Ich habe bei meiner Recherche auch dieses (angebliche?) Tagebuch des Süleyman schon gesehen, und habe dessen Relevanz mal zu ergründen gesucht.
Offensichtlich ist deren Quellenwert doch recht beschränkt, zumindest empfinde ich es so, wenn ich mir anschaue, wie wenig dieses Werk in der (aktuelleren) Sekundärliteratur zitiert wird.
Hey! Hätte man wirklich ein mehrbändiges echtes Feldtagebuch eines Sekretärs von Sultan Süleyman, oder zumindest mit glaubwürdigen Inhalten, es müsste doch ebenso häufig zitiert werden, wie die übrigen Quellen aus seiner Zeit?
So habe ich dabei gedacht, als ich nach der Relevanz suchte.
Also: Es wird ab und zu mal zitiert, aber nach meinem (subjektivem) Empfinden für so eine eigentlich herausragende mehrbändige Quelle doch recht wenig, was ich so interpretiere, dass viele Sachkundige lieber die Finger von diesem Werk lassen, oder deren Erkenntniswert als gering einschätzen, oder die Glaubwürdigkeit der Inhalte anzuzweifeln ist.
Wie dem auch sei, die Akincis (und wohl auch andere, abgesehen von den disziplinierten Elitekämpfern der Janitscharen, die wohl (fast immer) nur genau das taten, was ihnen befohlen wurde) waren keine frommen Lämmer, darin sind wir uns ja sicherlich einig. (Brauchbare Einblicke bietet ausnahmsweise der Wiki-Artikel, ich kenne den Autoren, auch wenn die Quellen-/Literaturauswahl etwas "suboptimal" erscheint und etwas aktuellere Untersuchungsergebnisse zu wünschen wären).
Aber wir müssen ihre Aktivitäten auch im Kontext sehen.
So meine ich mich zu erinnern, dass Süleyman, angesichts der späten Jahreszeit, beim Vormarsch auf Wien, oder kurz vorher, oder schon beim Lager vor Wien (habs vergessen, was nun genau), einige Wiener, die man unterwegs getroffen hatte, reich beschenkte, und sie als Boten nach Wien schickte mit der Botschaft, dass die Einwohner Wiens nichts zu befürchten hätten, sollten sie sich ergeben (wie es islamischer Brauch war). Die Wiener glaubten aber Süleyman nicht mehr, nachdem sie gehört hatten, was Teile seiner Truppen zuvor widerrechtlich bei Pest getan hatten.
Das heißt: Hätten die Akinci den Auftrag gehabt, durch Verbreitung von Terror den Kampfeswillen im Vorfeld des Hauptheeres einige Wochen/Tage zuvor zu brechen, dann würde die Idee die Stadt friedlich einzunehmen durch reich beschenkte Wiener doch eigentlich obsolet werden, oder? Denn dann würden die Wiener angesichts der Schrecken der Akincis doch niemals mehr glauben, dass sie ungeschont davonkommen, wenn sie die Stadt einfach übergeben würden, oder?
Also entweder stimmt die zeitliche Abfolge der Quellen nicht, oder eine der beiden Quellen schreibt nicht ganz die tatsächlichen Ereignisse.
Was mir noch speziell zum "Pfählen von Säuglingen" auffällt:
Wenn man mal darauf achtet, dann findet man in Quellenbeschreibungen doch recht oft diese Beschreibung, egal ob es Sinn macht (im taktischen Sinne), oder nicht. Also was ich meine ist, selbst wenn ein Heer unter Druck ist, auf dem eiligen Rückzug ist, überhaupt in Eile ist, das Plündern von Häusern eigentlich eher die Beschäftigung sein sollte, usw. irgendwie bleibt immer noch Zeit, Säuglinge zu Pfählen...
Z.B. lese ich in Peter Milgers Kreuzzugsbuch in Quellenzitaten über Kreuzzügler, die hinter Konstantinopel in muslimisches Territorium bei Nikaia eindrangen, und dort auf orthodox-christliche Bauern des Seldschukischen Reiches trafen, die Dörfer plünderten, brandschatzen, die christlichen Säuglinge pfählten und auf Rösten brieten, bis ihnen die Selschuken zu Hilfe kamen und in Kämpfe verwickelten. So eine byzantinische Quelle. Andere (lateinische) Quellen zum gleichen Vorgang schreiben hingegen nichts von gepfählten Säuglingen die geröstet wurden...
Ich äusserte oben schon mal meine Vermutung, dass einige Beschreibungen in Quellen durchaus auch als Topos gewertet werden könnten. Ob es bei gepfählten Säuglingen auch der Fall ist, weiß ich nicht, aber ich habe noch viele Tabs vom letztem Wochenende geöffnet, und vielleicht komme ich am kommenden Wochenende ja dazu, da weiter zu lesen.