Poincaré besucht Russland im Juli 1914

So einfach ist es nicht.

Kennst Du die Nachtrags-Noten und den Wandel des Vertrages bis 1911, sodann erneut 1912? ;)

Nö, aber Du,

also post mal fröhlich.
Ich bin gespannt wie die Sau:rofl:

Spass beiseite.
Wenn die Entente tatsächlich eine Klausel enthält, die den Bündnisfall, wie er sich im Falle Serbien darstellt, ohne wenn und aber zu einem solchen macht.....

Falle ich vom Glauben ab. (Werde Muslim.... etliche Frauen ....auch nicht schlecht)
 
Zuletzt bearbeitet:
entspricht weder der Erfahrung französischer (Bündnis-)Logikin der vorherigen Balkankrise 1912/13, noch den Tatsachen 1914. Es fehlt bereits an der zeitlichen Synchronisation, da der Besuch lange geplant war.

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Also Punkt 2 im Telegramm wird doch wohl sicherlich erst im zeitlich nahem Abstand formuliert worden sein. Eine Fortführung französicher Bündnislogik sehe ich ,wenn sie kausal war, in anbetracht der anderen Ausgangslage (12/13) als völlig fahrlässig an.
Da hier die russische Unterstüzung für Serbien ausschlaggebend für dessen Verhalten gegenüber möglichen Ö-U Forderungen war, interessiert mich wie sich denn Serbien seit dem Attentat verhalten hat. Gab es irgendwelche Aufklärungsarbeit? Zusammenarbeits Angebote etc?
 
Repo schrieb:
Ich bin gespannt wie die Sau:rofl:

Spass beiseite.
Wenn die Entente tatsächlich eine Klausel enthält, die den Bündnisfall, wie er sich im Falle Serbien darstellt, ohne wenn und aber zu einem solchen macht.....

Falle ich vom Glauben ab. (Werde Muslim.... etliche Frauen ....auch nicht schlecht)


Bei Schieder in der Propyläen Geschichte Europas Band 6, Seite 276 ist das Folgende zu lesen:

"Dieses Bündnis ließ zunächst manches offen; es wurde erst später dahin interpretiert, daß auch ein Konfliktfall auf dem Balkan, in den Rußland eingriff, als Casus foederis (Anmerkung von mir: Bündnisfall) angesehen werden sollte. Im Jahr 1899 wurde als seine Aufgabe nicht nur die Aufrechterhaltung des Friedens, sondern sogar das Gleichgewichts zwischen den europäischen Mächten bezeichnet."


Das Bündnis zwischen Frankreich und Russland reichte also um einiges weiter als das zwischen dem Deutschen Reich und Österreich - Ungarn und galt dann auch somit für die französische Bündnissverpflichtung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn die Entente tatsächlich eine Klausel enthält, die den Bündnisfall, wie er sich im Falle Serbien darstellt, ohne wenn und aber zu einem solchen macht.....
Falle ich vom Glauben ab. (Werde Muslim.... etliche Frauen ....auch nicht schlecht)

Eigentlich hättest Du schon bei der Mobilisierungsklausel Artikel 2 einhaken müssen, wenn man sich mit der Interpretation aller Militärs Europas im fraglichen Zeitraum beschäftigt.

Aber morgen mehr zu den Nachträgen, ist mir jetzt zu spät. Und dann auch hier:
http://www.geschichtsforum.de/f58/zweiverband-frankreich-ru-land-29575/
... denn da paßt es hin, weniger zum Poincaré-Besuch.
 
Nun ja, mit der deutschen Kriegserklärung an Russland und der deutschen Kriegserklärung an Frankreich ist ja wohl der Bündnisfall für Frankreich und Russland eingetreten...:pfeif:
 
Hmmh, habe ich doch glatt erwartet, das mein obiger Post eine wie auch immer geartete Reaktion auslösen würde :grübel:.
 
Bei Schieder in der Propyläen Geschichte Europas Band 6, Seite 276 ist das Folgende zu lesen:

"Dieses Bündnis ließ zunächst manches offen; es wurde erst später dahin interpretiert, daß auch ein Konfliktfall auf dem Balkan, in den Rußland eingriff, als Casus foederis (Anmerkung von mir: Bündnisfall) angesehen werden sollte. Im Jahr 1899 wurde als seine Aufgabe nicht nur die Aufrechterhaltung des Friedens, sondern sogar das Gleichgewichts zwischen den europäischen Mächten bezeichnet."


Das Bündnis zwischen Frankreich und Russland reichte also um einiges weiter als das zwischen dem Deutschen Reich und Österreich - Ungarn und galt dann auch somit für die französische Bündnissverpflichtung.


Als die Russen 1908 den Deal mit ÖU, Bosnien gegen Bosporus machen wollten, stießen sie auf ein entschiedenes No aus merry Old England, hier muss sich die Lage bis 1914 ebenfalls geändert haben, denn die Türken waren äußerst interessiert an einem Bündnis mit Deutschland im Sommer 1914.
Ergo: Die Briten standen nicht mehr so sehr hinter ihnen, wenn überhaupt noch.

Es wird wohl auch Sonderabsprachen Serbien-Russland gegeben haben, Buchanan (brit. Botschafter in Petersburg) telegraphierte um den 18.7., dass sich lt. Außenminister Russland nicht mal ein Ultimatum ÖUs an Serbien gefallen lassen könne, evt. jetzt (18.7.!) schon militärische Vorbereitungen treffen "müsse".
 
1908 habe die Russen ohnhin gegenüber ÖU mit gezinkten Karten gespielt.

Ich habe die Fortzeichnung bzw. Entwicklung der Militärkonvention von 1894 bis Juli 1914 jetzt nicht parat, aber die Ausführungen von Schieder lassen ja nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig.
 
"Dieses Bündnis ließ zunächst manches offen; es wurde erst später dahin interpretiert, daß auch ein Konfliktfall auf dem Balkan, in den Rußland eingriff, als Casus foederis (Anmerkung von mir: Bündnisfall) angesehen werden sollte. Im Jahr 1899 wurde als seine Aufgabe nicht nur die Aufrechterhaltung des Friedens, sondern sogar das Gleichgewichts zwischen den europäischen Mächten bezeichnet."


Das Zitat bezieht sich auf Äußerungen von P. gegenüber dem italienischen und russischen Botschafter 1912:
"Tatsächlich wird eine derartige Konjunktur [-> Angriff ÖU auf Serbien, sodann RUS auf ÖU] unvermeidlich Frankreich in den Krieg verwickeln, denn ein Angriff Rußlands auf Österreichs ist für Österreich und Deutschland der casus foederis und das wird ganz von selbst wiederum den casus foederis auch für Rußland und Frankreich aufstellen."

"... dass Frankreich in dem bestimmten Falle marschieren wird, wenn der durch das Bündnis vorgesehene casus foederis eintreten würde, d. h. wenn Deutschland Österreich gegen Rußland mit den Waffen unterstützt."


Die Darstellung der Wertung des Vertrages im Zeitablauf bei Schieder ist mE nicht korrekt. Die 1893/94 ratifizierte Militärkonvention zum Bündnisvertrag sah von Beginn an den casus foederis bereits in Form der [undifferenzierten!] Mobilmachung vor, die nach einhelliger Auffassung gleichbedeutend mit dem Kriegszustand war. Insofern ist hier die Besonderheit des Vertrages in Artikel 2 zu beachten, der nur aus dem Kontext der damals herrschenden Auffassungen verständlich wird (siehe u.a. Kennan).

Frankreich hat diese Haut-und Haare-Regelung unterzeichnet, weil einzig Rußland die kontinentale Garantie gegen einen deutschen Angriff darstellte. Wie Bismarck bereits treffend bemerkte: die deutschen Kolonien werden vor METZ verteidigt. Den Satz kann man umstellen: Frankreich verliert seine Großmachtstellung, wenn es vor METZ allein gegen Deutschland steht. Schön abzulesen ist dieser Umstand in der russischen Schwächeperiode.

Ich möchte das Zitat aus der Diplomatie FRA-RUS-DEU von 1893-1914 sehen, das dieser Auffassung widerspricht.

[was nun die diversen Einwürfe betr. Japan/Großbritannien zum casus foederis RUS/FRA aus Zweiverband und Militärkonvention zu tun haben sollen, die ablesbar gegen D/ÖU gerichtet sind, erschließt sich mir nicht]

Schließlich gab es 1912 den Nachtrag, die Militärkonvention auf die Marine auszudehnen. Auch anläßlich dieser Erweiterung wurde keine Korrektur der oben dargestellten Interpretation vorgenommen.

Dazwischen gab es französische Tendenzen und Versuche, die Haut-und-Haare-Regelung kleiner zu interpretieren. Das war allerdings 1912 vorbei. Diese Interpretation hat Poincare seit 1912 an die europäischen Mächte adressiert.
 
Zu Artikel 2:
Vom 08. - 21.April 1906 fanden gemeinsame französisch - russische Generalstabsbesprechungen statt. Im Zuge dieser Gespräche wurde vereinbart, das bei einer Mobilmachung Österreich - Ungarns oder Italiens ohne dem Deutschen Reich der Bündnisfall nicht gegeben ist. Die Konsequenz war 1908 im Zuge der bosnischen Krise für Russland nicht gerade vorteilhaft. Folge war eine schwere diplomatische Schlappe im März 1909 im Folge des deutschen Ultimatums für das Zarenreich. Folge war eine große Heeresreform für das zaristische Heer, denn man sah jetzt auf der russischen Seite deutlich die Gefahr in Sachen Balkan.

Die Generalstabsbesprechungen von 1911 zeige wunderschön die "Einigkeit" der beiden Partner. Frankreich ging es darum, möglichst schnell mit allen verfügbaren Kräften gegen Deutschland vorzugehen. Das der Hauptfeind Russlands aber Österreich - Ungarn hieß, tangierte die Franzosen wenig. Auch ist hier nicht mehr von Abwehr, sondern von Offensive die Rede.

1912 wurde im Ergebnis die Besprechung von 1911 bestätigt. Kurz danach wurde die französisch -russische Marinekonvention unterzeichnet.


Die Franzosen erwarteten, übrigens wohl zu nicht ganz unberechtigt, das bei einem militärischen Konflikt auf dem Balkan zwischen Österreich - Ungarn und Russland einen deutschen Angriff auf Frankreich. Man machte sich deshalb Sorge darüber, ob die Russen genügend deutsche Truppen binden würden.

1913 wurde dann Poincaré französischer Präsident. Er war als Lothringer "ein echter Fan" der Deutschen. Delcassé wurde Botschafter in St.Petersburg und sein wichtigster Job war dafür Sorge zu tragen, das zu einer beschleunigten Zusammenziehung der russischen Truppen unbedingt die Bahnlinien forciert ausgebaut werden müssen. Dazu würde natürlich französisches Kapital zur Verfügung gestellt werden. So geriet Russland in immer stärkere Abhängigkeit von Frankreich.

(1) Fischer, Krieg der Illusionen, S.613ff
 
Aus der russ.-frz. Generalsstabs-Besprechung 1913:

"The two chiefs of the general staffs declared by common agreement that the words "defensive war" do not mean a war conducted defensively. They assert the contrary, that it is absolutely necessary for the French and Russian armies to take vigorous offensives and as far as possible simultaneously, according to the text of Article 3 of the Convention."

Text the Franco-Russian Mil. Agreement 1913
 
Ich kämpfe noch mit den insgesamt 8 Wälzern die ich neu zu dem Themenkomplex habe.

Man hat anscheinend schon Ende Juli 14 die Blankovollmacht für ÖU sehr kritisch gesehen, nicht die Hinterlegung einer solchen, (die war wohl vom Kaiser über Kanzler und Reichstag bis hin zur öffentlichen Meinung völlig unumstritten) sondern dass sie abgegeben wurde, ohne dass man sich noch weiter darum gekümmert hätte, weder von ÖU über Schritte informiert wurde, noch solche Informationen gefordert hätte. Worüber sich der bayer. Bevollmächtige in Schreiben an den Regierungschef nach München kräftig aufregt, er ist wohl auch der erste, der von einer "Blanko" Zusicherung schreibt.
Entsetzt war man in Berlin, dass Wien fröhlich den Serben den Krieg erklärte, in Berlin aber dann verlauten ließ, vor dem 12. August könne man nicht aktiv werden.
 
In Wien dürfte man aber auch entsetzt gewesen sein, als man feststellte, dass sich Deutschland gegenüber Russland eher defensiv verhielt und sich lieber Frankreich zuwendete.

Gruss,

Snork
 
In Wien dürfte man aber auch entsetzt gewesen sein, als man feststellte, dass sich Deutschland gegenüber Russland eher defensiv verhielt und sich lieber Frankreich zuwendete.

Gruss,

Snork


Das war so abgestimmt. ÖU sollte die Russen beschäftigen bis die Deutschen Frankreich besiegt hätten, und sich mit aller Kraft noch Osten hätte wenden können.
Scheint nicht so geklappt zu haben.:autsch:


Ist übrigens eine insgesamt sehr interessante Aufdeckungsgeschichte.
Eisner in München veröffentlichte den Berliner "Blankoscheck" indem er die Telegramme des bayerischen Geschäftsträgers in Berlin publik machte, insbesondere das vom 17. Juli 1914 wo bereits das Wort "Blankovollmacht" vorkommt. (Wer weiß ob wir sonst je davon erfahren hätten?)
In Berlin hat man Kautsky beauftragt.
In Moskau haben die "Bolschewiken" ab März 1919 Entente-Internas in der Prawda veröffentlicht.

Es dürfte sich um, heute zugänglich, ca. 5.000 Dokumente handeln die zum Themenkomplex vorhanden sind.

Graf Montgelas, einer der vom AA beauftragten Historikern, schreibt im Frühjahr 1919, dass aus den ihm vorliegenden Dokumenten, den deutschen, (allein ca. 1.200) Teilen der österreichischen, und den bis dahin veröffentlichten russischen, jede "gewünschte" Sichtweise nachhaltig belegt werden könnte. Letztlich erst Gewissheit gefunden werden könne, wenn die Gegenseite ihre Dokumente ebenso offenlegen würden.

Für mich ist die Sache ein paar Schuhnummer zu groß. Klinke ich mich demnach aus.

Persönlich neige ich inzwischen wieder der Meinung Greys zu, der vom "blinden Hineinstolpern" der Europäer sprach.
 
Das war so abgestimmt. ÖU sollte die Russen beschäftigen bis die Deutschen Frankreich besiegt hätten, und sich mit aller Kraft noch Osten hätte wenden können.
Scheint nicht so geklappt zu haben.:autsch:
:grübel:Mhm, da sagt mein Haffner aber wieder etwas Anderes:

Auf dieser Vorstellung beruhte der berühmte "Blankoscheck" den Bethmann am 6. Juli 1914 Österreich gab: Wenn es infolge einer österreichischen Aktion gegen Serbien zu einem Krieg zwischen Österreich und Russland kommen sollte, so könne Österreich überzeugt sein, "dass S.M. im Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen werde". Merkwürdigerweise wurde mit keinem Wort näher erläutert, was dieses "an der Seite stehen" militärisch konkret bedeuten würde. Wörtlich genommen hätte es eigentlich bedeuten müssen, dass Deutschland gegen Russland offensiv werden würde, wenn Russland gegen Österreich offensiv vorginge. Wenn man den Österreichern klar gesagt hätte das Deutschland sich gegen Russland zunächst völlig defensiv verhalten und statt dessen den österreichischen-russischen Konflikt als Anlass zu einer Offensive gegen Frankreich und Belgien nutzen werde, wäre die Entscheidung über Krieg und Frieden in Wien vielleicht anders ausgefallen, als es tatsächlich der Fall war. So verhielt es sich aber.
S. Haffner - Von Bismarck zu Hitler; Seite 116

Hast du einen Beleg für die Absprache?

Gruss,

Snork
 
:grübel:Mhm, da sagt mein Haffner aber wieder etwas Anderes:

S. Haffner - Von Bismarck zu Hitler; Seite 116

Hast du einen Beleg für die Absprache?

Gruss,

Snork


Hoch nehmen willst Du mich nicht?
Schlieffenplan und so, bekannt?

An Deiner Stelle würde ich mal mit meiner Literatur etwas in die Breite gehen.
Die Haffnersche Meinung in dem Fall ist substanzlos, es bestand 1914 nicht mal mehr ein Mobilmachungsplan für den "Großen Aufmarsch Ost".

Wie schrieb M. Schr. einst immer? "der Trend geht klar zum Zweitbuch"
 
In Wien dürfte man aber auch entsetzt gewesen sein, als man feststellte, dass sich Deutschland gegenüber Russland eher defensiv verhielt und sich lieber Frankreich zuwendete.
Schlieffen selbst besprach seine Planungen mit den Österreichern nicht. Zum einem schätzte er deren Armee ohnehin nicht. Zum anderen liess sein Plan die Österreicher im Regen stehen. Am Ende der Schlieffen-Ära waren die Beziehungen zwischen den beiden Generalstäben des Zweibundes so entfremdet, dass ÖU erstmals wieder seit 1879 einen Plan "D" ausarbeiten ließ.

Der Schlieffen-Nachfolger Moltke der Jüngere führte einen intensiven Meinungsaustausch mit seinem österreichischen Kollegen (ab 1909 Conrad von Hötzendorf). Dabei versuchte vor allem Hötzendorf Moltke zu bindenden Erklärungen für den Fall einer militärischen Verwicklung mit Russland zu bewegen. Dieser Versuch hatte schließlich Erfolg! Moltke sagte Hötzendorf im Falle eines Krieges mit Rußland eine deutsche Offensive in Ostpreußen unter der Bedingung zu, dass die Bewegung der Verbündeten gleichzeitig angesetzt und unbedingt durchgeführt werden. Moltke ging also bei seiner Planung von einer zwischen den beiden Staaten koordinierten gemeinsamen Mobilmachung aus und machte diese zur Bedingung seines Handelns.

Mit der unbedingten Rückendeckung für Österreich-Ungarn bei dessen Balkanpolitik und der verbindlich zugesagten Automatik im Bündnisverhalten wandelte sich der Charakter des Zweibundes vom Verteidigungs- zum Angriffsbündnis. Die Österreicher hatten es nun in der Hand über ihre Balkanpolitik Russland herauszufordern und den großen europäischen Krieg auszulösen. Bemerkenswerterweise stemmte sich Berlin dieser Entwicklung nicht entgegen. Obwohl sich die politische Großwetterlage Europas 1911-1913 zusehends verschlechterte, verzichtete es nicht nur darauf, ÖU an den ursprünglichen Sinn und Zweck des Zweibundes zu erinnern und zu einer weniger aggressiven Balkanpolitik zu vergattern. Es ging sogar noch eine Schritt weiter. Berlin stellte gleich zu Beginn der Julikrise (am 6.7.1914) ÖU den sog. Blankoscheck mit der Aufforderung aus, sogleich gegen Serbien in den Krieg zu ziehen.

Anzumerken bleibt, dass der Wandel des Charakters der Bündnisse auch bei der Entente zu beobachten ist. Die Vielzahl der europäischer Krisen trieb immer wieder das Gespenst des Großen Krieges durch die Köpfe der Verwantwortlichen. Häufig musste die Entente einlenken, weil man feststellte, dass man gar nicht kriegsbereit war. Irgendwann erinnerte sich mal Churchill an Bismarcks Ausspruch, dass die britische Armee bei einer Landung in Norddeutschland von der preußischen Gendarmerie festgenommen würde, soll heissen, ihm dämmerte, dass die Briten bei einem Krieg gegen die stärkste Landmacht Europas nicht einfach irgendwo mit einem Armeechen landen konnte. Es bedurfte für seinen solchen Fall, klarer Absprachen mit einer in diesem Fall befreundeten Macht (also Frankreich). Entsprechende Anforderungen mussten an die britische Expeditionsarmee gestellt werden, etc. Die militärischen Schwächen wurden im Laufe der Zeit ausgemerzt und damit wuchs zugleich die Bereitschaft, beim nächsten Mal nicht nachzugeben und es ggf. krachen zu lassen.

Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass es die Mittelmächte waren, die das Attentat von Sarajevo zur Julikrise zuspitzen, die britischen Vermittlungsversuche scheitern liessen und dabei den Ausbruch des Großen Krieges in Kauf genommen haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Moltke sagte Hötzendorf im Falle eines Krieges mit Rußland eine deutsche Offensive in Ostpreußen unter der Bedingung zu, dass die Bewegung der Verbündeten gleichzeitig angesetzt und unbedingt durchgeführt werden. Moltke ging also bei seiner Planung von einer zwischen den beiden Staaten koordinierten gemeinsamen Mobilmachung aus und machte diese zur Bedingung seines Handelns.

Das ist mir jetzt neu, ab 1913 wurde der "Große Ostaufmarsch" von Moltke gar nicht mehr bearbeitet. Demnach müsste diese Vereinbarung älter sein.

Für den 2 Frontenkrieg war ÖU der Einsatz "starker" deutscher Truppenteile für den 40. Mobilmachungstag zugesagt.


Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass es die Mittelmächte waren, die das Attentat von Sarajevo zur Julikrise zuspitzen, die britischen Vermittlungsversuche scheitern liessen und dabei den Ausbruch des Großen Krieges in Kauf genommen haben.

Kann man so sehen, ist aber sehr umstritten!
Insbesondere wird von den Verfechtern dieser These in aller Regel übersehen, dass zwischen GB und Rus. Gespräche über eine Marinekonvention unmittelbar vor dem Abschluss standen, was die Deutschen zuverlässig wusste, was aber Grey mehrfach gegenüber Lichnowsky (dt. Botschafter in London) und dann auch noch gegenüber Ballin, den er anläßlich eines Abendessen bei Haldane traf, abgestritten hat.
Was für Friedensvermittlungen in dem Fall alles andere als eine Empfehlung war.
 
Das ist mir jetzt neu, ...
Du liest ja auch die falschen Bücher. Der Trend geht eindeutig Richtung aktuellem wissenschaftlichen Fachbuch.:cool:
Repo schrieb:
... ab 1913 wurde der "Große Ostaufmarsch" von Moltke gar nicht mehr bearbeitet. Demnach müsste diese Vereinbarung älter sein.

Für den 2 Frontenkrieg war ÖU der Einsatz "starker" deutscher Truppenteile für den 40. Mobilmachungstag zugesagt.
Die Zusage stammte aus der Zeit um die Bosnische Annexionskrise. Conrad ließ sich jedoch Jahr für Jahr die Moltkeschen Zusagen bestätigen. Dabei ging es Conrad weniger um Einzelheiten (Truppenstärke, Zeitpunkt der massiven Verlegung von Verbänden nach dem Osten nach Abschluss der Operationen im Westen, etc.) als vielmehr um die mit diesen Zusagen erreichte Sicherheit, dass ÖU in einem Konfliktfall mit Russland von Anfang an mit einer gemeinsamen Linie militärischen Handelns des Zweibundes rechnen konnte. Der Blankoscheck des 5.07.1914 stellte, so betrachtet, nur noch die politische Sanktionierung des seit Jahrzehnten ins Auge gefassten Konfliktfalls dar.

Quelle: Deist, Militärische Aspekte des Zweibundes, in: Rumpler u.a., "Der >>Zweibund<< 1879, 1996, S. 245, 26.
Repo schrieb:
Kann man so sehen, ist aber sehr umstritten!
Das ist die ganz herrschende Meinung. Die Theorie vom fahrlässigen Hineinschlittern wird heute kaum noch vertreten, abwegig auch Niall Ferguson. Umstritten ist eher das Motiv, wie es zum Kriegsentschluss der Mittelmächte und zum Versagen der "Staatskunst" kam.
Repo schrieb:
Insbesondere wird von den Verfechtern dieser These in aller Regel übersehen, dass zwischen GB und Rus. Gespräche über eine Marinekonvention unmittelbar vor dem Abschluss standen, was die Deutschen zuverlässig wusste, was aber Grey mehrfach gegenüber Lichnowsky (dt. Botschafter in London) und dann auch noch gegenüber Ballin, den er anläßlich eines Abendessen bei Haldane traf, abgestritten hat.
Was für Friedensvermittlungen in dem Fall alles andere als eine Empfehlung war.
Die englisch-russische Marinekonvention wird von Wissenschaftlern wie Hildebrand, Mommesen, etc. nicht übersehen, sondern die lassen das erforschen. Lies mal das Vorwort der 785-Seiten-Diss. von Stephen Schröder "Die englisch-russischen Marinekonvention" aus dem Jahr 2004. Was steht da? "Mein erster und ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus Hildebrand, der die Arbeit angeregt und ihre Entstehung interessiert verfolgt, hilfreich betreut und ermutigend gefördert hat: Ohne seine vielfältige Unterstützung und seinen Einsatz wäre die Studie in dieser Form nicht zustande gekommen". Abgesehen davon hat Hildebrand als junger Wissenschaftler wichtige Vorarbeiten in diesem Bereich der Diplomatiegeschichte geleistet. Und dann schreibst Du, der würde das Ignorieren...

Die Vorstellung, eingekreist zu werden (zB durch die Marinekonvention), stellt für Hildebrand gerade das Motiv für das Entstehen des Kriegsentschlusses der Mittelmächte dar. Kriegsentschluss aus Angst vor den düsteren Zukunftsaussichten (Einkreisung). Unabhängig davon, wie man die Marinekonvention bewertet, das daraus entstehende "lieber jetzt als später" stellt nun mal kein Hineinschlittern in den Krieg dar.

Übrigens ist hinlänglich bekannt, dass das Deutsche Reich seine Verhandlungsbereitschaft nur vortäuschte. Später, als Bethmann Hollweg klar wurde, dass er den Krieg nicht auf Serbien lokalisieren kann, versuchte der seine Strategie Richtung Verhandlungslösung zu ändern: zu spät und zu halbherzig. Da forderte Moltke von Conrad bereits die Mobilmachung bei gleichzeitiger Zusage der deutschen Mobilmachung.
 
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