmes kommt. Waldgirmes ändert aber nichts daran, dass Cassius nach zweihundert Jahren mehr weiß, als die zeitlich näheren Autoren, die auch inhaltlich alle viel näher beieinander sind. Es soll gar nicht gesagt sein, dass Cassius nur Unsinn geschrieben habe, aber er hat eben eine dramatische Schlachtdarstellung zusammenfabuliert.

Er ist auch derjenige, der die Ereignisse am "neutralsten" schildert. Die anderen Autoren wollen mit ihren Werken politisch Position beziehen. Bei Dio ist das so nicht erkennbar.

Das sehe ich anders. Es wurde aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben. Velleius z.B. wälzt die Verantwortung auf Varus ab, der doch letztlich nur die kaiserliche Politik ausführte. Aber Manilus und Strabon sehen Varus noch als Opfer und Augustus selbst hat ihm ein ehrenvolles Begräbnis gewährt (was Velleius gewissermaßen in Erklärungsnot bringt). Varus' Sohn bekommt die Kritik an seinem Vater dann durch Cestius voll ab, wie wir durch Seneca wissen, wobei Seneca wiederum den Cestius tadelt. Wie Seneca letztlich zu Varus stand, erfahren wir allerdings nicht. Doch schon der ältere Plinius kritisiert die "maiestatis eius foeda suggilatio", "die üble Verhöhnung seiner Größe", nimmt Varus also vor seinen Kritikern in Schutz.
Cassius reiht sich aber bei den Kritikern (Velleius, Florus, Tacitus) mit ein: "[Varus] erteilte ihnen nicht nur Befehle, als wenn sie [die Germanen] tatsächlich römische Sklaven wären, sondern trieb sogar von ihnen, wie von Unterworfenen, Steuern ein."
Worin sich Cassius von Velleius Paterculus, Tacitus und Florus unterscheidet, ist, dass er - trotz einem Rest Kritik an Varus' militärischen Handeln - die Niederlage als unvermeidlich darstellt: Die Natur hat auf Seiten der Germanen gegen die Römer gekämpft.
 
Ich wusste, dass Waldgirmes kommt. Waldgirmes ändert aber nichts daran, dass Cassius nach zweihundert Jahren mehr weiß, als die zeitlich näheren Autoren, die auch inhaltlich alle viel näher beieinander sind.
Nun, Waldgirmes ist ja auch ein ganz entscheidender Punkt. Die Geschichtswissenschaft hat Dios Werk ja in erster Linie deshalb für fragwürdig gehalten, weil er von Stadtgründungen berichtete und damit andeutete, dass Rom Germanien schon weitgehend unter Kontrolle hatte. Das wurde lange als unglaubwürdig angesehen. Es war geradezu ein Paradigma, anzunehmen, dass die Römer bei dem Versuch gescheitert sind, Germanien zu erobern. Genau betrachtet, wirkt das sogar bis heute nach. Zum Beispiel sind wir noch immer geneigt, anzunehmen, dass die römischen Vorstöße vom Rhein aus vorgetragen wurden.

Der Fund von Waldgirmes hat dann nicht nur die Stadtgründungen bestätigt, sondern den Status Germaniens in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Dabei erscheint mir das Gesamtbild stimmiger, wenn ich davon ausgehe, das Dio Recht hatte. Die ganzen Informationsbruchstückchen fügen sich dann reibungsfreier zusammen.

Das sehe ich anders. Es wurde aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben.
...
Worin sich Cassius von Velleius Paterculus, Tacitus und Florus unterscheidet, ist, dass er - trotz einem Rest Kritik an Varus' militärischen Handeln - die Niederlage als unvermeidlich darstellt: Die Natur hat auf Seiten der Germanen gegen die Römer gekämpft.
Ja, sicher muss man alle römischen Autoren mit der gebotenen Vorsicht lesen. Es wäre gefährlich, einen von ihnen als "neutral" zu betrachten. So hatte ich es auch nicht gemeint. Dio erscheint mir nur weniger Interessengeleitet als die anderen: Velleius wollte in erster Linie seinem Idol Tiberius huldigen, Tacitus wollte den Sittenverfall Roms geißeln und der Dekadenz das Gegenbild des "edlen Wilden" vorhalten, Florus wollte gegen die Friedenspolitik anschreiben und hat dazu das Reich mit einem alten Mann verglichen. Nur Dio sucht die Hintergründe für die Varusschlacht nicht in Rom, nicht im Prinzeps, nicht in der Kaiserherrschaft, nicht im Verfall alter Tugenden und nicht im Unmut der Götter. Nur Dio versucht, die Niederlage aus sich selbst heraus zu erklären. Natürlich kann er dabei trotzdem fabuliert haben, da hast Du schon Recht.

Dass er aus größerem zeitlichen Abstand schreibt, stört mich dabei übrigens nicht. Auch Tacitus und Florus schrieben rund hundert Jahre nach den Ereignissen. Die kannten auch keine Zeitzeugen mehr. Vermutlich haben sie sich sogar auf die gleichen Quellen gestützt wie später Cassius Dio.

MfG
 
Dass er aus größerem zeitlichen Abstand schreibt, stört mich dabei übrigens nicht. Auch Tacitus und Florus schrieben rund hundert Jahre nach den Ereignissen. Die kannten auch keine Zeitzeugen mehr. Vermutlich haben sie sich sogar auf die gleichen Quellen gestützt wie später Cassius Dio.

Naja, Tacitus griff über den jüngeren Plinius auf Werke des älteren Plinius zurück (und er nennt Plinius ja auch explizit als eine seiner Quellen). Bei Cassius hat man manchmal den Eindruck, dass er sich bei Tacitus bedient, ohne dass ich das jetzt en Detail nachweisen könnte. Wenn dem aber so ist, dann ist seiner Darstellung aufgrund seiner Abweichungen von atcitus ncoh weniger zu trauen! Gut, das ist natürlich jetzt sehr hypothetisch...

Ich suche noch nach einem Text, den ich mal zur Varusschlachtdarstellung des Cassius geschrieben habe...
 
Ich suche noch nach einem Text, den ich mal zur Varusschlachtdarstellung des Cassius geschrieben habe...

Ich hab ihn gefunden:

Cassius Dio ist der ausführlichste Berichterstatter und der am stärksten rezipierte, wobei dies m.E. ungerechtfertigt ist, da er mit dem größten zeitlichen Abstand schrieb und er ein recht naives Menschenbild vertritt. Er berichtet von einer Armee auf dem Marsch, die zwar auch Wälder und Sümpfe passiert, aber eben auch Berge, Täler und Schluchten. Hiervon, genau wie vom stürmischen Wetter weiß nur Cassius Dio alleine etwas, keine der anderen erhaltenen Quellen weiß von den Schluchten oder den Stürmen. Während Cassius' Römer vom Wetter behindert werden, sind seine Germanen offensichtlich wetterfest. Diesen topos finden wir auch bei Tacitus, allerdings nicht im Zusammenhang mit der Varusschlacht in seinen Annales, sondern in seiner Germania, er wird auch in den ethnographischen Quellen erklärt: Weil die Germanen im feucht-kalten Norden und die Römer im sonnigen Süden leben, sind die Germanen an die Feuchtigkeit gewöhnt...
Wenn wir also Cassius Dio glauben, rutschen die Römer wegen des ständigen Regens auf dem nassen Boden aus, während die Germanen, leichtfüßig wie Gemse darüber hopsten, denn sie waren den Regen ja gewohnt. :rofl:

Und noch mal zusammengefasst:

- er ist der späteste, zeitlich am weitesten von der Varusschlacht entfernte, der relevanten Historiographen, war auch selber wohl nie in Germanien (Tacitus auch nicht)
- er weiß als einziger von Wetterkapriolen
- er weiß als einziger von Bergen und Tälern
- während seine Römer durch das Wetter behindert werden, sind seine Germanen Superhelden, die nen sichereren Tritt als die Römer haben.
 
Naja, Tacitus griff über den jüngeren Plinius auf Werke des älteren Plinius zurück (und er nennt Plinius ja auch explizit als eine seiner Quellen). Bei Cassius hat man manchmal den Eindruck, dass er sich bei Tacitus bedient, ohne dass ich das jetzt en Detail nachweisen könnte. Wenn dem aber so ist, dann ist seiner Darstellung aufgrund seiner Abweichungen von atcitus ncoh weniger zu trauen!

Plinius dürfte für die alten Römer so eine Art Standartwerk gewesen sein. Ich habe ja immer noch die wilde Hoffnung, dass irgendwann doch noch jemand irgendwo eine Abschrift des "Älteren" ausbuddelt. Gibt es da nicht Grabungen an einer antiken Villa in Italien, in der angeblich zahlreiche Schriftrollen gefunden worden sein sollen? Egal. Auf Plinius haben sicher alle einschlägigen Autoren zurückgegriffen. Die Werke von Tacitus und Dio unterscheiden sich aber so deutlich, dass sie sich wohl auch noch auf andere Quellen gestützt haben, die sie nicht "gemeinsam" hatten und die (ebenfalls) nicht bis heute erhalten geblieben sind. Das wird damals nicht anders gelaufen sein als heute. Die Wissenschaftler sammeln Informationen, die schon andere vor ihnen gesammelt haben, und "rekombinieren" sie dann auf ihre jeweils spezielle Weise. Ich will jetzt kein Urteil darüber abgeben, ob Tacitus vertrauenswürdiger war als Dio. Aber allein die Tatsache, dass Dio was anderes behauptet als Tacitus, macht ihn für mich nicht unglaubwürdig. Zumal die beiden einander nicht wirklich widersprechen. Sie setzen nur ihre jeweiligen Schwerpunkte anders.

Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann will ich doch behaupten, dass Dio mir glaubwürdiger erscheint als Tacitus. Tacitus hat nämlich offensichtlich versucht, mit seinen Büchern etwas zu beweisen. Bei Dio erkenne ich das in der Form nicht. Warum hätte er also lügen sollen? Für ihn hing doch gar nichts davon ab. Kann natürlich sein, dass ich nicht genug über die Werke von Cassius Dio weiß, um seine subjektiven Interessen zu erkennen. Ich räume ein, dass ich nur die Auszüge seiner Schriften gelesen habe, die man überalle findet. Und die auch nicht im Original.

MfG
 
Plinius dürfte für die alten Römer so eine Art Standartwerk gewesen sein. Ich habe ja immer noch die wilde Hoffnung, dass irgendwann doch noch jemand irgendwo eine Abschrift des "Älteren" ausbuddelt. Gibt es da nicht Grabungen an einer antiken Villa in Italien, in der angeblich zahlreiche Schriftrollen gefunden worden sein sollen?

Herculaneum. Villa dei Papiri. Dort hat man eine griechische Fachbibliothek gefunden. Man erwartet in einem anderen Raum noch eine lateinische Bibliothek, wobei es sich dabei vermutlich auch vorwiegend um philosophisch Literatur handeln wird. Wenn cih recht informiert bin, aknn dort aber z.Zt. nicht gegraben werden, weil das die Statik der darübergebauten Häuser gefährden würde.

Zu Cassius lies' noch mal den von mir inzwischen geposteten Text über wetterweiche Römer und wetterfeste Germanen.
 
Ich hab ihn gefunden:
Und noch mal zusammengefasst:

- während seine Römer durch das Wetter behindert werden, sind seine Germanen Superhelden, die nen sichereren Tritt als die Römer haben.
Ganz ausschließen möchte ich das nicht, denn irgendwo habe ich von den nagelbeschlagenen Sandalen der Römer gehört, die auf nassem Untergrund rutschig werden. Aber so wie ich die Römer kenne, haben die sich schon was passendes einfallen lassen.
Dennoch werden die einheimischen Germanen einen Geländevorteil gehabt haben. Und je schwieriger das Gelände, umso mehr wirkt sich die Erfahrung aus.

Wenn wir also Cassius Dio glauben, rutschen die Römer wegen des ständigen Regens auf dem nassen Boden aus, während die Germanen, leichtfüßig wie Gemse darüber hopsten, denn sie waren den Regen ja gewohnt.
Ich kenne Cassius´ Texte nicht, aber das wird wohl eine Überspitzung deinerseits sein. ;)
 
Eine Überspitzung? Eher eine kritische Lesung des Textes.

Cassius Dio schrieb:
3. Inzwischen kam auch ein starker Regen und Sturm auf, was die Marschierenden weiterhin voneinander trennte, und der Boden, um die Wurzeln und Stämme her schlüpfrig geworden, machte jeden Schritt höchst unsicher; Bruch und Sturz der Baumwipfel sorgten für weitere Verwirrung.
4. Mit solchen Schwierigkeiten hatten damals die Römer zu ringen, als die Barbaren, wegekundig wie sie waren, gerade durch die ärgsten Dickichte drangen und sie plötzlich von allen Seiten gleichzeitig umzingelten. Zuerst schossen sie nur aus der Ferne, dann aber, als niemand sich wehrte und viele verwundet wurden, rückten sie näher an die Gegner heran.
[...]
2. Von dort aus gerieten sie aber wieder in Wälder, und hier mußten sie sich gegen Angreifer wehren, wobei sie aber gerade die schwersten Verluste erlitten. Denn auf engem Raum zusammengepreßt, damit Schulter an Schulter Reiter und Fußvolk den Feinden entgegenstürmen könnten, stießen sie vielfach aufeinander oder gegen die Bäume.
3. Als der vierte Tag graute, befanden sie sich immer noch auf dem Marsch, und erneut überfielen sie heftiger Regen und starker Wind, die sie weder weitergehen noch festen Stand finden, ja nicht einmal mehr die Waffen gebrauchen ließen. Sie konnten sich nämlich nicht mehr mit Erfolg ihrer Bogen und Speere oder der ganz und gar durchnäßten Schilde bedienen.
 
Danke für den Textauszug, El Quijote.

Wow .. die armen Römer :still:

Hier wird ein Geländevorteil der Germanen aber stark überzeichnet.
Besser gesagt die witterungsbedingte Hilflosigkeit der Legionen.:cry:

Die von dir markierten Stellen wirken auf mich geradezu lächerlich.
 
Zu Dio kann man wirklich so einiges anmerken:

Zunächst die Sache mit dem Wetter. Natürlich war nicht die ruhmreiche römische Armee an dieser Niederlage schuld. Natürlich lag es nicht am bösen Feind. Es lag am Wetter! Und wie das mit dem Wetter in Germanien so ist, daß kann man ja schon beim Tacitus lesen. In Germanien herrschte wohl immer schlimmes Wetter - zumindest war das wohl die allgemeine Vorstellung römischer Autoren und somit der römischen Öffentlichkeit. Also muß folglich das Wetter auch bei der Varusschlacht schlecht gewesen sein.

Dann die Geländekenntnisse. Wahrscheinlich ist doch, daß gerade zu Beginn der Schlacht viele Hilfstruppen involviert waren. Außerdem gab es eine Allianz aus mehreren Stämmen. Ob die alle sich da wirklich sooo gut auskannten?:grübel:
Wahrscheinlich entspricht es auch dem allgemeinen Germanenbild, daß diese wirklich jeden "Baum und Strauch" in Germanien kannten. Mitnichten! Irgendein Sherpa in Nepal kannte auch nicht den bestmöglichen Aufstieg zum Everest. Weil es ihn wahrscheinlich auch nicht interessierte. Ein Germane wird sich wohl für seine unmittelbare Umgebung (Gehöft) interessiert haben. Aber darüber hinaus...
Und das Germanien eh nur aus Wald, Mooren, Sumpfgebieten etc. bestand war ja auch klar. Das dem nicht so war wurde allerdings längst wissenschaftlich nachgewiesen.
Bleibt die Feststellung das wahrscheinlich das Gelände den Germanen eher lag - ganz allgemein gesehen.

Aber am unwahrscheinlichsten bleibt (für mich persönlich) das diese hochgerüstete, hochdisziplinierte und bestausgebildete Armee bzw. deren drei Legionen sich so einfach in die dunkelsten Moore und Wälder locken ließ.:yes: Provinz hin, Sicherheitsgefühl her, daran kann ich nicht glauben.
 
Herculaneum. Villa dei Papiri. Dort hat man eine griechische Fachbibliothek gefunden. Man erwartet in einem anderen Raum noch eine lateinische Bibliothek, wobei es sich dabei vermutlich auch vorwiegend um philosophisch Literatur handeln wird. Wenn cih recht informiert bin, aknn dort aber z.Zt. nicht gegraben werden, weil das die Statik der darübergebauten Häuser gefährden würde.
Danke für die Auskunft. Dann hoffe ich mal weiter...

Zu Cassius lies' noch mal den von mir inzwischen geposteten Text über wetterweiche Römer und wetterfeste Germanen.
Sicher ist die Sache mit dem Wetter, den Sümpfen und den undurchdringlichen Urwäldern in der römischen Literatur wie ein Textbaustein verwendet worden. Und zweifellos wurde das auch gern mal übertrieben. Die von Dir fett zitierten Dio-Zeilen zeigen das. Ist ja richtig herzerweichend. Da möchte man fast einen Kranz für die armen Legionäre niederlegen. ;)

Aber: Ein Stereotyp entsteht nicht grundlos. Dass die Römer das so wichtig genommen haben, zeigt bereits, das es ein großes Problem für die Legionen war. Da gehts auch weniger um wetterfeste Germanen und verweichlichte Römer (die Kerle waren nämlich eisenhart!). Vielmehr geht es darum, dass die Legionäre gewaltige Lasten mitschleppen mussten. 30 oder mehr Kilo pro Mann. Ich war selbst Soldat und durfte immer wieder mal zusätzlich zum normalen Gepäck ein Maschinengewehr spazieren tragen. Auf festem Untergrund geht das noch. In schwerem Geläuf wird das dagegen schnell zur Tortur. Zudem müssen die Legionen in großer Zahl Tragtiere und Karren mitgeführt haben. Unwegsames Gelände hat denen deshalb die größten Probleme bereitet. Auch ihre normalen Gefechtsformationen konnten sie in solchem Gelände nicht entfalten. Deshalb sind sie zum Beispiel in Pannonien immer wieder in Bedrängnis geraten, deshalb haben die Germanen standardmäßig versucht, Begegnungen in solche unwegsamen Gebiete zu verlagern, deshalb haben die Römer in Germanien so gern leichte Hilfstruppen mitgeführt etc.

Was Dio schreibt, ist also sicher übertrieben, aber keineswegs völliger Unsinn.


Dann die Geländekenntnisse. Wahrscheinlich ist doch, daß gerade zu Beginn der Schlacht viele Hilfstruppen involviert waren. Außerdem gab es eine Allianz aus mehreren Stämmen. Ob die alle sich da wirklich sooo gut auskannten?:grübel:
Alle sicher nicht. Aber ortskundige Führer werden sie schon gehabt haben. Die hatten die Römer sicher auch. Nur waren das zu dem Zeitpunkt wohl keine Freunde mehr sondern subversive Feinde...

Aber am unwahrscheinlichsten bleibt (für mich persönlich) das diese hochgerüstete, hochdisziplinierte und bestausgebildete Armee bzw. deren drei Legionen sich so einfach in die dunkelsten Moore und Wälder locken ließ.:yes: Provinz hin, Sicherheitsgefühl her, daran kann ich nicht glauben.
Irgendwo sind die Legionen niedergemacht worden. Dass das in offenem Gelände passiert ist, wo die Römer ihre überlegenen Formationen zur Geltung bringen konnten, mag ich wiederum nicht glauben. Also ist anzunehmen, dass Varus in ungünstiges Gelände gelockt wurde. Überhaupt: Wieso hätte Varus dem Arminius denn nicht in einen dunklen Sumpf folgen sollen? Der Mann war immerhin römischer Ritter und altgedienter Veteran in römischen Diensten.

MfG
 
Bleibt die Feststellung das wahrscheinlich das Gelände den Germanen eher lag - ganz allgemein gesehen.
Das halte ich für mehr als wahrscheinlich. Gelände und Klima können schon 2 wichtige Faktoren sein. Und setzt man jetzt nochmal sehr gute Ortskenntnissse voraus, dann sehe ich für die Germanen gerade im Hinblick auf Ihre Überraschungsangriffe einen klaren "Heimvorteil".

Aber eine andere Überlegung finde ich in dem Zusammenhang sehr interessant.
Aber am unwahrscheinlichsten bleibt (für mich persönlich) das diese hochgerüstete, hochdisziplinierte und bestausgebildete Armee bzw. deren drei Legionen sich so einfach in die dunkelsten Moore und Wälder locken ließ.:yes: Provinz hin, Sicherheitsgefühl her, daran kann ich nicht glauben.
Also die dunkelsten Moore und Wälder hätten die Varuslegionen doch bestimmt irgendwann skeptisch gemacht. Zumal Varus angeblich von Segestes gewarnt wurde.
Wieviel Sumpf, Dickicht und Regen war denn überhaupt nötig, um den Legionen große Verluste zuzufügen, bis hin zur totalen Niederlage? Wenn man sich überlegt, wie schwer sich Germanicus mit seiner Mission getan hat, obwohl er doch im Gegensatz zu Varus auf alles Mögliche vorbereitet gewesen sein muß ...
 
Hallo,

wo sind wir hier ???
in Germainien richtig und das Wetter, wer konnte es schon damals vorher sagen ! Keiner
Die Römer sonnen verwöhnt ! und jetzt hier bei uns !
Dat war ein Schock !!
Schnee ! Matsch ! und dunkle Wälder ! Wo gib es sonst so was ?
Ich sage das war ein Kulturschock und deshalb der Limes !

ne müder hesse :S
 
Zurück
Oben