Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ich habe noch ein paar Fragen bezügl. des Walls:

1.
Ist es sicher, daß die Grassoden vor dem Wall entnommen wurden? Wie lässt sich so etwas heute noch feststellen?

Nichts ist so dauerhaft wie ein Loch. Wenn ein archäologischer Befund, etwa eine Abfallgrube oder eine Vorratsgrube plötzlich abbricht, ist sie abgebaut worden. Wenn man im Wallmaterial die Scherben und Knochen aus den Abfallgruben wiederfindet, dann ist die logische Schlussfolgerung, dass das Material aus dem Wall aus den abrasierten Abfallgruben stammt.

2.
Hatten die Germanen (unterstellen wir sie waren hinter dem Wall) irgendwelche "Fernwaffen" um die vorbeiziehenden Römer zu attackieren? Die typische Bewaffnung (frame) war ja eher eine Stich- bzw. Nahkampfwaffe. Hatten die Germanen Bogenschützen?
Speere, Steine; Pfeil und Bogen sind für die Germanen meines Wissens erst in der Völkerwanderungszeit als Kriegswaffen sicher nachgewiesen (mit dem ersten Bajonett).

3.
Abgestochene Grassoden vor dem Wall erschweren den (Wall-) Angreifern ihr Werk. Aber da sind ja auch die Durchlässe. Wenn die Germanen hinter dem Wall auf das Schlachtfeld gestürmt sind, dann befanden sie sich doch auch diese auf rutschigem Grund. Oder?
Grundsätzlich erstmal schon.
 
Als interessierter Laie verfolge ich die Diskussion schon eine Weile und finde sie sowohl informativ als auch sehr spannend! :yes:

Ich hoffe, dass der Ort der Varusschlacht nicht so bald zweifelsfrei gefunden wird! Ein spannendes Diskussionsthema würde uns verloren gehen!
 
Als interessierter Laie verfolge ich die Diskussion schon eine Weile und finde sie sowohl informativ als auch sehr spannend! :yes:

Ich hoffe, dass der Ort der Varusschlacht nicht so bald zweifelsfrei gefunden wird! Ein spannendes Diskussionsthema würde uns verloren gehen!

Keine Bange, das wird so schnell nicht passieren. Selbst wenn ein Schild mit der Inschrift "Hier hat die Varus-Schlacht stattgefunden" gefunden wird, werden Zweifel und Zweifler bleiben.

Apvar

P.S. Kann mich nur meinem Vorredner anschliessen und macht weiter.
 
Speere, Steine; Pfeil und Bogen sind für die Germanen meines Wissens erst in der Völkerwanderungszeit als Kriegswaffen sicher nachgewiesen (mit dem ersten Bajonett).

Die Germanen hatten schon "Fernwaffen". Bei Tacitus steht: "Etwa um die dritte Nachtwache stürmte der Feind gegen das Lager heran; doch kam es zu keinem Geschoßwechsel." 2.Buch (12) Lager bei Idistaviso oder " ....diejenigen jedoch, die den Erdwall zu erstürmen hatten, hatten, wie wenn sie an eine Mauer heranrückten , unter einer schweren Beschießung von der Mauer herab zu leiden." 2.Buch (20) Angrivarierwall.
Ebenso, wie die Kelten (z.B. bei Alesia), hatten die Germanen auch die Möglichkeit den Feind auf Distanz anzugreifen. Allerdings hatten sie keine Abteilungen, die sich auf eine bestimmte Waffe spezialisiert hatten. Vielmehr hatten wohl einige Germanen ihre, ansonsten als Jagdwaffen genutzten, Pfeil und Bogen dabei.
 
Soweit mir bekannt, gibt es keine Belege für Pfeil und Bogen als Kriegswaffe bei den Germanen vor dem 3. Jahrhundert. Die Römer verlegten extra Bogenschützen aus Vorderasien als "Wunderwaffe" an den Limes und noch von Totilas Goten hiess es, sie verwenden den Bogen nur zu Fuss und mit wenig Effizienz.
 
Die Germanen hatten schon "Fernwaffen". Bei Tacitus steht: "Etwa um die dritte Nachtwache stürmte der Feind gegen das Lager heran; doch kam es zu keinem Geschoßwechsel." 2.Buch (12)

Im lateinischen Text steht wörtlich: "tertia ferme vigilia adsultatum est castris sine coniectu teli". Ich würde telum mit 'Wurfgeschoss' übersetzen, kann aber nicht ausschließen, dass damit nicht vielleicht doch der Pfeil gemeint ist.
"....diejenigen jedoch, die den Erdwall zu erstürmen hatten, hatten, wie wenn sie an eine Mauer heranrückten, unter einer schweren Beschießung von der Mauer herab zu leiden." 2.Buch (20)
Hier steht im Lateinischen "quis inpugnandus agger, ut si murum succederent, gravibus superne ictibus conflictabantur."
Also "diejenigen, welche die Mauer erstiegen, hatten von oben herab schwere Schläge zu erleiden."

Schwer zu deuten ist die Stelle (Tac. ann. II, 16): "Noster exercitus sic incessit: auxiliares Galli Germanique in fronte, post quos pedites sagittatii; dein quattuor legiones et cum duabus praetoriis cohortibus ac delecto equite Caesar; exim totidem aliae legiones et levis armatura cum equite sagittario ceteraeque sociorum cohortes."

"Unser Heer rückte so voran: Die gallischen und germanischen Auxiliarii zuvorderst, hinter diesen die fußläufigen Pfeilschützen [sind das Römer oder Hilfstruppen? Ich würde hier sagen Römer] dann vier Legionen und mit zwei Prätorianerkohorten und ausgewählten [eigentlich erfreuenden] Reitern der Caesar [oder ist es der daran gefallen findende Caesar der ein einzelner Reiter ist?] dann ebenso viele andere Legionen und leichte Waffen mit berittenen Pfeilschützen und anderen verbündeten Kohorten/Scharen [diese berittenen Pfeilschützen wären der Logik des Satzes entsprechend - "und anderen verbündeten Kohorten" - Auxiliartruppen]."
 
Soviel ich weiß, gibt es in Kalkriese keinerlei Hinweise auf Pfeile.

Wie soll man sich denn die Situation genau vorstellen?

Da befinden sich Römer in einem Engpass. Sie werden von einem Wall aus bekämpft. Aber wie genau. Mit Steinen oder auch einigen Wurfspeeren? Dann kann ich mich dagegen auch schützen (Schild) und zusehen, das ich möglichst schnell aus diesem Engpass herauskomme. Aber nein, man geht doch in Kalkriese davon aus, daß die Römer gegen diesen Wall angerannt sind, bzw. ihn versucht haben zu stürmen. Waren es die Ausfälle der Germanen? Dann müßten sich aber diverse Spuren im Engpass finden (oder vieleicht auch nicht - wegen der Plünderungen). Auf jeden Fall muß es eine Veranlassung für die Römmer gegeben haben, den Wall zu stürmen. Das müßten doch dann eher auch Waffen gewesen sein, die man auch auf eine gewisse Entfernung nutzen konnte.
 
Kann man eigendlich die Waffenfunde bei Kalkriese (relativ) eindeutig einer Partei zuordnen? :grübel:

Es waren doch im Laufe der Jahre so einige Germanen in römischen Diensten gewesen, so dass sich in den germanischen Reihen sicher so manche römische Waffe befunden haben wird (bzw. solche Waffen nachgebaut wurden).

Gibt es da in den div. Quellen Hinweise?

Gruß
Andreas
 
Man kann feststellen, dass ein Artefakt typisch römisch ist, oder typisch für eine archäologische Kultur, oder ob es sich um eine Kopie eines römischen Artefaktes handelt etc. Wer aber das Artefakt zuletzt benutzt hat, das lässt sich nicht feststellen. Es gibt eben nur Wahrscheinlichkeiten.

Wenn wir bei Kalkriese gefundene Artefakte nehmen, etwa die Pfeilspitzen, die dolabra und ein Arztbesteck, so kann man mit einiger Sicherheit annehmen, dass das Arztbesteck von Römern benutzt wurde, während die dolabra und die Pfeilspitzen genauso gut von einem Germanen hätten benutzt werden können, insbesondere wenn man annimmt, dass unter den Germanen Leute waren, die bis zum Ausbruch der Schlacht in römischem Sold standen und entsprechend gerüstet waren.
 
Doch, vereinzelte Pfeilspitzen hat man gefunden. Aus Metall, also wahrscheinlich römischer Herkunft, keine aus Knochen oder Geweih.

Gut.

Aber die Römer müssen sich stark unter Druck gefühlt haben-vom Wall aus.
Sonst hätten sie diesen doch nicht angegriffen, was sicherlich mit großen Verlusten verbunden war.

Einzige Erklärung bleibt für mich die allgemeine Fundlage:

Wenn die Germanen (wovon auszugehen ist) keine, bzw. wenig Waffen hatten, die auf größere Distanz wirkten, dann haben wohl die Ausfälle den Ausschlag gegeben. Dann müßte es so sein, daß aufgrund der Plünderungen auf der freien Ebene nur wenig Funde gemacht wurden und vor dem Wall das Fundaufkommen höher ist aufrgrund des Wallversturzes.
Stichwort: Maultierskelett
 
Es waren doch im Laufe der Jahre so einige Germanen in römischen Diensten gewesen, so dass sich in den germanischen Reihen sicher so manche römische Waffe befunden haben wird (bzw. solche Waffen nachgebaut wurden).

Gibt es da in den div. Quellen Hinweise?


Vereinzelt mag es römische Waffen in germanischem Besitz gegeben haben. Eine Komplettausstattung der germanischen Bundesgenossen mit römischen Waffen kann allerdings für die Zeit des Augustus nahezu ausgeschlosssen werden. Es handelte sich zu dieser Zeit noch nicht um auxiliari, sondern um socii.

Erst mit dem Sieg über die Legionen des Varus fielen den Germanen große Mengen der begehrten römischen Waffen in die Hände.

Tacitus schreibt vor der Schlacht gegen Marbod (17 n.Chr.) dazu:

„Jetzt besichtigte Arminius zu Pferd alles und wies überall, wohin er ritt, auf die wiedergewonnene Freiheit, die erschlagenen Legionen und auf die den Römern abgenommenen Waffen hin, die noch immer in vieler Hände seien.“
(Tac. II, 45)

Mit anderen Worten:
In den Kämpfen gegen Germanicus (und später Marbod) setzten die Germanen die hochwertigen römischen Waffen ein, die sie zuvor in der Varusschlacht massenhaft erbeutet hatten.
 
@Cato
An eine Vollausstattung hatte ich auch nicht gedacht.

Aber selbst eine teilweise Ausstattung mit römischen Waffen macht die Zuordnung von Funden gewiss nicht leichter!

Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber gibt es Hinweise, dass die Römer auch germanische Waffen nutzten?

Gruß
Andreas
 
@Cato
An eine Vollausstattung hatte ich auch nicht gedacht.

Aber selbst eine teilweise Ausstattung mit römischen Waffen macht die Zuordnung von Funden gewiss nicht leichter!

Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber gibt es Hinweise, dass die Römer auch germanische Waffen nutzten?

Gruß
Andreas

M. W. ist in dem Funkomplex Kalkriese nur ein einziger Fund (m. W. Reitersporn) germanischen Ursprungs.
 
warum sollte man Spitzen aus Knochen und Geweih finden?
Pfeilspitzen sind nun mal Handelsware und Massenware, nicht besonders teuer und Handelsbeziehungen zwischen Germanen und Römern gab es.
Das wenige Spitzen gefunden wurden, zeigt:
es gab einen Sieger, und der hat die Pfeile eingesammelt, denn so billig, das man sie liegen lässt, sind Pfeile nun auch nicht. Wer den Pfeil abgeschossen hat, lässt sich nur aus der Richtung erkennen, denn im Gefecht werden die "recyceld", sprich:
zurückgeschossen.
 
warum sollte man Spitzen aus Knochen und Geweih finden?

Ich denke, du beziehst dich auf die von diesem Beitrags ausgehende Diskussion?

Doch, vereinzelte Pfeilspitzen hat man gefunden. Aus Metall, also wahrscheinlich römischer Herkunft, keine aus Knochen oder Geweih.

Dann möchte ich nachdrücklich Missverständnissen vorbeugen.

Kann man eigendlich die Waffenfunde bei Kalkriese (relativ) eindeutig einer Partei zuordnen? :grübel:

El Quijote;492303[B schrieb:
]Man kann feststellen, dass ein Artefakt typisch römisch ist[/B], oder typisch für eine archäologische Kultur, oder ob es sich um eine Kopie eines römischen Artefaktes handelt etc. Wer aber das Artefakt zuletzt benutzt hat, das lässt sich nicht feststellen. Es gibt eben nur Wahrscheinlichkeiten.

Wenn wir bei Kalkriese gefundene Artefakte nehmen, etwa die Pfeilspitzen, die dolabra und ein Arztbesteck, so kann man mit einiger Sicherheit annehmen, dass das Arztbesteck von Römern benutzt wurde, während die dolabra und die Pfeilspitzen genauso gut von einem Germanen hätten benutzt werden können, insbesondere wenn man annimmt, dass unter den Germanen Leute waren, die bis zum Ausbruch der Schlacht in römischem Sold standen und entsprechend gerüstet waren.


Pfeilspitzen sind nun mal Handelsware und Massenware, nicht besonders teuer und Handelsbeziehungen zwischen Germanen und Römern gab es.

Ich denke, das kommt in den obigen Beiträgen implizit zum Ausdruck, wenn auch nicht unter dem Aspekt Handelsbeziehung sondern dem militärischer Zusammenarbeit.

Dass wenige Spitzen gefunden wurden, zeigt:
es gab einen Sieger, und der hat die Pfeile eingesammelt, denn so billig, das man sie liegen lässt, sind Pfeile nun auch nicht. Wer den Pfeil abgeschossen hat, lässt sich nur aus der Richtung erkennen, denn im Gefecht werden die "recyceld", sprich: zurückgeschossen.

Dass wenige Pfeilspitzen gefunden wurden zeigt eher, dass die Erhaltungsbedingungen nicht die besten waren, womit dem Einsammeln von Pfeilen nicht widersprochen sein soll.
 
@El: Dass wenige Pfeilspitzen gefunden wurden zeigt eher, dass die Erhaltungsbedingungen nicht die besten waren, womit dem Einsammeln von Pfeilen nicht widersprochen sein soll.

1) Bogenschützen waren insgesamt wenig vertreten. Die Germanen verwendeten diese Waffe wenig bis gar nicht, die Römer nur in einigen Auxilien.

2) Wenn die Bedingungen (Sturm, Regen) wirklich so mies wie beschrieben waren, sind Bögen fast nutzlos. Man muss die Sehne trocken halten und den Bogen erstmal spannen. Bei einem Hinterhalt war imho dafür gar nicht die Zeit. Und selbst wenn: Man hätte nicht blind ins Dickicht geschossen und wenn man in diesem Gelände erstmal den Gegner sah, kam man kaum noch zum Schuss, bevor man im Nahkampf seine eigene Haut verteidigen musste.

Deshalb ist es eher verwunderlich, unter der Annahme Kalkriese = Varusschlachtfeld, dass man dort überhaupt Pfeilspitzen fand.
 
1) Bogenschützen waren insgesamt wenig vertreten. Die Germanen verwendeten diese Waffe wenig bis gar nicht, die Römer nur in einigen Auxilien.

Laut Hubert Suedhues, Bogenschütze, Rechtsmediziner und (beides verbindend) experimenteller Archäologe, berichtet Tacitus, dass die Germanen Bögen nur als Jagdwaffe benutzten (http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-2146/diss/Dissertation%20Wundballistik%20bei%20Pfeilverletzungen.pdf, bitte nur öffnen, wer a) Statistiken lesen will und kann und b) kein Problem damit hat, medizinische Photos anzusehen!). Ich habe eine solche Stelle allerdings bei Tacitus nicht finden können, Tacitus widerpricht sich ja schon mal gerne.

2) Wenn die Bedingungen (Sturm, Regen) wirklich so mies wie beschrieben waren, sind Bögen fast nutzlos. Man muss die Sehne trocken halten und den Bogen erstmal spannen. Bei einem Hinterhalt war imho dafür gar nicht die Zeit. Und selbst wenn: Man hätte nicht blind ins Dickicht geschossen und wenn man in diesem Gelände erstmal den Gegner sah, kam man kaum noch zum Schuss, bevor man im Nahkampf seine eigene Haut verteidigen musste.
Das ist prinzipiell alles richtig. Ob es nun in der Varusschlacht regnete und stürmte, wissen wir nicht - der Bericht des Cassius Dio, 200 Jahre später, ist der einzige der erhaltenen Berichte, der etwas davon weiß. Bei den Ereignissen rund um das Ereignis bei Kalkriese kann man aufgrund der Drainagegräben ziemlich sicher annehmen, dass es in den Stunden vor oder während der Schlacht regnete. So ganz genau lässt sich das aber kaum bestimmen.
In der größten Verzweiflung würde man vielleicht auch einfach mal blind und auf Verdacht schießen, so man ungefähr weiß, wohin man schießen muss.

Deshalb ist es eher verwunderlich, unter der Annahme Kalkriese = Varusschlachtfeld, dass man dort überhaupt Pfeilspitzen fand.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Anwesenheit von Bogenschützen impliziert, dass, selbst wenn diese nicht zum Einsatz kamen, bei Tod des Bogenschützen auch dessen Ausrüstung verloren ging. Insofern ist der Einsatz nicht unbedingt notwenig, um die Utensilien zu finden.
 
@EL: Laut Hubert Suedhues, Bogenschütze, Rechtsmediziner und (beides verbindend) experimenteller Archäologe, berichtet Tacitus, dass die Germanen Bögen nur als Jagdwaffe benutzten (http://miami.uni-muenster.de/servlet...rletzungen.pdf, bitte nur öffnen, wer a) Statistiken lesen will und kann und b) kein Problem damit hat, medizinische Photos anzusehen!). Ich habe eine solche Stelle allerdings bei Tacitus nicht finden können, Tacitus widerpricht sich ja schon mal gerne.

Im 1. Band "Die Germanen" (Akademie-Verlag 1976) steht auf S. 451f, dass es keine antiken Schriftquellen oder Bilddarstellungen betr. bogenbewaffnete Germanen vor dem 3. Jh. gibt, auch fehlen archäologische Nachweise bis auf eine Ausnahme: Im Moor bei Oberdorla fand man einen "kleinen, gut gearbeiteten Bogen". Also eher Kinderspielzeug oder für Jagd auf Kleinwild. In den ausgegrabenen Siedlungen fand man wenig Wildtierknochen, zwischen 1% und 8%. Das widerspricht dem Germanenklischee des Tacitus diametral.

Ich möchte aber betonen, dass man Pfeil und Bogen zuvor bereits - spätestens ab der Jungsteinzeit - im Norden auch für kriegerische Auseinandersetzungen nutzte. Es gibt entsprechende Schädelfunde aus Dänemark. Spätestens im 1. Jahrtausend v. Chr. kam man davon, warum auch immer, wieder ab.
 
warum sollte man Spitzen aus Knochen und Geweih finden?
Pfeilspitzen sind nun mal Handelsware und Massenware, nicht besonders teuer und Handelsbeziehungen zwischen Germanen und Römern gab es.
Das wenige Spitzen gefunden wurden, zeigt:
es gab einen Sieger, und der hat die Pfeile eingesammelt, denn so billig, das man sie liegen lässt, sind Pfeile nun auch nicht. Wer den Pfeil abgeschossen hat, lässt sich nur aus der Richtung erkennen, denn im Gefecht werden die "recyceld", sprich:
zurückgeschossen.
Pfeilspitzen aus Metall herzustellen, erforderte erhebliche Fertigkeiten im Schmiedhandwerk. Zudem müssten Pfeilspitzen "Massenware" gewesen sein, wenn man voraussetzt, dass in großem Maßstab Bogenschützen zum Einsatz kamen. Nichts deutet darauf hin, dass in den germanischen Stämmen diese Produktionskapazitäten vorhanden waren. Das hätte eine übergreifende Struktur vorausgesetzt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Germanen in ausreichendem Umfang Pfeilspitzen von den Römern hätten kaufen können. Und ich glaube nicht, dass Pfeile nach dem Abschuss großartig aufgesammelt und wiederverwendet werden konnten. Die schlugen in Bäume und Körper ein, blieben in der Erde stecken und wurden zertreten. Abgesehen von Ausnahmefällen werden das "Einwegwaffen" gewesen sein. Deswegen lässt sich beim Harzhorn der Verlauf des Kampfes anhand von Beschusskonzentrationen zum Teil nachvollziehen. Dort wurden Pfeile und Bolzen offenbar nicht aufgesammelt.

Wichtiger finde ich aber, dass Bogenwaffen archäologisch nachweisbar sein müssten, wenn sie zu jener Zeit in großem Umfang eingesetzt worden wären (Grabbeigaben, Moorfunde, Pfeilspitzen etc). Solche Nachweise sind aber erst zwei bis drei Jahrhunderte später möglich.

Ich möchte aber betonen, dass man Pfeil und Bogen zuvor bereits - spätestens ab der Jungsteinzeit - im Norden auch für kriegerische Auseinandersetzungen nutzte. Es gibt entsprechende Schädelfunde aus Dänemark. Spätestens im 1. Jahrtausend v. Chr. kam man davon, warum auch immer, wieder ab.
Man kann den Einsatz von Angriffswaffen nicht vollends verstehen, wenn man nicht die Schutzwaffen mit berücksichtigt. Wie eine Angriffswaffe gestaltet ist, zeigt immer auch, welche Verteidigungswaffen sie überwinden sollte. Dass die Bogenwaffe im 1. vorchristlichen Jahrhundert außer Gebrauch kam, könnte schon daran gelegen haben, dass verstärkt Schilde und Körperpanzerungen (und sei es nur Kleidung aus dickem Leder) in Gebrauch kamen. Jedenfalls kann man daraus schließen, dass sich Bogenwaffen im Gefecht nicht mit einer Wirkung einsetzen ließen, die groß genug war, um den Aufwand zu rechtfertigen. Offenbar ließ sich noch kein Bogen bauen, der ausreichende Zugkraft (und Auftreffenergie) hatte, um Abwehrwaffen zu überwinden.

Für Kalkriese stellen sich diese Fragen aber meiner Ansicht nach kaum. Bogenschützen in römischen Diensten waren sicher so ausgrüstet, dass sie germanische Gegner mit ausreichender Wirkung bekämpfen konnten. Meiner Ansicht nach war das aber an dieser Stelle nicht möglich. Egal ob wir die Schlacht dem Varus, dem Caecina oder sonstwem zuordnen: Die Römer, die dort im Kampf standen, mussten sich mit Truppen und Tross durch einen relativ schmalen Engpass zwängen. Der Durchgang war nur etwa hundert Meter breit, die begehbare Hangsandzone war noch schmaler und sie wurde durch den Wall an der Stelle noch weiter eingeengt. Noch enger wurde der Platz dadurch, dass ja noch das eigene Heer durchzog. An der Stelle hätten Bogenschützen nicht in ausreichender Zahl Aufstellung nehmen können, um die Kämpfer auf dem Wall wirksam bekämpfen zu können. Hätten sie es trotzdem versucht, wären sie Gegenangriffen schutzlos ausgeliefert gewesen, da ein Bogen zweihändig bedient werden muss. Die Schützen konnten also keine Schilde tragen und keine Nahkampfwaffen führen. Sie konnten nur in Distanz zum Gegner oder hinter einer schützenden Schildreihe sinnvoll agieren. Für beides war in dem Engpass kein Platz.

MfG
 
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