Legitimation den Herrscher im frühen Mittelalter

Ganz herzlichen Dank für eure Diskussion. In der Tat bin ich über die Herausfiselei eines Aspektes sehr glücklich. Ich wollte bei der Zitatprüfung nicht auch noch beginnen, jede mich beschäftigende Frage zu klären. In diesem Fall war es nur ein Punkt, der mich irritierte und den ihr eben so schön geklärt habt:
Ich ging nämlich zunächst nur davon aus, daß die Goten Arianer, die Burgunder Katholiken waren; daß ich mich bei letzteren irrte wurde jetzt in Beitrag # 55 (von Stilicho) geklärt. Was aber wichtig ist: Die vertriebenen oder besser geflohenen Bischöfe waren katholisch: namentlich, wie von mir zitiert, handelt es sich Aprunculus & Quintianus:
Aprunculus ? Wikipedia
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858/A/Quintianus,+S.+(8)
Katholische Bischöfe dieser Zeit in der Galloromania sind weder mit Goten oder Burgunder zu identifzieren; sie entstammten - allerdings nur mit einem Blick in Gearys Merwoingerbuch - senatorischen Familien, wären demnach eben als Römer zu identifzieren. Und die fränkischen Könige respektierten eben diese Tradition und arrangierten sich schließlich nicht nur mit ihr, sondern nutzten deren Einfluß durch Konversion auch früh politisch, insofern sie dadurch auch wiederum Anerkennung erlangten.
Ach so: Gregor beschreibt die Nachfolge der Bischöfe doch dahingehend, daß der vom versterbenden Bischof ernannte Nachfolge das Amt antreten darf. Aber das prüfe ich genau erst morgen.
 
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"die Franken" stellten zunächst einmal in der Galloromania, nachdem sie unangefochten die Macht hatten (ab einschließlich Chlodwig), demografisch dennoch eine minderheit dar - aber eine sehr mächtige: sie waren Militär, Legislative, Polizei und Großgrundbesitzer zugleich.

strittig ist. ob vor Chlodwigs Entscheidung für die "katholische", d.h. römische Taufe "die fränkische Oberschicht" teilweise arianisch war, oder noch heidnisch.
ebenfalls strittig ist, ob Chlodwig selber zeitweilig schwankte, ob er sich aus politischen Gründen arianisch (Vorbild Vandalen, Ostgoten) oder "katholisch" entscheiden solle.

bzgl. der Civitates im Machtbereich der Franken: mal salopp verkürzt gesagt waren es die Bischöfe, welche noch restweise die ehemalige römische Administration aufrecht erhielten - damit waren diese natürlich politische Ansprechpartner für die Merowingerkönige.

die merowingischen Machthaber waren interessiert daran, als Nachfolger der ehemals röm. Administration mit den Resten derselben zu kooperieren - nicht um jeden Preis, aber auch um keinen geringen. Interessant hierzu ist, wie die Merowinger sehr zum Mißfallen ihrer Franken das römische Steuerwesen reanimierten (da gab es Zoff... vgl. Scheibelreiter, barbarische Gesellschaft) - die Franken selber wollten keine Steuern zahlen, hielten es aber für ok, wenn die galloromanische Bevölkerung Steuern zahlt...

seitens der merowingischen wie auch anderer barbarischer Könige als Nachfolger der römischen Provinzverwaltung war es ein heikler Spagat, einerseits wenigstens teilweise die römische Zivilisation zu erhalten und andererseits mit der gentilen Gesellschaft der eigenen Heerfolge zurecht zu kommen. Möglicherweise ist dieser Spagat für die doppelte Legitimation als gentiler Heerkönig mit Königsheil etc und zugleich als spät- oder poströmischer Provinzverwalter und General verantwortlich.

später im 7. Jh. bedurfte es der oströmischen Militärtitel nicht mehr.

ansonsten fällt mir bzgl. der Wechselfälle der religiösen Orientierung der barbarischen Herrscherschicht nocht ein, dass im frühen Mittelalter cuius regio eius religio nocht nicht galt - gewiß, die arianischen Vandalen schikanierten zeitweilig ihre katholischen Untertanen, aber da verlor sich auch wieder.
 
wäre obiges zutreffend, könnte man II 35 auch "viele wollten damals katholisch sein" lesen; nachträgliche Eroberungs(bzw. Missions-)rechtfertigung Gregors?

war zufällig, aber ich noch darauf gestoßen, daß Gregor berichtet (II. 30-39) das Chlodwig die Kriege gegen die Burgunder und die Westgoten aus Missionierungsmotiven begann.
Cassiodorus schreibt III.4, Chlodwig hätte wegen Gebietsforderungen (Erbstreitigkeiten?) Alarich angegriffen.

Wem glaubt man?

Im Zweifel, ohne noch mehr Anhaltspunkte, neige ich, dem Machtstreben dem Vorzug vor dem religiösen Ideal zu geben.

Das wiederum heißt, Gregor verbrämt, teilweise absichtlich um Chlodwig (und damit seinen Nachkommen?) letzten Endes nicht noch die letzte hehre Legitimation (Verbreitung des Katholizismus) zu nehmen?

Für Gregor ist skrupelloses Machtstreben verwerflich, das zeigt schon, daß er zwischen recht- und unrechtmäßigen Kriegen unterscheidet.

Das könnte bedeuten ein irgendwie religiös ,geartetes "Königsheil" (~der oberste Herrscher sorgt für ein allgemeines Wohl), war faktisch bei Chlodwig nicht vorhanden, aber wird nachträglich von Gregor installiert.

Wenn G. bei C.´s (Kriegs-)Motiven nicht ehrlich ist, solange es um Misssionierung geht, könnte er ähnlich auch auf das Volk angewandt haben.

"alle" würde bedeuten, das Volk will rechtgläubig sein oder das rechtgläubige Volk will befreit sein, auf jeden Fall etwas in einem größeren Missionierungszusammenhang, das zu kat. Bisch. wäre unnötig.


an anderer Stelle läßt G. Besiegte sagen "...,wir sind ja dein" oder Besiegte kommen unter C.´s "Botmäßigkeit" (wörtliche Übersetzung müßte geprüft werden); kann sein, daß es eine anerkannte Macht/Herrschaft- Beziehung gab, welche in Legitimationsfragen hineinspielt; sowas wie faktische Herrschaft ist erstmal anerkannt, da gewonnen/Sieger (kein zähneknirschendes Hinnehmen) und arbeitet diesen Komplex in Mission ein (alle wollen die rechte Herrschaft;~sie ist recht, weil herrschend)?
 
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Das wiederum heißt, Gregor verbrämt, teilweise absichtlich um Chlodwig (und damit seinen Nachkommen?) letzten Endes nicht noch die letzte hehre Legitimation (Verbreitung des Katholizismus) zu nehmen?
das verstehe ich nicht...

zu Lebzeiten Gregor von Tours waren die Merowinger, wenn auch untereinander teils recht zerstritten, mächtig genug und bedurften keiner klerikalen Legitimtionsschützenhilfe. Wenn ich richtig informiert bin, sind Gregors zehn Bücher fränkische Geschichte keine Auftragsarbeit eines Königshauses, also anders als die amalische Ahnenreihe, die Cassiodor im Auftrag konstruiert hatte.
 
Von Römern, Katholiken, Germanen und... endlich doch noch Königen

....Das könnte bedeuten ein irgendwie religiös ,geartetes "Königsheil" (~der oberste Herrscher sorgt für ein allgemeines Wohl), war faktisch bei Chlodwig nicht vorhanden, aber wird nachträglich von Gregor installiert...

Edit: Ich habe deine Ausführungen und Zitate sehr gerne gelesen, wenn es mir auch oft geht wie dekumatland im post über mir. Aus meiner Sicht stellst du an Gregor aber die falschen Fragen und findest deshalb die Antwort nicht!

Ich verstehe nicht warum du Gregor überhaupt als Prüfstein der Bedeutung eines Königsheils heranziehst. Gregor stammte aus dem gallorömischen Senatsadel = Römer = keinerlei „Bedarf“ an einem germanischem „Königsheil-Ideal“. Warum sollte er auf etwas eingehen, was aus seiner Sicht völlig belanglos sein musste? Er ist in diesem Fall ein Außenstehender, während Königsheil ein Element germanischer Traditionen ist. Das ist der entscheidende Punkt. Ich will die paar Sätze im weiteren nachvollziehbarer machen.

Ein katholischer, gallorömischer Bischof

In Gallien existierte eine, aus der römischen Spätantike übernommene kirchliche Organisation, die auf den in Städten residierenden Bischöfen basierte. Hier wirkte die alte politische, römische Civitas-Organisation nach, die ebenfalls auf den Städten beruhte und deren Erbe auch in mancher politisch- administrativen Hinsicht die frühmittelalterlichen, (vor allem) katholischen Bischöfe in Teilen weiterführten. Neben dieser kirchlichen Organisation hatte zu römischer Zeit nur die römische Staatsorganisation mit der kaiserlichen Zentralmacht an der Spitze existiert. Neben dieser bedurfte es (zumindest theoretisch) keiner weiteren, gar selbstständigen Macht! Die Kaiser waren seit langem Christen und übten teils auch Einfluss auf die Kirche aus. Sie bedienten sich auch der Bischöfe in Teilen ihrer Administration. So delegierten römische Kaiser gewisse Gerichtsfälle schon sehr früh auch an Bischöfe, nahmen Einfluss auf Ausrichtung (katholisch oder arianisch…) und Organisation der Kirche, in der sie als machtvolle Christen Anteil von „innen“ hatten. Was wollte diese, universal ausgerichtete katholische Kirche mit den ganzen neuen Königen und ihren seltsamen, barbarischen Völkern?

Mit dem Verfall und schließlich der Auflösung jeder kaiserlichen Macht im Westen waren die katholischen Bischöfe letztlich gezwungen sich mit den Königen mehr zu arrangieren! Gregor von Tours ist ein gewaltiger Vertreter jener Umbruchzeit. In seinem Werk weist er letztlich den Franken, besser ihren merowingischen Königen hin zu Chlodwig aus diversen Gründen quasi viel von der Rolle der vormaligen Kaiser zu. Aus diesem Grunde belegt er auch in seinem Werk, warum die Merowinger die richtige Wahl waren. Nicht zuletzt weil Chlodwig auf das richtige Pferd setzte - sprich den katholischen Glauben!! Indirekt erschließt sich aus seinem Werk, dass die Merowinger trotz eventueller persönlicher Fehler die richtige Wahl für die katholischen Galloromanen sein mussten. Vor diesem Hintergrund sind die Schriften Gregors zu lesen, der auch in der Ereignisgeschichte immer auch das Wirken des Willen Gottes abzulesen suchte! Wenn man so will ist das ein Punkt an dem das alte heidnisch-germanische „Königsheil“ sich mit dem neuen Glauben verbinden konnte.

Die neuen, barbarischen Völker

Auf dieser anderen Seite finden sich die germanischen Völker mit ihren Vorstellungen von Königsheil, Königen und ihrer eigenen Identität und Tradition, die sich außerhalb des Römischen Reiches vorgeprägt hatte. Spätestens seit diese Völker auf vormals römischem Boden standen, wurden sie mit der dort vorgefundenen, kulturell überlegenen römischen Zivilisation und einer starken, inzwischen christianisierten „Staatsideologie“ konfrontiert. Das anfänglich omnipräsente und nicht zu umgehende römische Kaisertum zwang/bewirkte bei all diesen Völkern eine Tendenz zur Christianisierung, denn nur als Christen konnten ihre Oberschichten in jener Zeit Zugang zu den höchsten „Futterkrippen“ des Reiches finden, ohne allzu starken Anfeindungen ausgesetzt zu werden. Anfänglich genügte das Bekenntnis zum Christentum und es war zweitrangig ob sich der germanische König nun zur arianischen oder katholischen Variante entschied, denn bis Kaiser Theodosius „dem Großen“ war dieser Streit auch bei den Römern nicht endgültig entschieden! In jener Zeit waren Goten und Vandalen zur arianischen Richtung konvertiert und diese hatte verschieden tief reichenden Eingang in ihren „Identitätskanon“ gefunden. Das beweist sich besonders stark bei den Vandalen, welche mehrfach aggressiv gegen den Katholizismus vorgingen – zugunsten ihrer arianischen Konvention. Auch bei den Ostgoten zeigt sich diese arianische Tendenz überdeutlich…

Katholischer Glaube und arianisch-germanische Alternative?

Dieser Glaubensstreit brachte Goten und Vandalen in Gegensatz zum katholischen Klerus, der bei den Galloromanen nun vorherrschend geworden war als fester Bestandteil ihrer „römischen Identität“! Zumindest in den sich etablierenden germanisch-römischen Königreichen bestanden somit (wenigstens) zwei miteinander konkurrierende christliche Konfessionen mit getrennter Organisation: Fast jede Civitas besaß nun zwei Bischöfe: (katholisch und arianisch), Kirchengebäude etc…. Es gab zwischen ihnen viel Streit aus unterschiedlichsten Ursachen. Unter arianischen Königen wurde die arianische Konfession natürlich bevorzugt behandelt, was den katholischen Bischöfen wiederum nicht behagen konnte. Dazu kam dass einige germanische Völker so etwas wie eine eigene, christlich-arianische „Volkskirche“ zu entwickeln begannen. Bezeichnend hierfür sind vor allem wieder die Goten, welche eine Übersetzung der Bibel in ihre Sprache besaßen. Ein Schlüssel für eine mögliche, „volkssprachliche“ Liturgie, während sie ansonsten in politischen Dingen die bewährte römische Organisation mit ihrer lateinischen Schrift verwendeten. Latein blieb für Jahrhunderte die maßgebliche Schriftsprache in Europa… Die meisten Namen arianischer Bischöfe jener Zeit sind germanischen Ursprungs. Zäh hielten einige dieser Völker an ihrer Konfession fest, die sie in ihrem römisch-katholischen Umfeld zunehmend isolieren musste, was ihre Reiche destabilisieren konnte. Andererseits gewannen ihre Könige großen Einfluss auf die arianischen Bischöfe ihrer Reiche, was ihre Stellung unter ihren Germanen festigen konnte. Immer wieder wird auch eine ähnliche Lenkung und Einflussnahme der Könige in ihren Reichen auf „ihre“ arianische Kirche diskutiert, wie dies einst die römischen Kaiser Konstantin, Constantius II. oder Theodosius (…) auf die römische Kirche genommen hatten. Einige westgotische oder langobardische Könige verloren ihren Rückhalt und oft genug ihr Leben beim Widerstand ihrer „Staats“Völker, wenn sie sich in der Spätantike zu stark für die katholische Seite entschieden hatten… Es war also eine zweischneidige Sache für die Könige eine einmal vorherrschende christliche Konfession wechseln zu wollen.

Und hier komme ich wieder zu den Franken, bei denen zu Zeiten Chlodwigs wohl noch keine christliche Konfession eine überragende (oder gar Identitätsfördernde) Stellung errungen hatte. Indem sich Chlodwig für das katholische Bekenntnis entschied, leitete er dessen Vorrangstellung bei seinen Germanen ein. Das ermöglichte rückblickend somit einen Ausgleich seiner königlichen Macht mit dem katholischen Klerus ebenso, wie zwischen seinen Franken und den zahlenmäßig bei weitem überwiegenden Galloromanen seines Reiches. Den Gegensatz zwischen (römischen) Katholiken und den arianischen Königen der Konkurrenzvölker in Gallien konnte er in dessen Folge machtpolitisch im Entscheidungskampf zu seinen Gunsten instrumentalisieren. Gerade dieser Aspekt wird bei Gregor von Tours überdeutlich! (Hierzu lohnt auch ein Blick auf den Vouillé-Thread in diesem Forum).

Königliche Legitimation - und Transformation:

Mit der Legitimation von Königen in der Umbruchzeit zwischen Spätantike und frühem Mittelalter hat dieser kirchliche Aspekt erst nur am Rande zu tun. Die Krone jener Völker wurde vererbt (königliche Geschlechter) oder durch „Volkswahl“ vergeben. In beiden Fällen hatte zumindest der katholische Klerus in der Regel keinerlei direkte Bedeutung (vor Chlodwig)! Zumal bei den meisten germanischen Völkern jener Zeit davon auszugehen ist, dass unter deren Christen wohl eher der arianischen Ausrichtung viel Sympathie galt. Die Legitimation der Könige ist ein innerer Vorgang jener Völker gewesen, während der (römisch-) katholische Klerus sich damals außerhalb dieser Völker befand. Erst nachdem die katholische Konfession zum festen Bestandteil fränkisch-königlicher Identität geworden war, wirkte dessen Klerus auch daran mit, was sich als früher Höhepunkt in der Rolle des Papstes beim Wechsel vom merowingischen zum karolingischen Königsgeschlecht manifestieren sollte. Erst von da an beginnt die kontinuierliche, mittelalterliche Entwicklung der Verquickung zwischen königlicher und kirchlicher Politik eine feste Größe des neu begonnenen Zeitalters zu werden!
 
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Refaim schrieb:
könnte man II 35 auch "viele wollten damals katholisch sein" lesen; nachträgliche Eroberungs(bzw. Missions-)rechtfertigung Gregors?
war zufällig, aber ich noch darauf gestoßen, daß Gregor berichtet (II. 30-39) das Chlodwig die Kriege gegen die Burgunder und die Westgoten aus Missionierungsmotiven begann.
Cassiodorus schreibt III.4, Chlodwig hätte wegen Gebietsforderungen (Erbstreitigkeiten?) Alarich angegriffen.

Wem glaubt man?

Ich habe kurzerhand noch einen Reallexikon-Artikel von Patrick Geary durchgesehen ("Die Bedeutung von Religion & Bekehrung im frühen Mittelalter"); es gibt auch einem bischöflichen Zeitgenossen Chlowigs, von dem einige Dokumente überliefert wurden. Es ist Avitus von Vienne, der "durchblicken [läßt], daß die Konversion Chlodwigs auf Initiative des Königs selbst erfolgte"; aus den Schreiben von Avitos geht auch hervor, daß es ganz gewiß keinen Zwang zur Christianisierung von Untertanen gab. Aber wie dem auch, man könnte tatsächlich argumentieren, daß Gregor von Tours die Konvertierungen zum katholischen Christentum der Franken in einen gewissen christologischen Heilsplan integriert (also gewissermaßen Geschichtsphilosophisch ausbeutet); aber das wäre freilich von Geschichtsschreibung in einem modernen Sinne abzugrenzen. Nichts desto weniger finde ich diese Belege für eine solche allerdings nicht sehr überzeugend. Im Zuge der Expansion des Frankenreiches unter Chlodwig wird zwar die christliche Religion immer bedeutender und ein späterer Merowinger soll denn Zwangskonsion angestrebt haben; aber zur Zeit der frühen Merowingerherrschaft, war das gewiß noch kein Thema.

Im Zweifel, ohne noch mehr Anhaltspunkte, neige ich, dem Machtstreben dem Vorzug vor dem religiösen Ideal zu geben.

Das wiederum heißt, Gregor verbrämt, teilweise absichtlich um Chlodwig (und damit seinen Nachkommen?) letzten Endes nicht noch die letzte hehre Legitimation (Verbreitung des Katholizismus) zu nehmen?

finden sich bei Gregor in den von dir angezeigten Berichte über die Eroberungen Chlodwigs tatsächlich suspekte Stellen heilgeschichtlicher Prägung; und vielleicht wollte Gregor sozusagen vom Christusdogma her denn auch die Merowingerherrschaft legitimieren. Ich sprach in einem Beitrag daher auch von einer Art staatstheologischen Begründng. Daß Machtstreben eine bedeutende Rolle spielt, läßt sich im übrigen gar nicht wiederlegen; nur die Frage nach Legitimation läßt sich darin nicht auflösen, genauso wenig wie sich ein religilöses Ideal auf Grundlage heranziehen läßt. Und es ergibt nicht wirklich Sinn, das eine gegen das andere auszuspielen. Aus den Quellen geht allemal hervor, daß Chlodwig anerkannt wurde, oder besser, daß er eben als legitimer Herrscher anerkannt wurde. Und Anerkennung läßt sich nicht mit einem Repressionsmodell erklären.

Für Gregor ist skrupelloses Machtstreben verwerflich, das zeigt schon, daß er zwischen recht- und unrechtmäßigen Kriegen unterscheidet.
Dafür hätte ich gerne eine Belegstelle.

Das könnte bedeuten ein irgendwie religiös ,geartetes "Königsheil" (~der oberste Herrscher sorgt für ein allgemeines Wohl), war faktisch bei Chlodwig nicht vorhanden, aber wird nachträglich von Gregor installiert.

Hierauf wurde schon geantwortet, daß Gregor in keinster Weise das der "germanischen Tradition" unterstellte Königsheil fundiert, wenn er es auch erwähnt; daß er einer heilsgeschichtlichen Umdeutung im christologischen Sinne zuarbeitet, wurde schon eingeräumt. Zumindest zu bemerken wäre allerdings, daß das historische Konstrukt eines germanischen Königsheils gar nicht mal so gut begründet ist, wie es hier im Thread wenn auch überzeugend vorgestellt wurde. Und es ist auch nicht ganz so, wie Pohl in seinem Germanen-Buch feststellt, daß es kein alternatives Modell; eine solche Alternative wäre etwa die Herrschaftslegitimation durch die römische Reichstradition, die auch oft genug in diesem Thread erwähnt wurde.

Den Rest zitiere ich jetzt aus deinem Beitrag nicht mehr, will aber noch bemerken, daß du 1) bei deinen Gedankenspielereien übersiehst, daß du dich auf ein historischen Text beziehst, der zwar Ereignisse versucht darzustellen, aber aus tatsächlich stathabten Realität auswählt und einen Sinn hineinbringt, den die historische Realität vielleicht gar nicht hatte. Hier etwa Chlodwig als Motiv für die Mission als Fakt aufzufassen, ist unredlich. 2) greifst greifst du auf eine Art Repressionsmodell zurück, das ich für nicht haltbar halte: Was soll "faktische Herrschaft" denn eigentlich bedeuten? Anerkennung seitens des Unterlegenen folgt nicht unbedingt automatisch auf einen Sieg.
 
Gregor bezeichnet Justinians´Krieg in Spanien als "unrechtmäßig" (IV. 8). Gut, wenn die Deutung an einem einzigen Wort hängt, muß nochmal Originalübersetzung dazu.
In IV. 9 schreibt, wie gut er es findet (Teile von ?) Italien erobert zu haben. Daraus schließe ich, daß diese Eroberung rechtmäßig für ihn war, aber hauptsächlich hängt es an dem davor.

G. schreibt doch klar, daß Chlodwig angriff um den Arianismus zu beseitigen, das meine ich mit Mission, oder ist das falsch?

Mit dem "Königsheil" wollte ich einen Anstoß an das Thema geben, für jene, die sich besser darin auskennen als ich, hier schaut mal, vielleicht ist das was, ich selber kann dazu nichts sagen.
Beim Grundlesen von G. ohne Sek.-lit. ist mir nichts in dieser Richtung aufgefallen.
Er ist für mich kein Prüfstein.

Nach G. wird C. nach einem Krieg, in dem er vermeintlich Christus ´Hilfe erhält, bekehrt (II. 30).

Ich dachte mir, daß G. kein Interesse an Bürgerkriegen hat, um also erst gar keine Möglichkeit dazu aufkommen zu lassen (z.B. ~"Gregor war ein Verwandtenmörder! Was er genommen hat ist nicht rechtens seiner!", denkbarer Machtforderungsanspruch o.ä.) geht er erst überhaupt kein Risiko ein und gibt im quasi den Segen.

Ich begreife Legitimation, vielleicht ist dabei auch das Wort fehl am Platz, tiefer als nur ein Stempel einer großen Macht/Autorität.

Für mich beginnt sie schon (ist dasselbe) bei Begründung, der Unterschied/Wechsel von ,...A, B, C ist...´ zu ,A ist, weil...´ . Es ist fundamental zu Ethik. Diesen Zusammenhang denke ich mit, wenn ich was zu Leg. sage.
 
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Den Rest zitiere ich jetzt aus deinem Beitrag nicht mehr, will aber noch bemerken, daß du 1) bei deinen Gedankenspielereien übersiehst, daß du dich auf ein historischen Text beziehst, der zwar Ereignisse versucht darzustellen, aber aus tatsächlich stathabten Realität auswählt und einen Sinn hineinbringt, den die historische Realität vielleicht gar nicht hatte. Hier etwa Chlodwig als Motiv für die Mission als Fakt aufzufassen, ist unredlich. 2) greifst greifst du auf eine Art Repressionsmodell zurück, das ich für nicht haltbar halte: Was soll "faktische Herrschaft" denn eigentlich bedeuten?

1) Wo habe ich geschrieben, das C. das Motiv für die Mission ist?
So wie ich es dachte, meinte ich eher ein Mittel, Werkzeug.

Ok, ich machs nicht wieder.

2) Es war eine Spielerei, ich nehms zurück.

Manche Sachen fallen mir ein, auf, manches ist Mist, manchmal nicht, wenn ichs als Frage im Konjunktiv formuliere, finde ich es nicht so schlimm.

Trotzdem, "Anerkennung seitens des Unterlegenen folgt nicht unbedingt automatisch auf einen Sieg.", genau das dachte ich aus den genannten Zitaten herauszulesen. Warum verwendet G. "Botmäßigkeit" (falls das überhaupt das richtige Wort ist/ Übersetzung) und nicht "Herrschaft" oder anderes?
Es klingt nach etwas ihm zustehendes. Eben keine Repression, faktische Gewalt, sondern stattdessen Anerkennung.

War eine spontane Idee.


Danke für Avitos.
 
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das verstehe ich nicht...

zu Lebzeiten Gregor von Tours waren die Merowinger, wenn auch untereinander teils recht zerstritten, mächtig genug und bedurften keiner klerikalen Legitimtionsschützenhilfe. Wenn ich richtig informiert bin, sind Gregors zehn Bücher fränkische Geschichte keine Auftragsarbeit eines Königshauses, also anders als die amalische Ahnenreihe, die Cassiodor im Auftrag konstruiert hatte.

Die Textstelle ist aus den Variae, nicht aus der Auftragsarbeit Gotengeschichte.

Mir stellte sich die Frage, da G. anscheinend kein Problem damit hat sein übles Vorgehen in Beziehung zu seinen fränkischen Konkurrenten darzustellen, warum hat er , vermeintlich, in der Außenpolitik, Chlodwig, in seinen Augen, besser dargestellt als er war?

Ich bin an einem Punkt, wo, um es insgesamt fortzuführen, nochmal in den Orginaltext, nicht Notizen, sehen will.

Hab den nicht bei mir zuhause und bin im Moment in anderen Themen, wenn bei Gelegenheit ich in mir holen kann, schaue ich nach.
 
1) Wo habe ich geschrieben, das C. das Motiv für die Mission ist?
So wie ich es dachte, meinte ich eher ein Mittel, Werkzeug.

Hier liegt ein Flüchtgkeitsfehler meinerseits vor, denn ich habe ein Wort ausgelassen; es hätte in meinem Beitrag heißen müssen: "Hier etwa Chlodwigs [Kriege] als Motiv für die Mission als Fakt aufzufassen, ist unredlich" - meine Konzentration schien schon sehr gelitten zu haben, weil die Satzstellung dann immer noch falsch ist, besser wäre gewesen, ich hätte gschrieben: "Mission als Chlodwigs Kriegsmotiv anzugeben, wäre unredlich" - was schließlich vor allem sagen will: entspricht nicht den Quellen!

G. schreibt doch klar, daß Chlodwig angriff um den Arianismus zu beseitigen, das meine ich mit Mission, oder ist das falsch?


Und gewiß ist die Konversion zum Katholizismus für Gregor bedeutsam, da er den Arianismus als Irrlehre ablehnt. Aber es dient in Gregors Darstellung meiner Ansicht nach nicht als Rechtfertigung. Ich denke eher, daß Gregor von Tours durchaus mit der Philosophie von Augustinus vertraut war und dessen Zwei-Welten-Lehre akzeptierte. Aber das ist nur eine Idee.

Muspilli schrieb:
AUs den Quellen geht allemal hervor, daß Chlodwig anerkannt wurde, oder besser, daß er eben als legitimer Herrscher anerkannt wurde.
Welche meinst du?

Na, ich gebe zu, daß ich mich mit dieser Behauptung etwas weit vorgewagt habe, wenn ich mich nur auf Gregor würde stützen können, den ich freilich vornehmlich im Sinn hatte. Geary zitiert beispielweise einen Brief von Remigius von Reims: "Ein großes Gerücht hat uns erreicht, daß ihr die Verwaltung der Belgica secunda übernommen habt. [...] Eure Gunsterweise müssen rein und ehrlich sein. Ihr müßt eure Bischöfe ehren und immer auf ihren Rat hören. Solange Ihr in Übereinstimmung mit ihnen steht, wird eure Provinz gedeihen." (S.89) Und dann dachte ich auch an Avitus, der in einem Brief an Chlodwig schrieb: "Das weiche [Tauf-] Gewand wird deinen Waffen mehr Kraft geben; was auch immer das Glück bisher gab, das wird die Heiligkeit nun geben." (zit. nach Geary). Gar nicht so sehr der Wortlaut ist es, der meiner Überlegung zugrunde liegt, sondern lediglich die Tatsache, daß die Bischöfe den guten Kontakt zum König suchen, die die Anerkennung bezeugen.

Trotzdem, "Anerkennung seitens des Unterlegenen folgt nicht unbedingt automatisch auf einen Sieg.", genau das dachte ich aus den genannten Zitaten herauszulesen. Warum verwendet G. "Botmäßigkeit" (falls das überhaupt das richtige Wort ist/ Übersetzung) und nicht "Herrschaft" oder anderes?
Es klingt nach etwas ihm zustehendes. Eben keine Repression, faktische Gewalt, sondern stattdessen Anerkennung.

Dann sind wir uns ja einig, wenn ich der nur angedeuteten Formalie (,...A, B, C ist...´ zu ,A ist, weil...´) deiner ethischen Begründung auch nicht folgen kann. Will nicht heißen, daß ich Philosophie für historische Fragen für unwichtig hielte, im Gegenteil.

Gregor bezeichnet Justinians´Krieg in Spanien als "unrechtmäßig" (IV. 8). Gut, wenn die Deutung an einem einzigen Wort hängt, muß nochmal Originalübersetzung dazu.
In IV. 9 schreibt, wie gut er es findet (Teile von ?) Italien erobert zu haben. Daraus schließe ich, daß diese Eroberung rechtmäßig für ihn war, aber hauptsächlich hängt es an dem davor.

Ich habe ganz kurz in den Text geschaut. Ich habe den Eindruck, daß die Stellen die Auffassung von "gerechten/ungerechten Kriegen" bei Gregor eher nicht stützen.
 
Na, ich gebe zu, daß ich mich mit dieser Behauptung etwas weit vorgewagt habe, wenn ich mich nur auf Gregor würde stützen können, den ich freilich vornehmlich im Sinn hatte. Geary zitiert beispielweise einen Brief von Remigius von Reims: "Ein großes Gerücht hat uns erreicht, daß ihr die Verwaltung der Belgica secunda übernommen habt. [...] Eure Gunsterweise müssen rein und ehrlich sein. Ihr müßt eure Bischöfe ehren und immer auf ihren Rat hören. Solange Ihr in Übereinstimmung mit ihnen steht, wird eure Provinz gedeihen." (S.89) Und dann dachte ich auch an Avitus, der in einem Brief an Chlodwig schrieb: "Das weiche [Tauf-] Gewand wird deinen Waffen mehr Kraft geben; was auch immer das Glück bisher gab, das wird die Heiligkeit nun geben." (zit. nach Geary). Gar nicht so sehr der Wortlaut ist es, der meiner Überlegung zugrunde liegt, sondern lediglich die Tatsache, daß die Bischöfe den guten Kontakt zum König suchen, die die Anerkennung bezeugen.

Ein wenig spielt es rein, in was ich vage andeuten wollte. Anerkennung (die Macht wird nicht bestritten), "Du bist der Sieger!", die nicht gleich überlegte Legitimation ("Du herrschst zu recht, weil...") ist.

[:fs:Spielerei: Fakt(,...A,B,C ist...´) -> Anerkennung (Brücke?) -> Legitimation ( A, weil...´) ?]
 
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