Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Die Antwort liefert der Althistoriker Peter Kehne:
Schöne Antwort. Löst aber nicht die gestellte Frage.

Germanicus befindet sich unzweifelhaft irgendwo im Ems-Lippe Quellgebiet (entlegenste Gebiete der Brukterer).

Sind wir uns da einig?
Nach einem unentschiedenen Gefecht mit Arminius gibt selbstverständlich Germanicus den Befehl zum Rückmarsch Richtung Ems, wo er selbst die Legionen wieder einschifft.

Danach marschiert Germanicus zurück zur Ems, wohl zu dem Punkt, an dem man früher auch gelandet war und man annehmen kann, dass dort die Flotte zurückgelassen worden war und die man nun wieder benutzte, um zum Rhein zu kommen.

Einverstanden?

Caecina trennt sich aber jetzt schon von Germanicus? Nicht erst an der Ems?

Meinetwegen.

Nur: Warum marschiert er dann noch schön nach Norden, nach Osten, quer durch die Mittelgebirge nördlich der Ems, nach Kalkriese, wenn es doch eigentlich gegen Westen, zum Rhein hin gehen sollte.

Kalkriese, als dein favorisierter Ort der pontes longi liegt ja wohl sowas von Abseits der Route, die Caecina hätte gehen müssen, das sich für mich weiterhin die Fragen stellen: Wie kommt er da hin (interessiert dich ja leider nicht) und was soll er da (Sinn der Ehrenrunde)?

Wenn sich Caecina nicht erst an der Ems von Germanicus trennte, sondern schon vorher, dann wäre der Weg durch das Lippetal der naheliegenste gewesen, um an den Rhein zu kommen.

Eine Frage noch an die Lateiner:
Cato übersetzt den Satz
Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis eribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare
so:

Caecina, der s e i n e i g e n e s Heer führte, war (zuvor) geraten worden, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschierte, die „Langen Brücken“ so schnell wie möglich zu überwinden.

Warum steht das zuvor in Klammern? Steht das im Text oder ist das mal wieder Interpretation?

In meiner Übersetzung steht: Caecina, der seine eigenen Leute führte, wurde angewiesen, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschiere, die langen Brücken möglichst rasch hinter sich zu bringen.

Nehme ich Catos Text, dann kann ich das durchaus so lesen, als hätte Caecina schon bevor Germanicus an der Ems angekommen war, diese Anweisung bekommen, dann wäre eine Trennung des Heeres zu einem früheren Zeitpunkt durchaus denkbar.

Bei der Übersetzung, die mir vorliegt (Tacitus, Annalen, hrsg. und übersetzt v. Erich Haller, Düsseldorf, Artemis und Winkler 2002, Sammlung Tusculum), ist das nicht so eindeutig. Dort liest sich das doch wohl eher als eine Anweisung, die Caecina an der Ems bekommen hat.

Aber selbst wenn sich Caecina schon früher trennte (wo?), erkenne ich nicht, wie er nach Kalkriese hätte kommen sollen (siehe oben).
 

Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis eribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare
so:

Caecina, der s e i n e i g e n e s Heer führte, war (zuvor) geraten worden, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschierte, die „Langen Brücken“ so schnell wie möglich zu überwinden.

Warumsteht das zuvor in Klammern? Steht das im Text oder ist das mal wieder Interpretation?
Aus der eigenen Übersetzung heraus (und mein Latein ist nicht das Beste, leider): monitus est. (Perfekt Ind. von monere, moneo.) Er ist erinnert worden. Dieser Satzteil ist durch die moderne Punktion deutlich abgetrennt worden wie man sieht. Es steht kein derartige temporale Einortung in diesem Satzteil.
Die Tusculum-Übersetzungen sind i.d.R. super. Wann er die Anweisung erhielt ist also, n.m.E. nicht angegeben.
 
Das ist deine Interpretation. Fakt ist, Tacitus schreibt:
(Tac. Ann. 1,31,1) Dieses Ereignis, die versuchte Ausrufung des Germanicus und dessen Ablehnung werden dann auch ausführlich beschrieben. Erst seine harsche Ablehnung bringt die Soldaten zur Todesdrohung gegen ihn auf.

Schon mal etwas von Quellenkritik gehört?
Natürlich ist Tiberius bei Tacitus stets der Schuldige und Germanicus ist der strahlende Held. Glaubst Du das wirklich? :fs:
 
@ tela
Ich hatte befüchtet, dass Dich der Text von Kehne etwas überfordern würde.
Die Aussage, wo genau Germanicus wann war und warum er wo entlang zog, ist aufgrund der Beschreibungen des Tacitus NICHT möglich. Tacitus gibt keine Zeitangaben, wir wissen nicht, wie viele Tagesmärsche zwischen den Aktionen liegen, die er beschreibt. Das habe ich bereits mehrfach geschrieben, aber Du bist offensichtlich nicht bereit oder nicht im Stande, dieses anzunehmen.
Außerdem: Da es sich um ein Zitat handelt, ist es vollkommen falsch, von „Cato´s Übersetzung“ zu sprechen. Begriffen?

Bist Du bist mir nicht noch eine Antwort schuldig? Warum haben die Germanen das Porträt des Augustus nur auf Kupfermünzen, nicht aber auf Silber- und Goldmünzen zerkratzt?
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon mal etwas von Quellenkritik gehört?
Natürlich ist Tiberius bei Tacitus stets der Schuldige und Germanicus ist der strahlende Held. Glaubst Du das wirklich? :fs:

Für mich klingt es plausibler anzunehmen, dass der Ausbruch einer mehrere Legionen umfassenden Meuterei nicht in sinnlosem Anarchiebestreben liegt.
Schon gleich nicht, wenn sie ganz zufällig mit dem Tod des alten Kaisers zusammen fällt (auf dem die persönliche Bindung zum Heer nunmal beruhte).
Und wenn du hier ausnahmsweise mal die Quellenkritik ins Felde führt, die dir ja bei den dir genehmen Teilen so schön am Heck vorbei geht, so sehe ich innerhalb der Darstellung beider Aufstände, des pannonischen und des germanischen eine innere Kohärenz, die den Bericht glaubwürdig macht, ab von der feinen Differenzierung in Sachen Eskalation.
Und die äußere Kohärenz ist ebenfalls gegeben. Cassius Dio berichtet so ziemlich das gleiche, wie Tacitus.
57,4
Die Leute ließen sich indessen damals, wennschon nur unter Mühen, durch Blaesus beruhigen und schickten in ihrer Sache eine Abordnung an Tiberius; hofften sie doch im Augeblick des Regierungswechsels, indem sie entweder Tiberius einschüchterten oder einem anderen die Herrschaft übertrugen, alle ihre Forderungen durchzudrücken. (...)
57,5
(...) Die Streitkräfte in der Provinz Germanien hingegen, die man dort wegen des Krieges in großer Zahl zusammengzogen hatte, sahen, dass Germanicus sowohl ein Caesar als auch dem Tiberius weit überlegen war, und wollten daher nichts von Mäßigung wissen, erhoben vielmehr die gleichen Forderungen wie ihre Kameraden; dazu häuften sie Schmähungen auf Tiberius und begrüßten Germanicus als Kaiser.
Und bevor du dies wieder als Konstrargument betrachtest: ja, es ist anzunehmen, dass Cassius Dio auch Tacitus als Quelle verwenden konnte und dies auch tat. Wie wir wissen nutzte er allerdings auch andere Quellen, wodurch eine mögliche Verzerrung durchaus notabel hervorgetreten wäre.

Was folgt ist die gleiche Darstellung der Ablehnung durch Germanicus und seine Not mit den frustrierten Soldaten.

Kurzum, ja, ich habe schon mal was von Quellenkritik gehört und übe sie aus.
Und jetzt kommst du. :fs::winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
@ tela
Ich hatte befüchtet, dass Dich der Text von Kehne etwas überfordern würde.

Du erinnerst dich, ich bin doch deiner Ansicht nach nicht mehr als ein Stammtischdisktutant. Was erwartest du da auch?
Die Aussage, wo genau Germanicus wann war und warum er wo entlang zog, ist aufgrund der Beschreibungen des Tacitus NICHT möglich. Tacitus gibt keine Zeitangaben, wir wissen nicht, wie viele Tagesmärsche zwischen den Aktionen liegen, die er beschreibt. Das habe ich bereits mehrfach geschrieben, aber Du bist offensichtlich nicht bereit oder nicht im Stande, dieses anzunehmen.

Das ist schon klar. Dennoch erschließt sich nicht, wie Caecina nach Kalkriese gekommen sein soll. Erläutert habe ich das ausführlich, wo die Probleme sind. Du gehst in keinster Weise darauf ein. Verstehst du das Problem nicht?

Es finden sich in so vielen Büchern und Aufsätzen Versuche Wege zu rekontruieren. So falsch kann das also nicht sein sich Gedanken dazu zu machen. Es verlangt keiner eine exakte Wegrekontruktion, das ist nicht möglich. Aber es ist möglich sich Gedanken zu machen, wie denn der Weg der verschiedenen Heeresgruppen gewesen sein könnte!

Und ich sehe keine Möglichkeit, wie Caecina nach Kalkriese hätten kommen können. Da du aber doch zu 100% davon überzeugt bist, dass er da gewesen ist, könntest du doch auch eine Theorie haben, wie er dahin gekommen ist.

Oder meinst du es so: Ich, Cato, weiß, dass die pontes longi nur in Kalkriese gewesen sein können, also muss Caecina da gewesen sein und es ist doch schnurzpiepegal, wie er dahin gekommen ist?
Außerdem: Da es sich um ein Zitat handelt, ist es vollkommen falsch, von „Cato´s Übersetzung“ zu sprechen. Begriffen?

Dann ersetze Catos Übersetzung duch Kehnes Übersetzung. Stellt sich dennoch die Frage, welche besser durchs Latein abgedeckt ist.
Bist Du bist mir nicht noch eine Antwort schuldig? Warum haben die Germanen das Porträt des Augustus nur auf Kupfermünzen, nicht aber auf Silber- und Goldmünzen zerkratzt?
Im Gegensatz zu Dir weiß ich nicht, warum die Germanen so und nicht anders gehandelt haben. Sorry.
 
Aber Germanicus folgte dem Arminius, der sich in unwegsame Gegenden zurückzog...
(ann I, 63,1)

Nach dieser Bestattungsaktion hat sich Germanicus auf den Weg gemacht, um Arminius zu stellen. Wohin kann man natürlich nicht sagen. Wahrscheinlich wird aber wohl ein Weg Richtung Cheruskergebiet also Richtung Weser gewesen sein. (Spekulation)

Nicht zuletzt verorten Kehne und Wolters die Caecina Schlacht zwischen Ems und Weser. Dann wäre natürlich evt. auch Kalkriese zumindest regional möglich.
 
Aber Germanicus folgte dem Arminius, der sich in unwegsame Gegenden zurückzog...
(ann I, 63,1)

Nach dieser Bestattungsaktion hat sich Germanicus auf den Weg gemacht, um Arminius zu stellen. Wohin kann man natürlich nicht sagen. Wahrscheinlich wird aber wohl ein Weg Richtung Cheruskergebiet also Richtung Weser gewesen sein. (Spekulation)

Nicht zuletzt verorten Kehne und Wolters die Caecina Schlacht zwischen Ems und Weser. Dann wäre natürlich evt. auch Kalkriese zumindest regional möglich.

Wie du schon sagtest sehr spekulativ!

Ich meine dies "bringt uns in der Sache nicht wirklich weiter"! ;)
 
Bist Du bist mir nicht noch eine Antwort schuldig? Warum haben die Germanen das Porträt des Augustus nur auf Kupfermünzen, nicht aber auf Silber- und Goldmünzen zerkratzt?


Im Gegensatz zu Dir weiß ich nicht, warum die Germanen so und nicht anders gehandelt haben. Sorry.


Kleine Denkhilfe: El Quijote hatte die These geäußert, dass es Germanen waren, die die Münzen zerkratzten.
Ich habe daraufhin die Frage gestellt, warum dann die Germanen nur die Porträts auf den Kupfermünzen (also „Soldatengeld“) zerkratzten, nicht aber jene auf den Denaren und Aurei (also Silber und Gold).

Beantworte mir bitte diese Frage.
 
Ich habe daraufhin die Frage gestellt, warum dann die Germanen nur die Porträts auf den Kupfermünzen (also „Soldatengeld“) zerkratzten, nicht aber jene auf den Denaren und Aurei (also Silber und Gold).

Beantworte mir bitte diese Frage.

Ich habe keine Ahnung, wie sich die Dichte auf die Kratzfestigkeit auswirkt. Gold und Silber ist aber deutlich dichter, als Kupfer und Bronze.
Man müsste auch überlegen (und dies versuchen aufgrund einzelner Fundumstände) ob man die Münzen nicht gruppieren muss in a) verlorene, b) versteckte und gehortete* sowie c) rituell niedergelegte. Dies ist aber nur eine methodologische Überlegung.


*Einige Münzen wurden ja gemeinsam mit Schreibgriffeln gefunden. Ich las in diesem Zusammenhang mal in der Literatur (wo!?!?!?), dass es üblich war, den Beutel in dem die Münzen sich befanden, mit Hilfe des Griffels zu verknoten, weshalb die Münzen in einem Fundzusammenhang mit dem Griffel als von Römern versteckte Münzen angesehen wurden. Das könnte allerdings auch erst eine aufgrund des Fundzusammenhangs gebildete Hypothese gewesen sein. Das weiß ich schlicht nicht mehr.
 
Dazu die Textstelle:
Germanicus selbst führte auf die Nachricht, ein an der Lippe angelegtes Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin. Doch konnte weder Silius wegen plötzlicher Regengüsse etwas anderes ausrichten, als ein wenig Beute zu machen und des Chattenfürsten Arpus Frau und Tochter zu entführen, noch gaben dem Caesar die Belagerer Gelegenheit zum Kampf, da sie auf die Kunde von seinem Anrücken auseinandergelaufen waren. Sie hatten jedoch den kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen alten, für Drusus erbauten Altar zerstört. Germanicus stellte den Altar wieder her und führte zu Ehren des Vaters persönlich an der Spitze der Legionen eine feierliche Parade an; den Grabhügel zu erneuern schien nicht zweckmäßig. Tac. Ann. II, 7,2 - 3.

Diese Textstelle stellt wirklich die wichtigste Stelle dar, die gegen Kalkriese spricht.

Ich finde diese Textstelle derartig interessant, daß ich nochmals darauf zurückkommen möchte. An dieser Stelle gibt es gleich diverse , sagen wir Ungereimtheiten. (ich glaube ich habe dies schon einmal im Germanicus-Thread angemerkt)

Es gibt hier diverse Fragen:

1.
Am wichtigsten natürlich: War der Grabhügel in der Nähe der Lippe? Ich lese das zumindest so.

2.
Wo ist dieses Kastell zu vermuten? Wahrscheinlich doch eher Richtung Oberlauf. Ansonsten würde eine germanische Belagerung wenig Sinn machen. Die Römer hätten binnen kürzester Zeit Truppen vom Rhein schicken können. Daher könnte man vermuten, daß das erwähnte Kastell eher lippeaufwärts war.

3.
In diesem Zusammenhang die nächste Unklarheit:
Germanicus rückt mit sechs (!) Legionen an. Die Belagerung wird aufgegeben. Und dann? Die Legionen werden zurückgeführt an den Rhein und dann verschifft um sie wiederum nach Germanien zu bringen. Klingt unlogisch. Wenn schon sechs Legionen im inneren Germaniens waren, warum hat man sie nicht anschliessend weiter über den Landweg nach Osten geführt? :confused:

4.
Ist das von Tacitus erwähnte Kastell Aliso? Oder ein anderes, bzw. muß man davon ausgehen, daß die Römer die Lippelinie wiederhergestellt haben. Anscheinend müssen römische Truppen den Winter in Germanien verbracht haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe keine Ahnung, wie sich die Dichte auf die Kratzfestigkeit auswirkt. Gold und Silber ist aber deutlich dichter, als Kupfer und Bronze.
Man müsste auch überlegen (und dies versuchen aufgrund einzelner Fundumstände) ob man die Münzen nicht gruppieren muss in a) verlorene, b) versteckte und gehortete* sowie c) rituell niedergelegte. Dies ist aber nur eine methodologische Überlegung....

Die Frage mit der Kratzfestigkeit ist relativ leicht zu beantworten, indem man die Härtegrade nach Mohs miteinander vergleicht:
Kupfer hat mit dem Wert 3 eine etwas höhrere Härte als Silber mit 2,5 bis 3. Noch weicher als Silber ist Gold, auch wenn es sich im gleichen Bereich auf der Mohs-Skala befindet. Dabei beziehen sich die Angaben auf chemisch reines Gold, für Münzen wurden allerdings schon lange Beimengungen verwedet, welche die Legierungen härter machten und vor allem das teure Edelmetall strecken sollten. Ohne hier weiter ins Detail gehen zu wollen würde ich davon ausgehen, dass die "Kratzhärten" der drei genannten Münzmetalle nicht sonderlich weit voneinander lagen. Es hätte also keinen Mehraufwand bedeutet, auch wertvollere Münzen zu zerkratzen.
Zum Vergleich: Gips besitzt eine Härte nach Mohs von etwa 2 und Kalkspat eine solche von 3, was alles sehr weiche Materialien sind.

Letztlich widerspricht das aber nicht zwingend der These von EQ, dass nur niedrig wertige Münzen rituell zerstört und niedergelegt worden sein könnten. Es wäre nicht das erste Mal, dass bei rituellen Niederlegungen - oder Opferungen eher symbolische, als wirklich wertvolle Gaben verwendet worden wären. Auch Germanen haben nicht immer die ganze Beute den Himmlischen versprochen und geopfert. Wenn wir von solchen Fällen in Überlieferungen hören, dann vermerkten es die Alten eher "überrascht" ob dieser "Verschwendung". Man kann also aus der Auswahl des Münzwertes an sich nicht wirklich Größeres herauslesen wollen.
 
Aber Germanicus folgte dem Arminius, der sich in unwegsame Gegenden zurückzog...
(ann I, 63,1)

Nach dieser Bestattungsaktion hat sich Germanicus auf den Weg gemacht, um Arminius zu stellen. Wohin kann man natürlich nicht sagen. Wahrscheinlich wird aber wohl ein Weg Richtung Cheruskergebiet also Richtung Weser gewesen sein. (Spekulation)
Möglich. Klar. Spinnen wir das weiter. Germanicus zieht mit all seinen Truppen Richtung Weser.

Dafür muss er durch den Teutoburger Wald. Irgendwo in Richtung Hildesheim, Hannover, Minden, was auch immer.

Jedenfalls steht er tief im Land des Feindes. Und hier soll er nun seine Legionen getrennt haben und auf verschiedenen Wegen zurück zur Ems marschiert sein?

Kaum glaubhaft, meiner Ansicht nach.

Warum trennte er beim Anmarsch seine Truppen? Weil es durch Gebiete ging, bei denen er mit Feinden offenbar nicht rechnete. Sobald er im Feindesland ist, konzentriert er seine gesamte Streitmacht. Eine Trennung im Feindesland ist überhaupt nicht logisch.

Und zudem: Caecina marschiert dann am Nordrand des Gebirges und kommt nach Kalkriese, angeblich zu den pontes longi.

Wie marschiert Germanicus, um von der Weser zurück zu den Schiffen an der Ems zu kommen? Wieder nach Südwesten durchs Gebirge, dann wieder nach Nordwesten an den vermutlichen Landepunkt? Oder einen Schwenk nach Nordwesten von der Weser und dann wieder nach Süden?

Eine Trennung des Heeres an der Weser macht überhaupt keinen Sinn!
 
Die Aussage, wo genau Germanicus wann war und warum er wo entlang zog, ist aufgrund der Beschreibungen des Tacitus NICHT möglich.

Ich hätte nie gedacht, dass ich dir mal zustimmen kann.

Natürlich ist es nicht möglich GENAU zu beschreiben, wo sich Germanicus wann aufgehalten hat. Wir werden daher nie wissen, auf welchem Quadratmeter germanischer Erde sich Germanicus am 10. Juli des Jahres 15 n. Chr. um 23:00 Uhr aufgehalten hat.
Eine so genaue Beschreibung ist (1) weder möglich noch (2) sinnvoll und wurde (3) auch nicht verlangt.

Keine Zustimmung allerdings, dass es nur Stammtischhistoriker sind, die sich damit beschäftigen bzw. dass es Unsinn ist, sich diesen Fragen zu widmen.

Das zeigen alleine schon die vielen Rekontruktionsversuche anerkannter Wissenschaftler. Dadurch ist erkennbar, dass es möglich ist, sich Gedanken über den UNGEFÄHREN Verlauf der Feldzüge zu machen und zudem ist erkennbar, dass dies auch abseits der Stammtische ein Thema ist.

Es gibt aber noch einen zweiten Punkt, an dem wir uns offenbar einig sind:

Meine Behauptung, dass der Weg des Caecina nicht sinnvoll zu rekontruieren ist, dass er ihn über Kalkriese als angeblichen Ort der pontes longi führt, wird von dir in keinster Weise widerlegt. Offenbar bist du derselben Meinung: Der Weg Caecinas ist sinnvoll einfach nicht rekontruierbar.

Wir (bzw. du) müssen daher postulieren, er war einfach da, weil wir (bzw. du) beschlossen haben, dass dort die pontes longi sein sollen. Ist doch egal, wie er da hin gekommen ist.

Und ein Postulat, Cato, ist kein überzeugendes Argument! Weder an Stammtischen noch in deinen Kreisen - wo immer sie sein mögen.
 
4.
Ist das von Tacitus erwähnte Kastell Aliso? Oder ein anderes, bzw. muß man davon ausgehen, daß die Römer die Lippelinie wiederhergestellt haben. Anscheinend müssen römische Truppen den Winter in Germanien verbracht haben.

Aller guten Dinge sind drei:

In meiner Übersetzung steht als Anmerkung zu dieser Stelle:

Es handelt sich kaum um das in §3 erwähnte, in der Nähe von Haltern vermutete Aliso, sondern um ein am Oberlauf der Lippe (bei Lippborg?) gelegenes Kastell.
 
Jedenfalls steht er tief im Land des Feindes. Und hier soll er nun seine Legionen getrennt haben und auf verschiedenen Wegen zurück zur Ems marschiert sein?

Kaum glaubhaft, meiner Ansicht nach.


Warum ist das kaum glaubhaft? Caecina hat im Jahr zuvor mit vier Legionen die Cherusker allein angegriffen, während Germanicus gegen die Chatten vorging (Tac. Ann. I,56). Warum soll er nun nicht mit vier Legionen nach Hause marschieren?

Letztlich widerspricht das aber nicht zwingend der These von EQ, dass nur niedrig wertige Münzen rituell zerstört und niedergelegt worden sein könnten.


Du hast mich nicht richtig verstanden. Es geht nicht um die Frage, warum Gold und Silber angeblich „niedergelegt“ wurden, sondern, warum das Porträt des Augustus auf den Gold- und Silbermünzen von den Germanen nicht zerkratzt wurde.
Die These von El Quijote, nach der die Germanen die Münzen zerkratzt haben, macht schlichtweg keinen Sinn.
 
Warum ist das kaum glaubhaft? Caecina hat im Jahr zuvor mit vier Legionen die Cherusker allein angegriffen, während Germanicus gegen die Chatten vorging (Tac. Ann. I,56).

Steht da was vom Angriff auf die Cherusker? Die Cherusker hatten beabsichtigt, den Chatten beizustehen, doch schreckte sie Caecina, der hier und dort seine Waffen zeigte;

Von einem Angriff auf die Cherusker lese ich da mal wieder nichts. Das liest sich doch wohl eher so, dass Caecina mit seinen Legionen den Angriff des Germanicus auf die Chatten deckte.
Warum soll er nun nicht mit vier Legionen nach Hause marschieren?

Warum sollte man das Heer frühzeitig trennen, wenn es das einfachste war gemeinsam an die Ems zurückzumarschieren? Warum sollte man schon tief im Land des Feindes ein solch unnötiges Risiko eingehen? Immerhin standen die Kämpfe gegen Arminius nach Besuch des Varusschlachtfeldes durchaus auf des Messers Schneide:

Da geriet durch die neue Front die Reiterei in Bedrängnis; die zu Hilfe gesandten Reservekohorten, die in den Zug der Fliehenden hineingezogen wurden, hatten die Verwirrng vermehrt, und sie waren schon daran, in einen Sumpf getrieben zu werden, den den Siegern bekannt, den Unkundigen gefährlich war - hätte nicht der Caesar die Legionen nach vorne geworfen und aufmarschieren lassen. Da ergriff die Feinde Schrecken, das Selbstvertrauen kehrte unseren Soldaten zurück, und man trennte sich ohne Entscheidung. Ann., I., 63,2.

Man hat also gerade mit Mühe gewonnen, obwohl man das gesamte Heer zur Verfügung hatte. Und jetzt soll man sich in dieser Situation trennen? Nach dem Motto: Wir haben mit 8 Legionen gerade man so gewonnen, was soll schon mit 4 schiefgehen?

Wir müssen schon sehr wenig von Germanicus als Feldherren denken, wenn wir ihm diese Handlungsweise zutrauen wollen!

Überhaupt ist ja zudem die Frage: Stand man an der Weser, irgendwo zwischen Ems und Weser, wie gelangen die verschiedenen Heeresteile von dort zurück an die Ems. Also wieder die Frage nach der Rekontruktion oder wenigstens von Versuchen der Rekontruktion des Feldzuges.

Aber klar, es ist einfacher das gewünschte Ergebnis zu postulieren als eine Rekontruktion von Ereignissen zu versuchen.
Du hast mich nicht richtig verstanden. Es geht nicht um die Frage, warum Gold und Silber angeblich „niedergelegt“ wurden, sondern, warum das Porträt des Augustus auf den Gold- und Silbermünzen von den Germanen nicht zerkratzt wurde.

Vielleicht war diesen Germanen Gold und Silber zu wertvoll, um sie niederzulegen? Kann man das ausschließen? Du wahrscheinlich schon, weil du ja weißt, dass die Leute genau das gemacht haben, was sie gemacht haben müssen, damit deine Thesen passen. :devil:
Die These von El Quijote, nach der die Germanen die Münzen zerkratzt haben, macht schlichtweg keinen Sinn.

Klar.
 
Steht da was vom Angriff auf die Cherusker? Die Cherusker hatten beabsichtigt, den Chatten beizustehen, doch schreckte sie Caecina, der hier und dort seine Waffen zeigte;

Von einem Angriff auf die Cherusker lese ich da mal wieder nichts.

Tac. Ann. I. 56:
" So übergab denn Germanicus dem Caecina vier Legionen und fünftausend Mann Hilfstruppen sowie ein in Eile ausgehobenes Aufgebot der diesseitigen Germanen. (...) Die Cherusker hatten die Absicht gehabt, den Chatten zu helfen. Aber Caecina schreckte sie dadurch, dass er sie bald hier, bald dort angriff."
 
Ein Feldzug tief im Cheruskerland? Oder Flankendeckung für Germanicus? Es steht nicht eindeutig da, was Caecina machte, vor allem aber nicht, wo er handelte. Du stellst doch immer - vor allem, wenn es dir passt - fest, dass man nicht genau sagen kann, wo sich die Handlungen abspielen, die Tacitus beschreibt. In diesem Fall hier (Ann I., 56) weißt du aber ganz genau, dass dies tief im Cheruskerland gewesen sein muss! Warum? Weil es dir in den Kram passt! Und aus keinem anderen Grund!

Ich muss dir, Cato, aber mal danken: Danke für die Lektionen im zielgerichteten Argumentieren! Wenn ich dich lese, dann weiß ich, wie es geht: Zuerst das Ergebnis festlegen, dann die Quellen so interpretieren, dass sie das auszusagen scheinen und alles ignorieren, was dagegen spricht. Danke! :yes:

Welche Übersetzung verwendest du? Wo kann ich das nachlesen? Ich habe dir meine angegeben.

Aber auch egal. Wenn man dann ein Jahr später ein Gefecht nur unter großen Mühen gewinnen kann, gehe ich nicht her und trenne dann gleich darauf meine Truppen tief im Feindesland.

Ist schon faszinierend, für wie unfähig du Germanicus als Feldherren halten musst!

Um auf etwas anderes zurückzukommen. Du argumentierst doch so, dass Kalkriese nicht Ort der Varusschlacht gewesen sein darf, weil man nicht alles archäologisch nachweisen kann, was bei Tacitus steht (z.B. Tumulus).
Dann begebe ich mich doch einfach mal auf dieses Niveau (hinab) und fordere den archäologischen Nachweis für die pontes longi in Kalkriese! Wo ist der archäologische Befund dafür?
 
Zuletzt bearbeitet:
Sieh dir das doch mal aus einer anderen Perspektive an: Germanicus war mit acht Legionen vor Ort, das wären in Sollstärke 24.000 Mann. Dazu kommen Auxiliartruppen. Gehen wir also davon aus, dass ca. 20.000 Mann tatsächlich durch das Gebiet der clades Variana streiften. ...

Nur mal so nebenbei: die Rechnung verstehe ich nicht. Du gehst von einer Legionsstärke von (nur) 3000 Mann aus?



...

Du hast mich nicht richtig verstanden. Es geht nicht um die Frage, warum Gold und Silber angeblich „niedergelegt“ wurden, sondern, warum das Porträt des Augustus auf den Gold- und Silbermünzen von den Germanen nicht zerkratzt wurde.
Die These von El Quijote, nach der die Germanen die Münzen zerkratzt haben, macht schlichtweg keinen Sinn.


Hier wäre es dringend erforderlich, die Fundumstände der zerkratzten Münzen mit denen unzerkratzter im Einzelnen zu vergleichen. Ansonsten sind daraus kaum Schlüsse zu ziehen.
 
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