In Kalkriese konnten die über zwanzigjährigen, sehr akribisch und professionell durchgeführten Ausgrabungen die Darstellungen bestätigen, die uns Tacitus zum Ablauf der Schlacht an den Pontes longi überliefert hat.
Diese Zusammenfassung stellt die Ergebnisse der Ausgrabungen auf den Kopf!
Caecina ließ zwei Legionen (5.,21.) jeweils an den Flanken positionieren,...
...rückten die beiden Legionen an den Flanken gegen den Befehl vor und besetzten eine Fläche jenseits der Engstelle.
> Die beiden Fundstränge westlich des Engpasses von Kalkriese zeigen diese Gabelung der Truppen.
Das Fundspektrum der beiden "Fundstränge" jenseits des Engpasses unterscheidet sich zwar deutlich von dem vor dem Wall. Dass in den Bereichen überhaupt etwas gefunden worden ist, belegt aber, dass dort nicht bloß zwei Legionen durchmarschiert sind. Die verlieren ja nicht einfach so Teile ihrer Ausrüstung. Die Truppen, die dort Ausrüstungsteile verloren oder zurückgelassen haben, werden also zuvor im Kampf gestanden haben. Die von Dir angesprochenen Caecina-Legionen haben aber nicht gekämpft. Jedenfalls nicht unmittelbar vor ihrem Vorstoß auf freies Gelände.
Im Engpass selbst, also am „Oberesch“, haben die Germanen die Bäche vom Berg heruntergeleitet, um den Wall der Römer zu unterspülen. Diese reagieren schnell mit Drainagegräben und Gruben, um das Wasser vom Wall abzuleiten.
> Auch diese Beschreibung konnte durch den Befund in Kalkriese bestätigt werden.
Alles schon mal diskutiert, aber egal: Wenn es so wäre, müsste die Masse der Kampfspuren auf der anderen Seite des Walls zu finden sein. Sind sie aber nicht. Außerdem: Warum hätte Caecina einen Wall bauen und nachträglich mit Gräben gegen Unterspülung sichern sollen, wenn er die Befestigung dann kampflos dem Gegner überlassen hat? Wäre er so blöd gewesen, hätte er die Schlacht nicht überstanden.
Als der Tross im Schutz des Walles vorrückt, greifen die Germanen vom Hügel herab an und treffen ihn in der Flanke.
Es entsteht ein heilloses Durcheinander, in dem besonders die Pferde und Lasttiere der Römer zu Schaden kommen.
> Knochen von Pferden und Maultieren wurden in Kalkriese in großer Menge gefunden,bis hin zu komplett verschütteten Skeletten. Die überwiegend zivilen römischen Fundgegenstände hinter dem Wall zeigen ebenfalls, dass hier offensichtlich ein Tross in Kampfhandlungen verwickelt wurde.
Willst Du andeuten, dass der Wall von den Angreifern umgedrückt wurde? Der war mindestens doppelt so breit wie hoch. Sowas drückt man nicht um. Übrigens war es römische Standardtaktik, solche Befestigungsanlagen mit an Seilen befestigten Haken zu bewerfen und umzureißen. Ist auch schon mehrfach gesagt worden.
Der Ablauf der durch Tacitus geschilderten Schlacht an den Pontes Longi kann in seinen wesentlichen Punkten durch die archäologische Arbeit in Kalkriese bestätigt werden.
Nur wenn man ganz wesentliche Teile der Funde ignoriert. Dazu später noch einige Anmerkungen...
Rost erklärte, daß die Fundorte der Gegenstände nicht auf Kampfhandlungen schließen lassen, sondern eher auf eine spätere Anhäufung bzw. Sammlung der Gegenstände.
Hast Du da nur was falsch verstanden oder machst Du das mit Absicht? Rost hat gesagt, dass bei den Ausgrabungen keine Spuren gefunden wurden, anhand derer man den Verlauf der Kampfhandlungen nachzeichnen könnte. Also zum Beispiel keine Konzentrationen von Geschossspitzen, die zeigen würden, gegen welche Zonen Fernwaffenbeschuss gerichtet war. Gesagt worden ist, dass die meisten Spuren offenbar aus Kleinteilen bestanden, die beim gewaltsamen Plündern von Gefallenen abgerissen wurden. Stimmst Du mir zu, dass es sehr wohl auf Kampfhandlungen hindeutet, wenn irgendwo zahlreiche Leichen von Soldaten rumliegen? Die Alternative wäre eine spontan auftretende und sofort tödliche Seuche.
Zu Deinen Äußerungen über die "Logik der Vernichtung" hat El Quijote schon sehr treffende Dinge gesagt. Von mir sei noch angemerkt, dass es seit eh und je zu den Grundlagen militärischer Taktik gehört, einen Feind nur dann in die Enge zu treiben, wenn die eigenen Kräfte so massiv überlegen sind, dass sie auf jeden Fall gewinnen werden. Ein Feind, dem kein Ausweg mehr bleibt, neigt zu irrationalen Verzweiflungstaten.
Bezogen auf den Kalkriese-Wall: Wäre der so gebaut gewesen, dass er den Engpass gesperrt hätte, dann wäre den Römern überhaupt keine andere Wahl geblieben, als ihn aus dem Weg zu räumen. Den dazu nötigen Druck hätte die Marschsäule ganz von selbst aufgebaut, da die von hinten heranziehenden Truppen die Vorhut gegen den Wall gedrängt und zudem noch laufend verstärkt hätten. So ein Gefecht wäre für die Legionen verlustreich gewesen, aber der Wall wäre mit Sicherheit abgeräumt worden - und vermutlich hätten die Legionen dann sogar ihren empfindlichen Tross weitgehend unversehrt aus dem Gefecht herausbringen können.
Indem der Wall parallel zum Weg angelegt wurde und den Durchgang nur enger machte, wurde den Legionen der Durchzug als "billigere" Alternative offen gelassen und die Angreifer haben die Chance erhalten, den Tross zu dezimieren. Energische Angriffe gegen den Wall wurden auch deshalb schwierig, weil es für die Legionen kaum möglich war, in ausreichender Zahl vor dem Wall Halt zu machen. Sie hätten dazu die nachdrängenden eigenen Einheiten zum Stehen bringen müssen. Die wollten aber nicht stehen bleiben, weil sie selbst angegriffen wurden. Die Funde belegen, dass schon vor dem Engpass gekämpft wurde.
Dass der Kampf schon am Wall entschieden werden könnte, haben die Germanen sicher nicht angenommen. Gehofft vielleicht, aber nicht geglaubt. Dazu waren sie von den Römern zu oft verprügelt worden.
Übrigens behauptet von den Archäologen schon lange niemand mehr, dass Kalkriese das "finale Schlachtfeld" gewesen sei.
MfG