Was "abtrünnige" Sachsen und "Zugehörigkeit zum fränkischen Reich" angeht, da gingen wohl auch schon damals die Meinungen sehr weit auseinander.
Fakt ist, zu Ottos Zeit gehörten Sachsen und Franken (nicht alle) zum Ostfränkischen Reich
 
3) Wieso werden beide Gruppen in der Widukind-Quelle am Anfang genannt?
(Die Königskrönung Ottos I. 936; "Als der Vater des Vaterlandes und der größte und beste der Könige, Heinrich, gestorben war, wählte das ganze Volk der Franken und Sachsen seinen Sohn Otto ..."
Der Franke Karl der Große sah sich in der Tradition der römischen Imperatoren und hat für sich den Kaisertitel wieder "ausgegraben". Die Nachfolger im östlichen Teil seines Reichs sahen sich wiederum in seiner Tradition und legitimen Nachfolge und beanspruchten den Kaisertitel für sich - obwohl der westliche Teil bis heute Frankreich heißt. Um diesen Anspruch zu legitimieren, mussten sie natürlich auch Herrscher der Franken sein, auch wenn das etwas hochgestapelt war. Hinzu gekommen sein mag eine gute Portion Genugtuung, dass die früheren Verlierer jetzt obenauf waren.
Ich verstehe diese Stelle eigentlich viel simpler als praktische Feststellung, nämlich dass Otto von den Adligen Sachsens sowie den Adligen Frankens, des Machtbereichs von Eberhard, dem Bruder von Ottos Vorvorgänger Konrad, zum König proklamiert wurde. Die offizielle Wahl erfolgte dann ein paar Wochen später in Aachen.
An einen Anspruch auf den Kaisertitel war bei Ottos Königskrönung noch nicht zu denken, das wurde erst Jahre später realistisch, als er König von Italien wurde. Zu Beginn von Ottos Herrschaft lag das noch in weiter Ferne, und der junge König hatte ohnehin andere Probleme.
Außerdem sah Widukind Otto ohnehin in erster Linie als sächsischen Herrscher. Er bezeichnete ihn zwar (ebenso wie Ottos Vorgänger Heinrich, der in Wahrheit nie Kaiser wurde) als Kaiser, erwähnte aber nicht einmal seine Kaiserkrönung in Rom, sondern behauptete, Otto sei nach der Schlacht auf dem Lechfeld von seinen Truppen zum Kaiser proklamiert worden. Widukind wollte Ottos Kaisertum also anscheinend als etwas Genuines, das von der römisch-karolingischen Tradition losgelöst war und auf dem Willen des eigenen Volkes beruhte, darstellen.
 
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Ich verstehe diese Stelle eigentlich viel simpler als praktische Feststellung, nämlich dass Otto von den Adligen Sachsens sowie den Adligen Frankens, des Machtbereichs von Eberhard, dem Bruder von Ottos Vorvorgänger Konrad, zum König proklamiert wurde. Die offizielle Wahl erfolgte dann ein paar Wochen später in Aachen.
An einen Anspruch auf den Kaisertitel war bei Ottos Königskrönung noch nicht zu denken, das wurde erst Jahre später realistisch, als er König von Italien wurde. Zu Beginn von Ottos Herrschaft lag das noch in weiter Ferne, und der junge König hatte ohnehin andere Probleme.
Außerdem sah Widukind Otto ohnehin in erster Linie als sächsischen Herrscher. Er bezeichnete ihn zwar (ebenso wie Ottos Vorgänger Heinrich, der in Wahrheit nie Kaiser wurde) als Kaiser, erwähnte aber nicht einmal seine Kaiserkrönung in Rom, sondern behauptete, Otto sei nach der Schlacht auf dem Lechfeld von seinen Truppen zum Kaiser proklamiert worden. Widukind wollte Ottos Kaisertum also anscheinend als etwas Genuines, das von der römisch-karolingischen Tradition losgelöst war und auf dem Willen des eigenen Volkes beruhte, darstellen.

Sowas in der Art hatte ich mir auch schon gedacht, wusste allerdings nicht wie ich das Belgen bzw. darlegen sollte.

Vielen dank also :)
 
Es geht um die Klassifizierung als Hochdeutsch, das ist es nun mal nicht. Es ist Niederdeutsch. Unnötig alle Dialekte, die einem gerade einfallen aufzuzählen.
Mal abgesehen davon, dass es sich um unterschiedliche Dialekte handelte bei Hildebrandslied und Heliand
...warum umgehst du eine eindeutige Antwort?
sind hoch- und niederdeutsch (bzw. nordseegermanisch und westgermanisch) nun Dialekte einer Sprache oder sind sie (schon) verschiedene Sprachen im fraglichen Zeitraum spätkarolingisch - ottonisch) ??
 
naja, die zweite Lautverschiebung ist ja wohl um 900 ziemlich abgeschlossen.
Otto ist nun mal Sachse und sprach also wahrscheinlich einen niederdeutschen Dialekt, die von Widukind genannten Franken einen hochdeutschen.
Widukind kannte allerdings die Begriffe niederdeutsch/hochdeutsch nicht, sondern eben seine Sprache, sächsisch, und die der anderen , fränkisch.

Und darin besteht eben die grundlegende Ungenauigkeit, die zu einem falschen Schluss führt. Es gab zwar die Herzogtümer Franken und Sachsen, doch lebten darin durchaus eine Vielzahl anderer Gruppen, die nur verwaltungstechnisch, dem einen oder anderen Herzogtum angegliedert waren. So gab es unter den Merowingern ein Herzogtum Thüringen, welches von Würzburg im Süden bis in die Altmark im Norden reichte. Während der Ottonen gehörte die gesammte Landschaft zwischen Harz, Thüringer Wald und Elbe, zum Herzogtum Sachsen. Selbst die Reichsklöster Fulda und Hersfeld lagen unter sächsischem Einfluss (siehe Rudolf von Fulda).
Willst du damit sagen, dass man in all diesen Gegenden altsächsisch sprach ? War es nicht eher ein fließender Übergang, in dem es jede Menge Zwischen-Dialekte gab, so dass das die "reinen" "Sprachen" nur in den Zentren gesprochen wurden, und um so weiter man sich davon entfernte, der Dialekt sich abwandelte. Natürlich sind solche geografischen Hindernisse, wie Harz und Thüringer Wald für solche Prozesse nicht unbedeutend. Die Herkunft Ottos ist eben nicht klar aus dem "Sächsischen" herzuleiten. "Rein" sächsisch wird die Führungsriege in Sachsen nur bis zu ihrer Niederlage gegen Karl gewesen sein. Ab da werden die Oberen, wenn nicht ausschließlich, dann aber wohl doch zu einem großen Teil aus fränkischen Amtsträgern bestanden haben. Genealogisch gibt es keine Hinweise. Liudolfs Frau Oda stammt wohl aus dem Geschlecht der Billunger, die auch erst mit Karl dem Großen auftreten. Liudolf selbst ist sehr wahrscheinlich ein fränksicher Beamter gewesen. Liudolf war auch nicht Graf der Sachsen, sondern ein Graf im nun fränkischen Sachsen. Sein Sohn Otto war Graf im Eichsfeld und im Südthüringgau und zuletzt Laienabt in Hersfeld. Dort wird also Heinrich der I. aufgewachsen sein. Erst sein Sohn Heinrich wurde 912 Herzog von Sachsen und war brach mit der Tradition seines Großvaters und ließ sich im "Thüringischen" Memleben bestatten.
 
Es sei denn, man geht zurück zur bereits widerlegten These, die Sachsen hätten den Franken bei der Eroberung Thüringens geholfen und dafür einen Teil von Thüringen erhalten.
Meines Wissens ist das wohl eher umstritten als widerlegt.

2) In welchem Verhältnis stand Otto I. zu den Sachsen und den Franken.
Sein Verhältnis zu den Franken war, obwohl er ihnen sein Königtum (mit)verdankte, schwierig. Allerdings kann man gar nicht von "den" Franken sprechen, da der Stammesherzogtumswerdungsprozess Frankens nach dem Tod von Eberhard scheiterte. Aber schon davor hatte sich Otto bald nach seinem Regierungsantritt mit Eberhard zerkracht. Nach Eberhards Tod herrschte in Franken ein gewisses Machtvakuum und Otto musste sich fortan immer wieder mit den lokalen Potentaten herumschlagen. Auch Liudolf wurde bei seinem Aufstand von manchen Franken unterstützt.
Auch sein Verhältnis zu Sachsen war nicht komplikationsfrei. Z. B. führte sich Ottos Stellvertreter Hermann Billung gerne auf als wäre er selbst der Herzog. Manche Adlige, insbesondere Wichmann, machten auch immer wieder Probleme.
 
War es nicht eher ein fließender Übergang, in dem es jede Menge Zwischen-Dialekte gab, so dass das die "reinen" "Sprachen" nur in den Zentren gesprochen wurden, und um so weiter man sich davon entfernte, der Dialekt sich abwandelte.

Das war damals so und ist auch heute der Fall. Wer durch den Harz Richtung Thüringen/Nordhausen fährt, kann das leicht feststellen. Es gibt an den Rändern eine sprachlich-dialektale Übergangszone

Die Herkunft Ottos ist eben nicht klar aus dem "Sächsischen" herzuleiten. "Rein" sächsisch wird die Führungsriege in Sachsen nur bis zu ihrer Niederlage gegen Karl gewesen sein. Ab da werden die Oberen, wenn nicht ausschließlich, dann aber wohl doch zu einem großen Teil aus fränkischen Amtsträgern bestanden haben. Genealogisch gibt es keine Hinweise. Liudolfs Frau Oda stammt wohl aus dem Geschlecht der Billunger, die auch erst mit Karl dem Großen auftreten. Liudolf selbst ist sehr wahrscheinlich ein fränksicher Beamter gewesen. Liudolf war auch nicht Graf der Sachsen, sondern ein Graf im nun fränkischen Sachsen. Sein Sohn Otto war Graf im Eichsfeld und im Südthüringgau und zuletzt Laienabt in Hersfeld. Dort wird also Heinrich der I. aufgewachsen sein. Erst sein Sohn Heinrich wurde 912 Herzog von Sachsen und war brach mit der Tradition seines Großvaters und ließ sich im "Thüringischen" Memleben bestatten.

Graf Liudolf. auf den sich die Ottonen als Stammvater zurückführen, war unzweifelhaft im thüringischen Eichsfeld und um Gandersheim begütert und starb im Jahr 866. Der Corveyer Mönch Agius, der lange Zeit für einen seiner Söhne gehalten wurde, berichtet über Liudolf, den er "Herzog der östlichen Sachsen" (dux orientalum Saxonium) nennt, was in dieser Form sicher eine Überhöhung darstellt.

Der Historiker Matthias Becher führt aus, dass das Geschlecht mindestens zwei Generationen vor Liudolf im Raum Gandersheim über Besitz verfügte und dass seine Angehörigen als Amtsträger der fränkischen Könige fungierten [1]. Auf jeden Fall bleibt die Herkunft der Liudolfinger über ihren Ahnhernn hinaus dunkel, da sich ihre memoria auf Liudolf und seine Gemahlin Oda konzentrieren, die im Jahr 852 als Klostergründer des Stifts Gandersheim auftreten.

Becher ist der Ansicht, dass man Liudolf keinesfalls als Herzog der östlichen oder gar aller Sachsen ansehen könne, was auch für seine Söhne Brun und Otto den Erlauchten gilt, auch wenn der im Zehntverzeichnis des Kosters Hersfeld als dux bezeichnet wird. Spätere Geswchichtsschreiber wie Widukind von Corvey sahen in den frühen Liudolfingern Herzöge, was eher eine Reaktion auf die glanzvolle Machtstellung Ottos des Großen um die Mitte des 10. Jh. war, aber keine Beschreibung der realistischen Zustände längst vergangener Zeiten darstellt. Ein sächsisches Herzogtum entwickelte sich erst seit Liudolfs Enkel Heinrich I.

Das Lexikon des MA spricht davon, dass Liudolf eine herzogliche Stellung in Ostfalen innegehabt hätte - nicht aber Herzog war-, die sich unter seinen Söhnen Brun und Otto den Erlauchten auf ganz Sachsen ausweitete. Dort wird also die Stellung der Liudolfinger in Sachsen dominanter dargestellt und mit "herzogliche Stellung" umschrieben.

Die Güter der Liudolfinger lagen in den westlichen Ausläufern des Harzes um Gandersheim, Grone und Brunshausen, ferner gab es Lehnsbesitz im Nordthüringgau. Erst später kamen große Reichslehen im Derlingau östlich der Oker zwischen Braunschweig und Helmstedt hinzu.

[1] Matthias Becher, Die Liudolfinger. Aufstieg einer Familie, in: Otto der Große und Magdeburg, Bd. 1: Essayband zur Landesausstellung, Mainz 2001, S. 112
 
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naja, ich denke mal in nahezu 150 Jahren kann eine Familie schon die "Nationailtät" wechseln :)

Es ist völlig unklar. ob die Vorfahren der Liudolfinger nun sächsisch/thüringische Ursprünge haben, oder aber aus einem anderen Teil des Frankenreichs stammen. Sicher waren sie im 9. Jh. Amtsträger der fränkischen Könige, doch können sie sowohl dem einheimischen Uradel als auch ferneren fränkischen Reichsteilen entstammen.

Ebenso bleibt auch die Herkunft der Welfen unklar, die vermutlich aus dem Maas-Mosel-Gebiet stammen, sich später nach Burgund und Schwaben verzweigten und schließlich ihre endgültige Heimat in Sachsen fanden. Auch bei den Ahnen der Liudolfinger könnte der Werdegang ähnlich kompliziert verlaufen sein, nur schweigen darüber alle Quellen. Heller wird's erst ab Liudolf und seiner Gandersheimer Klostergründung 852.
 
Ich muß zugeben: Ich habe heute wieder etwas aus der Geschichte meiner Heimat gelernt:
Zunächst leicht irritiert ob des Zitates des Mönches Widukind von Corvey, daß nur "das ganze Volk der Franken und Sachsen" den designierten Sohn des verstorbenen ostfränkischen Königs Heinrichs "sich zum Fürsten" gewählt haben sollte. Aber meine Irritation verflog schnell dank des Hinweises des LIBORIUS', der mit dem Hinweis auf die karolingische Tradition eine schöne Antwort gab:

Der Franke Karl der Große sah sich in der Tradition der römischen Imperatoren und hat für sich den Kaisertitel wieder "ausgegraben". Die Nachfolger im östlichen Teil seines Reichs sahen sich wiederum in seiner Tradition und legitimen Nachfolge und beanspruchten den Kaisertitel für sich - obwohl der westliche Teil bis heute Frankreich heißt. Um diesen Anspruch zu legitimieren, mussten sie natürlich auch Herrscher der Franken sein, auch wenn das etwas hochgestapelt war. Hinzu gekommen sein mag eine gute Portion Genugtuung, dass die früheren Verlierer jetzt obenauf waren.

Obzwar mich der letzte Satz zunächst nicht sonderlich überzeugte, mag eine solche Unterstellung vielleicht doch nicht so abwegig erscheinen, wenn man es gar als Anspielung auf des Einhards Bemerkung liest, daß die Sachsen sich am Ende des vieljährigen Widerstandes schließlich mit den Franken zu einem Volk [populus] zusammenschließen mußten (Vita Karolingi Magni § 7). Daß sich Otto in der Karls-Stadt Aachen und "in fränkischer Tracht" (B. U. Hucker, "Die 'Sachsenkaiser' [Ottonen]." in ders. et al. [Hg], Niedersächsische Geschichte. Göttingen: Wallstein, 1997, S.50) krönen ließ, ist freilich ein deutliches Zeichen seines Anspruchs.
EL QUIJOTE hat LIBORIUS wohl denn auch nicht widersprechen wollen, indem er schrieb:
Die sächsischen Herrscher sahen sich ja schon eher in der Tradition der Karolinger, [...] durch die fränkischen Reichsteilungen (Verdun 843, Meeresen 870) und dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger im Mannesstamm mit dem Tod Ludwigs des Kindes, waren sie auch de facto - mit dem Zwischenspiel Konrads - die Nachfolger der Karolinger.

Ich muß jetzt, nachdem ich zwei Bücher gefunden habe, in denen ich nachgelesen haben durchaus fragen: meinst du, El also, oder legst du nahe, daß die sächsischen Herrscher legitime Nachfolger der Karolinger waren?
Ich fand interessant, daß die Überlieferung Widukinds, daß König Konrad kurz vor seinem Tod die Herrschaftsinsignien an Herzog Heinrich hat überbringen lassen, wohl in den ideologischen Bereich der Legendenbildung gehören könnte, "um die [...] Machtergreifung der Liudolfinger zu verschleiern. Die Thronerhebung oder -usurpation Heinrichs ist also keine 'späte Folge der Integration Sachsens in den christlich-fränkischen Reichsverband' (Heinrich Schmidt), sondern ein Ergebnis des Machtkampfes zwischen den großen Hochadelsfamilien" (Hucker, a. a. O., S.48). Das heißt natürlich nicht, daß es zu der "de facto"-Nachfolge im Widerspruch stehen muß.
Aber es würde doch gewissermaßen die Zuverlässigkeit von Widukinds Sachsengeschichte durchaus in Frage stellen - was ggf. eine gewisse Implikationen hat, die dann allerdings nicht mit RAVENIKs Lesart der Textstelle vereinbar wären:

Ich verstehe diese Stelle eigentlich viel simpler als praktische Feststellung, nämlich dass Otto von den Adligen Sachsens sowie den Adligen Frankens, des Machtbereichs von Eberhard, dem Bruder von Ottos Vorvorgänger Konrad, zum König proklamiert wurde. Die offizielle Wahl erfolgte dann ein paar Wochen später in Aachen.
An einen Anspruch auf den Kaisertitel war bei Ottos Königskrönung noch nicht zu denken [...].
Außerdem sah Widukind Otto ohnehin in erster Linie als sächsischen Herrscher. Er bezeichnete ihn zwar (ebenso wie Ottos Vorgänger Heinrich, der in Wahrheit nie Kaiser wurde) als Kaiser, erwähnte aber nicht einmal seine Kaiserkrönung in Rom, sondern behauptete, Otto sei nach der Schlacht auf dem Lechfeld von seinen Truppen zum Kaiser proklamiert worden. Widukind wollte Ottos Kaisertum also anscheinend als etwas Genuines, das von der römisch-karolingischen Tradition losgelöst war und auf dem Willen des eigenen Volkes beruhte, darstellen.

Allerdings schließe die Unterstützung gewisser fränkischer Adelskreise nicht unbedingt eine Thronusurpation aus, oder?
Unabhängig davon, ab wann an die Erlangung der Kaiserwürde gedacht wurde, lieferst du, Rave, einen weiteren Hinweis auf die Unzuverlässigkeit der Widukindschen Quelle!
Schließlich will ich noch kurz darauf eingehen:
Es sei denn, man geht zurück zur bereits widerlegten These, die Sachsen hätten den Franken bei der Eroberung Thüringens geholfen und dafür einen Teil von Thüringen erhalten.

Meines Wissens ist das wohl eher umstritten als widerlegt.

Es mag häufig hier im Geschichtsforum noch sehr umstritten sein, und wird vielleicht auch nicht das letzte Mal diskutiert. Angesichts dessen, daß ein prominenter Forscher, der die Angelegenheit für mehrfach abgesichert widerlegt hält (und auch ansonsten des öfteren mit überraschend radikalen - meiner Ansicht nach auch überzeugenden - Thesen zur Franken- und Sachsenforschung hertritt), zum Thema der Überlieferungsgeschichte der Sachsen - ganz in seinem Sinne ihrer radikalen Kritik - auch einen Artikel im Hoops des RGA: Bd. 26, 2004) publizieren konnte, läßt mich daran zweifeln, ob Matthias Springers Thesen wirklich noch sonderlich umstritten sein sollten. Ich habe jetzt nur das Kapitel (4.3.2) über Widukind von Corveys Sachsengeschichte in seinem Sachsenbuch aus 2004 erneut gelesen; angesichts der zahlreichen Details auch hinsichtlich des Verhältnisses Thüringen-Sachsen, zeigt sich, wie bereits bei den anderen Punkten: Er tritt als höchst unzuverlässiger Geschichtsschreiber hervor!

Nur nebenbei bemerkend frage ich mich noch, ob die Erwähnung Jülichs im Zusammenhang mit Aachen, wo die Krönungszeremonie stattfand, bei Wiedukind nicht auch einen gewissen Hinweis geben soll: immerhin ist es ein Ort mit einem zumindest vermeintlich traditionsträchtigen Namen: vicus Iuliacum - was die Assoziation mit der Dynastie der Julier und vornehmlich an Caesar selbst bei mir auslöste - aber leider finde ich keinen übersetzten Text von Widukinds Sachsengeschichte online, um wenigstens den vollständigen Satz zu erfahren für einen weiteren Rechercheansatz (hier: Krönung Ottos im Jahre 935 zum König in Aachen wurde er doch lediglich verkürzt?
 
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Der vollständige Satz mit Jülich lautet: "Est autem locus ille proximus Iulo, a conditore Iulio Caesare cognominato." Auf Deutsch: "Es ist aber jener Ort [also Aachen] sehr nahe bei Jülich, das von dem Gründer Iulius Caesar benannt ist."
 
Ich muß jetzt [...] durchaus fragen: meinst du, El also, oder legst du nahe, daß die sächsischen Herrscher legitime Nachfolger der Karolinger waren?

Die Frage befremdet mich ein wenig, schlicht weil sie irgendwie impliziert - auch wenn das nicht beabsichtigt ist - als wäre die eine politisch relevante Frage. Zu meiner eigenen Überraschung muss ich sie aber teilweise bejahen. Nicht aus den Augen lassen will ich dabei aber die prosächsische Eberhard-Narratio, die so, wie sie uns überliefert ist, kaum stimmen kann (Konrad bestimmt auf dem Sterbebett seinen Gegner Heinrich I. zu seinem Nachfolger, sein Bruder Eberhard soll die Designatio bekannt machen und die Insignien überbringen).
Warum bejahe ich nun also die "legitime" Nachfolge der Liudolfinger/Ottonen?
Die ostfränkischen Karolinger waren im Mannesstamm ausgestorben, das Reich war geteilt, die westfränkischen Karolinger waren auch ziemlich am Ende ihrer Macht, im ostfränkischen Reich konnten die Liudolfinger die Familie, die offensichtlich die meisten hochrangigen Adeligen hinter sich bringen konnten. Das reichte zur Legitimation.
 
Der vollständige Satz mit Jülich lautet: "Est autem locus ille proximus Iulo, a conditore Iulio Caesare cognominato." Auf Deutsch: "Es ist aber jener Ort [also Aachen] sehr nahe bei Jülich, das von dem Gründer Iulius Caesar benannt ist."

Ganz herzlichen Dank, Rave, da ist mir diese Quelle wieder eingefallen, von der ich einmal las:

Aus dem 12. Jahrhundert gibt es eine elsässische Chronik: sog. Chronicon Ebersheimense; darin wird aus „Heidnischer Zeit“ berichtet, daß Caesar die Bewohner des Gebietes zwischen den Vogesen und den Rhein (die „Deutschen“), die ihn bei seinem Sieg über die Gallier („Franzosen“) unterstützt hatten, unterworfen hätte und vor seiner Rückkehr nach Rom einen ersten „Reichstag“ einberufen.

Wo der Reichstag wohl stattgefunden haben sollte: in Jülich?
 
Ich muß jetzt, nachdem ich zwei Bücher gefunden habe, in denen ich nachgelesen haben durchaus fragen: meinst du, El also, oder legst du nahe, daß die sächsischen Herrscher legitime Nachfolger der Karolinger waren?

Warum sollten sie das nicht gewesen sein und was bedeutet "Legitimation"?

Schon die Karolinger schickten den legitimen merowingischen Frankenkönig Childerich III. ins Kloster, usurpierten die Macht indem sie sich selbst zu Königen machten und verschleierten das geschickt durch ihr Bündnis mit dem in Italien bedrängten Papsttum.

Demgegenüber ist der Herrschaftsantritt Heinrichs I. geradezu ein Lehrstück von Legitimität: Er löste Konrad I. ab, der ohne männliche Erben gestorben war, wurde im Mai 919 in Fritzlar durch die fränkischen Großen zum König gewählt, dem die Akklamation durch die sächsisch-fränkische Heeresversammlung folgte. Die Anerkennung der Königsherrschaft durch Burchard II. von Schwaben und Arnulf von Bayern, der selbst Königspläne hegte, gelang bis 921.

Ob Konrad I. seinen Nachfolger Heinrich wirklich designierte, wie es nach apologetischer sächsischer Überlieferung angeblich geschah, sei dahingestellt. Auf jeden Fall muss es vor der Königserhebung erfolgreiche Verhandlungen über ein konradinisch-liudolfingisches Bündnis gegeben haben, aufgrund dessen der fränkische Hochadel den Liudolfinger Heinrich im Mai 919 in Fritzlar zum König wählte, wozu Konrads Bruder Eberhard entscheidend beitrug, der auch während Heinrichs Regierung dem Königtum nahe stand.

Heinrich I. übte seine Königsherrschaft lediglich als primus inter pares aus, schloss Bündnisse mit den Herzögen und überließ ihnen breiten souveränen Raum, was bis zum Herrschaftsantritt seines Sohnes Otto für stabile Verhältnisse sorgte.
 
Muspilli schrieb:
Ich muß jetzt, nachdem ich zwei Bücher gefunden habe, in denen ich nachgelesen haben durchaus fragen: meinst du, El also, oder legst du nahe, daß die sächsischen Herrscher legitime Nachfolger der Karolinger waren?


Dank euch beiden für eure Antwort:

Die Frage befremdet mich ein wenig, schlicht weil sie irgendwie impliziert - auch wenn das nicht beabsichtigt ist - als wäre die eine politisch relevante Frage. Zu meiner eigenen Überraschung muss ich sie aber teilweise bejahen. [...]

Warum sollten sie das nicht gewesen sein und was bedeutet "Legitimation"?

Ich werde darüber Nachdenken müssen, ob sich meine Frage, die sich mir halt aufdrängte, eben nach der Legitimation der Ottonendynastie tatsächlich als polithistorisch irrelevante Frage erscheinen muß; faktisch übernahmen sie die Macht und sie legitimierte sie mutmaßlich mit einem Gottesgnadentum. Aber ich muß mich da erst einlesen und werde mich dann euren Vorschlägen/ Einwände widmen.
 
faktisch übernahmen sie die Macht und sie legitimierte sie mutmaßlich mit einem Gottesgnadentum. Aber ich muß mich da erst einlesen und werde mich dann euren Vorschlägen/ Einwände widmen.

Die Liudolfinger/Ottonen übernahmen die Macht, nachdem ihr Prätendent Heinrich von Franken und Sachsen gewählt und sein Vorgänger Konrad I. ohne direkten männlichen Leibeserben gestorben war.

Daran kann ich nichts illegitimes erkennen. Dass es zuvor hinter den Kulissen intensive Gespräche - vor allem zwischen Liudolfingern und Konradinern - gegeben hat, liegt in der Natur der Sache und ist kennzeichnend für eine Wahlmonarchie und Wahlakte. Die Verfassung des mittelalterlichen Reichs hatte ja von Anfang an eine merkwürdige Zwitterstellung im Hinblick auf das Königtum: Theoretisch war das Reich eine Wahlmonarchie, in der Praxis wurde allerdings dem Geblütsrecht gefolgt, d.h. Ottonen, Salier, Staufer und Luxemburger blieben an der Macht, bis die Dynastie ausstarb.
 
HHmmm
eigentlich fing die Wählerei ja erst mit Heinrich richtig an, vorher ists ja mehr die Suche nach dem nächsten Verwandten und scheinbar eine rein fränkische Angelegenheit.

Wie und warum jetzt der Anführer der östlichen Sachsen mit auf die Wahlliste kam, wird ja nicht berichtet, sondern nur behauptet. (designiert vom letzten fränkischen König)

Scheinbar kamen "die Sachsen" nach Karl dem Großen auch weiterhin ganz gut ohne zentrale Führung zu recht.
Auffallend ist für mich die Sage der Nominierung/der Wahl Heinrichs, der ja dem Mythos nach,- denn was anderes scheint es nicht zu sein-, garnicht bei der Wahl anwesend gewesen sein soll, sondern am Vogelherd gesessen habe.(wie Ottos Kaiserkrönung, er wollte ja nicht, aber auf den Wunsch vieler hin konnte er nicht nein sagen)

Vielleicht ist das auch der Grund, das die Zustimmung " der Sachsen" zur Wahl überhaupt erwähnt wird, wird doch einer der ihren über alle anderen herausgehoben und es gibt eine "zentrale Führung".
 
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Wie und warum jetzt der Anführer der östlichen Sachsen mit auf die Wahlliste kam, wird ja nicht berichtet, sondern nur behauptet. (designiert vom letzten fränkischen König)

Nach dem söhnelosen Tod Konrads I. war der Thron des Ostfrankenreichs vakant, denn einen legitimen Nachfolger gab es nicht. Somit kamen nur wenige hochadlige Familien bzw. Prätendenten aus den wichtigsten Stammesherzogtümern in Betracht, die das Ostfränkische Reich trugen: der Franke Eberhard, Bruder des verstorbenen Königs, der Bayernherzog Arnolf und der Sachsenherzog Heinrich. Der schwäbische Herzog Burkard, der sich noch nicht einmal in seinem engeren Machtbereich voll durchgesetzt hatte, kann kaum als Thronanwärter gelten.

Das Prestige der sächsischen Liudolfinger wurde durch ihre enge verwandtschftliche Verbindung mit dem karolingischen Königshaus gehoben: Heinrichs Tante Luitgard war mit König Ludwig dem Jüngeren (gest. 881) verheiratet gewesen, Heinrichs Schwester Oda mit dem lothringischen König Zwentibold (gest. 900), einem Sohn Kaiser Arnulfs. Die Verwandtschaft mit dem Königshaus brachte gleichermaßen politisches Gewicht und hohes Ansehen bei den Zeitgenossen.

Ob zwischen Weihnachten 918 und Mai 919 überhaupt versucht wurde, in Verhandlungen mit den Großen des ganzen Ostfränkischen Reichs eine gemeinsame Wahl eines Königs zu erreichen, wissen wir nicht. Sicher ist, dass die liudolfingische Sippe in Verhandlungen mit den Franken bzw. dem Königsbruder Eberhard eine Zustimmung zur Wahl Heinrichs erreichen konnte. Die Königserhebung trug einem Anspruch Rechnung, den Heinrich aus der Stellung seiner Familie herleitete und für dessen Realisierung er selbst die Vorausswtzungen schuf. Heinrichs Vater Otto genoß als Schwager der Könige Luwig und Zwentibold hohes Ansehen und war nach damaliger Auffassung einer der "adligsten" Männer im Reich.

Es entsprach den an Abstammung, Königsverwandtschaft, Fammilienmacht, Erfolg, Erfahrung und Alterswürde orientierten Rangvorstellunegn der Zeit, wenn man 911, als nach dem Tod Ludwigs des Kindes im Ostfrankenreich erstmals ein Nichtkarolinger zum König gewählt wurde, auch dem Liudolfinger Otto die Königswürde antrug. Er soll damals wegen seines hohen Alters verzichtet haben, sich aber die Zusage ausbedungen haben, ein entscheidendes Wort bei der Regierung des Reichs mitsprechen zu können. Dazu kam es bekanntlich nicht, weil König Konrad I. nach Ottos Tod 912 zum Schlag gegen die Liudolfinger ausholte, was aber 915 in Grone in einem Vergleich endete. Es gibt Anhaltspunkte die es als möglich erscheinen lassen, dass bereits damals die Nachfolge Heinrichs im Königtum ins Auge gefasst oder verienbart wurde.

Heinrichs Erhebung zum König ist also weder verwunderlich noch unvorhergesehen, sondern basierte auf wichtigen Voraussetzungen und Vorentscheidungen.
 
Vielen dank für all eure Antworten, allerdings ist das alles etwas verwirrend, wäre vielleicht einer so lieb mir das so zusammen zu fassen, dass alle richtigen und wichtigen antworten drin sind? (Bezogen auf meine Fragestellungen am Anfang)

Denn viele Beiträge verwirren mich hier und ich weiß daher dann nicht ob ich sie verwenden kann oder nicht.

Sorry für die Umstände :( ;)
 
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