Wahrer Kommunismus im 20ten Jahrhundert

R.A. schrieb:
im 19. Jahrhundert ist "sozialdemokratisch" ja noch gleichbedeutend mit "marxistisch

Die Gleichung hört sich vielleicht griffig an, stimmt aber nicht. Die Sozialdemokratie umfaßte im 19. Jahrhundert ein breites Spektrum von Strömungen, angefangen bei Positionen, die wir heute als 'sozialdemokratisch' bezeichnen würden über marxistisch bis anarchistisch.
 
Vor diesem Hintergrund ist die Metapher der "Diktatur des Proletariats" zu interpretieren und ist kein Aufruf, einen totalitären Staat zur Unterdrückung seiner Bevölkerung zu etablieren.
Mir gefällt Dein Beitrag auch gut! Soweit ich mich erinnere, verwandte Marx relativ wenig Mühe darauf, "auszumalen", wie das Leben unter der "Diktatur des Proletariats" aussehen werde.

Engels hat uns freilich einen historischen Vergleich an die Hand gegeben:
"Der sozialdemokratische Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats." [1]
Die könnte man sich - bei Bedarf und in einem neuen Thread - ja mal genauer anschauen.


[1] Einleitung von 1891 zu „K. Marx: Bürgerkrieg in Frankreich“, MEW 17, 623ff.
 
Der Hinweis auf die Pariser Kommune ist m.E. sehr zielführend und erhellt das Spektrum möglicher alternativer politischer Zukunftsentwürfe.

Und es ist sicherlich auch kein Zufall, dass im Rahmen der Kommune unterschiedliche Gesellschaftsentwürfe im Rahmen des Microkosmos diskutiert wurden.

Die Frage des Menschenbildes, des individuellen Glücks, der Art der Vergesellschaftungsprozesse und der politischen Organisation wäre sicherlich wert anhand der Pariser Kommune betrachtet zu werden.
 
dass man Marx/Engels im historischen Kontext sehen sollte.
Sicher.
Und wieso sollte dieser historische Kontext meiner Feststellung widersprechen, daß Marx Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele für legitim hielt?

Die Matritze, vor dessen Hintergrund die Marx`sche Analyse zu sehen ist, war die "Enfesselung der Produktivkräfte" im aufkommenden Kapitalismus.
Unbestritten.
Genauso unbestritten war ja auch zu seiner Zeit, daß die Masse der Bevölkerung arm war und keine politischen Mitspracherechte hatte (strittig war nur, daß die Einen das für göttlich gewollt und die Anderen für ungerecht hielten). So weit also noch nichts Originelles.

Marx behauptete nun, die ökonomischen Zusammenhänge analysiert und durchschaut zu haben und deswegen eine Prognose abgeben zu können, wie die weitere geschichtliche Entwicklung ablaufen würde.

Und es tut mir ja leid, wenn ich Dein Idol vom Sockel heben muß - aber diese ökonomische Analyse von Marx war in allen entscheidenden Punkten falsch und seine darauf basierenden Erklärungs- und Prognose-Versuche für die Weltgeschichte ebenfalls. Was der weitere Verlauf der Geschichte ja auch gezeigt hat.

Um mal einen zentralen Fehler herauszugreifen:
mit deutlichen Verelendungsprozessen in den Slums der Industriearbeiter
Eben dies war nie der Fall.
Den Arbeitern ging es elend im vergleich zum Bürgertum. Aber besser als in ihrem vorherigen Leben auf dem Land (sie sind ja nicht ohne Grund in die Städte und Fabriken geströmt). Der vorherrschende Trend war nicht Verelendung, sondern Verbesserung (natürlich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend).
Zwischen der Herausgabe des kommunistischen Manifests und der des Kapitals sind die Durchschnittslöhne in Deutschland um ein Drittel gestiegen - und Marx in seinem Elfenbeimturn erfindet ein "Gesetz" einer zwangsläufig fallenden Profitrate mit gleichzeitigen Lohnsenkungen.

Fehler dieser Art machen das gesamte darauf gebaute Theoriegerüst obsolet. Marx ist eben schon zu Lebzeiten von seinen Zeitzeugen widerlegt worden - man mußte dazu nicht das Scheitern aller Realisierungsversuche ein Jahrhundert später abwarten.

Ansonsten hat Marx eine Antwort auf die sozialen Mißstände seiner Zeit gegeben ...
Er hat eine Glaubenslehre entwickelt - die aber so unwissenschaftlich war, daß sie für die Behebung der sozialen Mißstände nichts bringen konnte und nichts gebracht hat.

Er hat sich konsequent die Frage nach dem handelnden historischen Subjekt gestellt, das in der Lage ist, die unsozialen gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Und hat es in der Gestalt des aufkommenden "Proletariats" erkannt.
Die Idee, nach einem solchen Subjekt zu suchen, ist nur in einem so schlichten Geschichtsbild (mit der Reduzierung allen Geschehens auf "Klassenkämpfe") möglich. Und die Erkenntnis war ja auch falsch. Das "Proletariat" hat sich über die Arbeiterbewegung einen angemessenen Platz in der Gesellschaft verschafft (wie andere Gruppen zuvor und danach), war und ist aber immer nur eine soziale Gruppe neben anderen.

In diesem Sinne ist er natürlich nicht blauäugig und es war ihm schon deutlich, dass eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ohne Gewalt zu leisten ist.
"Eine" Umwälzung ist sehr wohl ohne Gewalt möglich. Unsere Gesellschaft unterscheidet sich nun sehr deutlich von der Mitte des letzten Jahrhunderts - und diese Umwälzungen sind im Prinzip alle gewaltfrei erfolgt.

Gewalt brauchte es dagegen für die Sorte Umwälzungen, wie Marx sie propagierte. D.h. für Veränderungen, bei der nicht einfach nur bisher benachteiligte Gruppen eine Verbesserung ihrer Stellung durchsetzen - sondern andere Gruppen eliminiert und entrechtet werden sollen. Die Diktaturen im Ostblock sind logische Folge der Marx'schen Thesen, weil sie Veränderungen in einem Ausmaß durchsetzen wollten, die friedlich nicht möglich sind.

Vor diesem Hintergrund ist die Metapher der "Diktatur des Proletariats" zu interpretieren und ist kein Aufruf, einen totalitären Staat zur Unterdrückung seiner Bevölkerung zu etablieren.
Richtig ist, daß Marx den totalitären Umfang der Diktaturen nicht vorhersehen konnte. Weil die dazu nötigen Techniken und Machtmittel erst später entwickelt wurden.
Aber seinen Zielen entsprach das schon - wenn eine Gruppe (das "Proletariat") absolut herrschen soll, und es abweichende Meinung wegen der behaupteten Wissenschaftlichkeit der Marx'schen Lehre nicht wirklich geben kann, dann sind die entsprechenden Unterdrückungsmaßnahmen nur folgerichtig.
 
Wicki:
...
Soviel zum Hintergrund und zum Weltbild von Hr. Richter.
"Wicki" sagt mir nichts, in der Wikipedia findet sich kein solches Zitat. Ein solcher aus dem Zusammenhang gerissener Satz ist wohl auch kaum geeignet, einen Menschen und sein Weltbild zu beurteilen.

Vor allem aber: Solche ad-hominem-Anwürfe widerlegen in der Sache natürlich gar nichts.

Für die Aussagekraft von Richters Buch ist es völlig unerheblich, welches Weltbild er ansonsten vertreten hat.
 
Die Sozialdemokratie umfaßte im 19. Jahrhundert ein breites Spektrum von Strömungen, angefangen bei Positionen, die wir heute als 'sozialdemokratisch' bezeichnen würden über marxistisch bis anarchistisch.
Da hast Du natürlich völlig recht.
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß das Wort "sozialdemokratisch" im Buchtitel nicht die heutige Bedeutung hat. Gemeint sind hier die Marxisten, die damals in der SPD dominierten und deren Positionen denen von später KPD oder SED entsprechen.
 
Aber auch hier führt die Theorie, wenn man sie etwas weiterdenkt, zu Widersprüchen. Und deswegen kann das auch in der Praxis nicht funktionieren (und hat ja auch nicht funktioniert).

Gleiches analysiert Marx am Kapitalismus: Dessen innere Widersprüche werden irgendwann zur Überwindung des Kapitalismus führen.

Evtl bist Du einfach schon ein, zwei Perioden weiter; welche Widersprüche werden irgendwann dazu führen, dass der Kommunismus an sich selbst zu Grunde geht? Und was kommt dann? ;)

Alle schon existierenden Produktionsmittel enteignen und den Werktätigen der jeweiligen Firmen übergeben ist ja noch verhältnismäßig einfach (wenn wir ignorieren, daß man dazu erhebliche Gewalt anwenden muß).

Aber wie soll sich die Szene weiterentwickeln?
(...)

Diese Fragen sind aus der jetzigen Perspektive nicht zu beantworten. Die große bürgerliche Revolution Europas, die französische welche, hatte 1780 auch noch keine exakte Vorstellung, wie die entwickelte bürgerliche Gesellschaft mal aussehen würde, von juristischen Details wie Zivil-, Straf-oder Handelrecht ganz zu schweigen.

Dass Jugoslawien kein direkt zu übernehmendes Vorbild sein sollte ist doch hoffentlich klar. ;)
 
"Wicki" sagt mir nichts, in der Wikipedia findet sich kein solches Zitat.
Für den Fall, dass thanepower hierauf nicht antworten will: Eugen Richter (Publizist) ? Wikipedia (Anfang des vorletzten Absatzes). :D

In gewisser Weise teilt Richter ja das Schicksal von Marx: Er kann nicht verhindern, dass irgendwelche Leute später mit dem, was er schrieb, eigene Zwecke verfolgen. Ich zitiere von der Homepage des Verlages, bei dem Richters Satire vor kurzem neu aufgelegt wurde: "Das vergangene 20. Jahrhundert war die Epoche des Sozialismus in all seinen Farben. Sozialdemokratie, Kommunismus, Nationalsozialismus und Neosozialismus vernichteten Wohlstand, Vielfalt, Recht, Moral, Kultur und Leben."
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wieso sollte dieser historische Kontext meiner Feststellung widersprechen, daß Marx Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele für legitim hielt?
Eine deutlich andere Formulierung wie ursprünglich! Jeder, der sich mit Realpoltiik beschäftigt wird diesen Umstand bejahen.


Genauso unbestritten war ja auch zu seiner Zeit, daß die Masse der Bevölkerung arm war und keine politischen Mitspracherechte hatte (strittig war nur, daß die Einen das für göttlich gewollt und die Anderen für ungerecht hielten). So weit also noch nichts Originelles.

Marx behauptete nun, die ökonomischen Zusammenhänge analysiert und durchschaut zu haben und deswegen eine Prognose abgeben zu können, wie die weitere geschichtliche Entwicklung ablaufen würde.

Und an welchen Punkten lag er mit welcher Prognose denn nun verkehrt? Es kommen im wesentlichen von Dir lediglich sehr pauschale Aussagen, was Marx alles nicht geleistet hat.


Und es tut mir ja leid, wenn ich Dein Idol vom Sockel heben muß
Ist das nicht ein wenig schlicht argumentiert? Nur weil ich nicht Deiner Meinung folge, Marx zu meinem Idol zu glorifizieren. Für mich ist Marx ein Theoretiker wie jeder andere auch und ich habe zu ihm, offensichtlich im Gegensatz zu Dir, keinerlei emotionale oder sonstige Verbindungen.

(OT: Diese Unterstellung werde auch zum Anlass nehmen, nicht weiter mit Dir über das Thema zu diskutieren, da ich kein Bock auf Glaubenskriege habe)


aber diese ökonomische Analyse von Marx war in allen entscheidenden Punkten falsch und seine darauf basierenden Erklärungs- und Prognose-Versuche für die Weltgeschichte ebenfalls. Was der weitere Verlauf der Geschichte ja auch gezeigt hat.
Verstehe ich wieder nicht in der Pauschalität der Bewertung, auf welche Teile der ökonomischen Analyse Du Dich beziehst und was hat die weitere Geschichte denn gezeigt?

Ist das die platte Nummer, man muss ja nur die UdSSR ansehen?

Könnte es viellicht auch sein, dass die Anpassungsleistung des der realsozialistischen Interpretation von Marx ganz andere Wege gegangen ist, wie Marx sie ursprünglich formuliert hat?

Dass eine Theorie in der Praxis selten so funktioniert wie sie in der Theorie formuliert wurde? Unter dieser Prämisse würden mir eine Reihe von Ökonomen einfallen. Welche Theorie kam denn im Rahmen der letzten "Götterdämmerung" unter die Räder wegen der Unvereinbarkeit von Theorie und den realen Konsequenzen.

Den Arbeitern ging es elend im vergleich zum Bürgertum. Aber besser als in ihrem vorherigen Leben auf dem Land (sie sind ja nicht ohne Grund in die Städte und Fabriken geströmt). Der vorherrschende Trend war nicht Verelendung, sondern Verbesserung (natürlich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend).

Marx sah das aber anders und sah in der Ausbeutung des Faktors Arbeit eine Benachteiligung, die unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Verteilung nicht akzeptabel war. Gemessen an den sozialen Zuständen, die in den Zentren der Industrialisierung unter den Regeln des Manchester-Kapitalismus herrschten, will ich ehrlich nicht sagen, wie ich obige Aussage bewerte.

1 Fehler dieser Art machen das gesamte darauf gebaute Theoriegerüst obsolet. Marx ist eben schon zu Lebzeiten von seinen Zeitzeugen widerlegt worden -

2. Er hat eine Glaubenslehre entwickelt - die aber so unwissenschaftlich war, daß sie für die Behebung der sozialen Mißstände nichts bringen konnte und nichts gebracht hat.

1. Und wer hat Marx mit welchen Argumenten bzw. mit welchen empirischen Belegen zu Lebzeiten widerlegt? Wieder so eine pauschale Aussage.

2. Über die Auswirkungen kann man streiten. Zumindest zeigt Deine Aussage, dass Du über einen gesunden eurozentrierten Blick verfügts. Wie ist es aber mit den Befreiungsbewegungen, die unter Berücksichtigung der Marxschen Theorie eine Mobilisierung der Bevölkerung vornahmen und das "Joch" des Kolonialismus abwarfen.

3. Und auch für Europa trifft Dein Befund nicht zu. Bereits auf der Ebene der Analyse von Parteiprogrammen im Nachkriegsdeutschland finden sich deutliche Anlehungen an sozialistisches Gedankengut z.B. im Parteiprogramm der CDU im Anschluss an den WW2. Und Agendasetting ist der Ausgangspunkt für die breitere Entwicklung des Policy Outputs.

4. Die Qualität einer Theorie bemißt sich nicht an der Frage, ob sie in der Realität widerlegt wird. Ganz im Gegenteil, die Wissenschaftlichkeit einer Theorie setzt voraus, dass sie widerlegt werden kann, andernfalls wäre sie eher etwas für den Bereich Theologie. So als kleiner Exkurs in den Bereich des KR.

"Eine" Umwälzung ist sehr wohl ohne Gewalt möglich. Unsere Gesellschaft unterscheidet sich nun sehr deutlich von der Mitte des letzten Jahrhunderts - und diese Umwälzungen sind im Prinzip alle gewaltfrei erfolgt.

Gewalt brauchte es dagegen für die Sorte Umwälzungen, wie Marx sie propagierte. D.h. für Veränderungen, bei der nicht einfach nur bisher benachteiligte Gruppen eine Verbesserung ihrer Stellung durchsetzen - sondern andere Gruppen eliminiert und entrechtet werden sollen. Die Diktaturen im Ostblock sind logische Folge der Marx'schen Thesen, weil sie Veränderungen in einem Ausmaß durchsetzen wollten, die friedlich nicht möglich sind.

Dass die Anpassung, wie sie in Skandinavien oder in GB erfolgte, eine relativ gewaltlose Evolution des politisch ökonomischen Systems ermöglichte, basiert nicht nur auf der begrenzten Radikalisierung der K- bzw. S-bewegungen, sondern vor allem auf der Adaptionsfähigkeit des politischen Systems an ein verändertes Umfeld.

Revolutionen brechen vor allem in den Staaten aus, in denen die Antagonismen am stärksten ausgeprägt sind! Und dieser Zustand ist nicht selten auf das Konto reaktionärer bzw. restaurativer politischer Systeme zu buchen. Einfach nur um Ursache und Wirkung ein wenig zu trennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sicher.
Und wieso sollte dieser historische Kontext meiner Feststellung widersprechen, daß Marx Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele für legitim hielt?

Die Frage ist, warum Du das negativ beurteilst. Auch die bürgerlichen Revolutionen von 1789 oder 1848 waren gewaltsame Aufstände inkl Toten etc. Diskreditiert das jetzt die Gesellschaften, die aus diesen Revolutionen hervorgingen (also unsere)? Oder die Vordenker dieser Gesellschaften, die sich durchaus auch bewusst waren, dass die bisher Herrschenden nicht einfach so verschwinden würden?

Den Arbeitern ging es elend im vergleich zum Bürgertum. Aber besser als in ihrem vorherigen Leben auf dem Land (sie sind ja nicht ohne Grund in die Städte und Fabriken geströmt).

Das Leben der Landbevölkerung hatte sich vorher durch einen rapiden Bevölkerungsanstieg und (in England bspw) durch die Einhegung bisher kollektiv genutzten Landes erheblich verschlechtert. Ja, das Leben auf dem Land war extrem ärmlich, oft schlimmer als in den schlimmsten Slums der Städte. Warum dies jetzt gegen Marx Idee, die unhaltbaren Zustände zu ändern, sprechen soll ist mir aber unklar.

Aber für so manchen war wohl auch der Aufstand der schlesischen Weber 1844 der Akt von Gewaltverbrechern ohne Achtung vor den Menschenrechten, und die preußische Reaktion völlig in Ordnung...

Aber seinen Zielen entsprach das schon - wenn eine Gruppe (das "Proletariat") absolut herrschen soll, und es abweichende Meinung wegen der behaupteten Wissenschaftlichkeit der Marx'schen Lehre nicht wirklich geben kann, dann sind die entsprechenden Unterdrückungsmaßnahmen nur folgerichtig.

Das sind Behauptungen, für die ich mir Belege wünschen würde. Woher weißt Du, dass „Diktatur des Proletariats“ die absolute Herrschaft einer Klasse bedeuten soll? Mwn ging es eher um die „Expropriation der Expropriateure“, also die Ausbeutung der Ausbeutung; betrachtete Marx nicht die herrschende Gesellschaftsordnung als „Diktatur des Kapitals“? War diese die „absolute Herrschaft“ einer Klasse?
 
Gleiches analysiert Marx am Kapitalismus: Dessen innere Widersprüche werden irgendwann zur Überwindung des Kapitalismus führen.
Genau da lagen halt seine zentralen Analyse-Fehler - die von ihm behaupteten Widersprüche sind nicht aufgetreten (bzw. waren nebensächlich) und ein Ende des Kapitalismus ist derzeit nicht abzusehen.

Die große bürgerliche Revolution Europas, die französische welche, hatte 1780 auch noch keine exakte Vorstellung, wie die entwickelte bürgerliche Gesellschaft mal aussehen würde ...
Richtig. Aber da hat ja auch keiner behauptet, er hätte die Mechanismen der Weltgeschichte durchschaut und könne prognostizieren, wie es "wissenschaftlich begründet" weitergehen würde.
Sondern die Revolutionäre haben ihre Forderungen erhoben, einen Teil davon durchgesetzt und dann sah die Gesellschaft eben anders aus.

Genauso haben ja auch die Pragmatiker in der Arbeiterbewegung (also die Teile der Bewegung, die später in die SPD mündeten) gehandelt. Sie haben Stück für Stück ihre Forderungen durchgesetzt und damit letztlich den modernen Wohlfahrtsstaat geschaffen.

Dass Jugoslawien kein direkt zu übernehmendes Vorbild sein sollte ist doch hoffentlich klar. ;)
Sicher. Aber Jugoslawien ist schon ein sehr instruktives Beispiel, die Arbeiterselbstverwaltung der Betriebe klingt ja auch erst einmal nach einer sehr fairen und durchführbaren Idee.
Aber letztlich sind sie dann auch bei der Zentralwirtschaft gelandet - nicht so bis zur letzten Schraube durchgeplant wie in der SU, aber die großen Investitionsentscheidungen blieben halt beim Staat, weil die Firmenkollektive das nicht können und die Einzelnen halt wg. Marxismus es nicht machen durften.
 
Und an welchen Punkten lag er mit welcher Prognose denn nun verkehrt?
Genannt hatte ich schon die behauptete Gesetzmäßigkeit angeblich fallender Profite (und Löhne). Ein sehr zentrales Element der Marx'schen Basis, und nun wirklich von Anfang an falsch.

Ganz zentral sehe ich seine Arbeitswerttheorie. Obwohl Marx eigentlich komplex einsteigt und Gebrauchs- und Tauschwert unterscheidet, landet er am Ende bei der recht kruden Idee, den Wert einer Ware wesentlich an die investierte Arbeit zu binden. Was letztlich dazu führt, daß er zwar gerade die Industrialisierung, d.h. den zunehmenden Maschineneinsatz, untersucht, aber den wertschöpfenden Charakter der Maschinen nicht realisiert. Ähnliches gilt für die wichtige Rolle der Arbeitsteilung und Spezialisierung: Die betrachtet er ausführlich - und am Ende verkennt er deren Resultate.
Das führt dann zur schlichten Propagierung des "Mehrwerts" als direkter Meßgröße für "Ausbeutung". Er sieht nicht den produktiven Beitrag der "Ausbeuter" bei der gesamten, arbeitsteiligen Wertschöpfung.

Deswegen sind am Ende die Sozialdemokraten erfolgreich, die den "Kapitalisten" zwar einen wesentlichen Teil vom Kuchen abnehmen und umverteilen - sie aber ansonsten weiter wirtschaften lassen.
Während die Marxisten die "Kapitalisten" der reinen Lehre folgend eliminieren und sich dann wundern, daß sie die Produktivität nicht auf die Reihe kriegen.

Ist das nicht ein wenig schlicht argumentiert? Nur weil ich nicht Deiner Meinung folge, Marx zu meinem Idol zu glorifizieren.
Na ja, das war halt eine kleine Retourkutsche für diverse persönliche Anzüglichkeiten, die ich in Deinem Beitrag unangenehm fand.
Ich kann aber gerne auf solche Sticheleien verzichten, sind ohnehin nicht mein Stil.

Könnte es viellicht auch sein, dass die Anpassungsleistung des der realsozialistischen Interpretation von Marx ganz andere Wege gegangen ist, wie Marx sie ursprünglich formuliert hat?
Wenn dem so wäre, dann müßten sich die Abweichungen ja recht deutlich darstellen lassen. Da habe ich aber bisher nichts gefunden, was über Details hinausging.

Dass eine Theorie in der Praxis selten so funktioniert wie sie in der Theorie formuliert wurde?
Nun, wir reden hier ja nicht über kleinere Abweichungen. Sondern über ein ganz massives Scheitern, die Entwicklung in der Praxis ging ja in eine völlig andere Richtung als erhofft.

Und wer hat Marx mit welchen Argumenten bzw. mit welchen empirischen Belegen zu Lebzeiten widerlegt?
Sehr fundierte Widerlegungen finden sich bei Böhm-Bawerk und vor allem in der "Gemeinwirtschaft" von Mises. Die sind zugegeben nicht zu Lebzeiten, aber noch deutlich bevor das praktische Scheitern des Sozialismus offensichtlich war.
Für Belege aus Marx' Lebzeiten selber muß ich mal etwas suchen.

Zumindest zeigt Deine Aussage, dass Du über einen gesunden eurozentrierten Blick verfügts.
Das liegt bei dieser Diskussion wohl daran, daß Marx seine Theorien ja in erster Linie für Europa entwickelt hat. Schon Rußland war ihm ja eigentlich zu unindustrialisiert um wirklich reif für den Sozialismus zu sein.
Daß sich alle möglichen Leute später in der dritten Welt auf ihn berufen haben, würde ich nicht wirklich als Umsetzung seiner Lehre werten wollen (wirtschaftlich sind diese Versuch aber auch alle gescheitert).

Bereits auf der Ebene der Analyse von Parteiprogrammen im Nachkriegsdeutschland finden sich deutliche Anlehungen an sozialistisches Gedankengut ...
Ich bestreite doch nicht, daß Marx erheblichen Einfluß auf Geschichte und Politik hatte und hat. Aber das ist doch kein Beweis dafür, daß seine Thesen richtig sind.
(Da fällt es ja schon schwer, nicht von Millionen Fliegen zu erzählen ;-)

Die Qualität einer Theorie bemißt sich nicht an der Frage, ob sie in der Realität widerlegt wird.
Nicht alleine. Aber wenn eine Theorie von der Realität widerlegt wird, kann sie schon keine gute Theorie mehr sein.

Ganz im Gegenteil, die Wissenschaftlichkeit einer Theorie setzt voraus, dass sie widerlegt werden kann ...
Richtig. Genau deswegen sind die Marx'schen Thesen schon von der Struktur her nicht wissenschaftlich, sondern eher journalistisch.

Revolutionen brechen vor allem in den Staaten aus, in denen die Antagonismen am stärksten ausgeprägt sind!
Richtig. Genau das beachtet Marx dann aber recht wenig (in seinen historischen Betrachtungen ist er sich dessen noch bewußt!) - er geht apodiktisch davon aus, daß eine Revolution kommen muß.
 
Die Frage ist, warum Du das negativ beurteilst. Auch die bürgerlichen Revolutionen von 1789 oder 1848 waren gewaltsame Aufstände inkl Toten etc.
Daß ich Gewalt allgemein eher negativ bewerte, ist hier gar nicht relevant.

Ausgangspunkt war ja die Vermutung, die Gewaltanwendung der Bolschewiki oder anderer Marxisten wäre von Marx nicht intendiert gewesen, wäre sozusagen eine Pervertierung seiner Ideen.
Und dem ist deutlich nicht so. Er hatte keine Bedenken gegen Gewalteinsatz, hielt diesen für richtig und notwendig. Lenin und Genossen haben seine Ideen durchaus folgerichtig umgesetzt.

Diskreditiert das jetzt die Gesellschaften, die aus diesen Revolutionen hervorgingen (also unsere)?
Nicht umbedingt. Es gibt m. E. sehr wohl Situationen, in denen Gewalt zu rechtfertigen ist. 1848 war das wohl der Fall, auch beim Anfang der französischen Revolution.
Aber der "terreur" des Wohlfahrtsausschusses oder ähnliche Gewaltexzesse bei anderen Revolutionen diskreditieren durchaus, da haben die französischen Revolutionäre ganz massiv gegen die von ihnen propagierten Ideale verstoßen.

Ja, das Leben auf dem Land war extrem ärmlich, oft schlimmer als in den schlimmsten Slums der Städte. Warum dies jetzt gegen Marx Idee, die unhaltbaren Zustände zu ändern, sprechen soll ist mir aber unklar.
Das spricht natürlich überhaupt nicht gegen die Intention, die Zustände zu verbessern. Das haben ja viele versucht und gemacht (z. B. Cobden).

Das Problem hier ist aber die grotesk fehlerhafte Analyse von Marx. Er ist von einer Verelendung ausgegangen, obwohl die Bewegungsrichtung (sehr langsam und von niedrigstem Niveau aus) eine Verbesserung war. Entsprechend fehlerhaft waren dann seine abgeleiteten "Analysen". Die haben dann halt nicht wie beabsichtigt den Arbeitern geholfen, sondern ihnen geschadet.

So mal als Beispiel: Dir ist das Klima zu kalt und Du möchtest wärmere Gebiete erreichen. Sehr verständliche Absicht. Aber leider ist Deine Lageanalyse um 180 Grad falsch - deswegen fährst Du beständig Richtung Nordpol. Ein Analysefehler - und die ganze Hilfsaktion geht den Bach runter.

Woher weißt Du, dass „Diktatur des Proletariats“ die absolute Herrschaft einer Klasse bedeuten soll?
Da war Marx schon recht eindeutig, es ging ihm nicht darum, daß die beiden Klassen friedlich nebeneinander existieren.

betrachtete Marx nicht die herrschende Gesellschaftsordnung als „Diktatur des Kapitals“? War diese die „absolute Herrschaft“ einer Klasse?
Richtig.
Und wenn man nun diese "Diktatur des Kapitals" falsch und ungerecht findet (was ich sehr verständlich finde), dann sagt es schon viel über ihn, wenn er nun die umgekehrte Diktatur fordert.
 
Was [Marx] nicht wissen konnte und somit auch nicht reflektiert hatte, da die Erfahrungen der "Revolutionen" für [ihn] in der Zukunft lagen, ist die sozialpsychologische Seite von sozialen Bewegungen.

Das sehe ich etwas anders. Marx hat ja die Französische Revolution von 1789 gekannt und an er Revolution von 1848 teilgenommen. Insofern hatte er natürlich schon ein gewissen Erfahrungswissen - gerade die Revolution von 1789 hatte ja den Terreur zur Folge gehabt. Im achtzehnten Brumaire bezeichnet Marx die Phase des Terreur in einem berühmten Zitat als Tragödie ("Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848-1851 für die Montagne von 1793-1795, der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird!")

Und über diesen Prozeß der Annäherung an die militanten Instrumente der Konterrevolution verliert die sozialistische Bewegung ihre politische Unschuld. Und bildet in ihrer Überreaktion Instrumente totalitärer Staaten (z.B. NKWD bzw. KGB etc.) aus. Mit sämtlichen Konsequenzen, die im Ostblock zu beobachten waren.

Wow! Dieser Abschnitt gibt zwar weitgehend meine Meinung wieder, ich hätte das aber niemals so schön formulieren können.

Wie soll Kommunismus funktionieren bzw. bestehen, wenn der Mensch seine tiefesten Emotionen nicht abstellen oder verbergen kann:

Neid und Hass?

(Kommunismus funktioniert genauso wenig, wie ein perpetuum mobile, wegen der Reibung zwischen den Menschen....)

Anders gefragt: Bestünde in einem funktionierenden Kommunismus (ich zeichne hier mal die Utopie von Wohlstand und Arbeit für alle bei umweltfreundlicher Ressourcennutzung) noch die Notwendigkeit zu Neid?! Hass? Hass ist ein starkes Wort. Auf der persönlichen Ebene ist Hass wohl nicht auszuschalten, hat aber imho nichts mehr mit der Organisation des Wirtschaftslebens zu tun (nichts anderes ist ja Kommunismus eigentlich, eine Organisationsform des wirtschaftlichen Zusammenlebens). Anderer Hass wäre (in dieser freilich utopischen Welt) gar nicht mehr notwendig.
Ich hab hier jetzt viel von Utopien geredet. Man sollte diese aber nicht zu sehr geringschätzen. Vor 200 Jahren war auch die Demokratie noch eine Utopie. Ich sehe gerade, Reinecke hat das schon ausgeführt:

Jede, wirklich jede Gesellschaftsform hat die Utopien, die ihre Überwindung für möglich erklären, durch Hinweise auf "die Natur des Menschen" zu diskreditieren versucht. In der klassischen Antike war es gesellschaftlicher Konsens, dass Sklaverei naturnotwendig war (wegen der Natur des Menschen), absolutistische Könige und deren Anhänger hielten eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie für unfunktionabel (wegen der Natur des Menschen), heute ist halt die jetzige Form sankrosankt und unveränderlich (wegen der Natur des Menschen).

Gut gesagt, aber gerade der gesellschaftliche Interessenausgleich, auf welcher Basis soll er entstehen?

Die kapitalistische Verwertungspolitik greift doch nur das auf, was wir Menschen möchten.

Täte das ein nachfrageorientierter Kommunismus nicht auch?

Dieser "blöde" Spruch nach "Angebot und Nachfrage" reguliert einfach den Markt. Aber nicht der Kapitalismus reguliert den Markt, sondern die Konsumenten.

Das ist nur teilweise richtig. Manche Nachfrage entsteht erst dadurch, dass das Produkt existiert und es existiert nur deswegen, weil andere wiederum Geld verdienen wollen. Die Nachfrage des Konsumenten muss also erst durch den Hersteller bzw. seinen Vertragshändler geschürt werden. Frag mal Marketing-Fachleute danach.
Ich finde, besonders gut kann man das am Lebensmittelsektor sehen: Wir alle wissen, dass die Kaffeekette Stern-Dollar völlig überteuert ist oder der bekannte schottische fast Food Anbieter Junk Food anbietet. Und dennoch kaufen wir überteuerten Chai Latte und müssen unbedingt probieren, wenn es den neuen McSoccer gibt, obwohl wir die Marketingstrategien durchschauen. Und jedes Mal findet in unserem Kopf ein "Kampf" zwischen Über-Ich (Kauf keinen Schrott!) und Es (Limitierte Auflage! Limitierte! Auflage! Du musst unbedingt mal probieren, bevor das Produkt wieder aus dem Angebot verschwindet!) statt.

Die Gedanken des Marx und Engels und wie auch die ganzen anderen Sozialisten/Kommunisten jener Jahre, haben auf die neue Klassengesellschaft geantwortet, die im 19. Jh auch bestimmt Bestand und ihre Berechtigung hatte.

Sicher, die Gesellschaft ist seitdem komplizierter geworden, es gibt Milieus, keine Klassen mehr. Und dennoch sind einige Probleme geblieben.


Der Kommunismus, um zum Thema zurückzukehren, steuert sich durch Stillstand.

Ist das so? Oder gilt das nicht eher für die Wirtschaftsformen des Ostblocks? Siehe auch

Aber eine zentral geplante Wirtschaft ist eben mE nicht das einzige kommunistische Wirtschaftsystem, das vorstellbar ist.



Das ist ja auch ganz logisch und das hat Marx ja auch gesehen. Von Anfang an setzte er auf diese Formen gewaltsamer Durchsetzung, ihm war schon klar, daß die von ihm geforderten massiven Veränderungen nicht ohne entsprechend massivem Zwang kommen konnten.

Fraglich ist, ob Marx sich das wirklich so vorgestellt hat, wie das später in der SU und anderswo umgesetzt wurde. Marx: "Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich nothwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht, und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktions-Verhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktions-Verhältnissen die Existenz-Bedingungen des Klassengegensatzes der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf." (Kommunistisches Manifest)

Die Gewalt ist hierin für den Augenblick der Revolution gerechtfertigt. Ob darüber hinaus, das ist Auslegungssache. Auch Ob Gewalt Mord und Folter mit einschließt. Die meisten politischen Revolutionen waren gewaltsam, da sie sich gegen gewalttätige Regime richteten. Auch unsere bürgerlichen Demokratien haben ihren Ursprung in gewaltsamen Revolutionen. Problematisch wird es, wenn eine zunächst durch die herrschenden Verhältnisse berechtigte Revolution die vorrevolutionären Verhältnisse durch eine eigene Gewaltherrschaft perpetuiert oder wenn sie es zulässt oder gar fördert, dass in der Revolution private Rachegelüste befriedigt bzw. neue Gewaltstrukturen geschaffen werden. Nicht umsonst ist der Satz des Revolutionsführers Vergniaud so berühmt geworden, die Revolution sei wie Saturn und fresse ihre eigenen Kinder, nämlich die Revolutionäre. Für viele (nicht für alle) Revolutionen hat dieser Satz seine Berechtigung, ob wir nun nach Frankreich im 18. Jhdt. schauen, nach Russland, Kuba, oder nach China.



"politisch unschuldig" im Sinne von friedlich oder auf Überzeugung setzend war diese Bewegung nie, wenn sie Marx folgte. Der Totalitarismus ist deswegen keine "Überreaktion", sondern ganz direkte Umsetzung Marx'scher Vorstellungen.

Das ist eine Frage der Auslegung. Oder gibt es eine Stelle, die Gewalt und Unterdrückung einfordert? Eigentlich geht es ja um die Aufhebung der Unterdrückung, wenn notwendig mit Gewalt. Und dies galt auch für die bürgerlichen Revolutionen, in deren Tradition auch unser Staat sich sieht.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich möchte hier keineswegs der Gewalt das Wort reden oder einen dieser unsäglichen "aber die haben doch auch"-Ansatz von Mauer- und Stasi-Apologeten versuchen. Gesellschaftlicher Konsens ist aber wohl (von einigen sehr weltfremden Pazifisten vielleicht abgesehen), dass Gewalt situationsbedingt ein legitimes Mittel sein kann, sonst würden wir uns z.B. keine Bundeswehr leisten und die sogar zu bewaffneten Auslandseinsätzen schicken, was vor wenigen Jahren angesichts unserer Geschichte noch ein absolutes Unding war.

Ich denke, die Antwort muss eindeutig NEIN lauten, denn was in der Sowjetunion oder den Ostblockstaaten entstand, war höchstens eine pervertierte Form des Kommunismus, d.h. - besonders in der UdSSR - eine Diktatur und terroristische Gewaltherrschaft. Auch wenn sich das Bild nach Stalins Tod aufhellte, so blieben die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten dennoch Gewaltherrschaften, in denen weder die Menschenrechte noch die Stimme der Bürger etwas galten. Ob eine solche Staats- und Gesellschaftsform im Sinne von Marx und Engels gewesen wäre, darf bezweifelt werden.

Nun könnte man einwenden, dass die Gesellschaft in der Sowjetunion erst im Übergangsstadium vom Sozialismus zum Kommunismus war. Denn nach strenger Lesart wird der Kommunismus bekanntlich von der Proletarischen Revolution eingeleitet, in der die Arbeiterklasse die "Diktatur des Proletariats" errichtet. Und erst nach der Übergangsphase des Sozialismus entsteht allmählich die klassenlose kommunistische Gesellschaft, in der das Privateigentum abgeschafft ist und die Produktionsmittel in Gemeinbesitz überführt worden sind.

Erst wenn durch die Gleichheit aller Menschen auch Gerechtigkeit herrscht, wären nach Auffassung von Marx und Engels die Menschenrechte gesichert.

Ich habe eigentlich den Eindruck, dass man im Ostblock zwar viele - teilweise unfreiwillig komische - Phrasen gedroschen hat, aber dabei nicht sonderlich theoriefest war. Da gingen doch die Begrifflichkeiten manchmal arg durcheinander.

Aber wer kann glauben, dass die Sowjetunion diesen Zustand irgendwann erreicht hätte? Ein strammer Kommunist würde hierauf antworten: "Natürlich muss es erst eine Weltrevolution geben, bevor sich der Kommunismus so verwirklichen lässt, wie Marx und Engels das gewollt haben."

Manch strammer Kommunist ist eben bei weitem religiöser, als es seine atheistische Grundüberzeugung zulässt.


Eigentlich nicht.
Wenn man von einigen Exzessen der Stalinzeit absieht, dann war das nicht "pervertiert", sondern im Gegenteil eine recht genaue Umsetzung der Vorgaben von Marx. Was man schon daran sieht, daß auch diverse andere Marxismus-Umsetzungen außerhalb des Machtbereichs der SU in den wesentlichen Bereichen ziemlich ähnlich aussahen.

Das ist nur eine scheinbare Beweisführung. Nicht aneinander muss man die sogenannten kommunistischen Regime messen, sondern an der Theorie.


Insbesondere haben die Menschenrechte per se im Marxismus keine besondere Priorität.
Das Recht auf Leben oder körperliche Unversehrtheit stand Mitgliedern der falschen Klasse ohnehin nicht zu, Meinungsfreiheit oder freie Entfaltung der Persönlichkeit konnten ja auch keine Werte sein in einer Zielgesellschaft, in der es "wissenschaftlich nachgewiesen" nur eine Wahrheit geben konnte.

Marx hat die Menschenrechte kritisiert, das ist richtig. Seine Kritik zielte aber vor allem darauf, dass die Menschenrechte aus der Sicht eines gewinnorientierten (also kapitalistischen) Bürgertums formuliert wurden und dass die Menschenrechte schon zum Zeitpunkt ihrer Beschließung keine Anwendung fanden. Karl Marx: Zur Judenfrage




Eben dies war nie der Fall.
Den Arbeitern ging es elend im vergleich zum Bürgertum. Aber besser als in ihrem vorherigen Leben auf dem Land (sie sind ja nicht ohne Grund in die Städte und Fabriken geströmt). Der vorherrschende Trend war nicht Verelendung, sondern Verbesserung (natürlich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend).

Das ist nicht richtig. Landflucht erleben wir bis in die Gegenwart - wenn auch nicht mehr in den mobilen Gesellschaften, wo das Land eher zersiedelt wird, weil die Menschen zwar gerne stadtnah, aber dann doch bitte im Grünen leben möchten - und es ist eigentlich immer im Interesse der Regierungen die Landflucht einzudämmen. Nicht umsonst reden wir, wenn wir vom 19. Jahrhundert reden, auch vom Pauperismus. Marx und Negels haben diese Entwicklung im Übrigen begrüßt, weil sie darin das notwendige Näherkommen einer sozialen Revolution sahen.

"Eine" Umwälzung ist sehr wohl ohne Gewalt möglich. Unsere Gesellschaft unterscheidet sich nun sehr deutlich von der Mitte des letzten Jahrhunderts - und diese Umwälzungen sind im Prinzip alle gewaltfrei erfolgt.

Auch das stimmt leider nicht. Die bürgerlichen Revolutionen in England, Frankreich und Amerika sind Grundlage für unsere Demokratie. Unser erster Versuch war auch eine Revolution, und unsere später installierten Demokratien sind die Resultate vom Weltkriegen, wobei wir insbesondere beim letzten Mal dann von den oben genannten bürgerlichen Demokratien die Möglichkeit erhalten haben, quasi unter deren Schutz, das bundesrepublikanische System zu entwickeln. Und dass 1989/90 nicht so endete wie 1953 oder der Juni 1989 in China, ist gewissermaßen Glück. Aber man denke nur an die Ereignisse in Rumänien, wo der Diktator sich Paläste baute, in die heute ganze Universitäten passen: Die Rumänen hatten nicht das Glück, das ihre Revolution unblutig verlief.

Aber seinen Zielen entsprach das schon - wenn eine Gruppe (das "Proletariat") absolut herrschen soll, und es abweichende Meinung wegen der behaupteten Wissenschaftlichkeit der Marx'schen Lehre nicht wirklich geben kann, dann sind die entsprechenden Unterdrückungsmaßnahmen nur folgerichtig.

Das Ziel war die klassenlose Gesellschaft, so formuliert von Marx, der davon Sprach, dass das Proletariat sich selbst aufheben würde. Man mag Marx' Analysen für falsch halten oder seine Vorstellungen nicht teilen, aber man sollte ihm auch nichts anhängen.

Verlagsseite schrieb:
"Das vergangene 20. Jahrhundert war die Epoche des Sozialismus in all seinen Farben. Sozialdemokratie, Kommunismus, Nationalsozialismus und Neosozialismus vernichteten Wohlstand, Vielfalt, Recht, Moral, Kultur und Leben."

Das ist wieder diese unsägliche Gleichsetzung von Nationalsozialismus mit Sozialismus nur weil die Nationalsozialisten das Wort Sozialismus aufgegriffen haben. Genauso könnte man die Volksrepublik China für eine öffentliche Sache des Volkes halten, heißt doch schließlich Volksrepublik, oder die DDR für einen demokratischen Staat, schließlich trug sie die Demokratie im Namen. Reine Suggestion. :motz:
 
Die Gewalt ist hierin für den Augenblick der Revolution gerechtfertigt.
Richtig, wie ich auch Deinen weiteren Ausführungen hier voll zustimmen kann. Revolutionen sind nicht immer ohne Gewalt möglich.

Aber die Idee, eine Revolution nicht unnötig brutal durchzuführen, Gewalt auf das Unumgängliche zu beschränken - die war ziemlich weit unten auf der Prioritätenliste von Marx:
"Weit entfernt, den sogenannten Exzessen, den Exempeln der Volksrache an verhaßten Individuen oder öffentlichen Gebäuden, an die sich nur gehässige Erinnerungen knüpfen, entgegenzutreten, muß man diese Exempel nicht nur dulden, sondern ihre Leitung selbst in die Hand nehmen." Marx/Engels, 1850 (MEW 7, 249).

Insbesondere ging es eben nicht nur darum, dem bisherigen Regime die Macht zu entreißen, um dann eine bessere Ordnung zu installieren:
"... daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen ... Der heilige Kirchenvater wird sich doch sehr wundern, wenn der jüngste Tag, an dem sich dies alles erfüllet, über ihn hereinbricht - ein Tag, dessen Morgenrot der Widerschein brennender Städte am Himmel ist, wenn unter diesen 'himmlischen Harmonien' die Melodie der Marseillaise und Carmagnole mit obligatem Kanonendonner an sein Ohr hallt, und die Guillotine dazu den Takt schlägt." Marx/Engels, 1846 (MEW 3, 69).

Den Arbeitern ging es elend im vergleich zum Bürgertum. Aber besser als in ihrem vorherigen Leben auf dem Land (sie sind ja nicht ohne Grund in die Städte und Fabriken geströmt). Der vorherrschende Trend war nicht Verelendung, sondern Verbesserung (natürlich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend).
Das ist nicht richtig.
??? Was ist daran nicht richtig?
Dein Bezug auf die moderne Landflucht scheint mir das nicht zu widerlegen.
Daß die Leute während der Industrialisierung in die Städte kamen, WEIL es ihnen dort besser ging als vorher, und daß es dort einen langfristigen und deutlichen Trend zu höheren Löhnen gab - das sind doch gesicherte Fakten.

Und dass 1989/90 nicht so endete wie 1953 oder der Juni 1989 in China, ist gewissermaßen Glück.
Völlig richtig. Manchmal ist eine Revolution nötig, oft muß bei dieser auch Gewalt angewandt werden.
Auf die Ausgangsbehauptung war ja eine andere, daß nämlich eine Verbesserung nur über Revolution und Gewalt denkbar und möglich gewesen wäre - dem habe ich widersprochen.
 
??? Was ist daran nicht richtig?
Dein Bezug auf die moderne Landflucht scheint mir das nicht zu widerlegen.
Daß die Leute während der Industrialisierung in die Städte kamen, WEIL es ihnen dort besser ging als vorher, und daß es dort einen langfristigen und deutlichen Trend zu höheren Löhnen gab - das sind doch gesicherte Fakten.

Gesicherte Fakten sind, dass die bisher in Leibeigenschaft verharrenden Bauern plötzlich frei waren. Aber leider bedeutete diese Freiheit nicht nur Freiheit von der Knechtschaft sondern auch Freiheit vom Ackerland. Das blieb nämlich im Besitz der alten Grundherren. Das soziale Netz, welches die Leibeigenschaft eben auch bedeutete, wurde ihnen plötzlich entzogen. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass viele Bauern in die Städte zogen, nicht, weil es ihnen dort besser ging. Sie mögen zunächst die Illusion gehabt haben. Aber letztlich hatten sie einfach nicht die Wahl. Nicht umsonst spricht man von Proletariern (=Besitzlose).
 
"Gesicherte Fakten sind, dass die bisher in Leibeigenschaft verharrenden Bauern plötzlich frei waren. Aber leider bedeutete diese Freiheit nicht nur Freiheit von der Knechtschaft sondern auch Freiheit vom Ackerland."

Ja, und da sind wir wieder bei Marx, der "doppelt freie Lohnarbeiter".

Ich möchte zu dem Beitrag von Thane #24, den ich für sehr zielführend halte, im Bezug auf "Mikrokosmos" noch ergänzen:

"Und es ist sicherlich auch kein Zufall, dass im Rahmen der Kommune unterschiedliche Gesellschaftsentwürfe im Rahmen des Microkosmos diskutiert wurden.

Die Frage des Menschenbildes, des individuellen Glücks, der Art der Vergesellschaftungsprozesse und der politischen Organisation wäre sicherlich wert anhand der Pariser Kommune betrachtet zu werden."

Ein für mich interessanter "mikrokosmischer" Gesellschaftsentwurf hinsichtlich der Vergesellschaftung stellen m.E. die Kibbuz dar. Die makroökonomisch zwar dem Prinzip der Kapitalverwertung unterliegen, mikroökonomisch aber eine vollständige Vergesellschaftung der Produktionsmittel erreicht haben.

M.
 
Gesicherte Fakten sind, dass die bisher in Leibeigenschaft verharrenden Bauern plötzlich frei waren.
Danke für die Klarstellung, jetzt verstehe ich, was Du meintest.

Das soziale Netz, welches die Leibeigenschaft eben auch bedeutete, wurde ihnen plötzlich entzogen. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass viele Bauern in die Städte zogen, nicht, weil es ihnen dort besser ging.
Bist Du da sicher?
Die Aufhebung der Leibeigenschaft fand in den diversen europäischen Territorien ja zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten und zu unterschiedlichen Konditionen statt. In England (ist ja das wichtigste Beispiel) war das zum Anfang der Industrialisierung schon einige Generationen her!
Auch in Deutschland vergingen zwischen dem "Entzug des sozialen Netzes" und der wirklich Massenwanderung in die Städte ein bis zwei Generationen, das läßt mich zweifeln, daß hier wirklich der wesentliche Grund lag.

Und ob die Lebensverhältnisse der Arbeiter in den Städten alles in allem wirklich schlechter waren als die ihrer leibeigenen Vorfahren auf dem Land - das bezweifele ich, kenne aber keine Vergleichsstudien.

Wesentlich für die Hauptdiskussion ist aber, daß es für die Arbeiter seit Beginn der Industrialisierung einen stetigen Wohlstandszuwachs gab.
 
Ich möchte mich nicht direkt zum Thema äußern, sondern lediglich hinzufügen, dass der Marx, den seine Zeitgenossen zu kennen glaubten, ein grundlegend anderer ist als der, den wir heute kennen. Marx Schaffen ist in einem Maße umfangreich, dass es Forscher auf der ganzen Welt brauchte, die MEGA (Marx Engels GesamtAusgabe) zusammenzutragen. Dazu kommt, dass Marx und Engels ihre Theorien und Schriften durchaus korrigierten, Marx teilweise sehr heftig. Der "Entwurf der marxistischen Theorie", den hier viele zu zeichnen meinen, ist also stets auch auf den Grad des Schaffens beschränkt oder nur eine sehr grobe kommunistische Theorie betrifft.
Hinzuzufügen ist noch, dass der grösste Teil der Werke Marxs Analysen sind, er sich also weniger stark mit einer "kommunistischen Utopie" als der Analyse tatsächlicher Zustände befasste. Daraus zog Marx nicht immer zwangsläufig Schlussfolgerungen, oft ist es lediglich die Betrachtung eines bestimmten Zustandes.
 
Zum Thema Kommunismus und Stillstand:

Zumindest wenn wir über historische Ideen dazu sprechen wurde sich darüber durchaus Gedanken gemacht, und postuliert dass die Befreiung von dem was wir heute als Marktwirtschaftliche Zwänge bezeichnen Innovationen freisetzen kann.

Das sieht man schon bei den ersten solchen Utopien, Morus z.B. geht davon aus das der Wegfall der Konkurrenzsituation sowie der "unnützen" Arbeit / Nichtarbeit (Leute die für die Gesellschaft nichts tun, sondern sie nur ausnutzen) zu einer erhöhten durchschnittlichen Produktivität des einzelnen und damit insgesamt geringerer Arbeitszeit niederschlägt.

Den dadurch gewonnenen Freiraum wollte er dann mit Bildung füllen, und damit der Überlegung: Je mehr Leute an den Innovationen für die Gesellschaft gemeinsam arbeiten umso schneller und besser klappt dies.

Hier könnte man einen weiteren Unterschied zu den "real existierenden" Umsetzungen sehen bei denen ein Gegenkonzept verwendet wurde. Anstatt durch maximierung der Produktivität den Bedarf an Arbeitskraft zu senken wurde die Produktivität vernachlässigt und dies mit mehr Arbeitskraft aufgefangen.

Um das kurz zusammenfassen:

  • Im Kapitalismus nach Marx führt die Produktionssteigerung in den Fabriken zu einer Senkung der Löhne, da der Wert der Arbeit des einzelnen sinkt, dem Arbeiter aber der weggefallene Anteil seiner Arbeit nicht gehört (Maschinen und andere produktionssteigernde Massnahmen).
  • Im Kommunismus nach Marx gehört dem Arbeiter dieser Anteil an seiner Produktivität wieder. Dadurch ist der Wert der Arbeit für den Arbeiter wieder konstant obwohl durch immer steigende Produktivität seine tatsächliche Arbeitszeit sinkt (und der Freiraum für andere Tätigkeiten genutzt werden kann)
  • Im real existierendem Sozialismus gehören die Produktionsmittel weder dem Arbeiter noch dem Fabrikbesitzer. Sie gehören dem Staat. Dadurch ist der Wert der Arbeit des einzelnen noch immer vergleichbar gering wie im besten Manchesterkapitalismus. Die tatsächliche Arbeitszeit hängt nicht von steigender Produktivität sondern von ideoligischen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Staat ab und von dessen Möglichkeiten totalitär über die Menschen verfügen zu können ohne einen Aufstand zu riskieren.


Ich denke man sieht auch schön die Unterschiede in der Innovationsfreundlichkeit der Systeme. Im Kapitalismus haben die Fabrikbesitzer interesse an Innovation. Es senkt ihre Löhne und erhöht ihre Profite. Jede neue Maschine die den Job von 5 Arbeitern ersetzt erhöht auch den Druck auf die verbliebenen anderen 5 Arbeiter da sich um ihre 5 Stellen nun 10 Bewerber buhlen.

Im Kommunismus funktioniert das ähnlich, nur dass die 10 Arbeiter jetzt einfach den Job der 5 jeweils halbtags machen. Da ihnen die Maschine selbst gehört verringert dies nicht ihren Anteil an der Produktivität. Hier haben die Arbeiter selbst ein Interesse an Innovation. Es senkt ihre tatsächlich notwendige Arbeitsleistung (oder erhöht ihre Konkurrenzfähigkeit mit dem Nachbarsystem)

Wenn die Produktionsmittel dem Staat gehören so ist es natürlich auch dieser der Innovationen betreiben muss. In einem (und sei es nur teilweise) totalitärem Staat ist dies aber fragwürdig da der Staat abseits von ideologischen Vorstellungen kein echtes Interesse daran haben muss seinen Bürgern allzuviel Freizeit zu verschaffen. Wie dies bei DDR, UdSSR und Co. aussah kann man natürlich nicht allgemeingültig sagen, da diese Staaten auch nicht über die gesamte Dauer ihrer Existenz vollständig totalitär und über Theorien abbildbar waren, sondern meist ein Mischmasch aus Anspruch und Wirklichkeit, Ideologie und Pragmatismus.

Aber ein gewisses Interesse daran das die Menschen beschäftigt waren - das grösser war als das Interesse dass es den Menschen gut geht - würde ich nicht leugnen wollen. (Und dies obwohl ich als DDRler durchaus mein Leben gut leben konnte)
 
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