Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Nur mal so nebenbei: die Rechnung verstehe ich nicht. Du gehst von einer Legionsstärke von (nur) 3000 Mann aus?

Das erscheint mir ebenfalls sehr gering. In der Literatur habe ich folgendes gefunden:

„Vegetius beschreibt, gestützt auf eine Quelle aus republikanischer Zeit, wahrscheinlich Catos De re militari, die Größe einer „Standardarmee“ dieser Zeit.
Ein Prätor auf einem kleineren Feldzug erhielt ihm zufolge eine Legion mit verbündeter Infanterie und Kavallerie, insgesamt etwa 10 000 Infanteristen und 2000 Reiter.

Diese Schätzung der Konsulnarmee stimmt in etwa mit der von Polybios überein, bei dem zwei Legionen, verbündete Infanterie und Kavallerie auf insgesamt 20 000 Infanteristen und 4000 Reiter kamen.“

Gilliver, Kate, Auf dem Weg zum Imperium, Stuttgart 2003, S.32

Auch wenn man Lagerbesatzungen und Vexilationen bedenken muss, so wird das Heer des Germanicus wohl über ca. 70 000 Infanteristen und ca. 14 000 Reiter verfügt haben.
Die Größe des germanischen Heeres kann, zumindest 16 n.Chr. bei Idistaviso, ähnlich angenommen werden.
 
..., die Größe einer „Standardarmee“ dieser Zeit.

Nachgefragt:

Da man ja schon einige Tage unterwegs war: Wie hoch muesste man Verluste unter dem Marsch kalkulieren?
Ich bin da etwas von den napoleonischen Kriegen "inspiriert", wo es haufenweise Nachzuegler, (Fuss-)kranke, Deserteure, etc. etc. gab.
Konnten die Rømer ihre Legionen auf dem Marsch besser zusammenhalten?

Gruss, muheijo
 
betrachten wir uns doch einfach mal die lateinische Stelle: "...fuerat animus Cheruscis iuvare Chattos, sed exterruit Caecina huc illuc ferens arma;..." Tac. Ann. I, 56

in meinen Wörterbüchern (Pons sowie Langenscheidt) steht bei ferre die Übersetzung tragen, auch mit auf, an, bei oder in sich tragen. Zu einem angreifen wird arma ferre erst durch die Zusätze in, contra, adversus . In wie weit man nun von einem Angriff auf die Cherusker sprechen möchte, ist mir nicht ganz klar. Die Übersetzung der Textstelle zeigt, dass Caecina seine Legionen aufmarschieren läßt (dh. seine Waffen anträgt). Der Zweck dabei sollte sicherlich eine abschreckende Wirkung auf die Cherusker haben um eben den Germanicus Feldzug zu decken. Von einem Angriff Caecinas auf die Cherusker kann man hier nicht wirklich reden.

Noch etwas zur Legionsstärke. In den römischen Texten wird immer von der Regelgröße der Legionen und Auxiliartruppen ausgegangen. Allerdings weicht die Anzahl der Truppen, die dann letztendlich zur Verfügung stehen teilweise doch stark von dieser Zahl ab. Ob man nun eine halbe Legionsstärke auf einen Feldzug führt oder etwas mehr spielt dabei keine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass die vollen 5500 Mann ausrücken, ist sehr gering.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Zweck dabei sollte sicherlich eine abschreckende Wirkung auf die Cherusker haben um eben den Germanicus Feldzug zu decken. Von einem Angriff Caecinas auf die Cherusker kann man hier nicht wirklich reden.

Durchaus möglich. Den „Angriff“ würde ich eher als eine Drohung gegenüber den Cheruskern verstehen, um zu verhindern, dass sie den Chatten zu Hilfe kommen konnten.
Tela möchte allerdings den Eindruck erwecken, dass ein Vierlegionenheer östlich der Ems glatter Selbstmord gewesen wäre und das ist schlichtweg falsch.


Noch etwas zur Legionsstärke. In den römischen Texten wird immer von der Regelgröße der Legionen und Auxiliartruppen ausgegangen. Allerdings weicht die Anzahl der Truppen, die dann letztendlich zur Verfügung stehen teilweise doch stark von dieser Zahl ab.

Welche anderen Quellen als die römischen Texte liegen uns denn dazu vor?


Ob man nun eine halbe Legionsstärke auf einen Feldzug führt oder etwas mehr spielt dabei keine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass die vollen 5500 Mann ausrücken, ist sehr gering.


Im Gegenteil, sie ist eher hoch. Die Feldzüge des Germanicus waren in diesen Jahren (14-16) die wichtigste militärische Unternehmung des Römischen Reiches. Der betriebene Aufwand war außergewöhnlich hoch. Es ist davon auszugehen, dass die verfügbaren Ressourcen ausgeschöpft wurden, sowohl an Material als auch an Menschen.
 
Im Gegenteil, sie ist eher hoch. Die Feldzüge des Germanicus waren in diesen Jahren (14-16) die wichtigste militärische Unternehmung des Römischen Reiches. Der betriebene Aufwand war außergewöhnlich hoch. Es ist davon auszugehen, dass die verfügbaren Ressourcen ausgeschöpft wurden, sowohl an Material als auch an Menschen.

Keine militärische Einheit, auch heute nicht, hat selbst in Friedenszeiten seine volle Sollstärke. Warum soll das bei den Römern anders gewesen sein? Verluste, Krankenstand und Abkommandierungen in Kastelle, für lokale Aktionen und zur Nachschubsicherung werden dafür gesorgt haben, dass Germanicus nicht mit 8 Legionen = 44000 Mann durch Germanien zog. Das sagt uns schon die militärische Logik.
 
Es sind diverse Papyri und Schreibtafeln (Ägypten und Vindolanda) erhalten aus denen ersichtlich ist daß auch römische Truppen mitunter weit von ihrer Solllstärke entfernt waren. Nach der Varusniederlage wurden zwar die Einheiten aufgefüllt, aber man muss immer noch bedenken daß man niemals mit Mann und Maus die Lager verlassen hat.
Durch Inschriften des 2. Jahrhunderts, als diverse Einheiten an die Donau verlegt wurden, kann man eben diese Truppen aber auch an anderen Orten nachweisen, d.h. sie wurden aufgeteilt.

Wäre ja peinlich wenn man mit "alle Mann" in die Wildnis vorrückt, umgangen wird, und der Gegner pündert in aller Ruhe die Grenzstädte....:autsch:
 
Verluste, Krankenstand und Abkommandierungen in Kastelle, für lokale Aktionen und zur Nachschubsicherung werden dafür gesorgt haben, dass Germanicus nicht mit 8 Legionen = 44000 Mann durch Germanien zog. Das sagt uns schon die militärische Logik.

Richtig, denn zu den 44 000 Legionären müssen noch die Bundesgenossen gezählt werden. Man nahm gerne die Hilfe in Anspruch, jedoch sollte die Zahl der Bundesgenossen die Anzahl der Legionäre in einem römischen Heer möglichst nicht überschreiten.

Um eine Größenordnung zu bekommen, nochmals der Literaturhinweis:

„Vegetius beschreibt, gestützt auf eine Quelle aus republikanischer Zeit, wahrscheinlich Catos De re militari, die Größe einer „Standardarmee“ dieser Zeit.
Ein Prätor auf einem kleineren Feldzug erhielt ihm zufolge eine Legion mit verbündeter Infanterie und Kavallerie, insgesamt etwa 10 000 Infanteristen und 2000 Reiter.

Diese Schätzung der Konsulnarmee stimmt in etwa mit der von Polybios überein, bei dem zwei Legionen, verbündete Infanterie und Kavallerie auf insgesamt 20 000 Infanteristen und 4000 Reiter kamen.“

Gilliver, Kate, Auf dem Weg zum Imperium, Stuttgart 2003, S.32


Gab es andere Kriegsgebiete, wie zum Beispiel den Pannonischen Aufstand, so ist nicht ausgeschlossen, dass die Legionen des Varus unter Sollstärke waren. Auch hatten die Germanen zuvor dafür gesorgt, dass einige Einheiten für verschiedene Aufgaben abkommandiert wurden. Für die Germanicusfeldzüge galt das aber nicht.
In den Schlachten bei Idistaviso und am Angrivarierwall wird Germanicus alles aufgeboten haben, was Beine hatte.
 
Die meisten Fachbücher (und auch die theoretischen Quellen) sprechen von der Nominalstärke, nicht von der realen Einsatzstärke.
Nur ein Randbeispiel: W. Eck geht in seinem Aufsatz "Friedenssicherung und Krieg in der römischen Kaiserzeit" von einem Ersatzbedarf durch Ablauf der Dienstzeit, Dienstunfähigkeit durch Verwundung / Verletzung, Sterberate usw. von mind. 4 % aus. Reichsweit kommt er auf einen Bedarf von 16.000 Soldaten, die jedes Jahr zu ersetzen sind. Der Ersatz, so Eck weiter, wird von den jeweiligen Kommandeuren bestellt. So kommen belegte Schwankungen von bis zu 25 % statt der besagten 4 % zustande.
Von der Nominalstärke ab müssen wir auch einen Teil rechnen, der nicht ersetzt wurde. Gerade bei lange bestehenden Einheiten, die zudem durch Kämpfe oder Bestrafungen weitere Ausfälle zu verzeichnen hatten, ist es eher schwierig, diese vollständig aufzufüllen bzw. den Ersatz rechtzeitig bereit zu stellen (Rekrutierung und Ausbildung verzögern diesen Vorgang naturgemäß).
Dazu kommen dann die Personen, die, wie hier bereits angesprochene Schriftfunde belegen, auf vacatio waren um verschiedene Aufgaben für die Truppe zu erledigen, die verbleibenden Mannschaften in Kastellen, krankheitsbedingte Ausfälle usw.

Blicken wir auf den Zeitraum der germanischen Feldzüge (bezogen auf 16 v. - 16 n.Chr.) sehen wir diverse Verluste von Truppenteilen, Neuaufstellungen, Meutereien und immer wieder Feldzüge bzw. Neuerrichtungen von Kastellen.
Ich denke, die Nominalstärke können wir ausschließen. Die Frage ist, wie groß die Verbände wirklich angesetzt werden können.
 
Tela möchte allerdings den Eindruck erwecken, dass ein Vierlegionenheer östlich der Ems glatter Selbstmord gewesen wäre und das ist schlichtweg falsch.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Oder, wer verstehen will, was geschrieben wurde.

Verdreh einfach alles, was ich schreibe, wenn es dir Spaß macht. Nur was für einen Sinn haben dann noch Diskussionen?

Bewußtes Missverstehen als Diskussionskonzept, Cato?
 
Welchen Auftrag mag Caecina gehabt haben?

Tac. Ann. I. 56:
" So übergab denn Germanicus dem Caecina vier Legionen und fünftausend Mann Hilfstruppen sowie ein in Eile ausgehobenes Aufgebot der diesseitigen Germanen. (...) Die Cherusker hatten die Absicht gehabt, den Chatten zu helfen. Aber Caecina schreckte sie dadurch, dass er sie bald hier, bald dort angriff."
Das deutet eher auf „Kleine Kriegführung“, also Beunruhigung des Gegners hin, was sich bestens mit einer strategischen „Flankendeckung“ vertragen würde. Allerdings ist es auch möglich, dass Tacitus hier einmal mehr einen Vorgang, auf den er nicht näher eingehen will, radikal kürzt. Da Andererseits Tacitus gegenüber Germanicus eher positiv eingestellt ist, würde er vermutlich deutliche Erfolge (Also „ausgehobene“ Heiligtümer / „Zentralen“ oder gefangengenommene feindliche Fürsten) wohl kaum verschweigen. Erst recht nicht, wenn er direkte militärische Erfolge wie gewonnene Schlachten zu vermelden hätte.

Versuchen wir uns dennoch an einigen grundlegenden Prinzipien des Krieges jener Zeiten, drängt sich folgende Überlegung auf: Aufgrund der sozialen und militärischen Schichtung westgermanischer Stämme in jener Zeit waren sie in der Verteidigung ihrer Heimat oft zu großen Leistungen fähig, während längere und weitere Kriegszüge eher nur von Gefolgschaften getragen wurden oder gewisse Vorbereitungen verlangten. Beunruhigt man solche Gegner an den Rändern ihres Stammesgebietes ist es schon möglich ihre militärische Kraft in der Heimat zu binden ohne dass sie wirklich aktiv werden muss. Stößt eine „eher kleine“ Invasionsarmee jedoch tiefer in die Heimat eines derart beunruhigten Feindes vor, muss er mit ernsthaften Problemen rechnen. Unter solchen Vorbedingungen hätte Caecina durch kleinere Vorstöße seine Aufgabe die Cherusker zu „schrecken“ erfüllen können, ohne ein schwer zu kalkulierendes Risiko einzugehen.
Indem ihm romfreundliche Stammesaufgebote beigegeben wurden, hatte er auch für diese Aufgabe ideale Hilfstruppen, die sogar relativ entbehrlich waren, während seine Kernarmee den nötigen Rückhalt geben konnte. Bei ernsthaften Reaktionen der Cherusker konnten sich die beiden Armeen von Caecina und Germanicus auch leicht vereinigen, während Cherusker und Chatten ihre Kräfte nicht bündeln konnten, ohne vielleicht gegen eine Übermacht antreten zu können.
Nimmt man aus dem Zitat Tac.Ann.I.56 nur die letzten beiden Sätze:
„Die Cherusker hatten die Absicht gehabt, den Chatten zu helfen. Aber Caecina schreckte sie dadurch, dass er sie bald hier, bald dort angriff“
Das ist m.E. die kürzeste, denkbare Form eine gelungene Bindung feindlicher Kräfte zu beschreiben, ohne Vorgänge irgendwie verbiegen zu müssen. Der „kleine Krieg“ interessierte niemanden, weil er eben keine spektakulären Ereignisse brachte und so ist es auch noch heute! Soweit mein Versuch, den ungenügenden Informationsstand durch allgemeine Überlegungen auszuleuchten.

Hätte Germanicus beabsichtigt Gleichzeitig sowohl Chatten wie auch die Cherusker zu unterwerfen, indem er selbst Erstere – Caecina Letztere angingen, hätte er eine strategische Teilung seiner Kräfte durchgeführt. Eine solch grundlegende, strategische Verzettelung seiner Kräfte hätte mehr Risiken als Chancen geboten. Weiter: Germanicus als kaiserlicher Prinz und Befehlshaber der Rheinarmee hätte sich überdies den weniger ruhmvollen Gegner ausgesucht und seinem Unterfeldherrn mögliche Lorbeeren freiwillig überlassen??! Das Ziel eines öffentlichen Triumphzuges hatten immer alle römischen Feldherren, hätte sich Germanicus, als prinzlicher Thronanwärter in kaiserlicher Nachfolge freiwillig in den Schatten seines Untergebenen stellen wollen? In meinen Augen kommen sowohl strategische, als auch politische Überlegungen zu dem Schluss, dass Germanicus niemals seine Kräfte strategisch geteilt hätte. Indem Caecina die Cherusker band, ohne sich allzu intensiv gegen sie zu engagieren, hielt er dem Germanicus den Rücken frei und bildete gleichzeitig für ihn eine strategische Reserve die er bei Bedarf an sich ziehen konnte.
 
Falscher Vergleich

[FONT=&quot]Das erscheint mir ebenfalls sehr gering. In der Literatur habe ich folgendes gefunden:[/FONT]

[FONT=&quot]„Vegetius beschreibt, gestützt auf eine Quelle aus republikanischer Zeit, wahrscheinlich Catos De re militari, die Größe einer „Standardarmee“ dieser Zeit. [/FONT]
[FONT=&quot]Ein Prätor auf einem kleineren Feldzug erhielt ihm zufolge eine Legion mit verbündeter Infanterie und Kavallerie, insgesamt etwa 10 000 Infanteristen und 2000 Reiter. [/FONT]

[FONT=&quot]Diese Schätzung der Konsulnarmee stimmt in etwa mit der von Polybios überein, bei dem zwei Legionen, verbündete Infanterie und Kavallerie auf insgesamt 20 000 Infanteristen und 4000 Reiter kamen.“[/FONT]

[FONT=&quot]Gilliver, Kate, Auf dem Weg zum Imperium, Stuttgart 2003, S.32[/FONT]
Hier vergleichen wir aber Äpfel mit Birnen, auch wenn beides auf Bäumen wächst. Das Zitat von Kate Gilliver ist zwar korrekt wieder gegeben, aber der Sinn ist nicht erfasst. Ich möchte das gerne klarstellen.
1. Polybios lebte bekanntlich lange vor Marius (Armeereform des Marius)
2. Im Zitat wird eine Konsulnarmee erwähnt! Damals wurde einer Legion römischer Bürger in der Regel eine etwa gleichgroße Ala verbündeter Truppen beigesellt, zu der zusätzlich Kavallerie kam. Das sind also die „Äpfel“, von denen das Zitat spricht.
3. In der fraglichen Zeit kurz nach der Zeitenwende existierten weder die alte Republik, noch ihre Militärorganisation weiter! Kaiser Augustus reformierte das Heer in stehende, nur noch aus Berufssoldaten bestehende Legionen in festen Größen, denen nicht länger regelmäßig feste Hilfstruppen zugesellt wurden. Diese Hilfstruppen wurden nur bei Bedarf relativ flexibel zugesellt. Das reformierte Heer des Augustus sind die Birnen, von denen wir eigentlich sprechen müssten.
Wenn man republikanische Organisationsformen für Caecina gelten lassen wollte, könnte man also weit über 40000 Mann Sollstärke veranschlagen und mindestens nochmal so viele für Germanicus! Tib.Gabinus hat mit seinem Beitrag #2143 die Relationen gerade gerückt. Letztlich wiegt die Frage der Iststärke der Heere des Germanicus m.E. geringer als seine Strategie im Kontext der Frage, um welche Schlacht es sich bei Kalkriese wirklich gehandelt haben könnte: Ob Varusschlacht oder nicht?
 
Ähmm, daß Truppen auf Feldzügen häufig nicht Sollstärke haben, ist klar, aus besser dokumentierten Zeiten, z.b. 18. Jhr., ist das eigentlich ständig zu beobachten, aber es wurde ja von der Sollstärke als Rechnungsgrundlage gesprochen, was mich verwirrt hat. Davon abgesehen denke ich, auch unter Sollstärke (wegen Fehlstärken, Krankheiten, Abordnungen, Wachmannschaften) wäre ein Heer aus 8 Legionen und Hilfstruppen stärker als 24.000 Mann (das wäre gerade mal 54 % der reinen Legionstruppen), wenn es um einen gut vorbereiteten Feldzug ohne vorherige große Schlacht geht, aber das werden wir nie erfahren und ist, wie tejason schreibt, für das Thema auch relativ egal.

Viel mehr würden mich die Fundumstände der zerkratzten Münzen und Erklärungsversuche interessieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ähmm, daß Truppen auf Feldzügen häufig nicht Sollstärke haben, ist klar, aus besser dokumentierten Zeiten, z.b. 18. Jhr., ist das eigentlich ständig zu beobachten, aber es wurde ja von der Sollstärke als Rechnungsgrundlage gesprochen, was mich verwirrt hat.

Dann hast du mich missverstanden. Ich schrieb:
Sieh dir das doch mal aus einer anderen Perspektive an: Germanicus war mit acht Legionen vor Ort, das wären in Sollstärke 24.000 Mann. Dazu kommen Auxiliartruppen. Gehen wir also davon aus, dass ca. 20.000 Mann tatsächlich durch das Gebiet der clades Variana streiften. ...

Die Zahl 20.000 ist natürlich willkürlich von mir extra niedrig festgelegt worden. Je mehr Soldaten wir vor Ort annehmen - meinetwegen auch 37.000 oder 44.000 Mann - desto mehr gilt, was ich schrieb:
Was für ein Gedränge! Klar, dass die nicht alles zum zentralen Punkt gebracht haben und bringen konnten. Aber Arbeitskräfte genug um auch hier und dort Knochen in Gruben verschwinden zu lassen.

Schon interessant wie leicht sich ein "Nebenkriegsschauplatz" entwickelt.
 
Dann hast du mich missverstanden. Ich schrieb:
Sieh dir das doch mal aus einer anderen Perspektive an: Germanicus war mit acht Legionen vor Ort, das wären in Sollstärke 24.000 Mann. Dazu kommen Auxiliartruppen. Gehen wir also davon aus, dass ca. 20.000 Mann tatsächlich durch das Gebiet der clades Variana streiften...
Dann bin ich jetzt auch verwirrt. Wenn eine Legion eine Sollstärke von 6000 Mann hatte, dann kämen acht Legionen auf 48.000 Mann, nicht auf 24.000. Ein Rechenfehler oder übersehe ich was?

Die Ansicht, dass sehr viel weniger Soldaten vor Ort waren, teile ich natürlich.

Schon interessant wie leicht sich ein "Nebenkriegsschauplatz" entwickelt.

Dieser Nebenkriegsschauplatz wird allerdings immer wieder aufgemacht. Hier wird immer so diskutiert, als wären damals alle acht Legionen in einer riesigen Kolonne aufmarschiert. So verhalten sich Armeen aber in der Regel nicht.

MfG
 
Ich bin gerade selber verwirrt. Ich habe wahrscheinlich die 8 Legionen mit 6.000 Mann multipliziert und dann aus einem auch für ich nicht mehr nachvollziehbaren Grund halbiert. :weinen:
 
Ok, also keine neuen Erkenntnisse zur Legionsstärke, die ich möglicherweise verpaßt hätte. Vielleicht wolltest Du Deine These gegen den Vorwurf absichern, mit zu vielen Soldaten = Gedränge zu rechnen und hast vorsorglich unbewußt die Zahl halbiert? Egal. :winke:

Ich knabbere noch an diesen Münzen rum, gibt es irgendwo eine Zahlenangabe zum Verhältnis heil-zerstört und wo was gefunden wurde? Einzeln oder eher zusammen? Gab es in der Regierungszeit des Augustus andere Meutereien? Wie oft kommen solche Zerstörungen in anderen Fundumständen vor? Da ich Münzen eigentlich, öh, eher langweilig finde, habe ich dazu überhaupt nichts an Literatur, in den Büchern zu Kalkriese/Varus habe ich dazu auch nichts gesehen.

Momentan glaube ich am ehesten an eine Zerstörung durch Germanen. Gold- und Silbermünzen hat man wegen der nutzbringenden Verwendungsmöglichkeiten für den weiteren Krieg nicht zerstört. Falls die zerstörten Kupfermünzen allerdings völlig verstreut und zugleich sehr zahlreich waren, paßt das mit den Germanen und rituellen Niederlegungen nicht so recht, oder? Man kann natürlich auch noch wilder spekulieren, evtl. war Gold und Silber für Zerstörungen tabu (sehr unwahrscheinlich) oder jeder Germane mußte/sollte/wollte mal bei Gelegenheit eine der von ihm gefundenen Münzen zerstören und opfern, daher eine wilde Verteilung einzelner Münzen. :D
 
Ich bin gerade selber verwirrt. Ich habe wahrscheinlich die 8 Legionen mit 6.000 Mann multipliziert und dann aus einem auch für ich nicht mehr nachvollziehbaren Grund halbiert. :weinen:

Vielleicht hast Du ja unbewusst schon die "germanische Einwirkung" mit einkalkuliert. ;) Jedenfalls scheint mir die Zahl von 20.000 Legionären für den Besuch des Schlachtfelds durchaus realistisch. Das waren genug Leute für die Mission. Und der Rest der Truppen wird im weiteren Umfeld anderen Aufgaben nachgegangen sein. Aber das ist ein anderes Thema...

Ich knabbere noch an diesen Münzen rum, gibt es irgendwo eine Zahlenangabe zum Verhältnis heil-zerstört und wo was gefunden wurde? Einzeln oder eher zusammen? Gab es in der Regierungszeit des Augustus andere Meutereien? Wie oft kommen solche Zerstörungen in anderen Fundumständen vor? Da ich Münzen eigentlich, öh, eher langweilig finde, habe ich dazu überhaupt nichts an Literatur, in den Büchern zu Kalkriese/Varus habe ich dazu auch nichts gesehen.

Danach habe ich auch mal gesucht. Belastbare Informationen von wissenschaftlicher Seite konnte ich nicht finden. Am informativsten war noch eine Diskussion in einem anderen Forum: Augustus Lugdunum I As mit Einhieben • Numismatikforum

Um mal drei Infos daraus zu zitieren, die ich bemerkenswert finde:

- Es betraf wohl nur Asse vom Typ Lugdunum I, also "Soldatenkleingeld".

- Es handelte sich nicht um Ausnahmeerscheinungen, sondern um annähernd 50 Prozent der gefundenen Asse. Also ganz klar gezieltes Vorgehen; offenbar tätlich geäußerter Unmut über Augustus.

- Ähnlich beschädigte Münzen wurden unter anderem in Haltern, Anreppen und Waldgirmes gefunden.

Dass auch Funde aus Waldgirmes und Anreppen solche Beschädigungen aufweisen, deutet eher nicht darauf hin, dass die Münzzerstörungen mit der Meuterei des Jahres 14 zu tun haben könnten. Anreppen ist ja offenbar schon Jahre vor der Varusschlacht aufgelassen worden. Waldgirmes wurde, nach allem was wir wissen, infolge der Varusniederlage aufgegeben und möglicherweise erst später im Rahmen der Rachefeldzüge des Germanicus wieder kurzzeitig genutzt worden. Okay, auf die Weise könnten Münzen, die zuvor während der Meuterei am Rhein zerstochen wurden, nach Waldgirmes gelangt sein...

Wie auch immer: Wenn tatsächlich fast 50 Prozent der Kalkriese-Asse solche Einstiche aufweisen, dann würde ich ausschließen, dass es sich um rituelle Zerstörungen durch "germanische Sieger" nach der Schlacht handelt. Die These von der Zerstörung vor einer "Opferung" der Münzen würde nicht erklären, warum wertvollere Münzen unversehrt gefunden wurden - zumal wertvollere Silber- und Goldmünzen bei Kalkriese unverhältnismäßig häufig gefunden wurden. Es ist kaum anzunehmen, dass all die Kupfermünzen niedergelegt worden sein sollen, dass das ganze Silber und Gold dagegen verloren wurde.

Mein Fazit: Es müssen Römer gewesen sein, die die Münzen zerstört haben - beziehungsweise Angehörige der römischen Truppen. Und es müssen "untere Dienstgrade" gewesen sein, sonst wären auch zumindest einige Silber- oder Goldmünzen betroffen.

Welche Erklärungen wären denkbar?

- Es handelt sich um Zeugnisse der Meuterei des Jahres 14.

- Es handelt sich um Zeugnisse einer anderen "Meuterei", über die wir nichts wissen. Wie gesagt, die Funde in Anreppen deuten darauf hin, dass die Münzzerstörung vor dem Jahr 14, sogar vor dem Jahr 9 stattgefunden haben könnte. Vielleicht ein Zusammenhang mit dem Markomannen-Aufstand?

- Es handelt sich um Unmutsbezeugungen über den Befehl, nach der Varusniederlage Germanien zu räumen. In dem Fall wäre es denkbar, dass bei Kalkriese eine Truppe geschlagen wurde, die kurz zuvor irgendein noch unbekanntes Standlager im Gebiet zwischen Weser und Ems geräumt hat. Dass beschädigte Münzen auch in Waldgirmes gefunden wurden, würde dann die Frage aufwerfen, ob es vielleicht die abziehenden Römer waren, die aus Wut die Augustus-Statue zerschlagen haben.

- Der Aufstand gegen Varus ist von langer Hand vorbereitet worden. Viele Germanen, die noch in den römischen Hilfstruppen dienten und mit Assen bezahlt wurden, waren schon zur Teilnahme am Aufstand entschlossen und haben sich einen Spaß daraus gemacht, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das Münzabbild von Augustus einzustechen. Die so zerstichelten Münzen sind dann in Umlauf gekommen.

MfG

P.S.: Immer unter dem Vorbehalt, dass die Infos korrekt sind, sind in Vetera, wo der Aufstand des Jahres 14 stattfand, offenbar keine beschädigten Asse gefunden worden. Weiß da jemand näheres?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Maelonn


Danke für den link.

Da haben wir es: Die Kerben in den Münzen sind die Spuren von ganz normalem Lagerkoller! Einfach Langeweile.
Also keine wütenden Germanen oder meuternde Legionäre! :winke:
 
Über selektive Wahrnehmung haben wir uns ja hier schon öfter unterhalten. Aber nochmal in die Runde gefragt: Hat jemand ne Idee, warum mutwillig beschädigte Münzen auf einem Schlachtfeld und in diversen rechtsrheinischen Lagern auftauchen, nicht aber in linksrheinischen Militärlagern? Wenn solche zerstochenen Münzen selten wären, könnte ich das ja noch als Zufall akzeptieren. Aber in der Häufung eher nicht mehr.

MfG
 
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