Vegetarismus im 18.Jh.

In warmen Gefilden kommt man aber auch mit Leinen, Baumwolle und dergl. aus. Für Seide müssen freilich noch die Seidenraupen missbraucht werden. Also hätten die Vegetarier, welche auf Wolle verzichten wollten, einfach gen Süden auswandern müssen.
Holzschuhe? Kissen mit Leinen gefüllt? Hanfseil statt Ledergürtel? Wach nur bei Sonnenlicht, weil sowohl Kerzen als auch Talg als Leuchtmittel ausfallen? Es ist ja nicht nur die Kleidung für die tierische Produkte erforderlich sind, es sind vielmehr soviele andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die mit einer vegetarischen Lebensausrichtung gestrichen sind.

Zumindest in Teilen Frankreichs war Baumwolle schon sehr verbreitet, auch wenn nichts desto minder Seide an der Königin als patriotischer galt.
Bei echtem Vegetarismus ist Seide allerdings nicht im Rahmen des möglichen, da die verpuppten Seidenraupen zur Seidengewinnung getötet werden.

Obendrein sprechen die Autoren, soweit ich das bis jetzt verstand, auch nur das Töten der Tiere als negativ an, nicht aber ihre Verwertung(Kleidung, Bettzeug, Geschirre, Perücken etc.).
Na entweder-oder. Für Lederschuhe sterben Tiere genauso wie für das Steak auf dem Teller. Zum hier bereits genannten Antrieb der ethischen Motivation passt das nicht.
 
Holzschuhe? Kissen mit Leinen gefüllt? Hanfseil statt Ledergürtel? Wach nur bei Sonnenlicht, weil sowohl Kerzen als auch Talg als Leuchtmittel ausfallen?

Bei echtem Vegetarismus ist Seide allerdings nicht im Rahmen des möglichen, da die verpuppten Seidenraupen zur Seidengewinnung getötet werden.


Na entweder-oder. Für Lederschuhe sterben Tiere genauso wie für das Steak auf dem Teller. Zum hier bereits genannten Antrieb der ethischen Motivation passt das nicht.
Holzschuhe würden gehen, aber nur, wenn sie ganz aus Holz sind (häufig war und ist eine Partie aus Leder). Bei der Unterschicht und in den Wirtshäusern schlief man eh auf Stroh. Gürtel trug man im 18.Jh. kaum, außer man baumelte einen Degen daran. :p Zu den armen Seidenraupen hatte ich ja oben schon geschrieben, dass die eigentlich nicht gehen würden. Als Leuchtmittel hatte die Unterschicht eh kaum Kerzen, da zu teuer. Kienspäne und Ölfunzeln waren eher die Regel, wobei Kienspäne noch häufiger. Ergo: Die Unterschicht trug ohnehin gemessen an ihrem Verbrauch pro Kopf den geringeren Anteil am Tieretöten. Mir scheint die Kritik von Rousseau, v.a. aber von Adams auch eher an die Oberschicht gerichtet zu sein.
In Utopia kannst Du mit der Ledergewinnung aber auch warten bis die Viehcher vor Altersschwäche umfallen.;)
Eine extreme Position wie Du sie vorstellst, scheint es nicht gegeben zu haben, oder wir sind noch nicht darauf gestoßen.

Bei Rousseau vermute ich eher einen sentimentalen also empfindsam-moralischen Hintergrund. Vielleicht falsch ausgedrückt.
Bei Adams sehe ich das eher aus der ökonomischen Perspektive: Rindviehhaltung zur Verwertung für Fleisch der Oberschicht nimmt Boden für die Ackerwirtschaft für die Versorgung der Unterschicht bzw. restlichen Gesellschaft weg.
Historisch richtig ist, dass die Briten vom Getreideimport aus dem Ostseeraum bsw. abhängig waren. Das macht m.E. die Sichtweise von Adams als Ökonom plausibler.
Ansonsten argumentierten die "Gelehrten" bzw. die "Philosophen", welche zwischen dem alten Gelehrten und dem neuen Wissenschaftler standen, noch immer nicht selten theoretisch-spekulativ. Und tatsächlich war statistisches Material oftmals zu der angesprochenen Zeit noch recht rar in der Richtung. Schon allein der Flächenbestimmung standen vielerorts große Widerstände entgegen. So war eine vom König geplante groß angelegte Katasteraufnahme in Frankreich am Widerstand der Stände 1763 gescheitert. In kleineren Staaten wie den Hohenlohischen Grafschaften und Fürstentümern war solch eine Bestandsaufnahme aber hingegen schon um und vor 1700 erfolgreich durchgeführt worden. Aus dem späten 18.Jh. kenne ich dann sogar über Russland recht genaue Zahlen zum Handel, welche aber eventuell auch eher auf Schätzungen/Spekulationen beruhen.
Hm, geht vielleicht ein bisschen zu weit am Thema vorbei. =):pfeif:
 
Mir scheint die Kritik von Rousseau, v.a. aber von Adams auch eher an die Oberschicht gerichtet zu sein.
Ja, so lese ich das auch. Insbesondere ein Rousseau der dabei ethisch-moralisch argumentiert, hätte sich im logischen Schluss eben nicht nur auf das Essen beschränken dürfen, sondern hätte vielmehr auch auf die Nutzung tierischer Produkte im Allgemeinen, für deren Gewinnung Tiere sterben müssen eingehen sollen. Nur dann ist es auch Vegetarismus, alles andere ist "nur kein Fisch und Fleisch essen". Auch eine ökonomische Argumentation eines Adams wird hier ad absurdum geführt. Auch wenn man kein Fleisch isst, so müssen die Tiere immer noch für die Artikel des täglichen Bedarfs gehalten werden, außer jeder in der Gesellschaft ist bereit vergleichbar zur damaligen Unterschicht zu leben.

In Utopia kannst Du mit der Ledergewinnung aber auch warten bis die Viehcher vor Altersschwäche umfallen.;)
Und hast dann rissiges Bröckelleder, außer es war ein rauchendes und ins Solarium gehendes Tier, dann ist die Haut vielleicht schon vorgegerbt. :still:

Eine extreme Position wie Du sie vorstellst, scheint es nicht gegeben zu haben, oder wir sind noch nicht darauf gestoßen.
Das ist nicht die extreme Postion, das ist die konsequente Position. Alles andere ist kein richtiger Vegetarismus.
 
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Komisch, dass auf diesen Listen immer wieder Hitler vergessen wird, der ja nicht nur Vegetarier war sondern auch Antialkoholiker und Nichtraucher...;)

Und was den "Vegetarier" Richard Wagner angeht, so darf ich aus seinem Werk "Aus meinem Leben" zitieren, wo er eine Bergwanderung in den Alpen beschreibt:

... gelangten wir endlich in immer traulicherer Thalgegend nach dem heutigen Ziel unsrer Wanderung, dem Dorfe Pommath, von der italienischen Bevölkerung Formazza genannt. Hier galt es denn wirklich zum erstenmal in meinem Leben Murmeltier-Braten zu essen. Von größter Ermüdung durch wenigen Schlaf nur ungenügend gestärkt, machte ich mich am andren Morgen allein auf die weitere Wanderung das Thal abwärts...

Murmeltier-Braten! Muss bestimmt lecker geschmeckt haben.
 
Auch eine ökonomische Argumentation eines Adams wird hier ad absurdum geführt. Auch wenn man kein Fleisch isst, so müssen die Tiere immer noch für die Artikel des täglichen Bedarfs gehalten werden, außer jeder in der Gesellschaft ist bereit vergleichbar zur damaligen Unterschicht zu leben.
Es käme darauf an, ob zum Fleischverzehr vielleicht sogar mehr Tiere sterben mussten als Gerber etc. benötigten.

Zumindest Wikipedia sieht das scheinbar anders:
Der Veganismus vermeidet tierische Produkte nicht nur in der Nahrung, sondern in allen Lebensbereichen.
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Von daher befürchte ich, dass Du Vegetarismus und Veganismus vielleicht verwechselst.
Ganz offensichtlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Hier sollte es aber weniger in dem Thread um theoretische Ausprägungen gehen, als um die tatsächlich historisch damals vorhanden, auch wenn diese offensichtlich schwer greifbar sind. Die philosophischen Ausführungen über den Umgang mit dem Fleischverzehr und das tatsächliche Handeln der Autoren mögen auseinander gegangen sein.

Interessant fände ich den Aspekt der Natürlichkeit, welcher ja damals in aller Munde war. War im 18.Jh. bekannt, dass der Mensch ein Omnivore war? Immerhin stammt aus der Mitte des 18.Jh. bereits die Bezeichnung "Homo Sapiens". Man beschrieb ja auch den Menschen. Wie äußerten sich die führenden Köpfe zum "natürlichen" Ernährungsverhalten?

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Vegetarismus ? Wikipedia
 
Es käme darauf an, ob zum Fleischverzehr vielleicht sogar mehr Tiere sterben mussten als Gerber etc. benötigten.
Ich fürchte dass das schwer wird, für die betreffende Zeit Hochrechnungen zu machen. Darum ging es mir konkret aber gar nicht. Mir ging es vielmehr darum, dass die Begründungen, seien es nun ethisch-moralische oder öknomische Motive, hinken, solange sich die Betrachtungen lediglich aufs Essen beschränken.

Zumindest Wikipedia sieht das scheinbar anders:
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Von daher befürchte ich, dass Du Vegetarismus und Veganismus vielleicht verwechselst.
Nein ich verwechsle da sicher nichts, ich habe selbst lange genug vegan gelebt (und es wieder gelassen) um "die Regeln" aus dem ff zu kennen. Vereinfacht ausgedrückt: Vegetarier konsumieren nichts, wofür Tiere sterben müssen (also z.B. kein Fisch, kein Fleisch, kein fermentierter Käse, kein Leder, kein Pelz, kein Horn, keine Federn, keine Perlen, keine Seide usw.) Veganer konsumieren keinerlei tierische Produkte (also zusätzlich auch keine Eier, keine Milch, kein Honig etc.). Lies dir doch einfach mal den Wiki-Artikel gesamthaft durch, ich glaube, dann wird es klarer.

Ganz offensichtlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Hier sollte es aber weniger in dem Thread um theoretische Ausprägungen gehen, als um die tatsächlich historisch damals vorhanden, auch wenn diese offensichtlich schwer greifbar sind.
Greifbar ist es durchaus, mir geht es an der Stelle mehr um die Argumentationskette der philosophischen Ausführungen die nicht fertig gedacht wirkt und eben weniger um das tatsächliche Handeln, da ich nach wie vor der Meinung bin, dass die echte Umsetzbarkeit an den technischen Möglichkeiten scheiterte. Vielleicht sind auch deshalb die Argumentationen nicht so wirklich fertig gedacht.
 
Greifbar ist es durchaus, mir geht es an der Stelle mehr um die Argumentationskette der philosophischen Ausführungen die nicht fertig gedacht wirkt und eben weniger um das tatsächliche Handeln, da ich nach wie vor der Meinung bin, dass die echte Umsetzbarkeit an den technischen Möglichkeiten scheiterte. Vielleicht sind auch deshalb die Argumentationen nicht so wirklich fertig gedacht.
Ich denke, dass ein Smith das außen vor lassen musste, da sich nunmal gerade in Großbritannien die Wirtschaft so stark auf die Herstellung der Wolltuche ausrichtete. Wenn auch dafür die Tiere nicht sterben müssen. Erstaunlich wäre es, wenn er nicht die moralischen Probleme verbunden mit der Einhegung von Smith erwähnt wurden. Einhegung ? Wikipedia Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht auch zum Thema ein bisschen passt. :grübel:

Vielleicht sollte man ein paar mehr utopische Romane aus der Zeit lesen. :winke:
 
Dank Saint-Simone kann ich da ein paar Zahlen anbieten. So konnte sich ein Maurergeselle / ein Handlanger täglich vom Arbeitslohn durchschnittlich
1520-1600 5,7 / 3,9 Pfund
1600-1700 5,9 / 3,9 Pfund
1700-1800 4,3 / 3,0 Pfund
Rindfleisch in Linz leisten.
Dafür, so Scheichl, sei aber der Kornpreis gesunken, weshalb sich das Weniger an Rindfleisch wiederum ausgeglichen habe.

Was bitte ist den mit "Pfund" gemeint. Ist das unser heutiges Pfund, also 500g?
 
Dann ist die obige Zahl unrealistisch. Wer sollte den 2 kg (oder mehr) Fleisch am Tag verdrücken. Das hieße ja morgens ein paar Würste, mittags ein Kilo Braten, abends wieder Würste oder zur Abwechslung ein/zwei Schnitzel. Außer Fleisch brauchten die ja auch noch andere Dinge zum Leben. Das kann sich selbst heute nicht jeder/nur wenige leisten.
Das müsste dann vermutlich "pro Woche" heißen.
 
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Dann ist die obige Zahl unrealistisch. Wer sollte den 2 kg (oder mehr) Fleisch am Tag verdrücken. Das hieße ja morgens ein paar Würste, mittags ein Kilo Braten, abends wieder Würste oder zur Abwechslung ein/zwei Schnitzel. Außer Fleisch brauchten die ja auch noch andere Dinge zum Leben. Das kann sich selbst heute nicht jeder/nur wenige leisten.
Das müsste dann vermutlich "pro Woche" heißen.
Es geht ja auch nicht darum, was man aß, sondern was man sich theoretisch von dem Geld hätte leisten können. Der Maurergeselle wird, das muss ich noch erwähnen, war der eigentliche Fauxpas meinerseits, ohne Kost veranschlagt - also von dem Geld musste er alles bestreiten. Ansonsten wäre die Berechnung bzw. der Vergleich noch schwieriger.
 
Aber trotzdem war Linz dann wohl eine Boomtown.
Der Durchschnittswert wäre dann in der angegebenen Zeit 4,45 Pfund Fleisch.
Wenn man nun gerundet 4,5 Pfund nimmt und das ganze mit 25 Arbeitstagen (inclusive Samstag) multipliziert, bekommt man die theoretisch mögliche Menge von 112,5 Pfund Fleisch.
Ohne dass ich mich jetzt den Mühen der Dreisatzrechnung aussetze, runde ich das mal auf etwa 50 kg zurecht.
Also, ein Maurergeselle hätte sich ungefähr 50 kg Fleisch im Monat leisten können, wenn er sein ganzen Geld nur dafür ausgegeben hätte.
Entweder war Fleisch damals im Verhältnis zur Kaufkraft ziemlich billig oder die haben ziemlich gut verdient.
 
Also, ein Maurergeselle hätte sich ungefähr 50 kg Fleisch im Monat leisten können, wenn er sein ganzen Geld nur dafür ausgegeben hätte.
Entweder war Fleisch damals im Verhältnis zur Kaufkraft ziemlich billig oder die haben ziemlich gut verdient.
Dazu müsste man die Preise ansonsten im statistischen Warenkorb wissen. Alle Historiker und Ökonomen, welche ich bis jetzt gelesen habe, meinten aber recht einhellig, dass das alles zu nichts führt.
 
Man muss auch bedenken, dass dieser Maurergeselle von seinem Lohn noch Frau, Kinder und evtl. auch (Schwieger)Eltern mit zu versorgen hatte.
 
Man muss auch bedenken, dass dieser Maurergeselle von seinem Lohn noch Frau, Kinder und evtl. auch (Schwieger)Eltern mit zu versorgen hatte.

Ist schon klar, diese Menge oben gilt nur dann, wenn er von seinem Monatsgehalt ausschließlich Fleisch gekauft hätte, sonst nix.
Trotzdem erscheint mir das recht günstig. Denn dann hätten sich auch die ärmeren Schichten (oder die mit gemäßigten Einkommen) in einer Stadt ab und zu mal Fleisch leisten können und es wäre nicht die totale Ausnahme für die unteren Einkommensschichten gewesen, wie es z.T. hier anklingt.
 
Ist schon klar, diese Menge oben gilt nur dann, wenn er von seinem Monatsgehalt ausschließlich Fleisch gekauft hätte, sonst nix.

Ja, ich habe den Pfad gelesen. Dennoch finde es nicht ungewöhnlich für die Zeit, wenn man mit der Arbeit eines Tages den Gegenwert von zwei Kilo Fleisch erwirtschaften kann. Ich sehe den Punkt nicht, tut mir leid.
 
Dennoch finde es nicht ungewöhnlich für die Zeit, wenn man mit der Arbeit eines Tages den Gegenwert von zwei Kilo Fleisch erwirtschaften kann.

Ich finde, dass das Fleisch relativ preisgünstig war. Also wird auch jemand mit weniger Einkommen sich hin und wieder mal Fleisch geleistet haben und kein "Zwangsvegetarier" gewesen sein, für den Fleisch unerschwinglich war, so dass er/sie es sich nur bei ganz seltenen Ausnahmen leisten konnte. (Um mal den Bogen zur Ursprungsfrage zu bekommen.)

Positionen wie "Fleisch konnte sich nur der Adel oder das begüterte Bürgertum leisten" müssten dann überprüft werden.
 
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