Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Verständnisfrage: Wäre eine Entspannungspolitik denn überhaupt möglich gewesen?

War der französische Revanchismus denn nicht in der unmittelbaren Vorkriegszeit auf einem Allzeithoch?

Und hätte es auf deutscher Seite überhaupt ein Entgegenkommen gegeben? Für eine Entspannungspolitik braucht es schon entsprechende Gesten der Gegenseite, die sie rechtfertigen – ansonsten kommt sie als Schwäche und Anbiederung daher, und lädt insbesondere die politische Rechte dazu ein, sie zu torpedieren.
 
Meines Erachtens hätte es zumindest ernsthaft versucht werden müssen.

Wie schon ausgeführt, es gab ja entsprechende Freundlichkeiten von deutscher Seite. Bismarck hatte beispielsweise mit einem Ferry ein gutes Auskommen. Im Jahre 1911 wurde ein Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich abgeschlossen, der die Streitigkeiten in Nordafrika beerdigt hatte. Selbst Poincaré hatte, auch wenn ohne große Begeisterung, sich für diesen Vertrag verwendet. Es gab auch auf wirtschaftlichen Terrain durchaus hier und das eine Zusammenarbeit. Mit gutem Willen hätte sich dies sicher ausbauen lassen. Auch eine entsprechende Berichtserstattung in der Presse wäre hilfreich gewesen.


Für Poincaré stand Bündnistreue , Stärkung des Bündnisses im Vordergrund. Das bedeutete, das in der Praxis für eine Annäherung- und Verständigungspolitik gegenüber Deutschland kein Platz vorhanden war. Es sollte und durfte bei den Verbündeten, London und Petersburg, kein falscher Gedanke aufkommen. Beispielsweise sah Poincaré in dem Treffen zwischen dem Zaren und Wilhelm II. ein Vorboten der Annäherung zwischen Russland und Deutschland.
Oder ein anderes Beispiel. Francis Bertie, britischer Botschafter in Paris, sicher kein Freund der Deutschen, "stachelte" Poincaré auf, um die Haldane Mission zu torpedieren.
Das Problem lag mehr in den Bündnisblöcken, die Unsicherheit, sich auch wirklich auf den/die Partner verlassen zu können. Österreich-Ungarn zweifelte nach den Balkankriegen an der Bündnistreue Deutschlands. Berlin hatte zusammen mit London dahin gewirkt, das kein großer Krieg ausgebrochen war. Dies ging für Österreich-Ungarn nicht immer gerade vorteilhaft aus. Auf dem Ballhausplatz sah man sich nach dem 2.Balkankrieg auf dem Balkan ziemlich in die Enge getrieben, von seinem Freund und Bündnispartner im Stich gelassen. Man war verbittert. Das alles spielte im Juli 1914 eine Rolle.
 
Verständnisfrage: Wäre eine Entspannungspolitik denn überhaupt möglich gewesen?

War der französische Revanchismus denn nicht in der unmittelbaren Vorkriegszeit auf einem Allzeithoch?
Berechtigte Frage, aber falscher Ansatz, würde ich meinen.

Revanchismus wäre das falsche Argument.

Insofern Frankreich mit Großbritannien und Russland verbündet war, musste es natürlich auch deren Positionen gegenüber dem Dreibund im Allgemeinen und Deutschland im Spezifischen Rechnung tragen.
Angesichts des deutsch-britische Flottenwettrüstens und der notorischen Querelen Russlands mit Österreich-Ungarn hätte ein französischer Alleingang, sich mit Deutschland zu einigen in London und St. Petersburg den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht und von diesen beiden Seiten her hätte man die Vereinbarungen mit Frankreich hinterfragen müssen, dass ist schonmal das erste Problem.

Für eine tatsächliche Verständigung mit Deutschland, hätte man auch auf das russische Bündnis verzichten müssen, weil nur dann die Einkriesungsobsessionen, die die Berliner Politik umtrieben ein Ende hätten haben können.

Das aber hätte Frankreich angesichts des wesentlich stärkeren Wachstums Deutschlands und dessen Potentialen außerstande gesetzt, im Ernstfall die eigene Landesverteidigung erfolgreich zu bestreiten.
Ohne Festlandverbündeten (und wegen des Dreibunds blieb nur Russland als einzige relevante Macht) war Frankreich nicht in der Lage eine militärische Konfrontation mit Deutschland durchzuhalten und hätte sich also auf Gedeih und Verderb der Annahme ausliefern müssen, dass Deutschland schon keinen Konflikt suchen würde (mit der Erinnerung an das unseelige Säbelgerassel der deutschen Diplomatie in der Bülow-Ära im Gedächtnis und dem deutsch-britischen Flottenwettrüsten vor Augen).

Ich würde argumentieren wollen, eine aktive Verständigungspolitik war Frankreich unter diesen Umständen nicht zuzumuten.

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Die sinnvollste Lösung der bündnispolitisch vertrackten Situation hätte meines Erachtens in Gesprächen zwischen Berlin und St. Petersburg bestanden.
Wenn sich diese beiden Akteure darauf verständigt hätten beide Bündnisblöcke aufzulösen, um aus der Rüstungsspirale und den extremen Interessengegensätzen heraus zu kommen, dass hätte was werden können.

Frankreich als mindermächtigem Akteur, der bei Eingehen auf die deutschen Wünsche sicherheitspolitisch blank gewesen wäre vorzuwerfen nicht einseitig die Verständigung gesucht zu haben, halte ich persönlich für wenig sinnvoll.
 
Ich würde argumentieren wollen, eine aktive Verständigungspolitik war Frankreich unter diesen Umständen nicht zuzumuten.

Was ist das denn für eine krasse Aussage. Nicht zuzumuten. Das wäre es sehr wohl, denn wenn Paris auf Kooperation statt auf Konfrontation gesetzt hätte, wäre ein Bündnisblock gegen Deutschland nicht vonnöten gewesen. Frankreich hat seine menschlichen Ressourcen voll ausgereizt und finanziell alles getan, um gegen Deutschland zu rüsten. Erwähnt sei nur die monströsen Summen für Russland, aber auch Serbien und Bulgarien sollen nicht unerwähnt bleiben. Entspannung sieht anders aus. Dann die dreijährige Dienstpflicht, um noch mehr Mannschaften zur Verfügung zu haben. Wie weit wollte man in Paris eigentlich noch gehen. Warum nicht einfach endlich die Ergebnisse des Krieges von 1870/71, an dem man selbst nun auch nicht gerade unschuldig war, akzeptieren. Frankreich ist nicht das einzige Land auf der Welt, welches ein Krieg verloren und und dies dann mit territorialen Einbußen zu zahlen hatte. Aber die Unversöhnlichkeit Frankreichs war groß. Und genau daran haperte es; vor allen mit ein Präsidenten Poincaré an der Spitze des Staates.

Die politische Leitung des Reichs hatte seit dem Frankfurter Frieden nicht die Absicht gehabt, Frankreich anzugreifen. "Günstige Gelegenheiten" wurden nicht genutzt. Wilhelm II. war ein Sprücheklopfer, aber in dem Krieg wäre er nicht, ohne das die Sicherheit Deutschlands ernstlich gefährdet wäre, gezogen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich fehlt bei Schmidt die Durazzo-Krise im November 1912, Serbien wollte im Rahmen des erfolgreichen Balkankriegs das albanische Durazzogebiet im Osmanischen Reich besetzten, um einen Adriahafen zu erlangen.

Schau doch einmal auf den Seiten 469 - 470 nach. Durazzo fehlt bei Schmidt eben nicht.
 
Berechtigte Frage, aber falscher Ansatz, würde ich meinen.

Revanchismus wäre das falsche Argument.

Insofern Frankreich mit Großbritannien und Russland verbündet war, musste es natürlich auch deren Positionen gegenüber dem Dreibund im Allgemeinen und Deutschland im Spezifischen Rechnung tragen.
(.....)
Ich würde argumentieren wollen, eine aktive Verständigungspolitik war Frankreich unter diesen Umständen nicht zuzumuten.
(.....)
Frankreich als mindermächtigem Akteur, der bei Eingehen auf die deutschen Wünsche sicherheitspolitisch blank gewesen wäre vorzuwerfen nicht einseitig die Verständigung gesucht zu haben, halte ich persönlich für wenig sinnvoll.

Ich würde Frankreich an deiner Stelle nicht permanent marginalisieren. Man könnte das Thema ohne Probleme ganz anders aufziehen. Von deutscher Seite gab es gar keinen Grund sich gegen eine Verständigung mit Frankreich zu stellen, und aus französischer Perspektive wäre es besser sich mit einem mächtigen Nachbarn zu arrangieren. Was wäre denn die Alternative? Frankreich musste in einer Konfliktsituation die volle Härte eines deutschen Schlages abbekommen, das ist keine gute Perspektive. Genau das Poincare in Kauf genommen, und das ist auch der entscheidende Punkt, Poincare hat eine Politik betrieben, die Millionen seiner Landsleute gefährdet hat und in wohlmöglich in den Tod getrieben hat.
Die Alternative wäre einfacher gewesen, bei einer Verständigung mit Deutschland hätte Frankreich viel gewinnen können. Man hätte weiterhin ein sehr großes Kolonialreich gehabt und hätte von der Friedensdividende sehr gut gelebt.
 
Frankreich musste in einer Konfliktsituation die volle Härte eines deutschen Schlages abbekommen, das ist keine gute Perspektive. Genau das Poincare in Kauf genommen, und das ist auch der entscheidende Punkt, Poincare hat eine Politik betrieben, die Millionen seiner Landsleute gefährdet hat und in wohlmöglich in den Tod getrieben hat.
Nun, das hat er zweifellos, allerdings dürfte dafür mehr das relevant sein, was er in der Juli-Krise tat, als das was er davor machte.

Die Alternative wäre einfacher gewesen, bei einer Verständigung mit Deutschland hätte Frankreich viel gewinnen können. Man hätte weiterhin ein sehr großes Kolonialreich gehabt und hätte von der Friedensdividende sehr gut gelebt.
Verständigung wäre aber nur möglich gewesen, wenn auch entsprechendes Vertrauen da gewesen wäre.

Die Bildung eines solchen Vertrauens, wurde aber durch den unberechenbaren und teilweise ziemlich aggressiven außenpolitischen Kurs unter Bülow nicht gerade gefördert (mit Bethmann ging es in dieser Hinsicht besser, aber wer wusste wann der nächste Bülow kommen würde?).

Und natürlich konnte man sich französischerseits auch fragen, wozu Deutschland die Hochrüstung dieser für sein bescheidenes Kolonialreich komplett überdimensionierten Flotte betrieb, wenn nicht um das Mittel zu haben, sein Kolonialreich auf Kosten anderer Mächte zu vergrößern.

Hinzu kommt wie gesagt das Problem, Verständigung ging nicht im Alleingang ohne die Bündnisparnter zu verprellen und ohne die Bündnispartner wäre Frankreich nicht in der Lage gewesen eine militärische Auseinanderstzug mit Deutschland durchzustehen, schon gar keine mit dem gesamten Dreibund oder einer deutsch-italienischen Kombination (italienische Begehrlichkeiten hinsichtlich Korsika und Tunesien).

Da in Frankreich die Stimmung massiv gegen Deutschland war und Vertrauen in die guten Absichten Deutschlands bei den wenigsten Franzosen vorhanden gewesen sein dürfte, wäre eine Regierung, die eine radikale Annäherung an Deutschland, wenn nötig unter Verlust der Bünsnispartner versucht hätte, sehr stark gegenüber Vorwürfen ausgesetzt gewesen fundamentale französische Sicherheitsinteressen zu verraten und dass hätte wahrscheinlich ziemlich schnell zu ihrem Sturz geführt.

Ich würde Frankreich an deiner Stelle nicht permanent marginalisieren.
Ich marginalisiere nicht Frankreich, sondern ich stelle nur Fest, dass Frankreich auf Grund seiner eingeschränkten Optionen unter den drei Ententepartnern der am wenigsten logische Partner für eine Verständigung gewesen wäre.

Großbritannien und Russland waren mächtig genug (der eine zur See, der andere zu Land), Deutschland nicht als existennzielle Bedrohung ansehen zu müssen.
Mit denen oder einem davon hätte man sich möglicherweise verständigen können.
Mit Frankreich wahrscheinlich nicht.
 
Was ist das denn für eine krasse Aussage. Nicht zuzumuten. Das wäre es sehr wohl, denn wenn Paris auf Kooperation statt auf Konfrontation gesetzt hätte, wäre ein Bündnisblock gegen Deutschland nicht vonnöten gewesen.
Die Aussage könnte man auch umdrehen.
Es wäre der Block der Zentralmächte, der auf Frankreich einen ähnlichen Druck ausübte, wie die Tripple-Entente auf Deutschland nicht nötig gewesen, hätte sich Berlin gegenüber Großbritannien oder Russland kooperativer gezeigt und somit diesen einen Grund gegeben von ihrer tendenziell gegenn Deutschland gerichteten Haltung abzugehen.

Der Unterschied ist nur:

Deutschland war der zu Lande mit Abstand stärkste Akteur auf dem europäischen Kontinent, der zumindest jedem einzelnen Gegner mehr als gewachsen war.
Deswegen hätte sich Deutschland am ehesten leisten können auf Verständigungskurs zu gehen und dabei schlimmstenfalls Bündnispartner einzubüßen.
Frankreich war allein wesentlich schwächer, also wäre das Risiko sich selbst damit in die Falle zu manövrieren größer gewesen.

Frankreich hat seine menschlichen Ressourcen voll ausgereizt und finanziell alles getan, um gegen Deutschland zu rüsten.
Ja, nur ist das nicht wie du es hier darstellst vollständig unter dem Zeichen französischer Revanchegelüste zu sehen, sondern es ist eine Konsequenz der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung und der französischen Sicherheitsinteressen.

1871 nach der Reichsgründung hatten beide Länder an die 40 Millionen Einwohner und eine ähnliche Industrieleistung, 1914 hatte Frankreich nicht wesentlich mehr Einwohner, Tendenz eher gleichbleibend, Deutschland aber bereits 60 Millionen Tendenz wachsend und Deutschlands Industrie war in einigen Sektoren mittlerweile doppelt so stark, wie die Französische, Tendenz des französischen Defizits ebenfalls wachsend.

Unter diesen Umständen einer potentiellen klaren Übermacht von deutscher Seite, blieb Frankreich gar nichts anderes übrig, als seine militärischen Potentiale mehr oder weniger auszuschöpfen um in etwa kräftemäßige Parität mit Deutschland zu wahren und sich Verbündete hinzu zu ziehen, die die weitere Entwicklung, wenn Frankreichs kapazitäten am Ende waren, abfangen würde können.

Davon abgesehen, Frankreich hatte es so lange der Dreibund bestand nicht nur mit Deutschland zu tun.
 
Oh ha, das ist das zweite Mal, dass @andreassolar etwas behauptet, was in den angegebenen Quellen nicht zu finden. Das ist nicht schön

Die angegebene Quelle ist in diesem Fall der Aufsatz "Revanche für Sedan", in: Historische Zeitschrift 303/2 (2016), S. 393-425:

Nochmals zu Rainer Schmidts Aufsatz in Historische Zeitschrift, in welchem er sinngemäß postuliert, Poincaré habe im September 1912 den 1914 entscheidenden Kriegssauslöse-Mechanismus erkannt, welchen er nach Ansicht von Schmidt dann entscheidend integriert und gefördert habe...ungefähr.
Natürlich fehlt bei Schmidt die Durazzo-Krise im November 1912, Serbien wollte im Rahmen des erfolgreichen Balkankriegs das albanische Durazzogebiet im Osmanischen Reich besetzten, um einen Adriahafen zu erlangen.
In diesem Aufsatz wird Durazzo nicht erwähnt.
 
Die Aussage könnte man auch umdrehen.
Es wäre der Block der Zentralmächte, der auf Frankreich einen ähnlichen Druck ausübte, wie die Tripple-Entente auf Deutschland nicht nötig gewesen, hätte sich Berlin gegenüber Großbritannien oder Russland kooperativer gezeigt und somit diesen einen Grund gegeben von ihrer tendenziell gegenn Deutschland gerichteten Haltung abzugehen.

Wie ich bereits oben ausgeführt habe, hat Wilhelm II. es an versöhnlichen, freundlichen Gesten nicht fehlen lassen.
eutschland war der zu Lande mit Abstand stärkste Akteur auf dem europäischen Kontinent, der zumindest jedem einzelnen Gegner mehr als gewachsen war.
Deswegen hätte sich Deutschland am ehesten leisten können auf Verständigungskurs zu gehen und dabei schlimmstenfalls Bündnispartner einzubüßen.
Frankreich war allein wesentlich schwächer, also wäre das Risiko sich selbst damit in die Falle zu manövrieren größer gewesen.

Ist mir bekannt. Und auch und gerade deshalb wäre es nur vernünftig gewesen eine kooperative Politik zu betreiben. Ich führte es bereits aus: Der Krieg und dessen Ergebnisse lagen nun schon über 40 Jahre zurück. Es wurde nun langsam endlich einmal Zeit die Nachkriegsrealitäten anzuerkennen. Dann wäre so eine starke Rüstungspolitik nicht erforderlich gewesen. Auch nicht die große Aufrüstung Russlands und bestimmt nicht die von Serbien und Bulgarien.

1871 nach der Reichsgründung hatten beide Länder an die 40 Millionen Einwohner und eine ähnliche Industrieleistung, 1914 hatte Frankreich nicht wesentlich mehr Einwohner, Tendenz eher gleichbleibend, Deutschland aber bereits 60 Millionen Tendenz wachsend und Deutschlands Industrie war in einigen Sektoren mittlerweile doppelt so stark, wie die Französische, Tendenz des französischen Defizits ebenfalls wachsend.

Siehe oben

Unter diesen Umständen einer potentiellen klaren Übermacht von deutscher Seite, blieb Frankreich gar nichts anderes übrig, als seine militärischen Potentiale mehr oder weniger auszuschöpfen um in etwa kräftemäßige Parität mit Deutschland zu wahren und sich Verbündete hinzu zu ziehen, die die weitere Entwicklung, wenn Frankreichs kapazitäten am Ende waren, abfangen würde können.

Ganz gewiss nicht. Siehe oben.
 
----- Exkurs (Pardon)
Deutschland war der zu Lande mit Abstand stärkste Akteur auf dem europäischen Kontinent, der zumindest jedem einzelnen Gegner mehr als gewachsen war. (...) Frankreich war allein wesentlich schwächer, also wäre das Risiko sich selbst damit in die Falle zu manövrieren größer gewesen.
von Süd nach Nord:
- Istein - Straßburg/Kehl & KW II (Molsheim) - Germersheim - Metz - Diedenhofen/Thionville --- weiter entfernt Mainz - (Koblenz) - Köln
dem gegenüber Barrière de fer – Wikipedia ,die Anzahl der Großfestungen ist höher:
- Belfort - Besancon - Dijon - Langres - Epinal - Toul - Verdun - Reims - dazu Verbindungen mit Fortketten (was sich auf deutscher Seite nicht findet)*)
(so weit nur in Bezug zur dt.-fr. Grenze)

Das Festungsbauprogramm von Frankreich allein zur dt.-fr. Grenze hin übertrifft an Masse/Menge jede andere europ. Macht zu dieser Zeit. Zudem waren diese Festungen bzgl. Stärke, Modernität mit ihren "Festen", Panzerforts, Panzerbatterien, Panzerfronten, aufgelöster Bauweise etc etc auf seinerzeit höchstem Niveau, d.h. Festungsarreale wie Belfort, Epinal, Verdun waren von derselben militär. Qualität wie die deutschen Musterfestungen Metz&Diedenhofen, Istein, Mainz. Manche bautechnische Lösung differierte (z.B. die monströsen Mougin-Forts) im Detail, aber letztlich waren der deutsche und der französische Festungsbau zum Ersten Weltkrieg hin der modernste und stärkste.


Bevor diese massiven und monströsen Baumaßnahmen von 1885-1914 als rein defensiv abgetan werden: sie waren es auch, aber bei weitem nicht nur!

_______
*) zu diskutieren wäre, ob man die franz. Fortketten in Richtung Linearbefestigungen (1916 Kleve, Sicherungsstellung Nord) interpretieren könnte
 
Zuletzt bearbeitet:
Die angegebene Quelle ist in diesem Fall der Aufsatz "Revanche für Sedan", in: Historische Zeitschrift 303/2 (2016), S. 393-425:


In diesem Aufsatz wird Durazzo nicht erwähnt.

Ja. Wobei man auch darüber sprechen könnte, ob ein Aufsatz ein Thema überhaupt so erschöpfend behandeln kann, das tatsächlich alle Teilaspekte behandelt und vorgestellt werden können. Jedenfalls hat Schmidt in seinem Werk "Kaiserdämmerung" Durazzo nicht außer Acht gelassen.

Jedenfalls die Formulierung von @andreassolar "Natürlich fehlt bei Schmidt Durazzo......" ist doch ziemlich verunglückt.
 
Ich denke, das Frankreich wohl nur bei Rückgabe der Provinzen bereit gewesen wäre, sich mit Deutschland näher einzulassen.
 
Eine kleine Anmerkung noch.

Am 30.März 1909 hatte Serbien den Vertretern der Großmächte in Belgrad eine Note überreicht gehabt, aus der hervorging, das man den der Text der Note Wiens annehmen würde und dies am nächsten Tage offiziell im Wien bekanntgegeben wird.

Am 31. März 1909 schließlich übergab der serbische Gesandte in Wien, Simic, im österreichisch-ungarischen Außenministerium die Note des Inhalts: Die serbische Regierung räumtein, dass die Annexion sie nicht in ihren Rechten beeinträchtigt habe, sie die Annullierung von Paragraph 25 des Berliner Vertrages akzeptiere, sich jeglichen Widerstandes in dieser Richtung enthalten würde und sich zu einer Politik der guten Nachbarschaft Gegenüber Wien verpflichtete.

An diese Zusicherung hat sich Serbien nicht im Geringsten gehalten.
 
Jedenfalls hat Schmidt in seinem Werk "Kaiserdämmerung" Durazzo nicht außer Acht gelassen.
Nicht im hier diskutierten Zusammenhang mit Poincarés Auftrag an Iswolsky für Sasonow, der russischen und serbischen Führung deutlich zu machen, dass Poincaré die serbische Führung im Vormarsch serbischer Truppen auf Durazzo nicht unterstütze...meine ich mich zu erinnern... ;) Vielleicht es dir möglich, aus Schmidt's Kaiserdämmerung, S. 469 f., ggf. zu präzisieren.
 
»Wenn sie [die Österreicher] aber bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles
Erwarten von dritter Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz bedroht werden
sollten, dann würden wir, unserer Bundespflicht getreu, fest entschlossen an ihre Seite
zu treten haben [. . .] und dann würden wir zur Wahrung unserer eigenen Stellung in
Europa, zur Verteidigung unserer eigenen Zukunft und Sicherheit fechten. Ich bin fest
überzeugt, daß wir bei einer solchen Politik das ganze Volk hinter uns haben werden.«

Sagte RK Bethmann am 2. Dezember 1912 in der bekannten Rede im Reichstag, nachdem schon einige Tage zuvor die Reichsleitung auf diplomatischen Kanälen hatte deutlich werden lassen, ÖU auf jeden Fall militärisch als Bündnisfall beistehen zu wollen, wenn ÖU, bei der gegen die serbische Führung angedrohten militärischen Reaktion im Fall der Besetzung Durazzos durch serbische Truppen, von 'dritter Seite' angegriffen werden sollte.

Also: Offene Kriegsdrohungen, öffentlicher Bündnisfall-Scheck auf Seiten Berlins für ÖU gegen St. Petersburg/Paris, Deeskalation auf Seiten von Paris/St. Petersburg.
 
Bei Schmidt kannst du sicherlich selbst nachschlagen. Die Seitenzahl hast du ja.

Im Übrigen verweise ich nochmals auf #324 und #342.
 
Nur ganz kurz:

Dir wird sicher nicht entgangen sein, das der österreichisch-ungarische Außenminister, Berthold, Berlin eindringlich gewarnt hatte, "das man die Gleichgültigkeit des deutschen Bundesgenossen nicht länger hinnehmen werde. "Man könne ebenso zu den anderen groupement gehören." Das war schon eine unangenehme Drohung, immerhin war Wien der einzig verbliebene, zuverlässige Bündnispartner, und für Bethmann im Folgenden eine Art von Seiltanz, denn auf der einen Seite wollte er die Großmachtstellung der Monarchie, auch gegenüber einem russischen Angriff, verteidigen und auf der anderen Seite gemeinsam mit London den Konflikt friedlich zu lösen. Was übrigens nebenbei angemerkt schließlich auch gelang.
Wilhelm II. wurde von Bethmann entsprechend auf Kurs gebracht. Am 25.November 1912 ließ er in der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung den Warnschuss abgeben, das die Großmächte übereingekommen sind, sich in keiner einzelnen Phase des Balkanproblems ik voraus festzulegen. In Wien war man reichlich verärgert. In der Wiener Presse stand zu lesen, "Deutschland blase ab". Das wird wohl kaum den Botschaftern Frankreichs, Großbritanniens und Russlands verborgen geblieben sein.

Am 02.Dezember erfolgte dann vor diesem von mir geschilderten Hintergrund die von dir erwähnte Reichstagsrede Bethmanns. Aller Dings fehlt bei dir dies Passage: "[...] bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles Erwarten von dritter Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz bedroht werden sollten [...]. Dann würden wir zur Wahrung unserer eigenen Stellung in Europa, zur Verteidigung unserer eigenen Zukunft und Sicherheit fechten.

Leider hat das Foreign Office diese zweigleisige Vorgehensweise Bethmanns nicht verstanden und reagierte entsprechend scharf. England stellte klar, das es bei einem europäischen Konflikt nicht stiller Zuschauer bleiben würde und unter keinen Umständen eine Niederwerfung Frankreichs dulden würde.

Das stand in Berlin überhaupt nicht zur Debatte. Wie gesagt, Grey und seine Mannen haben es nicht kapiert. Und sie stießen eine massive Kriegsdrohung aus!

Und wie schon ausgeführt: #324 und #342
 
Zuletzt bearbeitet:
»Wenn sie [die Österreicher] aber bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles
Erwarten von dritter Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz bedroht werden
sollten
, dann würden wir, unserer Bundespflicht getreu, fest entschlossen an ihre Seite
zu treten haben [. . .] und dann würden wir zur Wahrung unserer eigenen Stellung in
Europa, zur Verteidigung unserer eigenen Zukunft und Sicherheit fechten. Ich bin fest
überzeugt, daß wir bei einer solchen Politik das ganze Volk hinter uns haben werden.«

Aller Dings fehlt bei dir dies Passage: "[...] bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles Erwarten von dritter Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz bedroht werden sollten [...]. Dann würden wir zur Wahrung unserer eigenen Stellung in Europa, zur Verteidigung unserer eigenen Zukunft und Sicherheit fechten.

Das verstehe ich nicht.
 
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