Die Heilige Allianz und der Krimkrieg

Köbis17

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1815 wurde die Heilige Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen geschlossen.

Heilige Allianz ? Wikipedia

Meine Frage bezieht sich auf das Ende durch den Krimkrieg, wieso hier keine Hilfe von der Seite Preußens und/oder Österreiches kam, als sich im Krimkrieg Frankreich und England gegen Russland wendeten.

Die Heilige Allianz war kein Militärbündnis aber dennoch sorgte sie für viele Jahre Frieden in Europa zwischen den Nationen.
 
Der von Dir verlinkte Wikipedia-Artikel beantwortet die Frage doch schon weitgehend.
Insbesondere war ja die "Original"-Allianz von 1815, die bald fast ganz Europa umfaßte, schon bald an den Interessengegensätzen der Mächte zerbrochen. Ob man ihr, oder dem Nachfolgeversuch von 1833, wirklich eine friedenssichernde Rolle zusprechen kann, halte ich für fraglich.

Auf jeden Fall wurden die Interessengegensätze zwischen Österreich und Preußen (wg. Vorherrschaft in Deutschland) und Österreich und Rußland (wg. Expansion auf dem Balkan) zu groß.
 
Die so genannte "Heilige Allianz" muss man kritisch betrachten.

Ziel der Allianz sollte eine Politik sein, welche die Prinzipien der christlichen Religion und des Friedens verfolgte. Tatsächlich diente sie der Unterdrückung nationaler und liberaler Bewegungen und wurde - obwohl weitgehend folgenlos - zum Symbol der Reaktion.

Die mangelnde militärische Hilfe im Krimkrieg zeigt lediglich, dass es sich bei den Prinzipien der Allianz um wohltönende Lippenbekenntnisse handelte, die nur dann für die Bündnispartner relevant wurden, wenn sie sich mit den eigenen innen- und außenpolitischen Interessen deckten.
 
Meine Frage bezieht sich auf das Ende durch den Krimkrieg, wieso hier keine Hilfe von der Seite Preußens und/oder Österreiches kam, als sich im Krimkrieg Frankreich und England gegen Russland wendeten.
Dieters kritische Sicht der Heiligen Allianz teile ich, aber ich denke, es geht Dir primär um die Frage, wie die "Interessengegensätze" (R.A.) im einzelnen aussahen.

Zur Rolle Österreichs - ergänzend zu dem, was in Krimkrieg ? Wikipedia steht - erstmal soviel [1]:

Zar Nikolaus I. hat Kaiser Franz Joseph seinerzeit die Aufteilung des Balkans vorgeschlagen. In seinem Brief vom 30.05.1853 kündigte er "die Besetzung der Moldau und der Walachei durch russische Truppen an und drückte die Hoffnung aus, 'daß Du [F.J.] dasselbe mit der Herzegowina und Serbien tust'"; der Zar wiederholte das bei seinem Zusammentreffen mit F.J. am 24.09. in Olmütz und erinnerte seinen "Freund" daran, dass er ihm 1849 Ungarn gerettet hatte.

Am Wiener Hof gab es zwei Lager: Die Militärs, z.B. der alte Radetzky, waren für das russische Angebot; der Außenminister Buol - beraten vom uralten Metternich - war dagegen und wollte sich vor allem nicht gegen Frankreich stellen. Der 23-jährige Kaiser war schlicht und einfach überfordert in dieser Situation, und so ging man den Weg der verhängnisvollen Halbheiten: Österreich schlug sich diplomatisch auf die Seite der Westmächte und machte sich Rußland zum unversöhnlichen Feind. Militärisch freilich wollte man sich nicht engagieren und verscherzte es sich mit Frankreich; statt der Österreicher kämpften auf der Krim die Piemontesen an französischer Seite - und diese beiden fünf Jahre später gegen die k.u.k. Monarchie...


[1] Das Folgende nach Andics: Die Donaumonarchie 1804-1900. Wien 1976, S. 139-144.
 
Die so genannte "Heilige Allianz" muss man kritisch betrachten. ...

Tatsächlich diente sie der Unterdrückung nationaler und liberaler Bewegungen ...
Das sehen wir deswegen kritisch, weil wir in der Tradition dieser nationalen und liberalen Bewegungen stehen ;-)
Wer dagegen die Werte dieser Allianz teilt (so Leute sind sehr selten geworden, es gibt sie aber noch), der findet ihre Maßnahmen natürlich völlig in Ordnung und wird auch Dein "so genannt" nicht akzeptieren.

Die mangelnde militärische Hilfe im Krimkrieg zeigt lediglich, dass es sich bei den Prinzipien der Allianz um wohltönende Lippenbekenntnisse handelte,...
Das würde ich nicht so sehen. M. E. waren das bei Allianzgründung (bzw. Wiedergründung) keine Lippenbekenntnisse, es ist ja auch sehr lange nach Maßgabe dieser Bekenntnisse gehandelt worden.

Der Krimkrieg ist aber nun deutlich später. Die handelnden Personen hatten größtenteils gewechselt, die Rahmenbedingungen waren andere - die Allianz war obsolet geworden.
 
Das sehen wir deswegen kritisch, weil wir in der Tradition dieser nationalen und liberalen Bewegungen stehen ;-)
Wer dagegen die Werte dieser Allianz teilt (so Leute sind sehr selten geworden, es gibt sie aber noch), der findet ihre Maßnahmen natürlich völlig in Ordnung und wird auch Dein "so genannt" nicht akzeptieren.

Einige Werte der Allianz sind auch heute noch durchaus nobel, nur verbargen sich dahinter reaktionär gesinnte Fürsten, die liberale und demokratische Tendenzen ihrer Bevölkerung unterdrückten. Interessant ist, dass das England des aristokratischen Parlamentarismus die Heilige Allianz ablehnte. Lord Castlereagh hat sich von vornherein geweigert, dieses Dokument überhaupt ernst zu nehmen.

Heute wird die Allianz negativ eingeschätzt, da sie keine Perspektiven für die Zukunft bot und keine Antwort auf die überall wachsenden freiheitlichen Bewegungen des Bürgertums hatte. Sie zementierte den status quo, ist also vor allem ein Spiegelbild reaktionärer Fürstenmacht, die vor demokratischen Forderungen der Bevölkerung ängstlich zurückwich.

Der Text des Bündnisses spiegelt einen Konservatismus wider, wie ihn Metternich am gründlichsten durchdacht hat ... Gegenüber diesen Prinzipien konnten sich die nationalen Ideen weder in Deutsschland noch in Italien durchsetzen.

(Walter Bußmann, in: Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 5, Stuttgart 1981, S. 43)
 
Die eigentliche Frage war doch, warum sich Österrich-Ungarn u. Preußen nicht in den Krimkrieg eingemischt haben. Also, ich denke, dass das daran lag, das Österreich-Ungarn sowieso nicht mehr gut auf das Zarenreich zu sprechen war und Preussen hatte keinerlei Interessen auf der Krim. Ausserdem glaube ich nicht, dass Wilhelm in diesem Moment "Lust" auf einen Krieg gegen Frankreich hatte. Dazu waren die Armee und die Marine noch nicht weitgenug ausgebaut.


PS Wenn ich etwas falsch geschrieben haben sollte, berichtigt mich bitte.
 
Die eigentliche Frage war doch, warum sich Österrich-Ungarn u. Preußen nicht in den Krimkrieg eingemischt haben. Also, ich denke, dass das daran lag, das Österreich-Ungarn sowieso nicht mehr gut auf das Zarenreich zu sprechen war ...

Die Spannungen zu Rußland verstärkten sich, das ist keine Frage. Und diese Spannungen berührten die Interessen der Donaumonarchie im südosteuropäischen Raum.

Die Vereinbarungen mit den Frankreich und England hatten wohl weniger den Sinn, in den Krimkrieg einzutreten, als politischen Einfluss bei möglichen Friedensregelungen zu sichern bzw. auf "Kriegsziele" Einfluss zu nehmen. Zudem darf man nicht übersehen, dass Ös Interessen neben dem Balkan in Italien und in Deutschland lagen. Bereits die geographische Ausrichtung zeigt eine Verzettelung bei beschränkten Mitteln.

Zum Ende zerschlugen sich die Hoffnungen, eine stärkere Anbindung an die Seemächte zu bekommen, und mit Rußland hatten sich die Spannungen verstärkt. Die Außenpolitik (in der Phase nach 1855/56 kann man eher von einer Abrüstung Ös sprechen) war außerdem durch akute Finanzkrisen geprägt, die die Rüstung bestimmten bzw. einschränkten. Die Krise bzw. der Teilrückzug aus Italien folgten.

Es gibt übrigens eine politische Studie zu den Details:
Unckel, Österreich und der Krimkrieg, 1969 (Hsitorische Studien 410).
 
Noch etwas zur zur Haltung Österreichs:

Österreich hat durch seine beharrliche Weigerung an dem Krieg teilzunehmen, letzten Endes nicht nur den eigenen Interessen gedient. Über Napoleon III. wurde England zum Abbruch des Krieges veranlasst und das diente sicher europäischen Interessen. Palmerston hatte bekanntermaßen ja ziemlich weitreichende Pläne hinsichtlich Russlands und diese haben nun nichts mehr mit dem europäischen Gleichgewicht zu tun. So wurden gewaltige maritime Operationen in der Ostsee, 1856 sollten über 150 Kriegsschiffe vom Stapel laufen, Kronstadt sollte erobert werden, Preussen wegen seinen unentschlossenen Haltung ggf. der Krieg erklärt werden. Mit Schweden hatte man bereits ein Bündnis abgeschlossen und die russischen Beziehungen zu den USA haben sich während des Krieges immer mehr verbessert. Der Krieg hätte sich also leicht zu einem Flächenbrand entwickeln können.
 
..
1846 fällt der Karfreitag bei den orthodoxen, wie bei den lateinischen, Christen auf den gleichen Tag.
….
Jetzt geht es also los.

Geschrei, Beschimpfung, Verunglimpfung, Handgreiflichkeiten hier und da und Faustschläge auch.
Geistliche, Mönche, Pilger geraten in Erregung.

Mit allerlei sakralen Gegenständen, wie Kruzifixen, Kelchen, Kerzen, Leuchtern, Weichrauchkessel, schlagen sie auf einander ein. Manche reißen sogar Holzteile aus der heiligen Kirche um damit den (christlichen) Widersacher in seiner physischen Funktionsfähigkeit nach Kräften zu beeinträchtigen.

Auch haben manche Messer und Schusswaffen eingeschleust.
Harter Kampf und Heiliger Zorn unterm Kreuz des Gekreuzigten.

Als endlich die Truppen des osmanischen Stadthalters dem Spuk ein Ende bereiten und in die Grabeskirche vorrücken, finden sie 40 Leichen vor.

Das ist jetzt etwas frei erzählt nach Orlando Figes (Crimea), der diese verrückte Story zur Einleitung seines Buches über den Krimkrieg macht.

...



Nur als Randbemerkung, da die von Figes verwendeten Quellen immer spannend (nicht immer zitiert) sind.

Nebulös:
The humble petition of Thomas Brodigan, of Piltown House, in the county of Meath
Die Kirchengazette September 1946 macht sich das dann wohl zu eigen und berichtet über die "Londoner Gesellschaft zum Schutz der Christen unter Juden", die Auszüge der Petition wiederholt, obwohl die Orthodoxen die Bösen zu sein scheinen, während die Franzosen für die nicht minder bösen Katholiken und der Sultan (für alle, wenn eine seiner Wachen wie in Vorjahresberichten nicht mal einen Christen totschlägt) löblich Schutz anstreben, während das Empire faul und träge nix für seine Anglikalen tut. Da droht eben der nächste Kreuzzug.

September, S. 56
The Ecclesiastical gazette, or, Monthly register of the affairs of the Church of England

Vermutlich soll die Einleitung von Figes die Leser auf mitschwingende religiöse Wurzeln des Konfliktes einstimmen. Aber das gleitet dann in eine Themendiskussion ab.
(man könnte die vorlaufenden Konflikte in das Krimkrieg-Thema ausgliedern)

Wie silesia bemerkt betont Figes die religiöse Aufladung des Ursprungs dieses Krieges.
Dies insbesondere bezogen auf die 'Geisteshaltung' des Nikolaus I, der sich als spiritueller Erbe des untergegangenen Byzanz sieht und wesentlich daraus seine Legitimation ableitet,
zunächst Moldawien und die Walachei zu besetzen;
um von dort aus nach Byzanz selbst zu greifen,
also der Hauptstadt des Osmanischen Reiches - Konstantinopel.
Ein riskantes Unterfangen, erheblich beeinflusst durch die Vorstellung des Nikolaus Gottes Wille zu verrichten und somit den Allmächtigen selbst zum Verbündeten zu haben.

In der eher praktischen Umsetzung setzte Nikolaus, gestützt von Beratern, sowohl auf die Entfachung eines „Heiligen Zorns“ der Christen im OR, als auch auf einen Pan-Slavismus.
Dieser stellte es als wahrscheinlich vor, dass sich auch unter dieser Idee Erhebungen gegen das OR ergeben sollten.
Soweit teilweise und grob und ungefähr nach Figes -Crimea.

Es gab da schon einen Kreuzzugsgedanken.
Vielleicht auch in dem Sinne, dass der erste Kreuzzug das wurde was wir heute „viral“ nennen.
Doch der Urban entfachte ja mit dem Ersten Kreuzzug eher versehentlich einen Flächenbrand,
während die Strategie des Nikolaus eben auf diesen spekuliert. Und der soll heilig sein, der Flächenbrand, der nicht zu löschen ist.

So sehen die Zauberlehrlinge aus.
 
Interessant ist, das der Prinz von Preußen, der später Kaiser Wilhelm I., sich in der Krimkriegsfrage im Gegensatz zu seinen Bruder Friedrich Wilhelm IV. befunden hatte.
Wilhelm akzeptierte durchaus das Verhalten Österreichs und en geschlossenen Vertrag vom 02.Dezember 1854 mit den Westmächten England und Frankreich. Zu jenem Zeitpunkt stand er Petersburg kritisch gegenüber. Das ist seiner Korrespondenz mit seinen späteren Schwiegersohn den Großherzog von Baden zu entnehmen.
 
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