Die Blücher und die Doggerbankschlacht 1915

Hallo Zusammen,

ich wiederhole mich ja nur ungern, aber die Problematik, woher die Briten wußten, was, mit wem und wo die Aufklärungsgruppe vorhatte, habe ich schon mal beschrieben.

Das habe ich schon gelesen. Aber so ganz eindeutig scheint man der Meinung nicht zu sein.
Aus dem Link
Im "Marinearchiv" Band 2 von 1930 wird das Ereignis wie folgt beschrieben: "...Die Geheimbücher waren sämtlich vorschriftsmäßig verbrannt worden, damit die nicht in Feindeshand fielen. Nur ein einziges Signalbuch, welches zur Verbindung mit eigenen Streitkräften, um diese herbeizurufen, dienen mußte, wurde mit dem dazugehörigen Chiffreschlüssel zurückbehalten. Als aus dem Nebel überraschend der Feind auftrat, wurde dies Signalbuch, welches mit Blei beschwert ist, über Bord geworfen. Beim Absuchen des Grundes haben die Russen nur dieses Buch gefunden, nicht aber den Chiffreschlüssel (das Buch war nicht wie Phantasten berichten, in den Armen einer Leiche). Den Russen fiel mit dem Signalbuch etwas in die Hände, was sie durch ihre Spionage schon vor dem Kriege besaßen. Da der Chiffreschlüssel aber nicht im Besitz der überlebenden und von einem deutschen Torpedoboot geretteten Mannschaft war, wurde von unserem Admiralstabe noch am gleichen Tage der Chiffreschlüssel gesperrt, so daß der Feind mit dem Signalbuch allein nur sehr wenig anfangen konnte. Dieses Signalbuch haben die Russen den Engländern ausgehändigt. Da alle Signale aber geschlüsselt waren, der Schlüssel von jetzt ab aber dauernd gewechselt wurde, ist ein nennenswerter Schaden daraus nicht vorhanden. Die kriegsgerichtliche Untersuchung hat das durchaus militärisch korrekte Benehmen des Kommandanten, des Signal- und Funkpersonals ausdrücklich festgestellt. Es ist im vorstehenden auf diesen Fall besonders eingegangen, weil in weiten Kreisen über den Verlust von Geheimbüchern der "Magdeburg" völlig falsche Gerüchte im Umlauf waren.

Aber mag es so oder so sein, wenn der gesamte vorgesehen Ablauf der Unternehmung tatsächlich per Funk übermittel wurde, waren die mehr als leichtsinnig.
 
Hallo,

da die Geschichte um die Signalbücher der Magdeburg so interessant ist, habe ich auch mal genauer Nachgeforscht und folgendes gefunden:

"Zu Beginn des 1.Weltkrieges konnten hingegen zunächst weder die französische, russische noch die britische Funkaufklärung die deutschen Funksprüche empfangen, da Telefunken fast 10 Jahre zuvor die Technik der Poulsen-Sender auf großen Schiffen eingebaut und versiegelt hatte und erst mit Kriegsbeginn die Geräte freigegeben und verwendet wurden. Die kaiserlicheen Offiziere waren sich der neuen Technik so sicher, dass sie die Sprüche nur anhand des Flottensignalbuches verschlüßeln liessen. Dies war ein folgenschwerer Fehler, denn die technischen Probleme waren auf alliierter Seite schnell gelöst und die britische Kriegsführung konnte im 1. wie später auch im 2. Weltkrieg von deutschen Geheimmatrial profitieren.

Am 11.August 1914 wurde der Kommandant des deutschen Dampfers Horbat im Hafen von Melbourne von dem australischen Captain Richardson zur Herausgabe von Geheimdokumenten gezwungen, darunter das geheime Handelsverkehrsbuch (HVB). Dies ermöglichte der britischen Entzifferungstelle, der "Room 40", den Funkverkehr der deutschen Marine mit den Handelsschiffen ab Oktober zu entziffern.

Ein ungewöhnlicher Fang folgte am 30.November 1914. Im Netz von britischen Fischern fand man eine Holzkiste mit dem geheimen Verkehrsbuch (VB) vom Führerboot S-119 ( KKpt. Thiele ) das mit der Halbflottike am 17. Oktober vor der Themsemündung Minen legte und dabei von britischen Zerstörern versenkt worden war. ...
Die Signalbücher ermöglichte die Entzifferung des Funkverkehrs der deutschen Kreuzer, die den englischen Schiffsverkehr bedrohten.

Die brisanteste Beute machte man allerdings die zaristische Marine. Der kleine Kreuzer Magdeburg war... Tragischer für die zukunft Deutschlands wirkte sich eine Anweisung des Kommandanten Richardt Habenicht aus, der befahl alle Geheimdokumente in den Heizräumen zu verbrennen - außer den noch in Gebrauch befindlichen Schlüsselbüchern. ...
Der Funkmaat warf das Signalbuch der Brücke (mit bleibeschwerten Deckel) zwar ordnungsgemäß über Bord, doch die Magdeburg befand sich im Flachwasser auf einer Sandbank. Das Signalbuch des Funkraumes nahm der Funkobermaat Neuhaus mit, als er über Bord sprang. Der Funkmaat Kiehnert verlor den Signalbuchschlüssel unter Wasser, das Kriegstagebuch wurde mit der Kriegskasse an Deck vergessen. Der Steuermann Jeske ertrank mit den Seekarten der deutschen Minensperren ebenso wie der Signalmaat Steinthal mit weiterem Kartenmaterial. Als das Schiff in Eile gesprengt wurde, waren noch nicht alle von Bord und fünf Mann der Besatzung starbe durch die Explosionen.
Unter strengster Geheimhaltung bargen die Russen zwei geheime Signalbücher vom Meeresgrund, darunter den Signalbuchschlüssel aus einer versteckt eingebauten Schublade in der Kommandantenkammer und das Kriegstagebuch und Kriegskasse. Die Quadratkarten mit den eingezeichneten Minensperren in der Ostsee wurden in den Armen des ertrunkenen Steuermanns entdeckt. Ferner wurden das persönliche Tagebuch des 1.Offiziers mit Eintragung zur Lage in der Ostsee und das Notizbuch des Artillerieoffiziers bei einem ertrunkenen Offizer sowie zehn geheime Lotsenbücher der Ostsee aus dem Kartenhaus geborgen. ...

Schlechte Funkdisziplin während der Einsätze erleichterte russischen wie englischen Aufklärern zusätzlich die Aufgabe.Das Signalbuch der Kaiserlichen Marine wurde der "Room 40" am 13. Oktober 1914 zur Verfügung gestellt. "

Quelle:
Blitz & Anker Informationstechnik - Geschichte & Hintergründe -
Band II, Joachim Beckh
 
Sehr interessanter Beitrag, obwohl manches nach "urban legend" klingt (Kiste im Fischernetz, Signalbuch und Karten in den Armen Ertrunkener). Angesichts von Wellengang und Strömung schwer vorzustellen, zumal die Bergung doch sicher nicht sofort auf der Stelle möglich war.
Die von dir genannte Quelle scheint ziviler Herkunft zu sein, wohl von einem Ing. geschrieben oder täusche ich mich? Ist sie wirklich seriös?
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr interessanter Beitrag, obwohl manches nach "urban legend" klingt (Kiste im Fischernetz, Signalbuch und Karten in den Armen Ertrunkener). Angesichts von Wellengang und Strömung schwer vorzustellen, zumal die Bergung doch sicher nicht sofort auf der Stelle möglich war.
Die von dir genannte Quelle scheint ziviler Herkunft zu sein, wohl von einem Ing. geschrieben oder täusche ich mich? Ist sie wirklich seriös?

Nun gut, ob es seriös ist kann ich nicht beurteilen. Habe es im Internet gefunden.
Aber wenn man die Geschichte der Magdeburg genau wissen will, dann denke ich, das am Objektivsten die Geschichte in dem Buch:
" Das Geheimnis der Magdeburg" vom Bernard& Graefe Verlag,
geschildert wird.
Leider habe ich dieses Buch nicht im Schrank.:weinen:

Kennst Du jemand, der daraus Berichten könnte, um dieses Geheimnis auf die Spur zu kommen?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo,


"Zu Beginn des 1.Weltkrieges konnten hingegen zunächst weder die französische, russische noch die britische Funkaufklärung die deutschen Funksprüche empfangen, da Telefunken fast 10 Jahre zuvor die Technik der Poulsen-Sender auf großen Schiffen eingebaut und versiegelt hatte und erst mit Kriegsbeginn die Geräte freigegeben und verwendet wurden. Die kaiserlicheen Offiziere waren sich der neuen Technik so sicher, dass sie die Sprüche nur anhand des Flottensignalbuches verschlüßeln liessen. Dies war ein folgenschwerer Fehler, denn die technischen Probleme waren auf alliierter Seite schnell gelöst und die britische Kriegsführung konnte im 1. wie später auch im 2. Weltkrieg von deutschen Geheimmatrial profitieren.

Am 11.August 1914 wurde der Kommandant des deutschen Dampfers Horbat im Hafen von Melbourne von dem australischen Captain Richardson zur Herausgabe von Geheimdokumenten gezwungen, darunter das geheime Handelsverkehrsbuch (HVB). Dies ermöglichte der britischen Entzifferungstelle, der "Room 40", den Funkverkehr der deutschen Marine mit den Handelsschiffen ab Oktober zu entziffern.

Ein ungewöhnlicher Fang folgte am 30.November 1914. Im Netz von britischen Fischern fand man eine Holzkiste mit dem geheimen Verkehrsbuch (VB) vom Führerboot S-119 ( KKpt. Thiele ) das mit der Halbflottike am 17. Oktober vor der Themsemündung Minen legte und dabei von britischen Zerstörern versenkt worden war. ...
Die Signalbücher ermöglichte die Entzifferung des Funkverkehrs der deutschen Kreuzer, die den englischen Schiffsverkehr bedrohten.



Schlechte Funkdisziplin während der Einsätze erleichterte russischen wie englischen Aufklärern zusätzlich die Aufgabe.Das Signalbuch der Kaiserlichen Marine wurde der "Room 40" am 13. Oktober 1914 zur Verfügung gestellt. "


Quelle:
Blitz & Anker Informationstechnik - Geschichte & Hintergründe -​

Band II, Joachim Beckh​


Das erscheint mir als des Rätsels Lösung. Ich habe schon mal irgenwo (bloß wo?)davon gelesen, dass die Deutschen 1914 von einem technischen Vorsprung in der Funktelegrafie ausgegangen sind.

Die Magdeburg-Story hört sich teilweise doch sehr nach "Illustrierte" an.
Was man allerdings nicht vergessen darf, die Informationen von 14-18 sind, da die "Geheimhaltung" ja nicht durch die totale Niederlage einer Seite durchbrochen ist, teilweise erheblich schwieriger zu bekommen. Mit einer Ausnahme: Die Sowjets haben zaristische Geheimakten, soweit es ihnen opportun schien, veröffentlicht. (nur daher haben wir ja Kenntnis, vom "franz. Blankoscheck" an Rußland 1914, von den Versprechungen an Italien, Japan, Araber, Juden dem "Wissen" Wilsons davon usw.)
Vielleicht hat eine Illustrierte der 20er Jahre aus diesen Quellen geschöpft????
 
Das erscheint mir als des Rätsels Lösung. Ich habe schon mal irgenwo (bloß wo?)davon gelesen, dass die Deutschen 1914 von einem technischen Vorsprung in der Funktelegrafie ausgegangen sind.

????


es ist mir wieder eingefallen.
Albatros hat 1914 ein paar Flugzeuge mit der für deutsche militärflugzeuge üblichen Funkausrüstung exportiert, was für die Albatros Direktoren erhebliche Probleme gab.
 
Hallo Zusammen,

ich habe mal in Richtung Telefunken recherchiert und bin auf folgendes gestoßen. Ist zwar nicht in Richtung Militärfunkerrei, aber dennoch interessant. Darum wollte ich euch das nicht vorenthalten.

www.radiomuseum.org/forumdata/users/5100/TZ_3Jg_Nr18_1v1_v10.pdf

www.friedewald-family.de/Publikationen/ZUG_Telefunken.pdf

Ich bin aber weiter auf der Suche, nach genaueren Daten, was die Kaiserliche Marine betrifft. Wär doch gelacht, wenn wir nicht etwas genaueres finden, oder?
 
Die von dir genannte Quelle scheint ziviler Herkunft zu sein, wohl von einem Ing. geschrieben oder täusche ich mich? Ist sie wirklich seriös?

Nochmal zu diesem Thema über die von mir genannte Quelle:

" Auf dem Torpedoschulschiff Württemberg wurde am 18.Juni 1910 durch Order von Kronprinz Willhelm und Mudterung des Kommandanten an Bord, das OFFIZIELLE ABZEICHEN - ANKER MIT ROTEM BLITZ - FÜR DAS F.T.-PERSONAL befohlen. Der Anker mit Blitz wird heute noch als Abzeichen in der Deutschen Marine verwentet."

Somit würde ich sagen, das die Herkunft dieser Quelle militärisch ist und der Geschichte der F.T. zu geordnet werden kann.
 
....Albatros hat 1914 ein paar Flugzeuge mit der für deutsche militärflugzeuge üblichen Funkausrüstung exportiert, ......

Nicht nur in dem Bereich hat man in Deutschland exportiert. Ganze Schiffe wurden von Privatwerften für die russische Marine gebaut. So lieferte die Schichau Torpedoboote, 1899 die Germania-Werft den Panzerdeckkreuzer Nowik, 1900 die Vulcanwerft den Kreuzer Bogatyr und die Germania-Werft den Kreuzer Askold und 3 Unterseeboote.
Noch 1913 bestellte die russische Marine zwei Kreuzer bei der Schichau in Danzig. Die Admiral Nevelskoj und die Muravjev Amurskij. Beide Schiffe waren zu Kriegsbeginn noch nicht fertiggestellt und wurden von der Kriegsmarine beschlagtnahmt. Umbenannt in Elbing und Pillau wurden sie für die Hochseeflotte wietergebaut und in Dienst gestellt.
Desweiteren wurde die Maschinenanlage für den russischen Schlachtkreuzer Navarin, mit deren Bau die Vulcan-Werft in Stettin beauftragt war, 1914 beschlagnahmt und in den Minenkreuzer Brummer eingebaut.

Schlecht wird es erst dann, wenn man Technik ins Ausland verkauft, die auch in eigenen Reihen verwendet wird. Vielleicht hat man damals die Funkerei und die damit verbundene Möglichkeit den Gegner auszuspionieren, noch nicht ernst genug genommen. Die Befehlsübermittlung per Funk stand 1914 ja noch in den Kinderschuhen und so große Marinen, wie britische, waren dem ganzen sehr konserativ eingestellt und übermittelten die Befehle noch mit Signalflaggen.
 
Im dichten Nebel wurden die kleinen Kreuzer Augsburg (Verbandsführer und Flaggschiff des Konteradmirals) und Magdeburg getrennt. Ohne Meldung des Verbandsführers behält der Kommandant den Kurs von SSO bei, obwohl die Lotungen nur noch geringe Wassertiefen aufweisen. Der Funkspruch des Verbandsführers trifft zudem noch verzögert ein, indem der neue Kurs ONO angegeben wird. Zu spät für die Magdeburg.

Die Ereignisse am 26.08.1914 vor Odensholm:

00:38 Uhr
Magdeburg läuft 300m WNW von Odensholm-Leuchtturm und Signalstation auf
01:03Uhr
Begleitschiff der Magdeburg, V 26 empfängt Funkspruch für Augsburg
-Auf Untiefe gelaufen 00:38 Uhr mit Kurs SOzO-
V 26 ist auf der Suche nach der Magdeburg und findet sie erst um 8:30 Uhr!
07:00Uhr
Nach vergeblichen Mühen, die Magdeburg frei zubekommen, kommt der Befehl des Kommandanten, alle Geheimdokumente in den Heizräumen zu verbrennen, mit der Einschränkung: nicht solche, die noch bebraucht werden. Diese sollen auf V 26 mit hinübergerettet werden, obwohl das Boot noch nicht zur Magdeburg gefunden hat.

Nicht verbrannt werden:
Signalbuch auf der Brücke
Signalbuch im Funkraum
Kriegssignalbuchschlüssel im Funkraum
Quadratkarte
Kriegstagebuch
Seekarten

08:30 Uhr
V 26 findet Magdeburg und man versucht vergebens das Schiff frei zuschleppen. Dabei wird russischer Funkverkehr gemeldet.

09:10 Uhr
Der Kommandant gibt den Befehl die Magdeburg zu räumen und zur Sprengung vorzubereiten.
Ein Missgeschick führt allerdings zur verfrühten Sprengung und die wilde Verwirrung an Bord, ermöglicht keine sichere Vernichtung der restlichen Geheimsachen mehr.
Das Kriegstagebuch wird mit Akten des Zahlmeisters in einen Sack verschnürt und mit der Schiffskasse auf dem Achterdeck zur Übergabe auf V 26 bereitgestellt.
Das Signalbuch der Brücke wirft Funkmaat Szillat nach den Bestimmungen des Admiralsstabs über Bord. Es liegt etwa 5m vom Schiff an der Backbordschanze aus zum Heck zu im Wasser. Szillat wird gerettet.
Das Signalbuch der Funkstation hat zuletzt Funkobermaat Neuhaus, der später im Wasser gesehen wird, aber ohne das Buch. Neuhaus gerät in Gefangenschaft.
Den Signalbuchschlüssel hält Funkmaat Kiehnert fest in der Hand, als er über Bord geht und wird er im Wasser von anderen Matrosen gestoßen und verliert dabei das Buch. Kiehnert wird gerettet.
Der Sack mit dem Kriegstagebuch wird an Bord vergessen.
Die Seekarten hat Steuermann Jeske an sich genommen und springt mit diesen über Bord. Er ertrinkt. Die Karten mit den eingezeichneten Minensperren findet man im Wasser unter seinem Arm.

Durch den herannahenden russischen Kreuzer Bogatyr und dem Panzerkreuzer Pallada wird eine weitere Übernahme der Besatzung der Magdeburg verhindert. Im Kampf dreht V 26 mit Höchstfahrt 30 kn ab.

Den Russen fällt das Signalbuch Nr.:151 in die Hände. Dies ist identisch mit dem von silesia angegeben Signalbuch im Link.


Quelle:
Das Geheimnis der Magdeburg - Matti E. Mäkelä
 
Nochmal zurück zur Doggerbank-Schlacht, da ich gerade die Jellicoe-Papers 1914-16 und den Naval Review durchgeblättert habe.

Ein Aspekt ist die Frage, inwiefern beide Seiten aus den Gefecht Folgen gezogen haben. Immerhin war es der erste Clash von Schiffen der Dreadnought-Ära (Spees Geschwader bei Falkland sei dabei wegen der deutschen Seite ausgeklammert).

Der Munitionsbrand nach dem Turmtreffer auf "Seydlitz" fand beiderseits starke Beachtung. Die deutsche Seite verbesserte daraufhin die Schutzvorrichtungen. Frage: was genau?

Auf britischer Seite wurde der Treffer mit masthoch schießender Stichflamme ebenfalls beobachtet und geisterte durch mehrere Berichte. Man fragte sich, wieso die "Seydlitz" diese katastrophale Treffer-Wirkung überstehen konnte und nicht gesunken ist.

Jedenfalls hält sich die Legende, dass die britische Seite keine Folgen gezogen habe. Das scheint aber nicht ganz richtig zu sein (NR und NA in verschiedenen Ausgaben zu Jutland und Doggerbank).

Auch die britische "Lion" hatte an der Doggerbank einen Turmtreffer erhalten, der Flutungen auslöste, um eine Explosion der Munitionskammern zu verhindern. Auf britischer Seite, nämlich in der Führung der "Lion" wurde das Problem identifiziert, dass die Korditladungen für die Geschosse zu reichlich in den Turmbereichen gelagert wurden (zwecks Schnellfeuer). Dieses betraf:
a) den Turm selber, in dem Ladungen auf Vorrat gehalten wurden
b) die "working chambers" unterhalb der Geschütztürme, eine Umladestelle
c) die Transportwege aus den Kordit-Magazinen unmittelbar über den Granaten-Magazinen.

Nur für "Lion" wurde vom Artillerieoffizier angeordnet, die Stapelung der Korditballen auf ein Minimum in der Turmzufuhr und der working chamber zu begrenzen. Damit sollte die Explosionsgefahr (Stichflamme, die die Munitionskammer erreicht) reduziert werden. Die Anweisung auf "Lion" wurde jedoch nicht an die anderen Schiffe weiter gegeben. Diese hatte fatale Folgen für "Indefatigable" und "Queen Mary" am Skagerrak. "Lion" rettete die Anweisung möglicherweise vor dem Untergang: auch am Skagerrak erhielt das Schiff einen Turmtreffer mit einsetzenden Bränden. Erst nach 20 Minuten wurden die Munitionskammer - allerdings noch rechtzeitig - geflutet. Anders als bei der ähnlich gebauten "Queen Mary" wurde die Explosion der Munitionskammern vermieden. Nach dem Artikel in den NA scheint hier Schlamperei in der Weitergabe der Informationen und in der sorgfältigen Trefferauswirkung vorgelegen haben. Ebenso wurden keine operativen Folgen aus der - Jellicoe bestürzenden - Beobachtung gezogen, dass die Maximalpanzerung der "Lion" gegen deutsche 30,5cm-Geschütze (12-inch) auf Entfernungen unter 130 hm keinen Schutz bot.
 
Der Munitionsbrand nach dem Turmtreffer auf "Seydlitz" fand beiderseits starke Beachtung. Die deutsche Seite verbesserte daraufhin die Schutzvorrichtungen. Frage: was genau? [...]
[...]Den der Treffer auf der Seydlitz, der die beiden hinteren Türme aussergefecht setzte, gab eine große Schwachstelle preis. Die Verbindung zwischen den Türmen war um die Feuergeschwindigkeit zu erhöhen und den Munitionstransport zu erleichtern ohne ein Schott oder Splitterschutz. Das war bei allen Marinen so. [...]
Jedenfalls hält sich die Legende, dass die britische Seite keine Folgen gezogen habe. Das scheint aber nicht ganz richtig zu sein (NR und NA in verschiedenen Ausgaben zu Jutland und Doggerbank). Auch die britische "Lion" hatte an der Doggerbank einen Turmtreffer erhalten, der Flutungen auslöste, um eine Explosion der Munitionskammern zu verhindern. Auf britischer Seite, nämlich in der Führung der "Lion" wurde das Problem identifiziert, dass die Korditladungen für die Geschosse zu reichlich in den Turmbereichen gelagert wurden (zwecks Schnellfeuer).
Ganz genau, die Briten haben sicherlich Lehren aus diesen Ereignis gezogen, doch ebend nur die Hälfte der Probleme erkannt.

Die zusätzliche Schottwand wurde nicht berücksichtigt, man schloss ebend nur auf die Problematik der Lagerung in dem Turmunterbaubereichen. Hinzu kam noch, dass das britische Pulver von einer anderen Zusammensetzung war, als das deutsche Pulver. Das deutsche Pulver verbrannte wesentlich Langsamer, was dazu führte, daß die Türme „nur“ ausbrannten. Das britische Pulver verbrannte schnelle und wirkte so, wie eine Explosion, was ja auch immerwieder bei den späteren Verlusten Sommer 1916 mit angeführt wird.

Schau Dir den Belüftungsplan der Seydlitz an, da sind im Bereich der Unterbauten der Barbetten die beiden Öffnungen als Türen zwischen den Türmen zu erkennen. Dies wurde nach der Doggerbankschlacht geändert.

http://www.dreadnoughtproject.org/plans/SM_Seydlitz_1913//luftungsanlage_langsschnitt_100dpi.jpg
 
Da ergeben sich Fragen:

Welchen Zweck hat die zsätzliche Schottwand im Gefecht, wenn die Treibladungen und Grananten permanent, etwa 1-2 Chargen pro Minute, über das Aufzugssystem geführt wird?

Wieviel langsamer brannte das deutsche Kordit? Hinzuweisen wäre auch auf die Verpackung iG zu den britischen "Ballen". Welche Bedeutung hatte dieses bei den Turmtreffern "Lion" Jutland/Doggerbank?

Die Funktion der Belüftungsschlitze bei Trefferwirkung und abbrennendem Kordit würde ich hinterfragen. Bei dem Turmtreffer "Lion" ging der Korditbrand über die Leitungswege und gefährdete das Magazin. Dass ist im Turminneren mit dem Gewirr von Hydraulik, Kabel etc. unvermeidbar.

Welche Korditmenge brannte an der Doggerbank bei Turmtreffer "Seydlitz" etwa ab? Das müßte man über Zeitpunkt und Verschuß pimaldaumen schätzen können.

P.S. schau mal auf den Querschnitt bei 127m.
P.P.S. nette Animation von Turm, Working Chamber und Magazinen
http://www.hightech-edge.com/wp-content/uploads/animate-gun-turret-british.gif
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Formidable_class_12_inch_gun_turret_right_elevation.jpg
 
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Zum Ablauf bei Seydlitz:

Der Treffer ereignete sich 10.43 Uhr, nachdem das Gefecht schon eine Weile andauerte.

Eine 34,3cm-Granate der Lion durchschlug achtern die Schanz kurz vor der Barbette von Turm D; danach drang das Geschoss mit glattem Durchschlag (Foto bei Koop/Schmolke) durch die 230mm starke Barbettenpanzerung in den Turmunterbau.

Die Explosion der Geschossladung ereignete während oder nach dem Durchschlag durch den Barbettenpanzer. In der dahinter liegenden Ladekammer entzündeten sich die Kartuschen in den Transportbahnen. Durch die Aufzugsschächte schoss eine Stichflamme nach oben und brachte das auch hier befindliche Kordit zur Zündung (Vorkartuschen in Seidenbeutel, Hauptkartuschen im Mantel). Bedienungsmannschaften, die sich zu retten suchten, öffneten die Schotttür zum Kartuschenraum von Turm C, so dass die Stichflamme auch hier eindrang (so die gängige Schilderung, allerdings habe ich Zweifel, ob die Schotttüren erst geöffnet wurden oder bereits offen standen).

In wenigen Sekunden brannten über 6000kg Pulver in beiden Türmen ab: 62 Voll-Chargen zu 114 kg RPC/38. Durch die Turmöffnungen von C und D erreichte die Stichflamme Masthöhe (britische Beobachtung der beiden hinteren Türme nach Treffer). Unten im Schiff gelang es dabei zwei Pumpenmeistern, die Flutventile der Geschoß-Magazine zu fluten, die nicht explodierten. Beide Turmbesatzungen waren unter den 165 Opfern.

Geschoss: 13,5inch bzw. 34,3cm-Granate der Lion
Entfernung 170 hm (lt. Koop/Schmolke) – fraglich?
Winkel, Geschwindigkeit, Durchschlagskraft?
 

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Die Explosion der Geschossladung ereignete während oder nach dem Durchschlag durch den Barbettenpanzer. In der dahinter liegenden Ladekammer entzündeten sich die Kartuschen in den Transportbahnen. Durch die Aufzugsschächte schoss eine Stichflamme nach oben und brachte das auch hier befindliche Kordit zur Zündung (Vorkartuschen in Seidenbeutel, Hauptkartuschen im Mantel). Bedienungsmannschaften, die sich zu retten suchten, öffneten die Schotttür zum Kartuschenraum von Turm C, so dass die Stichflamme auch hier eindrang (so die gängige Schilderung, allerdings habe ich Zweifel, ob die Schotttüren erst geöffnet wurden oder bereits offen standen).
Tolle Darstellung, aber Du hast einen ganz wesentlichen Punkt übersprungen.

Die 34iger Granate zerschlug zwar den Barbettpanzer unterhalb des Decks, aber nicht die Granate drang in den Aufzugsschacht der Barbette ein, sondern nur heiße Granatsplitter bzw. Splitter der zerbrochenen Panzerung.
Diese entzündeten die in dem Aufzugsschacht gelagerten Pulverladungen des Turm E.
Beim Flüchten der Turmmanschaft von E nach C sollten wohl die Schotttüren geöffnet worden sein. Da stimme ich Dir zur, die waren sicherlich garnicht erst geschlossen worden und so konnten die Flammen auch auf Turm C übergreifen.

Entscheidend für die spätere Umrüstung war aber die Tatsache, daß hier zusätzliche Splitterschotts im Turm dafür sorgen sollten, daß diese Verbreitung innerhalb der Barbette der heißen Splitter verhindert werden sollte.
Und zusätzlich wurden wohl auch die Bestimmungen bzgl. der Schließung von Schotttüren überarbeitet.

Allerdings habe ich mich gefragt, ob beim Abbrennen des Pulvers nicht auch die Lüftungsanlage daß überschlagen der Flammen von einem auf den anderen Turm begünstigt hat. Sicherlich gab es soetwas wie Brandschutzklappen heut im Lüftungssystem nicht, zumal diese in der Reaktionszeit wohl auch zu langsam wären.
Ich möchte zu diesem Vorgang auf das Drama des russischen Ubootes Kursk hinweisen, denn auch hier konnten sich die Explosion- und die Stichflammen über die Lüftungsanlage ausbreiten, trotz geschlossener Schotten.
 
Du hast einen ganz wesentlichen Punkt übersprungen.
Die 34iger Granate zerschlug zwar den Barbettpanzer unterhalb des Decks, aber nicht die Granate drang in den Aufzugsschacht der Barbette ein, sondern nur heiße Granatsplitter bzw. Splitter der zerbrochenen Panzerung.

Den habe ich bewußt übersprungen und will das wie folgt begründen:

1. Zunächst gibt es das Foto im Koop/Schmolke, dass den Durchschlag als glatte Perforation des 230mm KC-Stahles zeigt (dazu siehe unten die ballistischen Überlegungen). An dem Durchschussloch könnte man das Kaliber 34,3cm des Geschosses ausmessen, es gibt keinen Bruch der Panzerplatte. Damit muss das Geschoss ins Innere der Barbette im Bereich der Aufzüge/Umladung gelangt sein.

2. Wäre das Geschoss außerhalb der Panzerung explodiert, müßten entsprechende Schäden sichtbar sein. Die sehe ich nicht (es gibt ein Foto vom durchschlagenen Deck vor der Barbette).

3. Die Berichte von dem Ereignis enthalten diverse Fehler. Beispiel: das Geschützfeuer soll angeblich auf 10 Schuss pro Minute erhöht worden sein, da mit der Vernichtung des Schiffes gerechnet wurde - eine technische Unmöglichkeit. Dazu paßt weiter die mE erfundene Story, dass sich Mitglieder der Crew beim sofortigen Abbrennen des Kordits (nehmen wir zunächst nur zwei Ladungen mit 200 kg im Turminneren vor weiteren Entzündungen) durch Schottöffnung retten wollten. Dazu paßt auch der abgestrittene Durchschlag durch die 230mm Krupp-cemented-Panzerung. Letztlich ist dass aber egal, Überlebende Augenzeugen gibt es nicht, ebensowenig kenne ich einen überlieferten Untersuchungsbericht als Quelle.

4. das technische Argument:
Die 34,3cm-Geschosse sind auf 17.000 Meter Entfernung, Einfallwinkel ca. 21°, Geschoss-Geschwindigkeit beim Auftreffen 420 meter/sec., Geschossgewicht 640 kg ...

in der Lage, 230mm-Vertikalpanzerung KC-Stahl glatt zu durchschlagen (bei etwa 260mm würde ein partieller Durchschlag von Geschossteilen gelingen, bei etwa 280mm würde das Geschoss zerplatzen).

British 13.5"/45 (34.3 cm) Mark V
Letztlich kann man aber dahingestellt lassen, ob glühende Panzerungsteile oder das Geschoss den Brand im Turminneren verursacht hat. Die Lüftungszufuhr, sowie der Austritt der Stichflammen aus den oberen Turmöffnungen (die Türen kann man wegen der Gefechtssituation als Verschlußlage deuten) lassen mE auf einen Kamineffekt und ein "relativ"" langsames Abbrennen des Kordits schließen.
 
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Wenn man tiefer gräbt:

Aufgrund der umfangreichen Darstellung in Marinearchiv Nordsee III ist noch gelegentlich ein Nachtrag fällig. Vorab: die vielfach abgeschriebene Legende von den 10 Schuss p.M (so auch von Koop/Schmolke) stammt wohl von hier. Dort ist allerdings vom 10-Sekunden-Intervall die Rede (was technisch immer noch unmöglich ist).
 
Könnte es sein , dass sich die 10 Schuss pM auf die Mittelartillerie beziehen ?
Bei Geschützen der 15 cm Klasse ist das ein durchaus erreichbarer Wert .
 
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