warum sollte man Spitzen aus Knochen und Geweih finden?
Pfeilspitzen sind nun mal Handelsware und Massenware, nicht besonders teuer und Handelsbeziehungen zwischen Germanen und Römern gab es.
Das wenige Spitzen gefunden wurden, zeigt:
es gab einen Sieger, und der hat die Pfeile eingesammelt, denn so billig, das man sie liegen lässt, sind Pfeile nun auch nicht. Wer den Pfeil abgeschossen hat, lässt sich nur aus der Richtung erkennen, denn im Gefecht werden die "recyceld", sprich:
zurückgeschossen.
Pfeilspitzen aus Metall herzustellen, erforderte erhebliche Fertigkeiten im Schmiedhandwerk. Zudem müssten Pfeilspitzen "Massenware" gewesen sein, wenn man voraussetzt, dass in großem Maßstab Bogenschützen zum Einsatz kamen. Nichts deutet darauf hin, dass in den germanischen Stämmen diese Produktionskapazitäten vorhanden waren. Das hätte eine übergreifende Struktur vorausgesetzt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Germanen in ausreichendem Umfang Pfeilspitzen von den Römern hätten kaufen können. Und ich glaube nicht, dass Pfeile nach dem Abschuss großartig aufgesammelt und wiederverwendet werden konnten. Die schlugen in Bäume und Körper ein, blieben in der Erde stecken und wurden zertreten. Abgesehen von Ausnahmefällen werden das "Einwegwaffen" gewesen sein. Deswegen lässt sich beim Harzhorn der Verlauf des Kampfes anhand von Beschusskonzentrationen zum Teil nachvollziehen. Dort wurden Pfeile und Bolzen offenbar nicht aufgesammelt.
Wichtiger finde ich aber, dass Bogenwaffen archäologisch nachweisbar sein müssten, wenn sie zu jener Zeit in großem Umfang eingesetzt worden wären (Grabbeigaben, Moorfunde, Pfeilspitzen etc). Solche Nachweise sind aber erst zwei bis drei Jahrhunderte später möglich.
Ich möchte aber betonen, dass man Pfeil und Bogen zuvor bereits - spätestens ab der Jungsteinzeit - im Norden auch für kriegerische Auseinandersetzungen nutzte. Es gibt entsprechende Schädelfunde aus Dänemark. Spätestens im 1. Jahrtausend v. Chr. kam man davon, warum auch immer, wieder ab.
Man kann den Einsatz von Angriffswaffen nicht vollends verstehen, wenn man nicht die Schutzwaffen mit berücksichtigt. Wie eine Angriffswaffe gestaltet ist, zeigt immer auch, welche Verteidigungswaffen sie überwinden sollte. Dass die Bogenwaffe im 1. vorchristlichen Jahrhundert außer Gebrauch kam, könnte schon daran gelegen haben, dass verstärkt Schilde und Körperpanzerungen (und sei es nur Kleidung aus dickem Leder) in Gebrauch kamen. Jedenfalls kann man daraus schließen, dass sich Bogenwaffen im Gefecht nicht mit einer Wirkung einsetzen ließen, die groß genug war, um den Aufwand zu rechtfertigen. Offenbar ließ sich noch kein Bogen bauen, der ausreichende Zugkraft (und Auftreffenergie) hatte, um Abwehrwaffen zu überwinden.
Für Kalkriese stellen sich diese Fragen aber meiner Ansicht nach kaum. Bogenschützen in römischen Diensten waren sicher so ausgrüstet, dass sie germanische Gegner mit ausreichender Wirkung bekämpfen konnten. Meiner Ansicht nach war das aber an dieser Stelle nicht möglich. Egal ob wir die Schlacht dem Varus, dem Caecina oder sonstwem zuordnen: Die Römer, die dort im Kampf standen, mussten sich mit Truppen und Tross durch einen relativ schmalen Engpass zwängen. Der Durchgang war nur etwa hundert Meter breit, die begehbare Hangsandzone war noch schmaler und sie wurde durch den Wall an der Stelle noch weiter eingeengt. Noch enger wurde der Platz dadurch, dass ja noch das eigene Heer durchzog. An der Stelle hätten Bogenschützen nicht in ausreichender Zahl Aufstellung nehmen können, um die Kämpfer auf dem Wall wirksam bekämpfen zu können. Hätten sie es trotzdem versucht, wären sie Gegenangriffen schutzlos ausgeliefert gewesen, da ein Bogen zweihändig bedient werden muss. Die Schützen konnten also keine Schilde tragen und keine Nahkampfwaffen führen. Sie konnten nur in Distanz zum Gegner oder hinter einer schützenden Schildreihe sinnvoll agieren. Für beides war in dem Engpass kein Platz.
MfG