Zerschlagung der Kurpfalz

Alex74

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Hallo allerseits,

ich muß voranschicken daß ich was dieses Thema angeht noch große Wissenslücken habe.

Es geht darum, welche Gründe kurzgefaßt dazu führten, daß die Kurpfalz 1803 durch den
Reichsdeputationshauptschluß aufgelöst bzw. zerschlagen wurde. Waren dies reine Machtinteressen der Franzosen oder Preußen oder persönliche Motive der handelnden Personen?
Wollte man also eher einen Ballungsraum politisch neutralisieren oder das Haus der Wittelsbacher schwächen?

Ferner würde mich interessieren ob es dagegen in irgendeiner Form Widerstand gab.

Am Rande interessiert mich auch, ob es jemals in der Zeit danach Bestrebungen gab, die Kurpfalz wiederherzustellen (z.B. nach 1945).

Was Büchertipps angeht bin ich hier ein wenig reserviert, da mich die Zeit selbst damals aufgrund des Adelsgeschachers eher weniger interessiert und ich mich eher dafür fürchte, durch dicke Wälzer zu schlagen die wie die Genesis der Bibel anmuten... :fs:

Gruß Alex
 
Hat hierzu keiner ein wenig Hintergrundwissen?

OK, ich gebe mich geschlagen...wer mir zumindest eine lesenswerte Quelle empfehlen kann, die auf die Politik in und um die Kurpfalz und deren Ende eingeht, dem wäre ich sehr verbunden. :kleeblatt:

Gruß Alex
 
Da ich selbst nicht im Thema bin, habe ich kurz bei Wiki reingeschaut. Es verschafft zu mindest einen Ueberblick:

Kurpfalz ? Wikipedia

Zusammenfassend: Alles Linksrheinische wurde/war franzøsisch, der Rest musste sich eben rechtsrheinisch "arrangieren"...
Wer da welche Lændereien und wieviel bzw. ob ueberhaupt etwas...Ich denke, das ist schwierig, das genau aufzudrøseln. Und langlebig waren die Grenzen ohnehin nicht:
Interessant finde ich z.B. das "Fuerstentum Leiningen". Das gab's 3 Jahre lang.
Jedenfalls haben wir seit der Franzosenzeit eine Teilung der Pfalz in einen linksrheinischen und einen rechtsrheinischen Teil mit unterschiedlicher weiterer Geschichte.

Gruss, muheijo
 
Kurz kann man es ungefähr so zusammenfassen:
Neben allerlei anderem ging es hauptsächlich um dreierlei:
1. Ausdehnung Frankreichs bis an den Rhein.
2. Um (zumindest die größeren) Fürsten für ihre rechtsrheinischen Verluste zu entschädigen, wurden die kirchlichen Fürstentümer säkularisiert.
3. Es fand eine "Flurbereinigung" statt, d.h. es wurden "kompakte", arrondierte, nicht mehr so verstreute und erheblich vergrößerte Staaten, vor allem unter Napoleon zugeneigten Fürsten geschaffen. Allerdings z.T. erst einige Jahre nach dem Reichsdeputationshauptschluss. Mediatisierung ? Wikipedia

Dass die Wittelsbacher besonders gelitten hätten, kann man m. E nicht sagen. Sie verloren zwar die Pfalz, gewannen dafür aber die fränkischen Fürstbistümer etc. hinzu und damit ein einheitliches Königreich. Am ehesten könnte man vielleicht ein "Sonderopfer" der Wittelsbacher darin sehen, dass einige Fürstbistümer quasi zu wittelsbachischen Erbmonarchien geworden waren - was dann vorbei war.
 
Ich würde schon von einem Sonderopfer sprechen,da ja sozusagen die Stamm- und Kernlande der pfälzischen Wittelsbacher verloren gingen. 1803 wollte Napoleon damit sicherlich Frankreich abrunden und gleichzeitig die von ihm favorisierten Großherzogtümer Baden und Hessen stärken. Die Pfäzer Kurfürsten waren ohnehin ,auch aufgrund der vorangegangenen Kriegswirren , von Mannheim in die bayrische Provinz nach München verzogen. Beim Wiener Kongress war die Bestätigung der hessisch-badischen Annexionen wohl der Preis für die Abkehr von Napoleon, wobei die Wittelsbacher zumindest die linksrheinischen Gebiete der Pfalz zurück bekamen. Da der Hof aber mangels geeigneter residenz in München blieb, sind die Bayern bis heute der irrigen Meinung,die Pfalz habe zu ihnen gehört und nicht umgekehrt :D:D Literatur: Hansjörg Probst "Die Pfalz als historischer Begriff" Rudolf Haas "Die Kurpfalz"
 
Dass die Wittelsbacher besonders gelitten hätten, kann man m. E nicht sagen. Sie verloren zwar die Pfalz, gewannen dafür aber die fränkischen Fürstbistümer etc. hinzu und damit ein einheitliches Königreich. Am ehesten könnte man vielleicht ein "Sonderopfer" der Wittelsbacher darin sehen, dass einige Fürstbistümer quasi zu wittelsbachischen Erbmonarchien geworden waren - was dann vorbei war.

Das mit den Fürstbistümern würde ich nicht zu sehr gewichten, schließlich gingen den bayerischen Wittelsbachern ja schon 1761 die nachgeborenen Söhne aus, um das Kölner Erzbistum weiterhin als Sekundogenitur zu halten. Insofern hatten sie ja hier schon an Einfluss eingebüßt. Des weiteren war nach dem Ende des HRR ohnehin keine Kur mehr auszuüben. Gerade deshalb war ja im Kölner Krieg von 1582/83 mit päpstlicher und spanischer Hilfe dieses Bistum den Wittelsbachern "einverleibt" worden, um die katholische Mehrheit im Kurfürstenkolleg sicherzustellen. (Wobei die Tatsache der Versorgung nachgeborener Söhne ein angenehmer und nicht zu unterschätzender Nebenaspekt war). Das alles war nun nicht mehr notwendig.

Neben den fränkischen Gebieten war natürlich für die Bayern auch der Gewinn der schwäbischen Territorien ein nicht zu gering zu bewertender Fang. Expansionsbestrebungen Richtung Norden gab es in der Geschichte des Hauses kaum. Jedoch die Gebiete östlich der Stammlande, ins Schwäbische hinein, waren schon im Spätmittelalter etwas, wo man sich gerne hin ausgedehnt hätte. Vor allem vom Teilherzogtum Niederbayern, der Landshuter Linie, wurden hier immer wieder Bestrebungen unternommen.

zaphodB. schrieb:
...irrigen Meinung,die Pfalz habe zu ihnen gehört und nicht umgekehrt

Lili hat es ja schon richtig gesagt, die Stammlande der Wittelsbaher befinden sich in Bayern. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein fiel 1214 erstmals an einen Wittelsbacher, kam also zusätzlich zu den bayerischen Stammlanden in Besitz der Familie. Dass das Spätmittelalter hindurch bis zum 30jährigen Krieg die pfälzische Linie der Wittelsbacher reichsrechtlich als die edlere erschien, liegt daran, dass der Hausvertrag von Pavia des Jahres 1329 in einem Punkt nicht angewandt wurde: Die darin beschlossene Alternierung der Kurwürde zwischen Bayern und der Pfalz wurde mit der goldenen Bulle aufgehoben, die dieses Amt nur den Pfalzgrafen bei Rhein zugestand. Das lag zum einen daran, dass sich die Luxemburger in Konkurrenz zu den bayerischen Wittelsbachern befanden und zum anderen wohl auch daran, dass Karl IV. eine Tochter aus Pfälzer Hause heiratete.

Die Pfalzgrafschaft bei Rhein war die erste weltliche Kurstimme. Da Herzog (und später Kurfürst) Maximilian jedoch bereits während des 30jährigen Krieges und dann speziell noch einmal bei Westfälischen Frieden auf eben jener Kurstimme bestand und forderte, dass für die Pfälzer eine neue, fünfte, weltliche Stimme geschaffen wird, fiel diese Stimme an die bayerischen Wittelsbacher und diese waren von da an in Besitz der ersten weltlichen Stimme. So scheint es nur natürlich, dass zunächst Karl Theodor und nach seinem Tod die Linie Zweibrücken nach Bayern kam. Es hätte mit Mannheim auch die Möglichkeit einer Pfälzischen Residenz gegeben. (...und Karl Theodor hätte sich dort wohl auch besser aufgehoben gefühlt.)

Die Frage, ob nun die Pflaz zu Bayern gehört oder anders herum, stellt sich meines Erachtens nicht. Das ist eine dieser müßigen Fragen, mit der sich lokalpatriotische *räusper* "Forscher" auseinandersetzen. Wenn man hierauf eine Antwort finden möchte, wird man der Komplexität der Sache nicht gerecht. Die beiden Teile sind über Jahrhunderte eigenständige Wege gegangen, so dass es mich persönlich immer wieder in Staunen versetzt, dass die dynastischen Bande nie abgerissen sind; trotz der religionspolitischen Differenzen, trotz der Tatsache, dass man sich als Führer von Union und Liga im 30jährigen Krieg feindlich gegenüber stand, trotz der immer dünner werdenden verwandtschaftlichen Verbindungen. Möchte man nun eine polarisierende Antwort auf Deinen Einwurf finden, so muss ich hier leider passen, das würde den historischen Tatsachen nicht gerecht werden.
 
Die Pfäzer Kurfürsten waren ohnehin ,auch aufgrund der vorangegangenen Kriegswirren , von Mannheim in die bayrische Provinz nach München verzogen.
Meines Wissens waren sie primär wegen einem Vertrag zwischen Max III. Joseph und Carl Theodor nach München gezogen. Ich glaube auch, dass das Carl Theodor nicht gelegen kam (wobei er sich ja auch dann in den 40er/50er Jahren mit Mannheim zurecht gefunden hatte, während er am Anfang Düsseldorf bevorzugte). Allerdings hatte man sich darauf geeinigt; ich weiß aber nicht, ob das tatsächlich eine Bedingung dafür war, dass Bayern an den pfälzischen Kurfürst fiel. Grundsätzlich muss man wohl sagen, dass der Kurfürst dann kaum in die Kurpfalz oder gar nach Düsseldorf reiste. Ob er nicht hätte auch zwei gleichberechtigte Residenzen (München und Mannheim/Schwetzingen) haben können, weiß ich nicht. Ich denke aber auf jeden Fall, dass dann der Hang, die Pfalz um jeden Preis zu halten, größer gewesen wäre, wenn Mannheim Haupt- und Residenzstadt geblieben wäre.
 
Allerdings hatte man sich darauf geeinigt; ich weiß aber nicht, ob das tatsächlich eine Bedingung dafür war, dass Bayern an den pfälzischen Kurfürst fiel.

Den Satz verstehe ich nicht. In welchem Zusammenhang? :winke:


Ich denke aber auf jeden Fall, dass dann der Hang, die Pfalz um jeden Preis zu halten, größer gewesen wäre, wenn Mannheim Haupt- und Residenzstadt geblieben wäre.

Es ist in dem Zeitfenster eine Frage, was machbar gewesen wäre. Die Chancen waren gleich Null, gegen Napoleon ein Behalten der linksrheinischen Gebiete durchzusetzen.
 
Allerdings hatte man sich darauf geeinigt; ich weiß aber nicht, ob das tatsächlich eine Bedingung dafür war, dass Bayern an den pfälzischen Kurfürst fiel.

So, nun bin ich selbst runter vom Schlauch gestiegen, war eigentlich gar nicht so schwer zu verstehen. :red:

Dass München als Hauptstadt festgesetzt wurde, hatte mehrere Gründe. Einen davon hatte ich schon genannt: Bayern war das edlere Kurfürstentum, da es die erste weltliche Kurstimme innehatte. Zum zweiten war es natürlich bekannt geworden, dass die Habsburger Anstrengungen unternahmen, sich Gebiete des bayerischen Territoriums einzuverleiben. Es wurden sowohl mit rechtlichen Begründungsversuchen, als auch mit militärischen Vorbereitungsmaßnahmen die Weichen von Seiten Österreichs gestellt. Das war der Zeitpunkt, wo Max III. Joseph und Karl Theodor reagieren mussten und sie sahen sich gezwungen, eine Erbverbrüderungs-Erneuerung zu beschließen, die auf dem Hausvertrag von Pavia beruhte. Hätte man nicht München als Residenz bestimmt, sondern den Fürsten über die vereinigten Territorien von Bayern und der Pfalz irgendwo am Rhein residieren lassen, hätte die Gefahr bestanden, dass die Österreicher einfach in Bayern einmarschieren. Das war ja wenige Jahrzehnte zuvor bereits der Fall gewesen, als Maria Theresia mit ihren Truppen nach der Wahl des Wittelsbachers Karl VII. zum römischen Kaiser im Jahre 1742 Bayern besetzte. Dieser Schock saß noch tief in den Knochen, was sich auch sehr schön daran zeigt, dass Bayern in den folgenden 20 Jahren mit Denkmälern, die an die Befreiung von dieser Okkupation erinnern, quasi zugepflastert wurde. Solch einem Risiko wollte man sich wohl nicht mehr aussetzen.
 
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Das war der Zeitpunkt, wo Max III. Joseph und Karl Theodor reagieren mussten und sie sahen sich gezwungen, eine Erbverbrüderungs-Erneuerung zu beschließen, die auf dem Hausvertrag von Pavia beruhte.
Die Rolle die du hier Karl Theodor zukommen lässt ist viel zu sehr pro-bayerisch, was er eindeutig nicht war. Karl Theodor unterzeichnete zwar die Erbverbrüderungs-Erneuerung und unterwarf sich damit, vermutlich die reiche Erbschaft im Blick, zunächst dem Willen von Max III. Joseph. Es war allerdings auch Karl Theodor der nur ein Jahr nach Antritt des Erbes großzügig mit Österreich tauschen wollte (Vorderösterreich gegen Niederbayern und die Oberpfalz), was eher für eine langfristigere Planung Richtung Westen, als für ein festigen der Wittelbacher Hausmacht in den Stammlanden spricht. Dieser Tausch wurde lediglich durch die Intervention Preußens verhindert. Genauso wie der zweite Tauschversuch Carl Theodors - diesesmal spitzte er auf die österreichischen Niederlande - einzig durch eine deutliche Intervention Preußens verhindert wurde.
 
Was genau die Motivation Karl Theodors bei der Unterzeichnung 1766 gewesen war, mag ich nicht zu beurteilen. Die zweite Hausunion von 1771, bei der Christian IV. und Karl August von Zweibrücken ebenfalls ins Boot geholt wurden und jene Landesteile, die durch Schenkung und Tausch zu den Stammlanden gekommen waren, ebenfalls in die gegenseitige Erbfolge mit einbezogen wurden, setzt einen durch und durch hauspolitischen Akzent. In die gleiche Kerbe schlägt die dritte Hausunion von 1774, die das Mitbesitzrecht der beiden Kurfürsten nicht nur auf Reichslehen, sondern auf alle Territorien ausdehnte. Auch hier wird wieder ein Sicherheitsgurt angelegt und man betont, dass das alle Anverwandten betrifft. Konkret: Die Linie Zweibrücken wurde auch hier wieder als Alternative, falls alle Stricke reissen, mit einbezogen.

Natürlich gebe ich Dir recht, dass die Aussicht auf das reiche Erbe wohl der Hauptgrund für Karl Theodor war, einen Kompromiss einzugehen. (Vielleicht habe ich da ein wenig zu schwammig formuliert.) Doch er kam ja nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen und ihm war die Gefahr durch die Österreicher durchaus bewusst, wenn man in Bayern keine permanente Präsenz zeigt. Damit hätte er sich auch seine potentielle Tauschmasse vermiesen können, wenn die Österreicher sie sich einfach so unter den Nagel gerissen hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist ein bisschen schwierig die Position Carl Theodors und seine letztliche Entscheidung in München nach 1778 dauerhaft zu bleiben, ganz getrennt von der Frage nach dem Warum hinsichtlich der Aufgabe der Kurpfalz anzuschauen.

Dennoch möchte ich auf eine ursprüngliche Frage von Alex74 eingehen.
Es geht darum, welche Gründe kurzgefaßt dazu führten, daß die Kurpfalz 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß aufgelöst bzw. zerschlagen wurde. Waren dies reine Machtinteressen der Franzosen oder Preußen oder persönliche Motive der handelnden Personen?
Ich bin nicht sehr gut mit Max IV. vertraut.:rotwerd: Dass er seine frühen Jahre im Militärdienst verbrachte, ist ja recht gut bekannt. Ich frage mich daher, weil er ja in Straßburg aufwuchs und von dem Frankreich des Ancien Régime zweifelsohne nicht wenig geprägt wurde und später ins Ansbacher Exil wegen der Besetzung seiner Gebiete im Zuge des 1. Koalitionskrieges ging, in wie weit er sich persönlich mit seiner Zweibrücker bzw. pfälzischen Heimat, geboren wurde er immerhin in Schwetzingen, verbunden fühlte. Bei seinem Vorgänger als Kurfürst von Bayern wurde ja ein ausgeprägter Hang zu seiner niederländischen Heimat attestiert, was dann auch in den Zusammenhang zu seinen beiden Versuchen des Ländertausches gesetzt wurde. Früh schon wurde Max IV. Halbwaise und die Beziehung zuvor seiner Eltern zueinander war - allerdings nicht so arg untypisch (man kann sie mit der von FW II. von Preußen zu seiner Frederike Luise und C.T. selbst zu Elisabeth Auguste durchaus m.E. vergleichen) - war zerrüttet. Ich frage mich daher, was Max IV. überhaupt als seine Heimat ansehen konnte, wenn er nicht seit seiner pfälzischen Kurwürde (die bayerische und nicht die pfälzische war 1777/78 erloschen) Bayern schlichtweg als seine Heimat definierte.
Ich denke schon, dass solche persönliche Verbundenheiten durchaus in die politischen Entscheidungen hinein spielen konnten.
 
Natürlich gebe ich Dir recht, dass die Aussicht auf das reiche Erbe wohl der Hauptgrund für Karl Theodor war, einen Kompromiss einzugehen. (Vielleicht habe ich da ein wenig zu schwammig formuliert.) Doch er kam ja nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen und ihm war die Gefahr durch die Österreicher durchaus bewusst, wenn man in Bayern keine permanente Präsenz zeigt. Damit hätte er sich auch seine potentielle Tauschmasse vermiesen können, wenn die Österreicher sie sich einfach so unter den Nagel gerissen hätten.
Das ist im Grunde eine interessante Ansicht. Auf der einen Seite lebten ja einige Herrscher ganz bewusst nicht angrenzend oder mitten in den Brennpunkten, wo eine Besetzung durch den Gegner drohte (man denke an die Trierer Kurfürsten, die zumeist in der Zeit zu Koblenz residierten). Zumal die Pfalz durch Frankreich im Grunde kaum weniger bedroht war als Kurbayern durch Österreich. Es war nur die Frage, ob die Österreicher nicht eher eine dauerhafte Annexion umsetzen konnten. Das würde ich aber erstmal bejahen.

Ich habe mir schon überlegt, was Carl Theodor durch den Wegzug am ehesten vermissen würde. Eine Akademie war in München durch seinen Vorgänger genauso gegründet worden wie in Mannheim durch ihn selbst. Die gute Musik (bzw. die modernen Musiker) konnte er ja auch mitnehmen. :D Bleibt noch, dass er in Mannheim doch recht beliebt war und m.E. mit den Pfälzern mit der Zeit sehr gut zurecht gekommen war. Ob z.B. volkstümliche Tafeln, welche die Genesung des Kurfürsten priesen, was besonderes waren oder völlig damals usus, so dass sie keine beredten Belege für seine Popularität bilden, vermag ich nicht zu sagen. Dazu sollte man wohl Volkskundler sein. :rotwerd:
 
Zumal die Pfalz durch Frankreich im Grunde kaum weniger bedroht war als Kurbayern durch Österreich.

Hier würde ich das 1742-Schock-Erlebnis durch Maria Theresia nicht unterbewerten. Auch ist es eine Frage, wie konkret die Bedrohung ist. Nachdem Joseph II. nach dem Tode Franz' I. Mitregent seiner Mutter in den Erblanden wurde, versuchte man die Ansprüche lehens- und reichsrechtlich zu untermauern. Graf Colloredo etwa fasste 1772 den Beschluss, dass die Herzogtümer Ober- und Niederbayern als heimgefallene Reichslehen kassiert werden sollten, würde Max III. Joseph sterben. So jedenfalls Max Spindler, der hier leider keine Quellenangabe nennt. Was jedoch wieder durch Gesandtschaftskorrespondenz gesichert ist, ist die Tatsache, dass Joseph II. den Gesandten in München und auf dem Regensburger Reichstag Besitzergreifungsdokumente und konkrete Befehle zum Einmarsch in Bayern zukommen ließ. Eine Jahreszahl habe ich hierzu nicht, ich vermute jedoch den Beginn der 70er Jahre. (Man müsste in die edierte Gesandtschafstkorrespondenz sehen, um hier eine Jahreszahl als Hausnummer zu geben, doch dazu fehlt mir im Moment die Zeit.)
Alternativ hierzu fasst Staatskanzler Kaunitz in einer Denkschrift von 1776 ins Auge, lediglich das niederbayerische Territorium des spämittelalterlichen Herzogtums Straubing-Holland sowie die Grafschaft Mindelheim, Burghausen, Leuchtenberg und die böhmischen Lehen in der Oberpfalz den Habsburgern zuzuschlagen. (Wenn gewünscht, drösel ich das lehensrechlich noch auf.)
Auch, wenn es sich um geheime Absprachen handelte, brauche ich bei einem Kenner der Zeit wie Dir nicht extra zu erwähnen, wie geheim es mit vielen dieser Absprachen zuging. ;)
 
Brissotin schrieb:
Ich frage mich daher, weil er ja in Straßburg aufwuchs und von dem Frankreich des Ancien Régime zweifelsohne nicht wenig geprägt wurde und später ins Ansbacher Exil wegen der Besetzung seiner Gebiete im Zuge des 1. Koalitionskrieges ging, in wie weit er sich persönlich mit seiner Zweibrücker bzw. pfälzischen Heimat, geboren wurde er immerhin in Schwetzingen, verbunden fühlte.

Vielleicht finde ich später noch Zeit, einen Aufsatz, wo mit Sicherheit Antworten zu finden sind, durchzuarbeiten und Dir eine qualifizierte Antwort zu geben. Einstweilen mag ein Literaturhinweis genügen:

Ammerich, Hans, Jugend und Erziehung Max' I. Joseph, in: Glaser, Hubert (Hg.), Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat (Wittelsbach und Bayern III/1), München 1860, S.65-71.

Ein erstes Überfliegen hat gezeigt, dass viel Korrespondenz eingearbeitet ist, was Deinen persönlichen Vorlieben wohl sehr entgegenkommt.
 
Hier würde ich das 1742-Schock-Erlebnis durch Maria Theresia nicht unterbewerten. Auch ist es eine Frage, wie konkret die Bedrohung ist. Nachdem Joseph II. nach dem Tode Franz' I. Mitregent seiner Mutter in den Erblanden wurde, versuchte man die Ansprüche lehens- und reichsrechtlich zu untermauern. Graf Colloredo etwa fasste 1772 den Beschluss, dass die Herzogtümer Ober- und Niederbayern als heimgefallene Reichslehen kassiert werden sollten, würde Max III. Joseph sterben.
Ich denke, das ist ein ganz interessanter Aspekt, der leider heute viel zu oft in den Betrachtungen vernachlässigt wird. Zumindest im Reich waren doch die Besitzverhältnisse völlig unhomogen. Das heißt, dass man sich Bayern ebenso wie die Pfalz nicht als ein so klares Gebilde vorstellen darf, wie es uns durch eine zentralisierte Verwaltung vielleicht erscheinen mag. Lehensrechtlich waren doch oft die Gebiete ganz unterschiedlich persönlich an den Herrscher gebunden. Auch existierten immer wieder in den unterschiedlichen Territorien im HRR ganz verschiedene Rechte, welche der Potentat in gewissen Teilen seines Besitzes ausüben durfte. Eine Frage war oft, wie die Lehen an den Landesherren gekommen waren. Wurden sie gekauft, z.B. eine Grafschaft? Wurden dann sämtliche Rechte (hohe und niedere Gerichtsbarkeit, alle Privilegien zur Besteuerung, sämtliche Rechte wie das Jagdrecht bspw., auch sämtliche kirchenrechtliche Befugnisse wie die Einsetzung der örtlichen Geistlichen) mit erworben? Das scheint sogar nicht arg häufig der Fall gewesen zu sein, wenn ich mir den süddeutschen Flickenteppich anschaue. Wo bestimmte Territorialherren einfach fremde Rechte ignorierten, weil sie die Zersplitterung unterschiedlicher Rechte in z.B. einem Amt für unzeitgemäß hielten und dies de facto durchzusetzen vermochten, bedeutete das noch nicht, dass es auch de jure reichsrechtlich anerkannt war. Freilich überschlugen sich in der Hinsicht am Ende des Reiches die Ereignisse und nicht alle Verstöße gegen Recht und Gesetz konnten auch geahndet werden (bestes Beispiel für mich: Preußen) - vielmehr wurden die Streitfragen dann durch das Ende des Reiches ohnehin obsolet.
Offenbar ließ sich der Einzug Bayerns aber m.E. nicht wirklich bewerkstelligen, selbst wenn der Graf Colloredo hieb- und stichfeste Unterlagen gefunden hätte, welche untermauert hätten, dass das bayerische Herzogtum als solches als heimgefallenes Lehen zu betrachten sei. Obendrein hätte das ja zwangsläufig nicht bedeutet, dass es damit direkt an Österreich gekommen wäre, was ja ohnehin noch mehr auf Reichsebene und an mehr Stellen außer nur in Regensburg für einen Eklat gesorgt hätte. Wenn sich der Kaiser damit einfach selbst belehnte, wäre das sicher mehr Reichsfürsten außer den streitsüchtigen Preußen unangenehm aufgestoßen.
 
Wenn sich der Kaiser damit einfach selbst belehnte, wäre das sicher mehr Reichsfürsten außer den streitsüchtigen Preußen unangenehm aufgestoßen.

Ja, ein Konsens mit Preussen wäre unumgänglich aber zugleich auch unmöglich gewesen. Das sieht man schön an der Teilung Polens 1772, wo ohne diplomatische Übereinkunft nichts zu machen gewesen wäre. Zumal die preussischen Ansprüche auf Ansbach-Bayreuth auch mit Forderungen der Habsburger auf Bayern sich in einigen Gebieten überschnitten.


Ich denke, das ist ein ganz interessanter Aspekt, der leider heute viel zu oft in den Betrachtungen vernachlässigt wird. Zumindest im Reich waren doch die Besitzverhältnisse völlig unhomogen. Das heißt, dass man sich Bayern ebenso wie die Pfalz nicht als ein so klares Gebilde vorstellen darf, wie es uns durch eine zentralisierte Verwaltung vielleicht erscheinen mag. Lehensrechtlich waren doch oft die Gebiete ganz unterschiedlich persönlich an den Herrscher gebunden. Auch existierten immer wieder in den unterschiedlichen Territorien im HRR ganz verschiedene Rechte, welche der Potentat in gewissen Teilen seines Besitzes ausüben durfte. Eine Frage war oft, wie die Lehen an den Landesherren gekommen waren. Wurden sie gekauft, z.B. eine Grafschaft? Wurden dann sämtliche Rechte (hohe und niedere Gerichtsbarkeit, alle Privilegien zur Besteuerung, sämtliche Rechte wie das Jagdrecht bspw., auch sämtliche kirchenrechtliche Befugnisse wie die Einsetzung der örtlichen Geistlichen) mit erworben? Das scheint sogar nicht arg häufig der Fall gewesen zu sein, wenn ich mir den süddeutschen Flickenteppich anschaue.

Vollste Zustimmung! :winke: Bleiben wir bei dem hier bereits angeschnittenen Beispiel der Denkschrift von Staatskanzler Kaunitz: Was den habsburgischen Anspruch auf Straubing-Niederbayern betrifft, argumentiert er damit, dass Kaiser Sigismund am 10. und 21. März 1426 (!) Albrecht V. von Österrreich zum Verweser bestellte, nachdem diese Linie im Mannesstamm ausgestorben war. Dass drei Jahre später die bayerischen Teilherzöge mit diesem Gebiet belehnt wurden, lässt er bei seiner Argumentation außer acht. Ein Mal Anspruch, immer Anspruch. Bei Mindelheim berief man sich auf ein Vorkaufsrecht aus dem Jahre 1614, Burghausen wurde 1709 kurzzeitig von den Österreichern besetzt, nachdem 1706 über Max Emanuel II. von Bayern die Reichsacht verhängt worden war.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die treffende Charakterisierung des Reiches von Samuel von Pufendorf erinnert, der die Verfassung des Reiche als irregulare aliquod corpus et monstro simile beschreibt. Wobei, wie Du schon richtig gesagt hast, am Ende nicht derjenige seine Ansprüche durchsetzen konnte, der die besten Juristen hatte, sondern der Fakten schaffen konnte. Dennoch darf die juristische Vorbereitung solcher Angelegenheiten nicht zu gering bewertet werden.
 
1)
Bleiben wir bei dem hier bereits angeschnittenen Beispiel der Denkschrift von Staatskanzler Kaunitz: Was den habsburgischen Anspruch auf Straubing-Niederbayern betrifft, argumentiert er damit, dass Kaiser Sigismund am 10. und 21. März 1426 (!) Albrecht V. von Österrreich zum Verweser bestellte, nachdem diese Linie im Mannesstamm ausgestorben war.
2)
Dass drei Jahre später die bayerischen Teilherzöge mit diesem Gebiet belehnt wurden, lässt er bei seiner Argumentation außer acht.
3)
Ein Mal Anspruch, immer Anspruch.
4)
Bei Mindelheim berief man sich auf ein Vorkaufsrecht aus dem Jahre 1614,
5)
Burghausen wurde 1709 kurzzeitig von den Österreichern besetzt, nachdem 1706 über Max Emanuel II. von Bayern die Reichsacht verhängt worden war.
Ich möchte das, trotz meinem Mangel an Detailwissen mal aufdröseln, was weniger Deinen hervorragenden Beitrag in Frage stellen soll, sondern vielmehr meine eigenen Unsicherheiten klären möchte.

1) In Vorderösterreich stritt man sich aufgrund von Rechtsgrundlagen des 14.Jh. noch bis ins 18.Jh. mit Baden. Von daher wundert mich garnix.
Wie ist die Rolle des Verwesers einzuordnen? Wurde dadurch dieses Gebiet quasi Königsgut (habe jetzt den richtigen Ausdruck verlegt =):red:) und die Einnahmen kamen entsprechend Kaiser und Reich nicht aber dem Hause Sigismunds zu Gute?
2) Die einzige Erklärung für dieses Ignorieren scheint mir, wenn an die Vergabe des Lehens ganz bestimmte Auflagen verbunden gewesen wären. Max III. Joseph konnte ja für sich reklamieren aus der direkten Linie der Herzöge von Bayern zu stammen (wenngleich die Linien München, Ingolstadt und Landshut erst zwischen 1447 und 1505 wieder zusammen gefallen waren).
3) Scheint uns beiden ja offensichtlich fragwürdig. ;):friends:
4) Das Vorkaufsrecht scheint mir eine der windigsten Erklärungen.
5) Nun, Kaiser Karl VI. hatte sich zwar bei der Wiederbelehnung Max Emanuels lange geziert, aber schließlich ja doch die Mutung vollzogen. Wenn er als Kaiser ein Lehen wieder in vollem Umfange heraus gab und an den alten Eigentümer vergab, frage ich mich, wo da dann reichsrechtliche Konsequenz in der Folge aus dem Einzug und somit die formal juristische Argumentation ansetzen sollte?:pfeif:

PS: Nur leider hat das im Moment nix mehr mit der Kurpfalz zu tun.
 
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