Wahrer Kommunismus im 20ten Jahrhundert

Waaaagh

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Hallo liebe Historiker/innen und hoffentlich auch ein paar liebe Politologen/innen,

ich habe mir zur Aufgabe genommen einen ca 20minütigen Vortrag zu halten über das selbst gewählte Thema: "Darf man den Kommunismus im 20ten Jahrhundert als wahren Kommunismus laut Marx bezeichnen?"
Ich habe das "Kommunistische Manifest" von Karl Marx gelesen, eine Biographie von Stalin "Am Hof des Roten Zaren" von Simon Sebag Montefiore, zu teilen auch "Die Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung" und auch mehrere Ausschnitte von dem "Kapital", geschrieben von Karl Marx.

Ich habe noch eine Woche Zeit bis zum Vortrag und würde mich freuen falls ich noch ein paar Vorschläge bekommen könnte welche Bücher ich mir noch zur Hand nehmen sollte (bevorzugt wegen der kurzen Zeit kürzere Bücher ca 350 seiten).
Für Anregungen und Vorschläge, auch bezüglich des Vortrages wäre ich äußerst Dankbar:)

Eigene Meinungen wären auch toll, da meine Meinung sich bei einem nein beläuft aus zum Beispiel folgenden Grund:
- Es herrschte höchstens ein Sozialismus (die Übergangsform vom Kapitalismus zum Kommunismus wo das Proletariat kurz herrscht um den Weg zu ebnen für den Kommunismus). Jedoch war im 20ten Jahrhundert nie das Ziel von den Kommunistischen Führern(z.B. Stalin, Mao, Tito, Khrushchev, Brezhnev) gewesen, ihre Machtposition aufzugeben(höchstens Trotzki da er für eine immer wieder währenden Revolution warb) damit der wahre "Klassenlose" Kommunismus stattfinden konnte....


Das ist ein erster Ansatz, Kritik ist äußerst gewünscht, falls es nicht stimmt. Übere WEITERE ANSÄTZE wäre ich auch sehr sehr froh, da ich relativ Jung bin (hab erst jetzt mein Abitur geschrieben) und mein Wissens und Erfahrungshorizont in Geschichte bei weitem nicht so hoch ist, wie bei einem richtigen Historiker:)

Liebe Grüße und ich danke jedem der mir helfen will im voraus

Waaaagh:)
 
Tja, ist doch seltsam, oder ? Alle politischen Führer, die den Schlüssel zum Paradies in der Hand hatten, haben sich im allerletzten Moment offenbar in der Tür geirrt - schade, schade !

Könnte man da nicht mal auf den Gedanken kommen, dass Marx irgendwo einen grundsätzlichen Denkfehler gemacht hat, dass der "wahre" Kommunismus vielleicht doch genau das war - oder zwangsläufig zu dem führte -, was wir zu sehen bekommen haben ?

Meine Meinung : Marx hat nicht begriffen (und nicht begreifen wollen), wie der Homo Sapiens funktioniert. Seine Vision setzt einen Menschen voraus, der nicht so ist, wie der Mensch eben ist, sondern edel, hilfreich und gut. Damit schwebt seine ganze Theorie in der Luft und zerschellt bei Belastung am Boden.

Das einzige Soziotop, in dem der Kommunismus wirklich funktioniert hat, waren die Studentenkneipen des Jahres 1968 - aber damals war das Bier ja auch billiger als heute. Prost.
 
Was nicht die Antwort auf die gestellte Frage ist. Diese lautete nämlich nicht "funktioniert der Kommunismus?", sondern "gab es ihn?".

Überprüfe: Wie sieht der Kommunismus nach Marx und Engels aus und was wurde von Seiten Lenins und seiner Nachfolger (nicht) umgesetzt.
 
Es ist wichtig, Marx aus seiner Zeit heraus zu beurteilen, um seine intellektuelle Leistung erkennen zu können.

Was er nicht wissen konnte und somit auch nicht reflektiert hatte, da die Erfahrungen der "Revolutionen" für Marx in der Zukunft lagen, ist die sozialpsychologische Seite von sozialen Bewegungen.

Der Erfolg der kommunistischen bzw. sozialistischen Revolutionen basieren zu einem hohen Prozentsatz auf Bürgerkriegen. Im Rahmen dieser Bürgerkriege mußten die Bewegungen zwangsläufig den "Krieger" als dominanten Typus des Funktions akzeptieren, z.B. SU, China, Korea, Kuba, Nicaragua oder in Vietnam.

Mit dem militärischen Durchsetzen der kommunistischen Revolution erfolgte keine "Kulturrevolution" innerhalb der kommunistischen Bewegungen, die den "Krieger" aus den zentralen Poisitionen in den Kadern eleminiert hätte.

Dieses Problem thematisiert besonders Gramsci, indem er postuliert, dass eine erfolgreiche kommunistische Revolution, noch vor dem Eintreten der angezielten Endphase der sozialistischen Gesellschaft als kommunistiche Gesellschaft, die konkrete Utopie bereits frühzeitig leben muss, um sie ansatzweise kennenzulernen.

Antonio Gramsci ? Wikipedia


Nur so gewinnen die handelnden Subjekte die innere Einsicht in die Vorteile der kommunistischen Gesellschaft. Je abstrakter die Ziele formuliert werden und nicht gelebt werden, desto stärker ist der ideologische Überbau von der Gesellschaft entfremdet und wird nicht in die konstruktive Arbeit zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft genutzt werden.

Die möglichst frühzeitige Realisierung des angezielten kommunisten Ziel-Gesellschaft ist jedoch nicht durch den "Krieger-Funktionär" zu leisten, sondern bedarf der Innovatoren, der Moderatoren und der Utopisten als dominanten Vertreter der K-Parteien. Der notwendige gesellschaftliche Diskurs sollte auf Argumenten beruhen und nicht auf Staatsgewalt, da man sich bei Benutzung der Waffengewalt zu stark an die Instrumente der "Konterrevolution" annähert.

Und über diesen Prozeß der Annäherung an die militanten Instrumente der Konterrevolution verliert die sozialistische Bewegung ihre politische Unschuld. Und bildet in ihrer Überreaktion Instrumente totalitärer Staaten (z.B. NKWD bzw. KGB etc.) aus. Mit sämtlichen Konsequenzen, die im Ostblock zu beobachten waren.

Diese Aspekte der Dynamik von Bürgerkriegen konnte Marx nicht kennen, aber es wäre spannend gewesen, was er den KP`s empohlen hätte. Vielleicht hätte er ja programmatisch den gleichen Weg zur gesellschaftlichen Integration vorgeschlagen, der Gramsi als angemessen erschien.

Es ist aber auch bezeichnend, dass es bisher auch kein anderer Gesellschafts-Theoretiker geschafft hat, das Verhältnis individueller Nutzenmaximierung und kollektive, gesellschaftliche Interesse in Theorie und praktischer Umsetzungsmöglichkeit angemessen zu formulieren. Ist zumindest meine Wahrnehmung.

Deswegen als Antwort auf die Frage aus meiner Sicht ein deutliches "Nein" auf die eingangs formulierte Frage.

Sie sind gescheitert, weil die internen und externen Widersprüche zu gravierend waren, und die handelnden Personen zu doktrinär.

Interessante Ansätze, wie sie Dubcek im Rahmen des "Prager Frühlings" verfolgen wollte, haben dank der "realsozialistischen Betonköpfe" keine Chance erhalten.
 
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"Darf man den Kommunismus im 20ten Jahrhundert als wahren Kommunismus laut Marx bezeichnen?"

Es ist erst mal nicht gesetzlich verboten, insofern "ja!", aber ich glaube den Aspekt meintest Du nicht... ;)

Was sind nach Marx die Kriterien, die er einer kommunistischen Gesellschaft zuschreibt?

- Entstehung der Klassenlosen Gesellschaft

- Ablösung der Herrschaft von Menschen über Menschen durch die Verwaltung von Dingen

- Damit Absterben des Staates (als Repressionsinstrument)

Welche dieser Punkte waren bspw in der Sowjetiunion erfüllt?

Ich würde sagen: Gar keine, und Deiner These damit durchaus Recht geben.

Die nächste Frage wäre, ob der real existierende Sozialismus im marxschen Sinne sozialistisch war; nächster Vortrag??? :grübel:;)

@ Klaus: Primitiver Antikommunismus ist schon geil. Du hättest um 1750 wahrscheinlich auch festgestellt, dass alles andere außer dem Absolutismus nicht zur Natur des Menschen passt...
 
Was nicht die Antwort auf die gestellte Frage ist. Diese lautete nämlich nicht "funktioniert der Kommunismus?", sondern "gab es ihn?".

Wie soll Kommunismus funktionieren bzw. bestehen, wenn der Mensch seine tiefesten Emotionen nicht abstellen oder verbergen kann:

Neid und Hass?

(Kommunismus funktioniert genauso wenig, wie ein perpetuum mobile, wegen der Reibung zwischen den Menschen....)
 
Jede, wirklich jede Gesellschaftsform hat die Utopien, die ihre Überwindung für möglich erklären, durch Hinweise auf "die Natur des Menschen" zu diskreditieren versucht. In der klassischen Antike war ers gesellschaftlicher Konsens, dass Sklaverei naturnotwendig war (wegen der Natur des Menschen), absolutistische Könige und deren Anhänger hielten eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie für unfunktionabel (wegen der Natur des Menschen), heute ist halt die jetzige Form sankrosankt und unveränderlich (wegen der Natur des Menschen).

Es ist die Frage, ob man unter Kommunismus ein Schlarrafenland versteht, wo allle Probleme und Konflikte verschwunden sind, oder eine Form des gesellschaftlichen Interesssenausgleichs jenseits kapitalistischer Verwertungslogik.
 
Es ist die Frage, ob man unter Kommunismus ein Schlarrafenland versteht, wo allle Probleme und Konflikte verschwunden sind, oder eine Form des gesellschaftlichen Interesssenausgleichs jenseits kapitalistischer Verwertungslogik.

Gut gesagt, aber gerade der gesellschaftliche Interessensausgleich, auf welcher Basis soll er entstehen?

Die kapitalistische Verwertungspolitik greift doch nur das auf, was wir Menschen möchten.

Dieser "blöde" Spruch nach "Angebot und Nachfrage" reguliert einfach den Markt. Aber nicht der Kapitalismus reguliert den Markt, sondern die Konsumenten.

Die Gedanken des Marx und Engels und wie auch die ganzen anderen Sozialisten/Kommunisten jener Jahre, haben auf die neue Klassengesellschaft geantwortet, die im 19.Jh auch bestimmt Bestand und ihre Berichtung hatte.

Um nicht in Tagespolitik abzuschweifen, ist ein Vergleich der Theorien der Ökonomie des 19.Jh. und auch des 20. Jh. nicht mehr auf das Gesellschaftswesen der heutigen Zeit umsetzbar. Um Grunde könnte man behaupten, wir brauchen einen neuen Marx, den des 21. Jh.
 
Die kapitalistische Verwertungspolitik greift doch nur das auf, was wir Menschen möchten.

"Wir Menschen" möchten verschiedenste Dinge, die sich teilweise auch noch widersprechen. Umfragen zeigen doch, dass hierzulande viele Leute mehr soziale Gerechtigkeit einfordern, eine egalitärere Gesellschaft etc.pp.; ohne dass sich sonst was ändern soll, natürlich...

Wenn der Mensch wählen könnte würde er gleichzeitig den absoluten Schutz junger Tierbabys fordern, und gleichzeitig fürs tägliche Spanferkel plädieren. Aus diesem Wunschdenken zu folgern, entweder das Spanferkel oder der Jungtierschutz seien das, was Menschen "wirklich wollen", halte ich für nicht zielführend. ;)

Dieser "blöde" Spruch nach "Angebot und Nachfrage" reguliert einfach den Markt. Aber nicht der Kapitalismus reguliert den Markt, sondern die Konsumenten.

Achtung: Marktwirtschaft und Kapitalismus sind nicht das gleiche! Angebot und Nachfrage als Lenkungsinstrumente sagen nichts darüber aus, wem das Kapital gehört.

Um Grunde könnte man behaupten, wir brauchen einen neuen Marx, den des 21. Jh.

Ja, bräuchten wir; auch wenn wir dessen Thesen nicht hier diskutieren dürften...:still:=)
 
Achtung: Marktwirtschaft und Kapitalismus sind nicht das gleiche! Angebot und Nachfrage als Lenkungsinstrumente sagen nichts darüber aus, wem das Kapital gehört.

Naja, eigendlich indirekt doch. Die Grundfrage für den Kapitalismus ist, wer gibt den Markt vor!
In Kaiserzeiten war die Gesellschaft auf Imperialismus und Militarismus geprägt. Demzufolge waren auch Waren im Werbe- und Propagandabereich noch von der Nachfrage der Gesellschaft geprägt. Kolonialwaren und Navalismus gaben z.B. vor, was "Trend" war.

Zu diesem Zeitpunkt haben wir noch staatliche Lenkungen, was der Gesellschaft dient. Doch der Individualismus lässt sich kaum noch aufhalten! Die 20iger geben der Entwicklung eine steile Vorlage. Im dritten Reich haben wir nochmals die Diktatform der Gesellschaft, die geregelt wird, doch spätestens nach dem 2.WK haben wir keine Reglemtierung der Gesellschaft mehr, sondern, die Gesellschaft gibt vor, was benötigt wird.

Der Kommunismus, um zum Thema zurückzukehren, steuert sich durch Stillstand. Doch Stillstand ist der Sand im Getriebe der Entwicklung einer Gesellschaft!
 
Die Grundfrage für den Kapitalismus ist, wer gibt den Markt vor!

Nein, die Grundfrage des Kapitalismus ist mE die Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln: Wem gehört das zur gesellschaftlichen Produktion notwendige Kapital, welche Interessen entstehen dadurch bei denen, die Kapital besitzen, und bei denen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft an die Kapitalbesitzer zu verkaufen, und wie wirken diese Interessen auf die Gesellschaft zurück.


(...) sondern, die Gesellschaft gibt vor, was benötigt wird.

Hört sich für mich schon ziemlich kommunistisch an; so allgemein... :p

Und es ist eben nicht die gleiche Aussage wie "Der Markt gibt vor, was produziert wird."
 
Nein, die Grundfrage des Kapitalismus ist mE die Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln: Wem gehört das zur gesellschaftlichen Produktion notwendige Kapital, welche Interessen entstehen dadurch bei denen, die Kapital besitzen, und bei denen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft an die Kapitalbesitzer zu verkaufen, und wie wirken diese Interessen auf die Gesellschaft zurück.

Oh, irgendwie in der letzten Zeit hatten wir so eine ähnlich Diskussion. Nun gut, wer hat die Produktionsmittel, okay, der erscheint aus damiliger Sicht der, der die Macht hat. Aber grundsätlich ist es falsch.

MB hat die Produktionsmittel und gibt z.B. eine neue E-Klasse vor. Doch der Konsument kauft dieses Auto nicht, warum auch immer. Dann nützt das Eiegntum an Produktionsmitteln dem Hersteller wenig. Und wenn dahinter auch noch viel Kapital steckt, wenn der Konsum, also die Nachfrage ausbleibt, dann geht es halt dem Bach runter, siehe Karstadt.

Vielleicht gab es den überdirekten kausalen Zusammenhang damals, aber heute ist nicht mehr der mit dem Kapital und dem Produktionsmittel am drücker. Das Verhältnis hat sich verschoben, dank diverser sozialer und gesellschaftlicher Errungenschaften....

Und da steckt der große Knackpunkt...in der Zeit, zwischen dem 19.Jh, und dem 21.Jh....
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist wichtig, Marx aus seiner Zeit heraus zu beurteilen, ...
Völlig richtig - gilt eigentlich ja immer bei historischen Bewertungen.

... um seine intellektuelle Leistung erkennen zu können.
Nüchtern betrachtet war diese Leistung eher mäßig. Marx war wortgewaltig und baute auf einem breiten historischen und philosophischen Fundament auf. Aber seine Arbeitsweise war überaus unwissenschaftlich, eher feuilletonistisch. Er hat viel postuliert, aber fast nichts belegt.

Was er nicht wissen konnte und somit auch nicht reflektiert hatte, da die Erfahrungen der "Revolutionen" für Marx in der Zukunft lagen, ist die sozialpsychologische Seite von sozialen Bewegungen.
Das ist aber nicht wirklich wichtig.
Denn schon mit dem Wissen seiner Zeit waren seine Thesen widerlegbar, das haben ja auch genügend Leute gemacht. Jeder seiner Denkfehler ist schon zu seinen Lebzeiten aufgedeckt und widerlegt worden - insofern mußten die späteren praktischen Widerlegungen gar nicht abgewartet werden.

Der Erfolg der kommunistischen bzw. sozialistischen Revolutionen basieren zu einem hohen Prozentsatz auf Bürgerkriegen.
Das ist ja auch ganz logisch und das hat Marx ja auch gesehen. Von Anfang an setzte er auf diese Formen gewaltsamer Durchsetzung, ihm war schon klar, daß die von ihm geforderten massiven Veränderungen nicht ohne entsprechend massivem Zwang kommen konnten.

Mit dem militärischen Durchsetzen der kommunistischen Revolution erfolgte keine "Kulturrevolution" innerhalb der kommunistischen Bewegungen, die den "Krieger" aus den zentralen Poisitionen in den Kadern eleminiert hätte.
Wieso hätte die auch kommen sollen und wieso hätte eine solche denn Erfolg haben können?
Denn solange überhaupt noch ein Staat und Parteiapparat existiert, dann doch nur, weil noch der Sozialismus als Zwischenstadium nötig ist, und damit die "Diktatur der Proletariats" und Unterdrückung aller Feinde der kommunistischen Bewegung. D.h. die "Krieger" wurden noch zentral gebraucht.

Und über diesen Prozeß der Annäherung an die militanten Instrumente der Konterrevolution verliert die sozialistische Bewegung ihre politische Unschuld.
Das hat Gramsci nett formuliert - aber "politisch unschuldig" im Sinne von friedlich oder auf Überzeugung setzend war diese Bewegung nie, wenn sie Marx folgte. Der Totalitarismus ist deswegen keine "Überreaktion", sondern ganz direkte Umsetzung Marx'scher Vorstellungen.

Diese Aspekte der Dynamik von Bürgerkriegen konnte Marx nicht kennen, ...
Natürlich kannte er die. Schließlich hat er seine Vorstellung von Revolution anhand historischer Beispiele entwickelt, insbesondere der französischen Revolution.

... aber es wäre spannend gewesen, was er den KP`s empohlen hätte.
Im wesentlichen hätte er ihnen das empfohlen, was sie auch gemacht haben: Klare Kante gegen die "Kapitalisten".

Es ist aber auch bezeichnend, dass es bisher auch kein anderer Gesellschafts-Theoretiker geschafft hat, das Verhältnis individueller Nutzenmaximierung und kollektive, gesellschaftliche Interesse in Theorie und praktischer Umsetzungsmöglichkeit angemessen zu formulieren.
Der Wohlstand der Nationen ? Wikipedia
plus
Theorie der ethischen Gefühle ? Wikipedia
 
MB hat die Produktionsmittel und gibt z.B. eine neue E-Klasse vor. Doch der Konsument kauft dieses Auto nicht, warum auch immer. Dann nützt das Eiegntum an Produktionsmitteln dem Hersteller wenig.

Stimmt; diese Probleme kann es demnach in jeder marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft geben, in Kapitalismus, Kommunismus, Feudalismus.

Kapitalismus heißt ja nicht, dass "der Kapitalist" unter keinen Umständen Probleme hat. ;)

Dass der real existierende Sozialismus/Kommunismus sowjetischer Prägung wenig bis gar keine marktwirtschaftlichen Elemente enthielt ist korrekt; dem will ich gar nicht wiedersprechen. Aber eine zentral geplante Wirtschaft ist eben mE nicht das einzige kommunistische Wirtschaftsystem, das vorstellbar ist.

Auch in Jugoslawien setzte man bspw auf eine "sozialistische Marktwirtschaft", die sich vom Kapitalismus primär dadurch unterscheiden sollte, dass die die Produktionsmittel den Kollektiven der Werktätigen gehören sollten. Diese sollten sich durchaus im marktwirtschaftlichen Wettbewerb um Angebot und Nachfrage befinden. Gut, Jugoslawien war jetzt auch nicht das wirtschaftspolitische Erfolgsmodell des letzten Jahrhunderts, aber die Vorstellung einer nach sozialistischen/kommunistischen Grundsätzen verfassten Marktwirtschaft ist durcha real.

Vielleicht gab es den überdirekten kausalen Zusammenhang damals, aber heute ist nicht mehr der mit dem Kapital und dem Produktionsmittel am drücker.

Jetzt wird es tatsächlich tagespolitisch, aber wenn schon Parlamentarier verzweifelt nach Hilfe rufen, weil sie sich der Macht bzw Fachkenntnis der Lobbyisten nicht mehr gewachsen fühlen, zeigt sich mE schon, wer am politischen Drücker sitzt...
 
Auch in Jugoslawien setzte man bspw auf eine "sozialistische Marktwirtschaft", die sich vom Kapitalismus primär dadurch unterscheiden sollte, dass die die Produktionsmittel den Kollektiven der Werktätigen gehören sollten. Diese sollten sich durchaus im marktwirtschaftlichen Wettbewerb um Angebot und Nachfrage befinden.
Klingt erst einmal gut. Aber auch hier führt die Theorie, wenn man sie etwas weiterdenkt, zu Widersprüchen. Und deswegen kann das auch in der Praxis nicht funktionieren (und hat ja auch nicht funktioniert).

Alle schon existierenden Produktionsmittel enteignen und den Werktätigen der jeweiligen Firmen übergeben ist ja noch verhältnismäßig einfach (wenn wir ignorieren, daß man dazu erhebliche Gewalt anwenden muß).

Aber wie soll sich die Szene weiterentwickeln?
Wie soll z. B. eine neue Fabrik entstehen? Dazu müßten sich Arbeiter finden, die zusammenlegen um die nötigen Produktionsmittel zu erwerben. Dürfen sie dazu bei der Firma, aus der sie ausscheiden, "ihren" Anteil mitnehmen?
Wenn nein, werden nötige Veränderungen fast unmöglich. Firmen können zwar pleite gehen (was passiert dann mit den Beschäftigten?) - aber fast nicht neu entstehen.
Wenn aber ja - dann ist man nach einiger Zeit schon wieder im normalen Kapitalismus.

In Jugoslawien wurde dieser Widerspruch dadurch "gelöst", daß man eben doch eine zentrale Wirtschaftslenkung installierte. Die Arbeiter waren zwar nominell Firmenbesitzer, aber die entscheidende Investitionslenkung wurde durch den Staat (also die Partei) vorgenommen.

Jetzt wird es tatsächlich tagespolitisch, aber wenn schon Parlamentarier verzweifelt nach Hilfe rufen, weil sie sich der Macht bzw Fachkenntnis der Lobbyisten nicht mehr gewachsen fühlen, zeigt sich mE schon, wer am politischen Drücker sitzt...
Nein. Da zeigt sich erst einmal nur, daß gewisse Parlamentarier nicht qualifiziert genug sind. Über die realen Machtverhältnisse sagen solche Aussagen nichts.
 
ich habe mir zur Aufgabe genommen einen ca 20minütigen Vortrag zu halten über das selbst gewählte Thema: "Darf man den Kommunismus im 20ten Jahrhundert als wahren Kommunismus laut Marx bezeichnen?"

Ich denke, die Antwort muss eindeutig NEIN lauten, denn was in der Sowjetunion oder den Ostblockstaaten entstand, war höchstens eine pervertierte Form des Kommunismus, d.h. - besonders in der UdSSR - eine Diktatur und terroristische Gewaltherrschaft. Auch wenn sich das Bild nach Stalins Tod aufhellte, so blieben die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten dennoch Gewaltherrschaften, in denen weder die Menschenrechte noch die Stimme der Bürger etwas galten. Ob eine solche Staats- und Gesellschaftsform im Sinne von Marx und Engels gewesen wäre, darf bezweifelt werden.

Nun könnte man einwenden, dass die Gesellschaft in der Sowjetunion erst im Übergangsstadium vom Sozialismus zum Kommunismus war. Denn nach strenger Lesart wird der Kommunismus bekanntlich von der Proletarischen Revolution eingeleitet, in der die Arbeiterklasse die "Diktatur des Proletariats" errichtet. Und erst nach der Übergangsphase des Sozialismus entsteht allmählich die klassenlose kommunistische Gesellschaft, in der das Privateigentum abgeschafft ist und die Produktionsmittel in Gemeinbesitz überführt worden sind.

Erst wenn durch die Gleichheit aller Menschen auch Gerechtigkeit herrscht, wären nach Auffassung von Marx und Engels die Menschenrechte gesichert.

Aber wer kann glauben, dass die Sowjetunion diesen Zustand irgendwann erreicht hätte? Ein strammer Kommunist würde hierauf antworten: "Natürlich muss es erst eine Weltrevolution geben, bevor sich der Kommunismus so verwirklichen lässt, wie Marx und Engels das gewollt haben."

Ich stelle es jedem anheim, an eine solche Möglichkeit zu glauben - oder auch nicht! :D
 
Alle schon existierenden Produktionsmittel enteignen und den Werktätigen der jeweiligen Firmen übergeben ist ja noch verhältnismäßig einfach (wenn wir ignorieren, daß man dazu erhebliche Gewalt anwenden muß).
Aber wie soll sich die Szene weiterentwickeln?

Berechtigte Fragen.

Nebenbei sollte man darauf hinweisen, dass sich gewisse Verschiebungen ergeben haben.

Standen im Marxschen Verständnis noch materielle Produktionsmittel im Vordergrund (Industrialisierung), und stand die Abstraktion des Kapitals (etwa beschrieben als: Finanzvermögen) vom Eigentum an Produktionsmitteln (quasi die Aktivseite von Unternehmensbilanzen) noch ganz am Anfang, so kann man hier beachtliche Verschiebungen im 20. Jahrhundert feststellen.

1. die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte (human capital, Rechte, Marken etc.)
2. die Bedeutung der institutionalisierten Kapitalgeber in modernen Volkswirtschaften
3. die Bedeutung der staatlichen Aktivitäten
Bundesministerium der Finanzen: 10   Entwicklung der Staatsquote 1,2
http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/vwl2/downloads/material/Staatsquote.pdf
 
... denn was in der Sowjetunion oder den Ostblockstaaten entstand, war höchstens eine pervertierte Form des Kommunismus
Eigentlich nicht.
Wenn man von einigen Exzessen der Stalinzeit absieht, dann war das nicht "pervertiert", sondern im Gegenteil eine recht genaue Umsetzung der Vorgaben von Marx. Was man schon daran sieht, daß auch diverse andere Marxismus-Umsetzungen außerhalb des Machtbereichs der SU in den wesentlichen Bereichen ziemlich ähnlich aussahen.

d.h. - besonders in der UdSSR - eine Diktatur und terroristische Gewaltherrschaft.
Je nun - die "Diktatur des Proletariats" war auch nicht als Ponyhof konzipiert. Marx/Engels lassen ja keinen Zweifel daran, daß erhebliche Gewaltanwendung für sie notwendiger und legitimer Teil ihres Programms ist.

Insbesondere haben die Menschenrechte per se im Marxismus keine besondere Priorität.
Das Recht auf Leben oder körperliche Unversehrtheit stand Mitgliedern der falschen Klasse ohnehin nicht zu, Meinungsfreiheit oder freie Entfaltung der Persönlichkeit konnten ja auch keine Werte sein in einer Zielgesellschaft, in der es "wissenschaftlich nachgewiesen" nur eine Wahrheit geben konnte.


Übrigens muß man nicht die Marx-Engels-Werke in ihrem ganzen monströsen Umfang lesen, um herauszufinden, daß der Kommunismus zwangsläufig zu einem Regime führen würde, wie es im Ostblock bestand. Das haben nämlich schon die Zeitgenossen getan und gut dokumentiert.

Besonders empfehlenswert ist da Eugen Richters Dystopie ""Sozialdemokratische Zukunftsbilder" (im 19. Jahrhundert ist "sozialdemokratisch" ja noch gleichbedeutend mit "marxistisch).

In diesem Buch wird romanhaft ein sozialistisches Deutschland beschrieben. Also die Zustände in der DDR - und es kommt alles vor, von der Wirtschaftslage bis zur staatlichen Repression und dem Grenzregime.
Und das Buch ist von 1890!

Wenn man das gelesen hat, dann kann man sich eigentlich jede Diskussion sparen, ob nun die Pleite der DDR mit den Kriegsfolgen oder die Mauer mit dem kalten Krieg zu tun hat - nur die Detailausprägungen resultieren aus speziellen historischen Rahmenbedingungen, die wesentlichen Eigenschaften der DDR sind direkte Folge marxistischer Ideen.
 
Je nun - die "Diktatur des Proletariats" war auch nicht als Ponyhof konzipiert. Marx/Engels lassen ja keinen Zweifel daran, daß erhebliche Gewaltanwendung für sie notwendiger und legitimer Teil ihres Programms ist.

Schön, dass "RA" weiter oben frenetisch zugestimmt hat, dass man Marx/Engels im historischen Kontext sehen sollte. Und noch schönes wäre es, wenn er das beherzigen würde.

Die Matritze, vor dessen Hintergrund die Marx`sche Analyse zu sehen ist, war die "Enfesselung der Produktivkräfte" im aufkommenden Kapitalismus.

Geprägt durch:
- eine extrem ungleiche Verteilung der erarbeiteten Gewinne in der Gesellschaft mit deutlichen Verelendungsprozessen in den Slums der Industriearbeiter
- durch eine Unterdrückung der anwachsenden Schicht der Industriearbeiter bzw. "verelendetes Proletariat" im betrieblichen Umfeld, da sie über keinerlei Vertretung verfügten
- eine Unterdrückung der Arbeiterschaft im Rahmen der politischen Vertretung, da die politische Macht und der Repressionsapparat nicht demokratisch legimiert waren
- es war die Herrschaft und die Ausbeutung der Vielen durch die Wenigen.

Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse ? Wikipedia

Vor diesem Hintergrund sind seine Analysen einzuordnen und es ergab sich für ihn die Frage, welche gesellschaftlichen Verhältnis als "gerecht" anzusehen sind. Dafür hat er umfangreiche ökonomische, politische und sozialen Studien angestellt. Und in diesem Bereich ist er ein Theoretiker unter anderen, der genauso das Recht hat wie andere ernst genommen zu werden!

Ansonsten hat Marx eine Antwort auf die sozialen Mißstände seiner Zeit gegeben, die bei weitem nicht so primitiv und totalitär in der Theorie ausgefallen ist, wie "RA", offensichtlich sehr quellenfern", mit sehr pauschalen Urteilen suggerieren möchte. Er hat sich konsequent die Frage nach dem handelnden historischen Subjekt gestellt, das in der Lage ist, die unsozialen gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Und hat es in der Gestalt des aufkommenden "Proletariats" erkannt.

In diesem Sinne ist er natürlich nicht blauäugig und es war ihm schon deutlich, dass eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ohne Gewalt zu leisten ist. Und es ist auch ersichtlich, dass die von der Macht vertriebenen im Rahmen einer "Konterrevolution" durchaus versuchen werden, die verlorene Macht zurück zu gewinnen.

Ein Prozess den ich oben in der fatalen Konsequenz für die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft bereits beschrieben habe. Vor diesem Hintergrund ist die Metapher der "Diktatur des Proletariats" zu interpretieren und ist kein Aufruf, einen totalitären Staat zur Unterdrückung seiner Bevölkerung zu etablieren.

Soviel theoretische Differenzierung und Einordnung in den historischen Kontext sollte schon sein!

Dass Marxens Theorie und Schlußfolgerungen zeitgebunden sind und bei weitem nicht als Grundlage herangezogen werden können, um - wie es spätere orthodoxe Theoretiker des ML gerne getan haben - sämtliche ökonomischen, sozialen und politischen Prozesse zu erklären, ist selbstverständlich.

Nur sollte man die facettenreiche Marx`sche Theorie bzw. sein Schaffen, wer z.B. die technologischen Excerpte von beiden ansieht, wird brillante "Empiriker" bei der Arbeit erleben, nicht für eine einseitige und sicherlich auch unkritische "Rezeption" seiner theoretischen Arbeiten durch die nachfolgende Orthodoxie verantwortlich machen.

Bei der Beurteilung der politischen Bedeutung seines Werks mag man ihn als den "Gottvater des Bösen" ansehen oder entspannter ihn als Theoretiker ansehen.

Ansonsten gibt es ja genügend ernsthafte Kritik seiner Theorie und es wurden viele Facetten weiter entwicklt, weil sie zu reduktionistisch formuliert waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Besonders empfehlenswert ist da Eugen Richters Dystopie ""Sozialdemokratische Zukunftsbilder" (im 19. Jahrhundert ist "sozialdemokratisch" ja noch gleichbedeutend mit "marxistisch).


Wicki: "Soziale Reformen wie die Versicherungsgesetze lehnte Richter mit der Begründung ab, damit verwöhne man den Arbeiter, statt ihn auf den freien Wettbewerb der Kräfte vorzubereiten."

Soviel zum Hintergrund und zum Weltbild von Hr. Richter.
 
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