Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Dir wird sicher nicht entgangen sein, das der österreichisch-ungarische Außenminister, Berthold, Berlin eindringlich gewarnt hatte, "das man die Gleichgültigkeit des deutschen Bundesgenossen nicht länger hinnehmen werde. "Man könne ebenso zu den anderen groupement gehören." Das war schon eine unangenehme Drohung
Das war eine offensichtlich vollkommen leere Drohung, weil jedem klar sein musste, dass Österreich-Ungarn zu keinem Arrangement mit Russland kommen konnte, ohne seine Balkanpolitik völlig aufzugeben.

Frankreich wiederrum hatte sich an die Russische Balkanpolitik durch die Militärallianz mit Russland gebunden.

Der Deal zwischen beiden lautete französische Unterstützung für russische Balkaninteressen gegen russische Sicherheitsgarantien gegen Deutschland und die anderen Dreibundpartner und im Kriegsfall Unterstützung für die Rückgewinnung Elsass-Lothringens durch Frankreich.

Da für Russland diese Allianz nur dann Sinn ergab, wenn Frankreich in Sachen Balkanpolitik Russlands gegen die Österreichischen Interessen mittrug, konnte Paris keine Allianz mit Wien schmieden, so lange sich Wien nicht von einer aktiven Balkanpolitik lossagte und eine Einigung mit Russland herbeiführte.
Hätte Paris sich mit Wien in eine Allianz eingelassen, ohne dass Wien sich vorher mit St. Petersburg in Sache Balkan geeinigt hätte, dann hätte man dies auf russischer Seite nur dahingehend verstehen können, dass man von Pariser Seite her nicht mehr sicher hinter der russischen Balkanpolitik stand und dann hätte es auch keinen sinnvollen Grund mehr gegeben sich von Frankreich als Prellbock gegen Deutschland einspannen zu lassen.
Das wäre das Ende der französisch-russischen Allianz gewesen.

Wie groß die Neigung der frannzösischen Seite gewesen wäre, den russischenn Bündnispartner gegen einen deutlich schwächeren Österreichisch-Ungarischen (zusammen mit dessen kapriziöser Balkanpolitik und seinen Problemen auch mit Italien) zu tauschen, kann man sich denken.
Darauf hätte sich kein vernünftiger Mensch eingelassen (es sei denn eine Einigung zwischen Russland und Deutschland hätte vorher eine Isolation Frankreichs erzwungen).

Großbritannien war nicht so eng an Russlands Interessen gebunden wie Frankreich, hätte aber wenn es sich auf einmal einseitig auf die Seite Österreichischer Balaninteressen geschlagen hätte, seine Einigungen mit Russland in den asiatischen Fragen riskiert und wäre mangels entsprechend großem Landheer auch kein adäquater Partner für Österreich gewesen um sich militärisch gegen Russland oder Deutschland abzusichern.


Die Aussichten Wiens zur Triple-Entente zu stoßen, ohne sich vorher darauf zu verpflichten Russland gegenüber auf ganzer Linie nachzugeben und sich einer künftigen Großmachtspolitik im Balkan vollstänig zu enthalten, wären gleich Null gewesen.
Ob die Triple-Entente eine solche Österreichischer Kapitulation gegenüber Russland überlebt hätte, wäre ebenfalls fraglich, denn wenn Russland durch Zurückstecken Österreichs auf allen Feldern bekommen hätte, was es wollte, hätte für St. Petersburg kein Anlass mehr bestanden das französische Bündnis aufrecht zu erhalten, weil man den französischen Partner dann für nichts mehr benötigt hätte, eine Fortsetzung also ein kostspieliges russisches Engagement für Frankreichs Sicherheit und eventuelle Rückholung Elsass-Lothringens geweesen wäre ohne, dass Russland selbst noch einen offensichtlichen Nutzen davon gehabt haben würde.


Was du hier zu einer unangenehmen Drohung stilisierst, war offensichtliche Phantasterei, ohne Realitätsbezug.
 
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Das war eine offensichtlich vollkommen leere Drohung, weil jedem klar sein musste, dass Österreich-Ungarn zu keinem Arrangement mit Russland kommen konnte, ohne seine Balkanpolitik völlig aufzugeben.

Oh, du antwortest jetzt für @andreassolar.

Das habe ich noch in nirgendwo gelesen. Ich meine, die angeblich leere Drohung. Und Bethmann hat diese wohl doch für beachtenswert genug gehalten, denn ansonsten hätte er keine Veranlassung gehabt, die zur Beruhigung Wiens getätigten Ausführungen im Reichstag zu machen. Denn nur dazu waren diese gedacht. Im Klartext: Der Adressat der Äußerungen war Wien.
Wie schon oben ausgeführt; Bethmann fuhr, erfolgreich gegenüber Österreich-Ungarn, zweigleisig.

Was du hier zu einer unangenehmen Drohung stilisierst, war offensichtliche Phantasterei, ohne Realitätsbezug.

Ich stilisiere gar nichts. Die Äußerung von Berchtold war gemacht und von Bethmann ernstgenommen worden.
 
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Jedenfalls war Poincaré Lothringer und seine Erinnerungen an die verlorene Heimat, die Rückholung der beiden Provinzen, bestimmte auch sein politisches Handeln. Poincaré setzte auf Russland, um dieses Ziel näher zu kommen oder besser noch zu erreichen. Deshalb wohl auch der Freibrief für den Balkan. Poincaré konnte von Petersburg nur Unterstützung erwarten, wenn er die russische Expansionspolitik auf dem Balkan unterstütze. Und die britische Gleichgewichtspolitik, die über sehr lange Zeit eine Konstante in der britischen Außenpolitik gewesen war, die ist über Bord geworfen worden. Für Grey hatte die Absicherung des Empire absolute Priorität und hierzu brauchte er, so meinte er, vor allem Russland. Aus diesem Grunde wurde die expansive russische Balkanpolitik auch unterstützt, obwohl die monströsen Aufrüstungen der zaristischen Armee, natürlich auch der aggressive Panslawismus, gar nicht zu übersehen war.
 
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In der Summe war es so, das London auf Petersburg einwirkte, nicht wegen serbischer Anmaßungen einen großen Krieg zu riskieren, und Berlin, in Person Kiderlen-Wächter, der auf dem Botschafter der Monarchie klarmachte, eine zu forsche Orientpolitik Österreich-Ungarn nicht mittragen zu wollen. In Wien war man enttäuscht, ja verbittert. Letztlich war es das Bremsen der Bündnispartner, die der Sache des Friedens sehr zuträglich waren.

Das Denken der politischen Leitung des Reichs war grundsätzlich auf Defensive gerichtet. Das galt ganz besonders für Bethmann. Ein Krieg kam für ihm nicht in Frage. Die Kämpfe auf dem Balkan sollten lokalisiert bleiben, um den Frieden unter dem Großmächten zu wahren. Er warnte Österreich vor jedem aggressiven Schritt, sagte, um Wien zu beruhigen, für den Fall des Angriffs einer dritten Macht Unterstützung zu.

Die französische und britische Regierung hatten sich in der Zwischenzeit eine Absprache für den Kriegsfall getroffen. Am 22.November sicherte Grey Cambon zu, bei einer Bedrohung des Friedensmit Paris in Kontakt zu treten, ob ein gemeinsames militärisches Vorgehen Vorgehen erfolge, bei dem beide Generalstäbe die praktischen Vorhaben zu übernehmen hätten. (1)

War diese Abmachung noch etwas vage, äußerte Grey gegenüber den König Georg V. klar: Werde Frankreich in einem Krieg Russlands gegen Deutschland und Österreich, ausgelöst durch dessen Angriff auf Serbien, hineingezogen, könnte es für England notwendig sein zu fechten.

(1) Dietrich, Die Bemühungen Frankreichs zur Festigung der Entente Cordiale, S.782
 
Oh, du antwortest jetzt für @andreassolar.
Sicher nicht.

Ich halte es nur durchaus für angezeigt bestimmte Behauptungen hin und wieder zu hinterfragen, dazu gehört diejenige, Wien hätte ohne weiteres des Lager wechseln können.

Anstatt dich darüber zu echauffieren oder auf Bethmann seine Rede zu verweisen, für die es durchaus auch andere Intentionen gegeben haben kann, als den Glauben an die Realisierbarkeit dieser Drohung, könntest du ja durchaus mal inhaltlich darauf eingehen.

Wie hätte es Wien anstellen sollen, unter Beibehaltung seines Großmachtsanspruchs auf dem Balkan für Russland oder Frankreich bündnisfähig zu werden?

Die Annahme dass das möglich gewsen wäre kann man im Prinzip nur dann haben, wenn man a priori davon ausgeht, dass die gesamte Entente nichts anderes als eine antideutsche Verschwörung mit dem Ziel der massiven Schwächung oder Zerstörung Deutschlands gewesen sei und dass allein die Existenz Deutschlands als stärkste einzelne Macht in Europa hinreichend gewesen wäre die Entente zusammen zu halten.

Bei näherer Betrachtung der Entente ohne dieses Sentiment, im besonderen bei näherer Betachtung Russslands (für Frankreich mag das obige noch einigermaßen zutreffen) und die russische Interessenpolitik in dieser Zeit, wäre das aber eigentlich eine recht abenteuerliche Annahme.
Spätestens in dem Moment in dem man akzeptiert, dass mindestens für Russland Aktion gegen Deutschland keine Priorität hatte, sondern es nahezu ausschließlich um den Balkan, die Meerengen und gegen die Donaumonarchie ging, müsste die Vorstellung Wien hätte sich ohne weiteres anders orientieren können eigentlich vom Tisch sein.

Konnte es nicht, wenn es auf dem Balkan weiterhin Großmacht spielen wollte.
War es bereit diese Allüren einzustellen, hätte es keinen Grund mehr für einen Bruch mit Deutschlands gegeben, nur weil dieses die nämlichen Allüren nicht unterstützte.
 
Du spielst wieder mit was wäre wenn oder ist das so möglich etc. Mit anderen Worten, du spekuliert, was du ja so gerne tust. Ist nicht negativ gemeint!

Inhaltlich habe ich mich doch klar geäußert.

In dem gegebenen Kontext ist es nicht sonderlich wichtig, ob nun der von Berchtold angedrohte Bündniswechsel realisierbar gewesen war, sondern wie diese Drohung in Berlin aufgenommen wurde. Und die Drohung wurde von deutschen Kanzler zumindest so weit ernst genommen wurde, das er sich veranlasst gesehen hatte, in Richtung Wie beruhigende Worte zu sagen. Das ist von Bedeutung für den Gang der Ereignisse.

Wenn Bethmann einen aggressiven, eskalierenden Kurs gesteuert hätte, dann hätte Bethmann nicht die Kooperation in dieser schweren Krise mit dem Foreign Office gesucht und gepflegt. Auch der Staatssekretär des AA Kiderlen-Wächter wirkte in Richtung Frieden und äußerte sich entsprechend gegenüber Széchényi.

Letzten Endes führte dies ja alles zum Erfolg. Das habe ich oben alles dargestellt.

Die Annahme dass das möglich gewsen wäre kann man im Prinzip nur dann haben, wenn man a priori davon ausgeht, dass die gesamte Entente nichts anderes als eine antideutsche Verschwörung mit dem Ziel der massiven Schwächung oder Zerstörung Deutschlands gewesen sei und dass allein die Existenz Deutschlands als stärkste einzelne Macht in Europa hinreichend gewesen wäre die Entente zusammen zu halten.

Na, ein prodeutscher Block war es nun bestimmt nicht. Gegen wenn richteten sich denn eigentlich die militärischen Absprachen?
 
Bethmann Holweg in der Reichstagsrede am 2.12.1912 verspricht u.a.:
»Wenn sie [die Österreicher] aber bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles Erwarten von dritter Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz bedroht werden sollten, dann würden wir, unserer Bundespflicht getreu, fest entschlossen an ihre Seite zu treten haben [. . .] und dann würden wir zur Wahrung unserer eigenen Stellung in Europa, zur Verteidigung unserer eigenen Zukunft und Sicherheit fechten. Ich bin fest
überzeugt, daß wir bei einer solchen Politik das ganze Volk hinter uns haben werden.«

Raymond Poincaré lässt am 20. Februar 1913 im Parlament und im Senat, den beiden Kammern in Paris, seine Antrittsbotschaft als Staatspräsident verlesen, u.a. mit nach Caron, Frankreich im Zeitalter des Imperialismus 1851-1918, S. 583, zitierten Aussagen:
"Ein Volk kann nur dann im Frieden leben, wenn es sich stets kriegsbereit hält. Ein geschwächtes Frankreich, ein Frankreich, das durch eigene Schuld Herausforderungen und Demütigungen ausgesetzt wäre, wäre kein Frankreich".
Im Parlament verlas die Antrittsbotschaft an die beiden Kammern Premierminister Briand - es ging Poincaré darum, die Zustimmung zum geplanten Gesetz zur Verlängerung der Pflichtwehrdienstzeit auf 3 Jahre bei den Abgeordneten zu vergrößern.
Siehe Caron, der Wirtschaftshistoriker, mit Frankreich im Zeitalter des Imperialismus 1851-1918, S. 583. Dort wird zutreffend der Kontext angegeben.
Die Verlängerungsdiskussion in Frankreich, mithin auch Teile der vorgelesenen Antrittsbotschaft Poincarés vom 20. Februar 1912, war u.a. eine Reaktion auf die vorhergehenden Berliner Überlegungen zu einer neuen Heeresvorlage, die seit Anfang 1913 in die reichsdeutsche Öffentlichkeit gelangte.
Die Heeresvorlage folgte dem sogenannten Kriegsrat am 8. Dezember 1912 in Berlin, welcher bekanntlich nicht von französischen Rüstungen oder angeblichen französischen kriegerischen Drohungen ausgelöst wurde.

Ergänzen kann Röhls Aufsatz An der Schwelle zum Weltkrieg: Eine Dokumentation über den »Kriegsrat« vom 8. Dezember 1912, in Militärgeschichtliche Zeitschrift 1/77, S. 77 - 134.
 
@andreassolar

Wie lange willst du dies eigentlich noch ignorieren?

Turgot schrieb:
Im Übrigen verweise ich nochmals auf #324 und #342.

Du selbst bringst immer weitere Punkte in die Diskussion und erwartest wohl auch eine entsprechende Reaktion. Du selbst bleibst diese schuldig.

Der sogenannte deutsche Kriegsrat war eine Reaktion hierauf:

England stellte klar, das es bei einem europäischen Konflikt nicht stiller Zuschauer bleiben würde und unter keinen Umständen eine Niederwerfung Frankreichs dulden würde.

Das stand in Berlin überhaupt nicht zur Debatte. Wie gesagt, Grey und seine Mannen haben es nicht kapiert. Und sie stießen eine massive Kriegsdrohung aus!

Weshalb du nun den "Kriegsrat" und die Heeresvorlage thematisierst, ist mir nicht so ganz klar.

Jedenfalls halten Clark, Afflerbach und auch Strachan die Bedeutung des Kriegsrates für stark übertrieben.

Die deutsche Heeresvorlage wurde am 30.Juni 1913 vom Reichstag beschlossen. Die Franzosen meinten über die präzisen deutschen Pläne im Voraus im Kenntnis gewesen zu sein. Joffre führte hierzu aus. " Das Ludendorff Memorandum hätte die Entschlossenheit der französischen Regierung verstärkt". DDF behauptet, Politiker und Militärs hätten an die Authentizität dieses Dokuments geglaubt. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach, handelt es sich schlicht um eine Fälschung des französischen Geheimdienstes. Wie wäre es anders zu erklären, das in den Sitzungen des Obersten Kriegsrates vom 18.04. und 24.04. 1913 von dem Memo überhaupt gar keine Rede war. Wenn Außenminister Pichon das Ludendorff-Memorandum nach Paris und Petersburg mitteilte, dass man nun nicht mehr an Deutschlands aggressiven Absichten gegenüber Frankreich zweifeln könne, so war dies nichts weiter als ein Schachzug traditioneller "Staatskunst." Soweit Gert Krumreich in 2Aufrüstung und Innenpolitik in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg."

Ursprünglich sollten zwei Vorlagen den Reichstag vorgelegt werden. Bethmann war aber nicht willens, seine außenpolitischen Bemühungen Großbritannien durch eine weitere Flottenvorlage gefährden zu lassen. Gegenüber dem Kaiser stellte er die Bedingung für eine große Heeresvermehrung, das keine Marinevorlage gemacht werde. Am 05.01.1913 war es dem Kanzler so gelungen, die Marinevorlage zu Fall zu bringen.

Das Thema Krieg und Rüstung stellte für Bethmann nach der Adraikrise ein weit größeres und ernsthafteres Thema dar, als es noch nach der 2.Marokkokrise der Fall gewesen war. Nun ging es nur um die Verstärkung des Heeres. Immerhin hatte Europa Ende 1912 am Abgrund gestanden.

Das war das Motiv für die deutsche Vorlage im Jahre 1913.
 
Du spielst wieder mit was wäre wenn oder ist das so möglich etc. Mit anderen Worten, du spekuliert, was du ja so gerne tust. Ist nicht negativ gemeint!
Mit verlaub, wenn du etwas davon erzählst, dass Wien den Bündnisblock hätte wechseln können, wäre es nicht nach dem Winer Willen gegangen, bist in diesem Fall du derjenige, der spekuliert.

In dem gegebenen Kontext ist es nicht sonderlich wichtig, ob nun der von Berchtold angedrohte Bündniswechsel realisierbar gewesen war, sondern wie diese Drohung in Berlin aufgenommen wurde.
Für die Deutung der Ereignisse und für die Bewertung des Handeln Berlins wäre es durchaus wichtig.

Na, ein prodeutscher Block war es nun bestimmt nicht. Gegen wenn richteten sich denn eigentlich die militärischen Absprachen?
Das ist die falsche Frage, die Richtige wäre mit welchen Zielen?
 
Das ist die falsche Frage, die Richtige wäre mit welchen Zielen?

Was stand beispielsweise in den Vereinbarungen zwischen Russland und Frankreich? Was hatte Poincaré ab 1912 den Russen mehrfach zugesichert? Was für Ziele hatten die Russen? Im Februar 1914 fand in Zarskoje Selo eine Konferenz zwischen Samsonow und den Spitzenmilitärs stand. Es wurde über die Inbesitznahme der Meerengen gesprochen; den Beteiligten war auch klar, das dies einen europäischen Krieg auslösen würde.
Was strebte Poincaré an? Sicher nicht eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland.
Für die Deutung der Ereignisse und für die Bewertung des Handeln Berlins wäre es durchaus wichtig.
Nein. Ich bleibe dabei: Ausschlaggebend war, wie Berlin die Drohung Berchtolds aufgenommen und dann reagiert hat. Und das ist bekannt. Und der Gedanke, das Österreich der einzig verbliebene Verbündete war, den man nicht verlieren wollte, der spielte auch in der Julikrise eine Rolle in Berlin.

Mit verlaub, wenn du etwas davon erzählst, dass Wien den Bündnisblock hätte wechseln können, wäre es nicht nach dem Winer Willen gegangen, bist in diesem Fall du derjenige, der spekuliert.

Ich habe nur darüber informiert, was Berchtold den deutschen Bündnispartner durch seinen Botschafter in Berlin hat mitteilen lassen. Ich habe keine Spekulation darüber begonnen, ob dies nun realistisch war oder nicht.

Ich kopier hier noch einmal die entsprechende Passage rein:

Turgot schrieb:
Dir wird sicher nicht entgangen sein, das der österreichisch-ungarische Außenminister, Berthold, Berlin eindringlich gewarnt hatte, "das man die Gleichgültigkeit des deutschen Bundesgenossen nicht länger hinnehmen werde. "Man könne ebenso zu den anderen groupement gehören." Das war schon eine unangenehme Drohung, immerhin war Wien der einzig verbliebene, zuverlässige Bündnispartner, und für Bethmann im Folgenden eine Art von Seiltanz, denn auf der einen Seite wollte er die Großmachtstellung der Monarchie, auch gegenüber einem russischen Angriff, verteidigen und auf der anderen Seite gemeinsam mit London den Konflikt friedlich zu lösen. Was übrigens nebenbei angemerkt schließlich auch gelang.
Wilhelm II. wurde von Bethmann entsprechend auf Kurs gebracht. Am 25.November 1912 ließ er in der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung den Warnschuss abgeben, das die Großmächte übereingekommen sind, sich in keiner einzelnen Phase des Balkanproblems ik voraus festzulegen. In Wien war man reichlich verärgert. In der Wiener Presse stand zu lesen, "Deutschland blase ab". Das wird wohl kaum den Botschaftern Frankreichs, Großbritanniens und Russlands verborgen geblieben sein.

Spekulationen meinerseits bezüglich eines Bündniswechsels Österreich-Ungarns vermag ich hier nicht zu entdecken.
 
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Also bleiben wir immer beim selben Punkt, Poincare hat als Nationalist eine Verständigung mit Deutschland verbaut. Schlimm, wenn sich Leute in ihrem Hass zu nichts anderem fähig sind. Der Mann hatte soviele Chancen einen Ausgleich mit Deutschland zu suchen und hat die Situation verschärft. Cailleuxs Bemühungen wurden von ihm hintertrieben, die Alternative wäre eine Entspannung der Situation geworden.
Für mich ist Poincare die entscheidende Figur vor dem Krieg, der alles maßgeblich alles verschärft hat.
Nicht umsonst erhielt er ja den Spitznamen Poincare # c'est la guerre.
 
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Was stand beispielsweise in den Vereinbarungen zwischen Russland und Frankreich?
Nun, ich könnte mich jedenfalls nicht darann erinnern, dass darin die Vereinbarung niedergelgt war einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen.

Ich habe nur darüber informiert, was Berchtold den deutschen Bündnispartner durch seinen Botschafter in Berlin hat mitteilen lassen. Ich habe keine Spekulation darüber begonnen, ob dies nun realistisch war oder nicht.
Du hast dich zu der Äußerung eingelassen, dass im Besonderen dies Bethmanns Rede veranlasst habe.

Das Berlin in der Juli-Krise 1914 sehr stark der Vorstellung anhing sich einen Verlust des Österreichischen Aliierten nicht leisten zu können, ist sicherlich zutreffend.
Daraus aber zu schließen, dass das bereits 1912 das ausschlaggbende Argument für die Positionierung Bethmanns gewesen sei ist spekulativ.

Bis zum Krieg gehörte Albanien noch zum Osmanischen Reich, Ende November 1912 wurde von Seiten der albanischen Nationalbewegung die Unabhängigkeit Albaniens proklamiert.

Da waren durchaus noch andere Fragen virulent, da das Osmanische Reich ja durchaus für Deutschland selbst von kolonialpolitischem Interesse war (wenn auch eher informell) und sich natürlich auch die Frage stellte, wo dessen Zerstücklung enden würde, wenn man nicht einschritt.
Hätte sich Deutschland im Zuge des Ersten Balkankriegs völlig passiv verhalten, wäre das eine Einladung an Russland gewesen sich auch noch einzuklinken und an den Meerengen Fakten zu schaffen oder hätte die Balkanstaaten ermutigen können, ihre Expansionsziele weiter hinaus zu schieben, es hätte möglicherweise auch Frankreich ermutigen können, die Gelegenheit der Schwäche des Osmanischesn Reiches zu nutzen um sich in der Levante festzusetzen.

Das konnte bei Deutschlands Interesse am Erhalt des Osmanischen Reiches natürlich nicht erwünscht sein.

Den Österreichischen Wunsch zu unterstützen Serbien auf jeden Fall von der Adria weg zu halten, lässt sich auch als Gelegenheit verstehen den anderen involvierten und interessierten Mächten in Erinnerung zu rufen, dass man auch noch da war und eine Schädigung des Osmanischen Reiches über gewisse Grenzen hinaus nicht tolerieren würde, dies allerdings ohne dabei den interessierten Großmächten selbst offen zu drohen.

Nein. Ich bleibe dabei: Ausschlaggebend war, wie Berlin die Drohung Berchtolds aufgenommen und dann reagiert hat. Und das ist bekannt. Und der Gedanke, das Österreich der einzig verbliebene Verbündete war, den man nicht verlieren wollte, der spielte auch in der Julikrise eine Rolle in Berlin.
Ausschlaggebend für Deutschlands faktische Spielräume und die Bewertung der deutschen Regierung im Besonderen in der Juli-Krise ist erstmal, ob Wien realistische andere Optionen hatte.

Wenn es sie nämlich nicht hatte, die Deutsche Regierung dieses Phantom aber trotzdem fürchtete und sich deswegen zu eskalierenden Schritten verleiten ließ, würde man nicht umhinkommen, sich über die Inkompetenz der entsprechenden Entscheidungsträger unterhalten zu müssen.

Denn so wie ich das sehe bedurfte es schon eines erheblichen Maßes an Einbildungskraft und Paranoia um anzunehmen, dass Wien die Möglichkeit gehabt hätte eine Allianz mit der Entente (oder wenigstens den beiden Landmächten zu schmieden), ohne seinen Großmachtsstatus an den Nagel zu hängen.
Wenn das aber keine realistische Option war, weil Wiens Balkaninteressen dem entgegenstanden und man wegen der Österreichischen Probleme mit Italien, Rumännien und Serbien auch davon ausgehen darf, das Inkaufnahme eigener Isolation für Wien keine realistische Option war, müsste der Schluss daraus lauten, dass Deutschlands Handlungsspielräume im Juli '14 relativ wenig limitiert waren, da Wien in Ermangelung anderer Optionen, sofern es seine Balkanpolitik nicht vollkommen aufgeben wollte Berlins Verhalten ohnehin hinnehmen musste, gleich wie es ausfiel.

Spekulationen meinerseits bezüglich eines Bündniswechsels Österreich-Ungarns vermag ich hier nicht zu entdecken.
Nun, wenn du dich darin einlässt Berchtolds Äußerung als "unangenehme Drohung" zu qualifizieren, machst du damit durchaus klar, dass du ihre Umsetzung für realistisch hältst.
Damit begibst du dich auf spekulatives Gebiet (ohne dir zu nahe treten zu wolllen).
 
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Nun, ich könnte mich jedenfalls nicht darann erinnern, dass darin die Vereinbarung niedergelgt war einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen.

Das habe ich nirgends behauptet. Du weißt genau, was dort vereinbart wurde.
Du hast dich zu der Äußerung eingelassen, dass im Besonderen dies Bethmanns Rede veranlasst habe.

Und?

Das Berlin in der Juli-Krise 1914 sehr stark der Vorstellung anhing sich einen Verlust des Österreichischen Aliierten nicht leisten zu können, ist sicherlich zutreffend.

Danke.

Daraus aber zu schließen, dass das bereits 1912 das ausschlaggbende Argument für die Positionierung Bethmanns gewesen sei ist spekulativ.

Habe ich das behauptet? Ich habe lediglich ausgeführt, das dieser Punkt eine Rolle spielte.

Bis zum Krieg gehörte Albanien noch zum Osmanischen Reich, Ende November 1912 wurde von Seiten der albanischen Nationalbewegung die Unabhängigkeit Albaniens proklamiert.

Ist mir bekannt.

Nun, wenn du dich darin einlässt Berchtolds Äußerung als "unangenehme Drohung" zu qualifizieren, machst du damit durchaus klar, dass du ihre Umsetzung für realistisch hältst.
Damit begibst du dich auf spekulatives Gebiet (ohne dir zu nahe treten zu wolllen).

Das ist doch Wortklauberei.

Ausschlaggebend für Deutschlands faktische Spielräume und die Bewertung der deutschen Regierung im Besonderen in der Juli-Krise ist erstmal, ob Wien realistische andere Optionen hatte.

Wenn es sie nämlich nicht hatte, die Deutsche Regierung dieses Phantom aber trotzdem fürchtete und sich deswegen zu eskalierenden Schritten verleiten ließ, würde man nicht umhinkommen, sich über die Inkompetenz der entsprechenden Entscheidungsträger unterhalten zu müssen.

Denn so wie ich das sehe bedurfte es schon eines erheblichen Maßes an Einbildungskraft und Paranoia um anzunehmen, dass Wien die Möglichkeit gehabt hätte eine Allianz mit der Entente (oder wenigstens den beiden Landmächten zu schmieden), ohne seinen Großmachtsstatus an den Nagel zu hängen.
Wenn das aber keine realistische Option war, weil Wiens Balkaninteressen dem entgegenstanden und man wegen der Österreichischen Probleme mit Italien, Rumännien und Serbien auch davon ausgehen darf, das Inkaufnahme eigener Isolation für Wien keine realistische Option war, müsste der Schluss daraus lauten, dass Deutschlands Handlungsspielräume im Juli '14 relativ wenig limitiert waren, da Wien in Ermangelung anderer Optionen, sofern es seine Balkanpolitik nicht vollkommen aufgeben wollte Berlins Verhalten ohnehin hinnehmen musste, gleich wie es ausfiel.

Fakt ist jedenfalls, das diese Befürchtung des Verlustes des einzig verbliebenen Bündnispartners eine Rolle spielte. Über Eignung, Befähigung und Leistung des damaligen Spitzenpersonals, kannst du ja einen separaten Faden aufmachen.

Das Problem war, das Berlin keine Kontrolle mehr über Wien hatte.
Der Blankoscheck wäre sicher besser unterblieben. Sebst das Weltbrandtelegramm hatte ja nicht ausgereicht, um Wien wieder einzufangen.
Deutsche Überlegungen, weshalb der Blankoscheck nun überahaupt ausgestellt worden war, habe ich hier schon verstreut erwähnt. Ich fasse das einmal kurz zusammen:

1. Russ land hatte mit Serbien, anders als Deutschland mit ÖU, keinen Bündnisvertrag. Sollte dieses also Serbien, ohne jede vertragliche Verpflichtung zur Hilfe kommen, wurde der Zweibund vom 07.Oktober 1879 scharf gestellt.

2. ÖU war der letzte verbliebene zuverlässige Bündnispartner Berlins. Diesen konnte man nicht im Stich lassen, ohne in die komplette Isolation zu geraten.

3. Belgrad hatte die eigene Zusicherung von 1908 gegenüber Wien nach der Annexionskrise mit Wien auf politisches Wohlverhalten gebrochen.

4. Berlin sah sich in der Defensive , um nicht zu sagen in die Enge getrieben, und wußte seit Ende Mai über die sich schließende "Einkreisung" der Ententemächte durch die Eröffnungen Benno von Sieberts, belegt durch die entsprechenden Dokumente, Bescheid. Ebenso über die nachfolgenden Drohungen von Suchomlinow, dem russischen Kriegsminister, der einen Artikel platzierte über die Aufstockung des russischen Heeres auf über 2 Millionen Mann und über die Verkürzung der Mobilmachungszeit, die Paris immer verlangt hatte, schwadronierte. In dieser Situation erhielt Wien den Blankoscheck.
 
Ich habe noch ein nicht uninteressantes Telegramm vom 23.12.13/05.01.14 des russischen Botschafter in Paris, Iswolsky, gefunden.

Ich zitiere hier nicht den ganzen Text; es geht indem Telegramm um die Lima-Krise. Iswolsky berichtet über ein Gespräch mit Poincaré. Poincaré informierte iswolsky über ein Gespräch des französischen Botschafters in Berlin Jules Cambon mit dem deutschen Staatssekretär des AA. Dieser wünsche die Krise friedlich beizulegen, dürfe aber keinen europäischen Charakter annehmen, will heissen, die Triple Entente möge keinen zu starken Druck ausüben, dann werde Deutschland nicht imstande sein Nachgiebigkeit zu zeigen.
"Poincaré zieht hieraus den Schluß, dass jeder gemeinsame Schritt Russlands, Frankreichs und Englands in Berlin auf schärfsten Widerstand stoßen würde und die Lage bedeutend verschärfen wird; wenn wir es trotzdem für nötig halten, einen derartigen gemeinsamen Schritt zu unternehmen, so wird sich Frankreich uns natürlich anschließen, aber in diesem Falle muss man den weiteren Gang der Ereignisse voraussehen und sich über die gemeinsamen Schritte einigen.
Aus diesem Anlasse hat Poincaré auf das allerbestimmteste die Erklärung von Doumergues, die in meinem Telegramm Nr. 607 enthalten ist, bestätigt, dass nämlich Frankreich fest entschlossen ist, in dieser Angelegenheit zusammen mit uns zu handeln. [...] und das trotz der aufrichtigen Friedensliebe Frankreichs in diesen Worten mit vollem Vorbedacht die Ruhe Entschlossenheit ausgedrückt wird, sich unter den obwaltenden Verhältnissen nicht den Verpflichtungen zu entziehen, die ihm das Bündnis mit uns auferlegt.[...]."
(1)



(1) Siebert, Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte der Ententepolitik der Vorkriegsjahre, S.668f
 
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