Also nochmals:
Es liegen in Kalkriese, Haltern, Waldgirmes oder Anreppen keine Münzen mit dem Porträt des Tiberius vor. Folglich gibt es auch keine mit dem zerkratzten Porträt des Tiberius.:fs:
Also nochmal, danach habe ich auch nie gefragt (und auch sonst niemand). Was beweist die Abwesenheit der Münzen? Nichts.
Dagegen steht deine Behauptung, man hätte zu Augustus gegriffen um den Kaiser zu treffen. Den gab es aber ebenfalls auf Münzen. Das ist bewiesen.
Nur du verlangst nach zerkratzten Münzen als Beweis für irgendwas.
Im Übrigen ist es falsch, dass sich die Meuterei der niedergermanischen Legionen 14 n.Chr. ausschließlich gegen Tiberius richtete.
Ich habe weiter unten bereits die entsprechenden Quellenstellen zitiert. Die Meuterei wird eindeutig als Aufstand gegen den neuen Kaiser Tiberius gewertet.
Im Zuge der allgemeinen Raserei wurden Centurionen erschlagen, Tribunen vertrieben und eine senatorische Abordnung angegriffen. Selbst Germanicus musste um sein Leben und das seiner Familie fürchten. (Tac. Ann. I, 32 f.)
Und was sagen die Quellen, die aus denen du diese Informationen hast? Ah ja, das sind die von mir angesprochenen, die immer wieder betonen, dass der Aufstand gegen Tiberius ging.
Die direkten Opfer, so Tacitus, waren wurden eben solche weil:
Plötzlich, wie von Wahnsinn befallen, stürzten sie mit gezückten Schwertern auf die Centurionen los. Diese sind von jeher des Soldatengrimms Gegenstand und seines wütenden Ausbruchs Anlaß.
Und wo steht diese Unterscheidung zwischen Ursache und Anlaß? Außer in jedem Geschichtsbuch versteht sich:
HistoriaPRO - Anlass und Ursache - Kooperent von PSM Data
Ach ja:
Tac. Ann. 1,32,2 f. Man hätte den Absatz nur einmal gründlich lesen müssen.
Es wird also genau in jenen Quellen berichtet: Ursache für die Meuterei ist der Tod des Augustus und die Übernahme durch Tiberius, den Anlaß boten diejenigen, die dann auch wie im Rausch, so berichtet Tacitus ja weiter, nicht einfach ermordet werden sondern regelrecht zerstückelt.
Und weiter wird berichtet, dass sie Germanicus antragen, sie zu führen. Da ist dann kein wildes ergreifen der Obrigkeit, wie du sie gerne darstellst. Aber in den Kontext gehört das von dir angeführte "selbst Germanicus und seine Familie mussten um ihr Leben fürchten". Den WANN mussten sie um ihr Leben fürchten? Ab dem Beginn der Meuterei? Eben nicht. Erst nachdem Germanicus eine Rede hielt in der er Tiberius lobte, sie wegen des Aufstandes gegen ihn tadelte und zur Treue gemahnte, DA erst bedrohen sie ihn.
Also wieder geht es um Tiberius. Tac. Ann. 1,34
Hierauf mit Verehrung des Augustus anhebend, lenkte er hinüber zu Tiberius Siegen und Triumphen (...)
Schweigend oder doch mit noch verhaltenem Murren hörte man dies an. (...)
und weiter in 35
Ja offen erklärten sie ihre Bereitwilligkeit, wenn er die Herrschaft wolle. Da aber sprang er eilends (...) vom Tribunal hinab. Zwar hielten sie ihm drohend, wenn er nicht zurück ginge, als er sich entfernte, ihre Waffen entgegen, er aber riß, laut rufend, er wolle lieber sterben als treulos werden, das Schwert von der Seite (...).
und schließlich, in 40, als er noch immer nicht gewillt ist selbst die Herrschaft zu ergreifen, aber auch nicht gewaltsam gegen die Aufrührer vorgeht, da schickt er auf anraten der übrigens Stabsoffiziere seine Familie weg. Und prompt, in 41, besinnen sich die Soldaten, und in der folgenden Rede wird es nochmal klar gesagt
Ihr aber, 1. und 20. Legion, jene durch von Tiberius empfangene Feldzeichen, du und seine Gefährtin in so vielen Schlachten, durch so viel Belohnungen geehrt, wie vortrefflich dankt ihr eurem Feldherren!
Sie haben sich also gegen Tiberius aufgelehnt.
Das "blinde Wüten" bei der 1. und 20. war denn wohl auch so groß, dass Germanicus erst spät seine Familie weg schickte und zumindest Caligula schnell wieder zurück holte.
Blindes wüten wird denn auch berichtet bei der 5. und 21. und zwar von Seiten der "Gutgläubigen", also der Treuen, die Caecina über einen nahenden Bürgerkrieg informiert hatte.
Lange Rede, kurzer Sinn, das von dir zitierte beweist genau das Gegenteil und zwar, wie hier zitiert, wortwörtlich. Natürlich kamen dabei Menschen um und gerade Offiziere sahen sich oft in Gefahr. Andernfalls hätten wir ja auch kaum einen Aufstand. Aber diese sind nicht Ursache und auch nicht Ziel gewesen. Darum ist eine Verbindung zwischen zerkratzten Augustusbildern und der Meuterei 14 n.Chr. wegen der literarischen Quellen so nicht konstruierbar.
Zu Waldgirmes, ich habe ein wenig gefunden:
Zunächst glaubten die Archäologen, dass das Ende der Stadt im Jahr 9 n. Chr. gekommen war – weil die Varus-Schlacht auch der zivilen Besiedlung Germaniens ein Ende bereitet habe. Doch vor zwei Jahren machten die Archäologen eine eigentlich unscheinbare Entdeckung: Über der Innenstadtstrasse war ein Gitter aus massiven Holzbalken verlegt worden. Dessen Zwischenräume wurden mit Schotter aufgefüllt – die Strasse war also ausgebaut oder renoviert worden. Dann die kleine Sensation: Unter diesem Reparaturwerk fanden die Ausgräber weitere Fragmente der zerschlagenen Bronzestatue.
Revolte entlassener Soldaten
Ausgräber Becker: «Damit ist die Reihenfolge klar: Erst wurde die Statue zerschlagen, dann wurde die Strasse renoviert und danach erst wurde die Stadt aufgegeben.» Den endgültigen Exodus aus der namenlosen Stadt datierte der Archäologe jetzt nicht mehr auf das Jahr 9 n. Chr., sondern setzte es 7 Jahre später im Jahr 16 n. Chr. an. In diesem Jahr nämlich wurden nach verlustreichen römischen Rachefeldzügen im freien Germanien alle Aktivitäten Roms östlich des Rheins auf Befehl des Kaisers Tiberius eingestellt.
Armin Becker vermutet unter den Zivilbewohnern des römischen Vorpostens bei Waldgirmes eine spezielle Gruppe: entlassene Soldaten, denen nach 25 Jahren Militärdienst – wie üblich – Land in «befriedeten» Gebieten zugewiesen worden war. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet allerdings von Legionären, die ihrer Wut gewaltsam Luft machten, weil sie mit unfruchtbaren Böden in krankmachenden Gegenden abgespeist wurden. Die Revolte schwappte offenbar über das ganze Römische Imperium hinweg – bis nach Waldgirmes? Armin Becker skizziert sein «wahrscheinlichstes Modell für Waldgirmes» so: Im Zuge dieser inneren Unruhen wurden die Reiterstatue des Kaiser im Jahr 14 n. Chr. zerschlagen und die Bruchstücke verstreut. Auf alle Fälle wurde der Ort um 16 n. Chr. für die Vergeltungsfeldzüge noch einmal genutzt und die Strasse – offenbar in Erwartung grösseren Verkehrs – repariert, sodass die Statuenfragmente unter den Strassenbelag kamen. Das Ende der ersten zivilen römischen Stadt im freien Germanien wäre nach dieser Lesart erst um 16 n. Chr. besiegelt worden. Das aber bedeutet, so Armin Becker, «dass Süddeutschland von der Varus-Schlacht und ihren Auswirkungen nicht betroffen war.»
Ganz Germanien war Feindesland, doch... - News Wissen: Geschichte - bazonline.ch
Das muss man so hinnehmen, in der Tat ist die Auffindung ja wirklich bemerkenswert.
Andererseits ist eine Aufgabe 9 n.Chr. und eine so umfangreiche Restauration 14 n.Chr. bei bleibender Bedrohungslage in meinen Augen ebenfalls seltsam. Aber eine andere Erklärung ist da erstmal nicht zu sehen.