Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Und meines Wissens führte er auch nicht an der Hangkante entlang, sondern über die Flugsandzone etwa einen Kilometer nördlich davon. Da stellt sich die "Gretchenfrage", warum die Römer überhaupt am Hang entlang gezogen sind. Der Hellweg müsste doch für sie die bessere Passage gewesen sein.

Jetzt komme ich nicht mehr mit ...:confused:

Oben ist doch ausgeführt worden, die Breite zwischen Kalkrieser Berg und Moor sei wesentlich geringer, das Moor habe früher näher an den Bergfuß heran gereicht? Oder verwechsele ich da etwas?
 
Das eigentliche Moor liegt in einiger Entfernung. Allerdings ist die Gesamtbreite zwischen Kalkrieser Berg und Moor nicht durchgehend trocken. Hier befanden sich Binnendünen, dazwischen von Bächen gespeiste moorige Tümpel. Erst durch den Eschauftrag im Mittelalter wurde die Fläche eben und trocken.
 
Jetzt komme ich nicht mehr mit ...:confused:

Oben ist doch ausgeführt worden, die Breite zwischen Kalkrieser Berg und Moor sei wesentlich geringer, das Moor habe früher näher an den Bergfuß heran gereicht? Oder verwechsele ich da etwas?

Wenn das so geschrieben wurde, ist es mir entgangen. Mir sind nur Aussagen von verschiedenen Leuten (darunter Wilbers-Rost und Wolters) bekannt, wonach die Senke zwischen Hang und Moor gut einen Kilometer breit war. Begehbar waren aber nur zwei schmale Zonen am Süd- und am Nordrand der Senke: die Hangsandzone entlang des Bergrückens und eine Flugsandzone, die etwa einen Kilometer weiter nördlich davon entlang des Moores verlief und ungefähr parallel zur Hangsandzone lag. Der Hellweg soll über den nördlichen Flugsandrücken verlaufen sein. Woher man das weiß? Keine Ahnung. Leider sind die Publikationen diesbezüglich sehr dürftig - wie schon bezüglich der Bodenuntersuchungen. Wie auch immer: der nördliche Weg wäre für die Römer günstiger gewesen. Da hätten sie freie Sicht gehabt und wären vor Flankenangriffen sicher gewesen.
 
Danke für die Hinweise.

Begehbar waren aber nur zwei schmale Zonen am Süd- und am Nordrand der Senke: die Hangsandzone entlang des Bergrückens und eine Flugsandzone, die etwa einen Kilometer weiter nördlich davon entlang des Moores verlief und ungefähr parallel zur Hangsandzone lag. Der Hellweg soll über den nördlichen Flugsandrücken verlaufen sein. Woher man das weiß? Keine Ahnung. Leider sind die Publikationen diesbezüglich sehr dürftig - wie schon bezüglich der Bodenuntersuchungen. Wie auch immer: der nördliche Weg wäre für die Römer günstiger gewesen. Da hätten sie freie Sicht gehabt und wären vor Flankenangriffen sicher gewesen.

Eine naheliegende und einfache Erklärung wäre, dass dann der nördliche, moornahe Weg durch (geschützte/besetzte) Hindernisse oder einen Riegel wirksam gesperrt worden ist.

Zum "begehbar": die Aussage habe ich auch schon einige Male gelesen. Ich kann mir das - Moor, Flugsand und Dünen hin oder her - für diesen Bereich Norddeutschlands schlicht nicht vorstellen, und geologisch betrachtet ist das ein Wimpernschlag von heutigen Verhältnissen entfernt. Aber das muss man wohl hinnehmen, wobei ich dazu gern - wie oben mal angedeutet - einen Hydrogeologen hören würde.
 
Von den gefundenen Münzen auf die Ursprungsmenge und dann davon auf die Größe der Heeresverbandes zu schätzen, ist heikel.

Du hast recht, dass es sehr viele Faktoren gibt, die ein Münzspektrum erklären können. Daher möchte ich meine Argumentation noch etwas verdeutlichen.
Stand 2007 waren bei den Ausgrabungen von Kalkriese 1700 Münzen gefunden worden.
Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK)
Zu Mommsens Zeiten sollen bereits 200 Münzen bekannt gewesen sein (ist auf verschiedenen Seiten zu finden); außerdem sind Münzfunde in dem Raum seit dem späten 17. Jahrhundert bekannt gewesen.
Man kann also von ca. 2000 wissenschaftlich erfassten Münzen plus Dunkelziffer (vernachlässigbar), die alle einem einzigen Ereignis zuzuweisen sind. Ähnliche Münzmengen sind mir nur spätrömischen Horten bekannt (etwa Kastell Florstadt, mit ca. 1150 Münzen). Diese lagen aber in Einzelhorten vor, während es in Kalkriese viele kleine Horte und Einzelmünzen gab. Dieses, verbunden mit der hohen Streuung der Gesamtfunde insgesamt (über eine Länge von 10 Kilometer) lässt mich an ein Ereignis mit vielen beteiligten Soldaten glauben.
 
flavius-sterius schrieb:
Entsprechend ist dann die Argumention von einem kleinen Scharmützel oder einer großen Schlacht möglich. Ich habe da hinsichtlich der Objektivität der Ausgräber in Kalkriese zwischenzeitlich wenig Vertrauen. Es wird in größerer Entfernung zu Kalkriese ein Pferdegeschirr-Anhänger gefunden. Für Frau Wilbers-Rost ist dies gleich die Gelegenheit, den Fundort als Beginn der Varus-Schlacht zu interpretieren.

El Quijote
Wo wurde der Pferdegeschirranhänger gefunden? In Venne? Das sind gerade mal sieben km. Derselbe Weg, der durch den Kalkrieser Wall bedrängt wurde, ein Stück zurück. Wir müssen bedenken, dass wir hier von drei Legionen, plus Tross und sechs zubefohlenen Kohorten und ebensovielen Reitereinheiten reden, selbst wenn diese nicht alle in Vollstärke angetreten waren, ein ganz ordentlicher Menschenhaufen.
Korrekt, Fundort ist Venne.

Flavius-Sterius schrieb:
O.K., vor dem Wall gab es nach Deinem Scenario schwere Gefechte. Gab es dabei Tote?
Die Kalkriese-Ausgräber interpretieren die Funde, dass die römischen Toten im Bereich des Walls ausgeplündert und ihrer Rüstungen beraubt worden sind. Führen wir das mal uns vor unserem geistigem Auge. Haben die siegreichen Germanen dann im östlichen Bereich vor dem Wall die römischen Leichen weggetragen und dann im Wallbereich gefleddert? Wie glaubwürdig ist das denn? Ich will einem toten Legionär um seine Rüstung erleichtern. Dazu trage ich ihn 800 Meter zu einem zentralen Sammelplatz? Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.
Ashiguru
Zwei Aspekte:
1. Zum Plündern der Leichen: Wäre ja möglich, dass die von den Germanicus-Truppen abgeräumt wurden. Oder dass das Plündern kontrolliert stattfinden sollte, um keine Streitigkeiten unter den germanischen Soldaten aufkommen zu lassen.
Ersteres ist für mich nicht stichhaltig. Wir haben so gut wie keine Knochenfunde auf dem Schlachtfeld. Die postulierten Toten werden durch Verschlussteile der Rüstungen, welche am Wall gefunden wurden, von den Ausgräbern erschlossen. Wenn die Truppen des Germanicus die Leichen anderen Ortes verbracht hätten, dann wären trotzdem die Verschluss-Schnallen an Ort und Stelle zurück geblieben. Auch mit der fehlenden Ausgrabung kann man nicht argumentieren. Die fraglichen Teile sind aus Metall. Wo Sondengänger ein As finden, bleibt auch eine Bronzeschnalle nicht unentdeckt.

Letzteres ist theoretisch denkbar, aber wiederum für mich wenig plausibel. Wenn ich von den germanischen Mitstreitern erwarte, dass sie alle Leichen zu einem vereinbarten Sammelplatz anschleppen, dann kann ich ihm auch gleich die Waffen und Rüstungen bringen lassen und den toten Körper zurück lassen. Wer die Ausrüstungsteile stehlen will, der versteckt auch notfalls einen geplünderten Körper im Sumpf.

Ashiguru schrieb:
2. Die Fundmenge: diese ist persönlich für mich das wichtigste Argument pro Varusschlacht-Hypothese (die ich nicht für vollkommen beweisbar halte). Gerade der Münzanfall ist enorm und übertrifft meines Wissens in der Menge jeden anderen augusteischen Platz in Deutschland, selbst die länger besiedelten wie Haltern, Waldgirmes und die Legionslager am Rhein (für diese Zeit). Sie übertrifft - um mal eine andere Dimension zu zeigen - auch die von mittelgroßen, lange besiedelten Limeskastellen wie der Saalburg.

Zu Mommsens Zeiten sollen bereits 200 Münzen bekannt gewesen sein (ist auf verschiedenen Seiten zu finden); außerdem sind Münzfunde in dem Raum seit dem späten 17. Jahrhundert bekannt gewesen.
Man kann also von ca. 2000 wissenschaftlich erfassten Münzen plus Dunkelziffer (vernachlässigbar), die alle einem einzigen Ereignis zuzuweisen sind. Ähnliche Münzmengen sind mir nur spätrömischen Horten bekannt (etwa Kastell Florstadt, mit ca. 1150 Münzen). Diese lagen aber in Einzelhorten vor, während es in Kalkriese viele kleine Horte und Einzelmünzen gab. Dieses, verbunden mit der hohen Streuung der Gesamtfunde insgesamt (über eine Länge von 10 Kilometer) lässt mich an ein Ereignis mit vielen beteiligten Soldaten glauben.

Ja, die Münzfunde sind ein starkes Argument. Wobei 2.000 Münzen für ein vermutetes Heer von 10.000 Soldaten + X nun sich schon wieder relativiert. In einer Zeit - vor Papier- und Plastikgeld - wird der Legionär mehr Münzgeld mit sich herum geschleppt haben als wir heute. In einer Zeit ohne Bankkonto wird der Römer seine Barschaft wohl meist am Gürtel getragen haben.
Saalburg und Florstadt sind schwer mit einem Feldzug zu vergleichen. Ein Kohortenkartell mit 500 Mann, welches dann vielleicht noch von seiner Truppe wegen einer Verlegung verlassen wurde, bietet ganz andere Rahmenbedingungen als ein marschierendes Heer.
 
Eine naheliegende und einfache Erklärung wäre, dass dann der nördliche, moornahe Weg durch (geschützte/besetzte) Hindernisse oder einen Riegel wirksam gesperrt worden ist.
Das würde den Verlauf der Schlacht noch mysteriöser machen. Hätten die Legionen den Hauptweg von Feinden blockiert vorgefunden, hätte sie das sicher in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Und: Ein Weg blockiert, der andere offen? Da hätte man gleich ein Schild mit der Aufschrift "Hier geht´s zur Falle" aufstellen können. "Zur Kreuzigung durch die linke Tür, jeder nur ein Kreuz..." :scheinheilig:

Aber vielleicht ist das alles gar nicht so kompliziert. Was wäre, wenn die Römer einfach BEIDE Wege genutzt hätten, um die Marschkolonne kurz zu halten? Ich habe gerade einen Text von Dreyer gefunden, in dem er von einer Fundkonzentration (Silbermünzen) auf dem Flugsandrücken schreibt. Konnte noch nicht alles lesen. Hier ein Link: http://www.tekmeria.org/index.php/tekmiria/article/viewFile/178/263


Zum "begehbar": die Aussage habe ich auch schon einige Male gelesen. Ich kann mir das - Moor, Flugsand und Dünen hin oder her - für diesen Bereich Norddeutschlands schlicht nicht vorstellen, und geologisch betrachtet ist das ein Wimpernschlag von heutigen Verhältnissen entfernt. Aber das muss man wohl hinnehmen, wobei ich dazu gern - wie oben mal angedeutet - einen Hydrogeologen hören würde.
Das unterschätzt Du. Wir leben in einem Land, in dem wir uns an die Existenz von Wegen gewöhnt haben. Wer schonmal gewandert ist, kennt aber auch die Bereiche, wo Oberflächenwasser Erosionsrinnen bildet oder sich in Talsohlen sammelt. Da bekommt schon ein einzelner Wanderer nasse Füße, von einem Heer ganz zu schweigen.

Übrigens zitiert Dreyer in dem verlinkten Text auch etwas ausführlicher aus der Arbeit, in der Schlüter die Bodenverhältnisse beim Oberesch beschrieben hat. S. 10.

MfG
 
Ersteres ist für mich nicht stichhaltig. Wir haben so gut wie keine Knochenfunde auf dem Schlachtfeld.

Welche Schlussfolgerung ziehst du daraus? Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die menschlichen Knochen, die wir vom Schlachtfeld haben, erst nach einigen Jahren an der Oberfläche bestattet wurden?


Ja, die Münzfunde sind ein starkes Argument. Wobei 2.000 Münzen für ein vermutetes Heer von 10.000 Soldaten + X nun sich schon wieder relativiert.

Das finde ich immer wieder witzig: Wir haben in Dtld. keinen Ort, wo dermaßen viele römische Münzen in einer derartigen Streuung und in Verbindung auch mit Militaria, einigen menschlichen und einigen equiden Knochen gefunden wurden (und das - bezogen vor allem auf die Münzen, denn nur diese wurden vor Beginn der Ausgrabungen registriert - nicht erst seit den Ausgrabungen, sondern schon seit Jahrhunderten!) und wo es direkte Kampfspuren an einem Wall gibt, und dennoch wird die Menge immer wieder relativiert.


In einer Zeit - vor Papier- und Plastikgeld - wird der Legionär mehr Münzgeld mit sich herum geschleppt haben als wir heute. In einer Zeit ohne Bankkonto wird der Römer seine Barschaft wohl meist am Gürtel getragen haben.

Die Legionskasse hatte gewissermaßen auch die Funktion einer Bank, die Legionäre konnten hier ihre Barschaften auch einlagern.
 
zu Knochenfunden:

Ausgehend von der Annahme, dass bei Kalkriese die Varusschlacht stattfand, so wurde hier doch das Gros der Gebeine Jahre später durch Germanicus eingesammelt! Wäre also nachzuvollziehbar warum dort nichts/kaum zu finden ist.

Aber selbst wenn wir von einer unbekannten Schlacht ausgehen, was geschieht wohl mit den herumliegenden Leichen?
Noch bevor die Körper verwesen, machen sich die Wildtiere über sie her! (Wölfe, Wildschweine, Füchse, Vögel ect.). Die Leichenteile/Knochen werden weit verstreut.

Und nun, 2000 Jahre später sind die, an der Oberfläche gelegenen Knochen, garantiert komplett verwest!

Man hat nach der langen Zeit doch nur dann eine gewisse Chance Knochen zu finden, wenn diese bestattet/unter die Erde gebracht worden sind?

Gruß
Andreas
 
Man hat nach der langen Zeit doch nur dann eine gewisse Chance Knochen zu finden, wenn diese bestattet/unter die Erde gebracht worden sind?
Vorausgesetzt das Milieu stimmt. Der Boden entzieht den Knochen das Calcium, es sei denn, er ist stark kalkhaltig. Kalksteinvorkommen gab es in Kalkriese (daher auch der Name) und die Knochen in den Knochengruben sind vor allem deshalb erhalten, weil sie zum Teil mit Kalksteinen ausgekleidet waren. Dass die Erhaltungsbedingungen nicht überall gleich gut waren, kann man wunderschön an dem menschlichen "Kiefer" erkennen, der gefunden wurde. Eigentlich handelte es sich dabei nur noch um die Zähne, die aber in korrekter Reihung an einem Ort gefunden wurden. Zahnschmelz ist eben das dauerhafteste des Körpers.
 
Das sehe ich nicht so! Nicht das ich bestreite, dass die Römer diesen Weg bei Kalkriese kannten und nutzten, doch wozu brauchten sie dort gleich einen großen Heerweg? Gab es vor der Varuschlacht einen Bedarf mit großem Heer dort vorbeizumaschieren?

Das Gebiet zwischen Ems und Weser und weiter bis zur Elbe ist ja auch irgendwie erobert worden. Also wird auch durch diese Gegend ein Heer gezogen sein und eine entsprechende Schneise oder gar einen Weg hinterlassen haben. Wenn ein Feldzug mit Nachschub mit zunehmender Entfernung zum Rhein auf die Flüsse verlagert wurde, dann wird man zwischen den schiffbaren Bereichen der Flüsse auch Versorgungsstrecken annehmen können. In der Zeit nach der Eroberung nutzte man die Zeit um die Infrastruktur der Provinz den logistischen Erfordernissen weiter anzupassen (->Ahenobarbus). Dazu passend ein Zitat von Corbulo:
"Germanien ist mit der Axt zu besiegen"

Weiterhin ist denkbar, daß die Römer mit dem "Sommerfeldzug" Präsenz in den eroberten Gebieten zeigen mussten. Wo diese Sommerlager waren, weiss man ja noch nicht genau. Nicht einmal die Winterlager sind für diese Zeit für die 5-6 Legionen zuverlässig lokalisiert. Also kann man nicht mal genau sagen wo Bedarf für Heerwege bestand. Um vom Rhein aus in das Gebiet zwischen Ems und Weser zu gelangen, war Kalkriese aber eine wichtige Station.

Einen Bedarf an großen Heerwegen gab es doch wohl eher im Süden entlang der Lippe (> Lager, Kastelle) und von dort gen Osten zu den Sommerquartieren (Minden?, Paderborn?, Höxter?). Hier mussten die Wege für mehere Legionen ausgelegt werden.

Natürlich ging viel über die Lippelinie. Sie wird auch der am besten ausgebaute Vormarschweg gewesen sein. Die Römer hatten aber auch zwanzig Jahre Zeit eine verlässliche und sichere Verbindung in die nördlichen Gebiete herzustellen. Sie haben sich in Gallien ja auch nicht mit einem rudimentären Strassennetz begnügt.
Gut ausgebaute Heerstrassen waren wichtig für ein Imperium, das zu Fuss erobert wurde. Caesar hat lieber tagelang Brücken gebaut als mit Schiffen überzusetzen. Ein Römer ging lieber zu Fuss. Und der Weg wurde offenbar auch unter Gefechtsbedingungen geebnet.
Zitat aus DE MUNITIONIBUS CASTRORUM von Pseudo-Hygin

"24. Praetendunt alae miliariae vel quingenariae, Mauri equites, pannonii veredarii, classici omnes ideo praetendunt, quod ad vias muniendas primi exeunt, et quo sint tutiores, a Mauris equitibus et Pannoniis veredariis operantes protegentur; qui a cohortibus proximi tendere debent. Ut vexillarii legionum, item exploratores in striga cohortis primae. "

Demnach wurden [500] Marinesoldaten für den Bau von Straßen in den vorderen Teil des Lagers gelegt. Zusammen mit Maurischer und Pannonischer Reiterei, die die Pioniere bei der Arbeit beschützen sollten.


Gruss
jchatt
 
@Hellweg vor dem Santforde: ich weiß gar nicht, warum der regelmäßig erwähnt wird, der ist nämlich östlicher zu suchen. Bei Kalkriese führte der Hellweg unterm Berg vorbei.

Ist denn der H-weg unterm Berg die Fortführung des H-weg vor dem Samtforde?

Der Hellweg vor dem Santforde wird meist von mir regelmäßig erwähnt (komme mir schon vor wie der olle Cato "ceterum rogo ubi est Hellweg...")=).

Aber der wurde nicht von mir hier eingeführt. Das war aus dem alten Beitrag von Nicole H., die den wohl aus einer Veröffentlichung hatte.

Aber der Hintergrund meiner ständigen Nachfragerei nach dem Hellweg ist ja die Überlegung, daß Varus wohl nicht quer durch die Vegetation gezogen ist, sondern ja schon eine Art von "gangbaren Trampelpfad" für seine Truppen benutzt haben muß. Und dann - so meine Überegung - könnte man ja schauen, wo so eine Trasse läuft und dann links und rechts schauen, wo vielleicht noch etwas römisches (ich denke hier an Marschlager) zu finden ist.

Die Römer haben sich ja wohl, wenn kein Weg vorhanden war, sich ja ggf. einfach einen gebaut (im unwegsamen Gelände) oder sind quer durch die "Prairie" gezogen.

Aber auch da muß es doch gewisse natürliche Einschränkungen gegeben haben, Gebirgszüge wird man am ehesten an den Pässen passiert haben, Flüsse eher an den Furten (außer man baut sich wie Cäsar am Rhein) auf die Schnelle eine Brücke oder schleppt eine Flotille von Booten mit sich herum. Auch durchs Moor oder durch den dichten Wald wird man ja nicht ohne Not ziehen. Da müßte man ja erst einen Knüppeldamm legen bzw. eine Schneise durch den Wald sich freisägen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber der Hintergrund meiner ständigen Nachfragerei nach dem Hellweg ist ja die Überlegung, daß Varus wohl nicht quer durch die Vegetation gezogen ist, sondern ja schon eine Art von "gangbaren Trampelpfad" für seine Truppen benutzt haben muß. Und dann - so meine Überegung - könnte man ja schauen, wo so eine Trasse läuft und dann links und rechts schauen, wo vielleicht noch etwas römisches (ich denke hier an Marschlager) zu finden ist.


Hier schon reingeschaut, es wir dzumindest die Forschungsgeschichte des Hellweg beschrieben:

Walter Melzer
Imperium Romanum produxit – Römische Sachgüter in Soest und im mittleren Hellwegraum

Stadt Soest
 
Das Gebiet zwischen Ems und Weser und weiter bis zur Elbe ist ja auch irgendwie erobert worden. Also wird auch durch diese Gegend ein Heer gezogen sein und eine entsprechende Schneise oder gar einen Weg hinterlassen haben. ...

Germanien wurde nicht überwiegend durch das Schwert "erobert"! Es wurde kräftig Handel betrieben und ganz gemächlich römische Strukturen eingeführt. Bis dann Varus kam und den Bogen überspannte!

...Wenn ein Feldzug mit Nachschub mit zunehmender Entfernung zum Rhein auf die Flüsse verlagert wurde, dann wird man zwischen den schiffbaren Bereichen der Flüsse auch Versorgungsstrecken annehmen können. ...

Welcher Feldzug bis 9 n. Chr. verlief über Kalkriese?

... Weiterhin ist denkbar, daß die Römer mit dem "Sommerfeldzug" Präsenz in den eroberten Gebieten zeigen mussten. Wo diese Sommerlager waren, weiss man ja noch nicht genau. Nicht einmal die Winterlager sind für diese Zeit für die 5-6 Legionen zuverlässig lokalisiert. Also kann man nicht mal genau sagen wo Bedarf für Heerwege bestand. ...

Sorry, aber an der Lippe hat man die Lager/Kastelle! Wo sind die Lagerketten im Norden? Gibt es sie dort nicht, weil dort möglicherweise keine Legionen durchzogen und versorgt werden mussten?!

...Um vom Rhein aus in das Gebiet zwischen Ems und Weser zu gelangen, war Kalkriese aber eine wichtige Station. ...

Da widerspreche ich dir nicht! Aber um in einem Gebiet Handel zu treiben und es zu Verwalten benötige ich nicht den Einsatz von Legionen und damit auch keine Heerstraßen für Legionen!

... Die Römer hatten aber auch zwanzig Jahre Zeit eine verlässliche und sichere Verbindung in die nördlichen Gebiete herzustellen. Sie haben sich in Gallien ja auch nicht mit einem rudimentären Strassennetz begnügt. ...

Muss denn jede Straße gleich eine Heerstraße sein?

Gruß
Andreas
 
Welcher Feldzug bis 9 n. Chr. verlief über Kalkriese?

Möglich wären:
Der gescheiterte Feldzug des Drusus gegen die Chauken.
Der anschliessend erfolgreichere Feldzug gegen die Chauken des Tiberius.
Ein Feldzug des Ahenobarbus bei dem der Damm an den Pont.....:still:
Ein Feldzug im Rahmen des "Immensum Bellum"

Sorry, aber an der Lippe hat man die Lager/Kastelle! Wo sind die Lagerketten im Norden? Gibt es sie dort nicht, weil dort möglicherweise keine Legionen durchzogen und versorgt werden mussten?!

Es gab nie eine Lagerkette an der Lippe. Die Kastelle bestanden meist zu unterschiedlichen Zeiten. Es ist für mich auch fraglich ob z.B. Haltern für die Logistik eines Heereszuges notwendig war.
Für die viel grösseren Operationen bis zur Elbe gibt es bisher nur zwei nachgewiesene Nachschublager (Hedemünden und Rödgen). Diese sind bisher dem Drusus zugeordnet. Wie Tiberius das gemacht hat ist noch offen.
Jedenfalls sind beide Lager weiter voneinander entfernt als Ems und Weser. Abgesehen davon sehen sie auch anders aus als die Lippelager.

Gruss
jchatt
 
O.K., vor dem Wall gab es nach Deinem Scenario schwere Gefechte. Gab es dabei Tote?
Die Kalkriese-Ausgräber interpretieren die Funde, dass die römischen Toten im Bereich des Walls ausgeplündert und ihrer Rüstungen beraubt worden sind. Führen wir das mal uns vor unserem geistigem Auge. Haben die siegreichen Germanen dann im östlichen Bereich vor dem Wall die römischen Leichen weggetragen und dann im Wallbereich gefleddert? Wie glaubwürdig ist das denn? Ich will einem toten Legionär um seine Rüstung erleichtern. Dazu trage ich ihn 800 Meter zu einem zentralen Sammelplatz? Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.

Nicht, daß wir uns hier falsch verstehen. Östlich des Walles gab es wohl schon Kämpfe. Natürlich wohl auch Tote und Verletzte. Achim Rost geht jedoch davon aus, daß in den Reihen der Römer noch eine gewisse Ordnung vorhanden war, d.h. die Römer haben sowohl ihre Toten und Verletzten wahrscheinlich geborgen und mitgenommen. Offensichtlich waren sie darauf trainiert, wie man beim Tacitus nachlesen kann. So könnte sich ein geringeres Fundaufkommen östlich des Walls erklären. Also haben natürlich nicht die Germanen, sondern die Römer ihre Toten dort geborgen und mitgeschleppt. Im Bereich des Walles erfogte dann der Zusammenbruch. Dann erfolgten die besagten Plünderungen. Der Befund deutet ziemlich eindeutig darauf hin, daß es dann im Bereich des Walls direkt zur Verschrottung kam. Und ja, wenn östlich der Wallanlage tote Römer gelegen haben, dann ist es gut möglich, das deren Ausrüstung (und nicht die komplette Leiche) geplündert wurde und anschließend zur Verschrottung an eine zentrale Stelle im Wallbereich gebracht wurde. Dort kam es dann zur besagten Verschrottung und wahrscheinlich auch Verladung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,
ich möchte mich zu dem Thema melden: Kalkriese als Ort der Varusschlacht!
Wo soll denn das berühmte Kastell "Aliso" dann gewesen sein,wohin sich Teile
des Varus-Zuges retten konnten? Mir ist noch nirgends in der Literatur ein Kastell
in einiger Nähe zu Kalkriese vorgestellt worden. Da hätte man ja gleich zum Rhein
fliehen können.
 
Hallo,
ich möchte mich zu dem Thema melden: Kalkriese als Ort der Varusschlacht!
Wo soll denn das berühmte Kastell "Aliso" dann gewesen sein,wohin sich Teile
des Varus-Zuges retten konnten? Mir ist noch nirgends in der Literatur ein Kastell
in einiger Nähe zu Kalkriese vorgestellt worden. Da hätte man ja gleich zum Rhein
fliehen können.

a) Wer sagt denn, dass die Leute in Aliso Überlebende der Varusschlacht waren? Das steht nämlich so in den Originalquellen nirgendwo (wenn ich auch selber glaube, dass die entsprechende Stelle bei Frontinus so zu verstehen ist).
b) es gibt einen alten historischen Weg, der bei Haltern die Lippe überquert und bis nach Osnabrück führt: der Hilinciweg. Dieser Weg existierte schon in der Steinzeit. Wenn man annimmt, dass Aliso Haltern ist, wofür meines Erachtens das ein oder andere spricht, andere Sachen sprechen wiederum dagegen, dann lag die Lippe sozusagen auf dem Weg zum Rhein.
b Zusatz) die Ems musste überquert werden, den Germanen dabei aus dem Weg gegangen werden. Die werden die wichtigen Emsfurten schon bewacht haben. Insofern war der Weg Richtung Lippe vielleicht sowieso die schlauere Wahl, dem Schlachtfeld zu entkommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Gebiet zwischen Ems und Weser und weiter bis zur Elbe ist ja auch irgendwie erobert worden. Also wird auch durch diese Gegend ein Heer gezogen sein und eine entsprechende Schneise oder gar einen Weg hinterlassen haben. Wenn ein Feldzug mit Nachschub mit zunehmender Entfernung zum Rhein auf die Flüsse verlagert wurde, dann wird man zwischen den schiffbaren Bereichen der Flüsse auch Versorgungsstrecken annehmen können.

Falsch gedacht: Die Flüsse dienten gerade der Versorgung, deshalb war die Lippelinie so wichtig. Nur über die Flüsse konnte man die notwendigen Tonnen an Versorgungsgütern mit einem halbwegs vertretbaren Aufwand transportieren. Und folgendes nicht zu vergessen:

Mir ist noch nirgends in der Literatur ein Kastell in einiger Nähe zu Kalkriese vorgestellt worden.

In der Zeit nach der Eroberung nutzte man die Zeit um die Infrastruktur der Provinz den logistischen Erfordernissen weiter anzupassen (->Ahenobarbus).

Ja, der erbaute irgendwo westlich der Ems oder zwischen Ems und Lippe die pontes longi, die Caecina schnell hinter sich bringen sollte.

Um vom Rhein aus in das Gebiet zwischen Ems und Weser zu gelangen, war Kalkriese aber eine wichtige Station.

Nein, sicher nicht. Wie gesagt, die Lippe-Linie war ausgebaut. Aber selbst von hier, von Anreppen als östlichstem bekannten Lippelager, ist es beinahe noch zu weit (60 km+), um eine Versorgung eines Weserlagers zu gewährleisten. Die Legionen konnten ohne Flüsse lediglich für einige Tage Fourage transportieren, nicht aber für Monate und Wochen. Und es gilt noch Folgendes zu berücksichtigen:

Mir ist noch nirgends in der Literatur ein Kastell in einiger Nähe zu Kalkriese vorgestellt worden.


Zitat aus DE MUNITIONIBUS CASTRORUM von Pseudo-Hygin

"24. Praetendunt alae miliariae vel quingenariae, Mauri equites, pannonii veredarii, classici omnes ideo praetendunt, quod ad vias muniendas primi exeunt, et quo sint tutiores, a Mauris equitibus et Pannoniis veredariis operantes protegentur; qui a cohortibus proximi tendere debent. Ut vexillarii legionum, item exploratores in striga cohortis primae. "

Demnach wurden [500] Marinesoldaten für den Bau von Straßen in den vorderen Teil des Lagers gelegt. Zusammen mit Maurischer und Pannonischer Reiterei, die die Pioniere bei der Arbeit beschützen sollten.

Wie kommst du auf Marinesoldaten?!


Ist denn der H-weg unterm Berg die Fortführung des H-weg vor dem Samtforde?

Jein.

Germanien wurde nicht überwiegend durch das Schwert "erobert"! Es wurde kräftig Handel betrieben und ganz gemächlich römische Strukturen eingeführt. Bis dann Varus kam und den Bogen überspannte!

So zumindest die nachaugusteische Überlieferung.
 
Keine römische Keramik in Kalkriese

Hier im Forum weniger, aber in der Fachwelt, hat immer wieder das Fehlen römischer Keramik in Kalkriese Erstaunen ausgelöst. Es gibt zwar Keramik in Kalkriese, diese stammt aber aus den Abfallgruben des germanischen Gehöfts der vorrömischen Eisenzeit, welches zu Zeiten der Schlacht längst nicht mehr stand. Teilweise findet sich diese Keramik im Wallmaterial wieder. Aber terra sigillata oder terra nigra sucht man - zumindest meines Wissens - in den Magazinen der Ausgrabungen von Kalkriese vergebens.

Wie ist das nun zu erklären? Folgt man der Darstellung des Schlachtgeschehens der Varusschlacht durch Cassius Dio, verbrannten die Römer am dritten Tag der Schlacht einen Teil ihres Trosses mit dem, was sie nicht mehr benötigten bzw. ließen diese Dinge zurück.
Irdenware ist schwer aber nicht besonders wertvoll, insofern ist davon auszugehen, dass der Grund, warum man keine römische Keramik in Kalkriese findet, der ist, dass kaum noch Irdenware mitgeführt wurde.
 
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