Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Die Fundstelle 100 auf der der mögliche Hortfund und die wahrscheinlichen Wagenspuren gemacht wurden liegt etwa 350m nördlich vom Oberesch und östlich der Stelle wo der Heerzug laut der Karte eine Verschwenkung vom Hangsandbereich auf den Flugsandrücken machte. Dieser Bereich ist der nasseste auf dem Feld, was sich bei einsetzendem Regen während der Ausgrabungen zeigte. Benachbarte Areale sind deutlich trockener und es ist denkbar, dass die trockenen Sandbereiche einfacher passierbar waren. Die Münzverteilung belief sich auf einem Areal von 3x4m. Einige Silbermünzen lagen in den als Wagenspuren interpretierten Schichten. S.Wilbers Rost vermutet, dass eventuell ein Kästchen oder ein Beutel mit Münzen vom Wagen gefallen ist und von nachfolgenden Wagen in den Untergrund gedrückt wurden. Sie bezeichnet selber den Interpretationsversuch als vage.

Unabhängig von einer detaillierten Interpretation des gesamten Fundkomplexes sagt dieser Fund zwei Dinge aus. Zum einen, dass hier Wagen zum Flugsandbereich gefahren sind, der dann wohl als feste Wegetrasse ein lohnendes Ziel war, und zum zweiten, dass der Wall den Bereich der Hangsandzone nicht in der Form einengte als dass nicht dieser „Engstelle“ ausgewichen werden konnte. Es war also möglich sogar mit Wagen von einem Bereich des Hangsandes zum anderen des Flugsandes zu wechseln.

Ich hätte einen eigenen Interpretationsvorschlag, aber den möchte ich erst in einem anderen Zusammenhang nennen.
 
Sehe ich auch so. Dieser Einwand richtet sich jetzt nicht an Dich, sondern an Maelo, der ja die Auffassung vertritt, dass Kalkriese der Ort der Schlacht am Angrivarierwall ist. Am Angrivarierwall wurden - den Quellen zufolge - die Wurfgeschütze gerade nicht "sparsam" eingesetzt. Vielmehr wurde die Infanterie zurückgezogen und die Germanen wurden allein durch den Beschuss vom Wall getrieben. Da muss mehr geflogen sein, als nur 17 heute noch auffindbare Geschosse. Ich glaube deshalb nicht, dass diese 17 Geschossspitzen eine grundlegende Neubewertung der Ereignisse von Kalkriese erforderlich machen.
MfG

Ich würde noch nicht so vorschnell meine Schlussfolgerungen ziehen, denn ich habe noch einige Pfeile im Köcher.

Es ist durchaus legitim die Anzahl der Geschossspitzen auf ein kleines Maß zu relativieren um seinen Standpunkt zu stärken. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass an diesem Ort auf Einwürfe darauf, dass dieses Fundspektrum in der Kalkrieser Senke doch eher klein ist für eine große Varusschlacht, geantwortet wurde, dass nach zweitausend Jahren, nachdem das Schlachtfeld oftmals abgesucht wurde und vielen anthropogenen Veränderungen unterlag, doch sehr umfangreich ist und doch auf eine große Schlacht hindeutet. Im Vergleich zu den anderen aufgefundenen Waffenteilen ist der Komplex der Geschosse als nicht klein zu werten.

Die Aufgefundenen Geschosse sind wohl vorrangig auf den Wall aufgetroffen und dort stecken geblieben. Nach der Schlacht wurden sicherlich viele Geschosse anhand der aus dem Wall ragenden Schäfte wieder eingesammelt. Viele der Geschosse die gänzlich in das Wallmaterial eingedrungen sind dürften in späteren Jahrzehnten oder Jahrhunderten, als der Wall in sich zusammenfiel und sich das Wallmaterial verteilte wieder an die Oberfläche gelangt sein und dort aufgesammelt, verlagert oder korrodiert sein. Sind unter diesen Umständen diese 17 bis in unsere Tage erhalten gebliebenen Geschossspitzen wenig? Zu wenig? Wer kann das beurteilen.

Wie bereits geschrieben handelt es sich bei den Geschossen die aufgefunden wurden um Fehlschüsse die ihr Ziel unterschossen und damit verfehlt haben, und im Wall aufgeschlagen sind. Die Torsionsgeschütze der Römer waren nach den Rekonstruktionen zu urteilen recht zielgenau und das Ziel was anvisiert wurde war sicherlich der Oberkörperbereich der auf dem Wall stehenden Germanen. Unter diesen Umständen sind Geschosse die im Wall auftreffen als beträchtliche Fehlschüsse zu werten mit einer Abweichung von mehr als 1,5m, rechnet man den Brustbereich als Ziel. Die Flugbahn der überwiegenden Mehrzahl der Geschosse wird höher als der Wall geflogen sein.

Zumindest ist sicher, dass der Wall mit Geschossen über eine ziemliche Breite bestrichen wurde, was einem Szenario zu der Schlacht am Angrivarierwall entsprechen würde.

Aber was ist mit den Geschossen die den Gegner nicht getroffen haben und an ihrem Ziel seitlich vorbeigeflogen sind oder es überflogen haben. Diese Fehlschüsse müsssen hinter dem Wall im Hangbereich eingeschlagen und ähnlich wiederzufinden sein wie bei der Schlacht am Harzhorn. Aber hier am Kalkrieser Berg Fehlanzeige. Fast keine Funde in irgendeiner Art im anstreichenden Hangbereich hinter dem Wall. Ungewöhnlich bis fast nicht Nachvollziehbar.

Es hat lange Zeit gedauert bis bei mir der Groschen gefallen ist, aber dann umso lauter. Die Erklärung dazu ist so simpel und dabei so einleuchtend, dass es fast schon weh tut.

Der Wall in der Niewedder Senke wurde fast exakt auf der Felsgesteinkante erbaut, also dem Übergang zwischen Hangbereich und Hangsandbereich. Nördlich dieser Linie wurde hier seit dem späten Mittelalter die Eschwirtschaft betrieben. Der Eschauftrag auf dem Oberesch ist mit teilweise über einem Meter Mächtigkeit als sehr hoch zu betrachten. Bei den Untersuchungen auf dem Oberesch wurde zwar der Frage nachgegangen ob mit dem Jahrhunderte andauernden Eschauftrag auch Funde zum Oberesch umgelagert wurden, jedoch der Frage zu wenig Beachtung geschenkt woher der Eschauftrag stammt. Mit Sicherheit wurde auch der nahe gelegene Hangbereich des ausstreichenden Kalkrieser Berges abgeplaggt. Und zwar in einer derart massiven Weise, dass hinter dem Wall keine Funde mehr auffindbar waren. Hier liegt ein entscheidender Grund vor, die gesamte Situation in Kalkriese neu zu überdenken und zu bewerten.

Bisher galt der Umstand dass hinter dem Wall keine Funde gemacht wurden als Beweis dafür, dass die Germanen mit der Wallstellung einen Sieg gegen die Römer errungen haben, weil demnach nicht hinter dem Wall gekämpft wurde. Und das ungeachtet der Tatsache, dass ein solcher Wall normalerweise kein allzu großes Hindernis für eine römische Armee darstellte und der Wall mutmaßlich schon während der Kampfhandlungen eingestürzt ist. Keine Funde hinter dem Wall-kein Kampf hinter dem Wall. Wenn aber das gesamte Terrain hinter dem Wall über einem langen Zeitraum der Eschwirtschaft unterlag und regelmäßig abgeplaggt wurde, dann kann es hinter dem Wall keine Funde mehr geben. Wohlgemerkt, es müsste aber Funde geben, zumindest von den Geschossen die ihr Ziel verfehlt haben und im Hang aufgeschlagen sind.
 
Zumindest ist sicher, dass der Wall mit Geschossen über eine ziemliche Breite bestrichen wurde, was einem Szenario zu der Schlacht am Angrivarierwall entsprechen würde.

Dagegen spricht die Tacitus-Stelle, welche Arten von Natur Germanen bzw. Römer jeweils im Rücken gehabt haben.

Dem Feind versperrte im Rücken der Sumpf, den Römern der Fluss oder die Berge den Ausweg. Tac. Ann. II, 20,3

Die Germanen müssten in Kalkriese also in der Ebene gestanden haben, die Römer südlich des Walls entlang am Hügel marschiert sein, oder?
(Wo ist dann aber der Fluss?)

In Kalkriese wird das aber doch andersherum rekonstruiert!

Was machst du damit?

Aber was ist mit den Geschossen die den Gegner nicht getroffen haben und an ihrem Ziel seitlich vorbeigeflogen sind oder es überflogen haben. Diese Fehlschüsse müsssen hinter dem Wall im Hangbereich eingeschlagen und ähnlich wiederzufinden sein wie bei der Schlacht am Harzhorn. Aber hier am Kalkrieser Berg Fehlanzeige. Fast keine Funde in irgendeiner Art im anstreichenden Hangbereich hinter dem Wall. Ungewöhnlich bis fast nicht Nachvollziehbar.

Wohlgemerkt, es müsste aber Funde geben, zumindest von den Geschossen die ihr Ziel verfehlt haben und im Hang aufgeschlagen sind.

Es ist meines erachtens sinnvoller mit den Funden, die vorhanden sind, zu argumentieren, als sich zu überlegen, welche Funde es denn vielleicht gegeben haben müsste, die aber nicht gefunden wurden oder nicht erhalten sind, aber doch dagewesen sein müssten.

Es ist in der Archäologie dummerweise so, dass leider nicht alles gefunden wird, was man gerne hätte.
 
Nun, "große Schlacht" für das Ende des Varus??
Dann bleibt als deutliches Argument gegen den Angivarier Wall die sehr späte Grablege der römischen Legionäre (Tatsache).
Wie die Zahl der Funde für eine große Schlacht zu Ende des Varuszuges zu gering erscheint, müßte das nicht auch für die siegreiche Schlacht am Angrivarierwall eher gelten?

Da nun oben auf dem Wall ganz sicher keine Germanen gestanden haben, so doof kann keiner sein, sich dahin zu stellen, wo römische Geschütze hinschießen, da geht man besser in Deckung, hast Du natürlich recht mit Fehlschüssen und den zu erwartenden Funden hinter dem Wall.

Nur, bei der Lage der Funde, eine Schlacht, relativ viele Tote, Jahre nach dem Tod begraben bleibt nur der Schluß, es müssen Menschen diese begraben haben. Und nur Angehörige hatten damals ein Interesse, die gefallenen Legionäre zu bestatten. Zur Zeit der Grablege war die Umgebung für die Angehörigen Feindesland. Zur Sicherung der Aktion sind Geschütze zum Niederhalten/Vertreiben "neugieriger Germanen" von Vorteil. Damit erklären sich diese Einzelfunde als Schüsse auf "Kundschafter" wesentlich leichter als als "Reste größeren Beschusses"

Es ist nun mal mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermuten, das römische Legionäre 2x in Kalkriese waren. Einmal zum Sterben/Kämpfen und einmal zum beerdigen. Und beim letzten Besuch hat der Troß ganz sicher eine Menge Wagenspuren hinterlassen. Und der zweite Zug der Römer wurde bestimmt auch von anwohnenden Germanen argwöhnisch beobachtet, so das anzunehmen ist, das auf diese auch geschossen wurde.
 
sehr viele der in Hedemünden gefundenen Katapultbolzen steckten senkrecht im Boden (Grote). Spricht doch eigentlich für eine Kopflastigkeit.

Gruss
jchatt
Das hat mit Kopflastigkeit wenig zu tun. Ein Geschoss, welches horinzontal abgeschossen wird, kann nur dann vertikal auf den Boden auftreffen, wenn es sich im Flug überschlägt. Dann wäre es für militärischen Gebrauch aber nutzlos. Senkrecht im Boden steckende Pfeile oder Bolzen deuten deshalb darauf hin, dass auf große Entfernung und damit in steilem Winkel geschossen wurde. Dann führt die Befiederung am "Ende" des Pfeils oder Bolzens dazu, dass die schwere(re) Spitze dem Zug der Schwerkraft schneller folgt als das "Hinterteil", welches mit einer leichten, aber großflächigen Befiederung versehen ist und damit durch den Luftwiderstand stark abgebremst wird und der "beweglicheren" Spitze entsprechend "unwillig" folgt.

nun, das mit der Kopflastigkeit ist Geschmackssache, genauso wie das Pfeilgewicht Pfeilen für Bögen. Da sollte man wenig drauf geben.
Ach komm, das meinst Du jetzt nicht ernst, oder? Du als Bogenschütze weißt doch recht gut, dass das Gewicht des Pfeils und das Gewicht der Pfeilspitze großen Einfluss auf das Flugverhalten und damit auf die Visiereinstellung (Treffgenauigkeit) hat. Du weißt auch, dass Gewicht und Gewichtsverteilung des Pfeils im Laufe des Feintunings an die Zugkraft des Bogens angepasst werden müssen. Wählt man die Zugkraft stärker oder schwächer, muss man schwerere oder leichtere Pfeilspitzen verwenden.

Nur: Was nutzte das den Römern? Die Zugkraft ihrer Torsionsgeschütze war nicht "variabel". Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass man bei den Dingern die Wurfarme tauschen konnte. Die Römer haben ihre Waffen mit quasi "industriell standartisierten" Verfahren hergestellt. Die Genauigkeit, mit der die Bedienungsmannschaft eines "Scorpions" schießen konnte, hing von der Einheitlichkeit der Geschosse ab.

Das alles führt aber vom Thema weg: Die Bolzenspitze auf der Abbildung ist nunmal deutlich kürzer als 100mm.

Ob es andere Bolzenspitzen für andere Zwecke gab oder ob am Oberesch nur solche oder auch andere Bolzenspitzen (oder sonstige Geschossspitzen) gefunden wurden, weiß ich nicht. Vielleicht kennt ja jemand die Grabungsbefunde und kann mehr dazu sagen.

MfG
 
Die Fundstelle 100 auf der der mögliche Hortfund und die wahrscheinlichen Wagenspuren gemacht wurden liegt etwa 350m nördlich vom Oberesch und östlich der Stelle wo der Heerzug laut der Karte eine Verschwenkung vom Hangsandbereich auf den Flugsandrücken machte.
Die mir vorliegende Karte weist auch schon östlich der "Verschwenkungs-Stelle" römische Funde aus. Und damit nochmal: Dieser Befund widerspricht Deiner Aussage, dass dort nicht gesucht worden sei. Und er erklärt immer noch nicht, warum die Masse der Funde nicht auf den Flugsanden sondern auf der Hangsandzone gemacht wurde. Er erklärt auch nicht, warum auf der Hangsandzone Gefallene zur Plünderung zurückblieben, auf der Flugsandtrasse aber nicht.

Worauf willst Du eigentlich hinaus?

Darauf, dass der Flugsandrücken AUCH von den Römern benutzt worden ist? Kann ja sein. Dort wurde aber offenbar nicht gekämpft. Besser: Dort haben mögliche Kämpfe jedenfalls nicht so einen Verlauf genommen, dass die Römer ihre Gefallenen zurücklassen mussten. Macht das die Angrivarierwall-Theorie wahrscheinlicher? Den Quellen zufolge hätten auf der Seite doch die Germanen sein sollen, nicht die Römer.

Oder willst Du darauf hinaus, dass die Römer vom Flugsandrücken aus den Wall beschossen haben sollen? Eher unwahrscheinlich, oder? Zur Schlacht am Angrivarierwall würde es zudem auch nicht passen, weil dann der Beschuss vom Berghang aus hätte erfolgen müssen.

Oder willst Du uns sagen, dass die Verluste vor dem Wall "unnötig" waren, weil die Römer doch jederzeit zum anderen Sandrücken hätten überwechseln können? Dann bleibt nur die Frage offen: Warum haben sie es nicht einfach gemacht, wenn es doch so einfach war? Warum gibt es vor dem Wall so viele Kampf- bzw. Plünderungsspuren? Sind dort nur die Legionäre umgekommen, die zu faul waren, den Umweg durch den Schmodder auf sich zu nehmen?

Mit Sicherheit wurde auch der nahe gelegene Hangbereich des ausstreichenden Kalkrieser Berges abgeplaggt. Und zwar in einer derart massiven Weise, dass hinter dem Wall keine Funde mehr auffindbar waren. Hier liegt ein entscheidender Grund vor, die gesamte Situation in Kalkriese neu zu überdenken und zu bewerten.
Das ist in der Tat ein bedenkenswerter Ansatz. Wie viele der Funde, die eigentlich "hinter" dem Wall hätten gemacht werden müssen, sind wohl im Zuge der Plaggenwirtschaft in den Bereich "vor" dem Wall verschleppt worden?

Das löst allerdings immer noch nicht den Widerspruch auf, dass den schriftlichen Quellen zufolge bei der Schlacht am Angrivarierwall die (siegreichen) römischen Truppen am Hang gestanden haben müssten, die Germanen hingegen am Rande des Sumpfes. Also genau in dem Bereich, in dem Deiner Meinung nach intensiver nach Spuren eines römischen Durchzugs gesucht werden müsste.

Siehe:
Wohlgemerkt, es müsste aber Funde geben, zumindest von den Geschossen die ihr Ziel verfehlt haben und im Hang aufgeschlagen sind.
Wieso? Wäre es die Schlacht am Angrivarierwall, hätten die Römer genau in die entgegengesetzt Richtung geschossen.

MfG
 
Maleon, stimmt, Schwerpunkt und Gewicht haben einen Einfluß auf das Flugverhalten. Aber kenne ich beides, kann ich mit unterschidlichsten Pfeilen treffen. Für sowas gibts Tabellen oder Erfahrungswerte, wenn man nicht lesen kann. Oder entsprechende Markierungen am Geschütz. Genauso, wie wohl jeder Richtschütze auch bei den Römern seine Entfernungsmarkierungen etc hatte. Und auch anzunehmen ist doch wohl, das auch die Römer sich "ihr Wetter" geschossen haben. Je nach dem wie naß das Torsionspaket ist, ist auch die Wurfleistung. Und bei 300 m Kampfentfernung machen auch Wind und andere Einflüße etwas aus. Auf deutsch, wie jeder andere Artillerist auch, haben die mit aller Wahrscheinlichkeit ihr Geschütz aufgebaut und ein und festgeschossen. Wenigstens einen Schuß auf bekannte Entfernung.
 
Römische Funde wurden hauptsächlich am Fuße des Kalkrieser Berges zwischen Venne und Oberesch gemacht, und ein weiteres Hauptgebiet mit Funden scheint sich von Oberesch aus nach Westen aufzufächern. Ich hätte eher erwartet, dass das Gebiet mit Funden bei der Engstelle bei Oberesch mehr oder weniger abrupt enden würden, weil Varus dort dann gestoppt und eingekesselt wurde ("Daher schlossen sie die Römer mühelos ein und machten sie nieder").
Wenn die Varusschlacht also bei Kalkriese geendet hätte, machen es die Funde eher wahrscheinlich, dass der von Osten von der Weser kommende Varus zuerst zwischen Venne und Oberesch gegen Germanen gekämpft hat, die den Höhenzug des Kalkrieser Berges besetzt hatten. Gegen Ende der mehrtägigen Varusschlacht hätte er sich aber nur noch auf größere Kamofhandlungen eingelassen, wenn er auf der Flucht in Richtung Rhein durch ein Hindernis aufgehalten worden wäre, was in diesem Fall dann die Engstelle zwischen dem Kalkrieser Berg bei Oberesch und dem großen Moor nördlich des Kalkrieser Berges war.
Gemäß der Fundsituation wäre es Varus dann gelungen, die mit dem Wall bei Oberesch befestigte Engstelle nach Westen zu durchbrechen, danach wurde er aber dann dennoch besiegt. Das ist denke ich unwahrscheinlich.

Zum Einen halte ich es für unwahrscheinlich, dass Varus mit der am Ende des mehrtägigen Gefechtes noch lebenden und sicher sehr geschwächten Resttruppe das Kampfgebiet von Oberesch ausgehend noch mehrere Kilometer nach Westen ausdehnen konnte. Auch das zu diesem Zeitpunkt noch einsatzbereite Geschütze zur Verfügung standen halte ich für unwahrscheinlich. Die Wagen des Trosses wurden ja irgendwo beim ersten Marschlager verbrannt, und wer hätte die Geschütze dann noch zu Fuß mitschleppen wollen? Maultiere blieben natürlich auch noch, aber viele der Maultiere dürften am Ende der Schlacht auch schon verspeist gewesen sein, den Großteil der Nahrungsmittel hatte man ja auch mit den Wagen verloren.

Zum Anderen ist es denke ich unwahrscheinlich, dass Varus die Schlacht noch verloren hätte, wo er die Engstelle doch schon durchbrochen hatte. Weil dann hat man doch sowohl die Aktion als auch das psychologische Moment auf seiner Seite, da verliert man eine Schlacht doch eigentlich nicht mehr. Auch wäre die Kampflinie wieder so weit ausgedehnt, dass eine Einkesselung hier nicht mehr gegeben gewesen wäre. In dem Fall hätte sich Varus auch nicht ergeben müssen, sondern die Römer hätten durch die Lücken des Gefechts nach Westen flüchten können.

Es könnte natürlich sein, dass es der erste Überfall auf Varus war, der bei Kalkriese stattfand. In dem Fall sollten direkt westlich des Fundgebietes von Kalkriese oder ein Tagesmarsch weiter westlich die Überreste eines Marschlagers zu finden sein, je nachdem ob Varus am Abend direkt nach der Schlacht das erste Marschlager angelegt hat, oder erst am Abend des darauf folgenden Tages.
Unter der Annahme, dass die Römer nach dem ersten Überfall so schnell wie möglich zum Rhein wollten und daher in Richtung Westen flüchteten, wäre das Ende der Varusschlacht dann 2 oder maximal 3 Tagesmärsche westlich vom Kalkriese gewesen, eine Marschleistung (unter ständigen Angriffen der Germanen) von 10 bis 15 km pro Tag annehmend demnach irgendwo zwischen der Düsterdieker Niederung und Recke. Nun müste man überprüfen, in wie weit Moore die Römer in ihrer Bewegung eingeschränkt haben könnten, aber so rein topogrofisch scheint mir das Gelände dort nicht mehr geeignet zu sein, mehrere Tausend Legionäre in Bedrängnis zubringen, die nach dem ersten Überfall ja noch übrig waren ("Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen").
Aliso, wohin die Überlebenden der Schlacht flüchteten, hätte dann noch weiter westlich gelegen, etwa bei Rheine. In diesem Gebiet müssten also Hinweise auf ein großes Standlager zu finden sein.

Irgendwie erschließt sich mir dieses Szenario nicht so richtig, vielleicht bin ich aber als Anhänger der Südtheorie auch einfach nicht objektiv genug. Und die Fundregion Kalkriese ist natürlich auch noch nicht vollständig prospektiert.

Eine Frage drängt sich mir aber natürlich noch auf: Wieso wird der Wall in keiner einzigen der antiken Quellen erwähnt, obwohl er eben so wichtig für die Schlacht wie ungewöhnlich für die Kampfvorbereitung der Germanen war?
Man macht den antiken Schriftstellern ja oft den Vorwurf, dass sie in ihren Berichten über die Varusschlacht übertreiben würden. Wieso sollten sie so ein tolles Action-Detail wie einen Wall, der von Torsionsgeschützen beschossen wird, auslassen?


Tut mir leid wenn das alles schon hundert mal diskutiert wurde, aber der Thread ist ein wenig unübersichtlich geworden.


/LEG
 
was genau da war, werden wir wohl nicht erfahren. Man darf 2 Dinge nicht vergessen, die Beschreiber der Situation haben auf Grund von Akten und Berichten das ganze für ihre Leser verständlich ausgearbeitet, ihre Lücken der Lesbarkeit halber eventuell mit Phantasie gefüllt und, nach den Funden waren eine geschlagene und eine siegreiche Armee im Abstand weniger Jahre vor Ort. Und das Schlachtfeld wurde geplündert, die Plünderer haben vielleicht sogar auf ihrem Rückzug noch einen Teil der Beute wieder weggeworfen.
Dann die Abplaggaktionen sowie , auch nicht ganz zu vernachlässigen, die Jugendlichen, die heute wie zu meiner Zeit , Großvaters Zeiten usw. solche Orte als Mutprobe aufsuchen, Stücke als Beweis mitbringen und dann wegwerfen. Das sind zwar nicht viele Fälle, aber die summieren sich im Lauf der Jahre und verfälschen das Fundbild heute zusätzlich. Dazu die ganzen entfernten Lesefunde früherer Zeiten. Kalkriese ist uns ja nun wirklich nicht als ungestörtes Bodendenkmal überkommen
 
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Eine Frage drängt sich mir aber natürlich noch auf: Wieso wird der Wall in keiner einzigen der antiken Quellen erwähnt, obwohl er eben so wichtig für die Schlacht wie ungewöhnlich für die Kampfvorbereitung der Germanen war?
... /LEG


Moin

Zum einen ist die Varusschlacht ja alles andere als lückenlos beschrieben, zum anderen könnte es ja sein, dass der Wall eben nicht kampfentscheidend war! Wenn die Legionen bereits vor Kalkriese stark dezimiert wurden, kam der "Falle" am Wall möglicherweise nur noch eine "Abstauberrolle" zu!

Gruß
Andreas
 
Die Wagen des Trosses wurden ja irgendwo beim ersten Marschlager verbrannt, und wer hätte die Geschütze dann noch zu Fuß mitschleppen wollen?

Abgesehen davon, dass diese Information nur bei Cassius Dio zu finden ist, etwa zweihundert Jahre nach der Schlacht, ist das eine der am häufigsten falsch paraphrasierten Angaben zur Varusschlacht aus den historischen Quellen. Cassius Dio schreibt nämlich, dass die meisten Wagen (πλείους ἁμάξας) verbrannt wurden, und was nicht benötigt wurde. Aber wie gesagt, er schreibt im Abstand von 200 Jahren.


Maultiere blieben natürlich auch noch, aber viele der Maultiere dürften am Ende der Schlacht auch schon verspeist gewesen sein, den Großteil der Nahrungsmittel hatte man ja auch mit den Wagen verloren.

Wenn man sich dann schon auf Cassius Dio trotz der 200 Jahre zwischen der Schlacht und ihm stützt, dann sollte man berücksichtigen, dass ihm zufolge eben das verbrannt oder zurückgelassen wurde, was nicht benötigt wurde. Dies dürfte nicht für Nahrungsmittel und Waffen gelten.
Desweiteren waren die Römer gerade vier Tage unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in diesen vier Tagen anfingen, ihre Maultiere zu schlachten und zu fressen, ist nicht gerade hoch. Ist ja nicht so, dass es tiefster Winter gewesen und über Monate gedauert hätte, was sie dort erlebten.

Zum Anderen ist es denke ich unwahrscheinlich, dass Varus die Schlacht noch verloren hätte, wo er die Engstelle doch schon durchbrochen hatte.

Warum?!?

Weil dann hat man doch sowohl die Aktion als auch das psychologische Moment auf seiner Seite, da verliert man eine Schlacht doch eigentlich nicht mehr.
Es gibt in der Weltgeschichte jede Menge Schlachten, die scheinbar gewonnen noch verloren gingen. Und Pyrrhussiege. Der Durchbruch sagt also gar nichts. Das Auffächern der Funde hinter Kalkriese nach Westen hin sagt viel mehr etwas über die Auflösung von Kommandostruktur und Disziplin aus.

aber so rein topografisch scheint mir das Gelände dort nicht mehr geeignet zu sein, mehrere Tausend Legionäre in Bedrängnis zubringen, die nach dem ersten Überfall ja noch übrig waren ("Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen").

Aliso, wohin die Überlebenden der Schlacht flüchteten, hätte dann noch weiter westlich gelegen, etwa bei Rheine. In diesem Gebiet müssten also Hinweise auf ein großes Standlager zu finden sein.

Aliso lag nach Aussage der Quellen an der Lippe. Es wird häufig (aber nicht unumstritten) mit Haltern identifiziert. Ein prähistorischer Weg, der an Kalkriese vorbeiführt, zwischen Trier und Bremen querte genau bei Haltern die Lippe, der Hilinciweg.

Eine Frage drängt sich mir aber natürlich noch auf: Wieso wird der Wall in keiner einzigen der antiken Quellen erwähnt, obwohl er eben so wichtig für die Schlacht wie ungewöhnlich für die Kampfvorbereitung der Germanen war?
Eigentlich haben wir nur einen einzigen richtigen Schlachtbericht. Das Problem - du ahnst es schon - ist, dass er von Cassius Dio stammt.
Florus behauptet Varus sei in seinem Lager überfallen worden, Tacitus berichtet von der Begehung des Schlachtfeldes. Alle anderen berichten lediglich, dass es eine Schlacht gab, ohne aber weiter auf die Details einzugehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Maultiere blieben natürlich auch noch, aber viele der Maultiere dürften am Ende der Schlacht auch schon verspeist gewesen sein, den Großteil der Nahrungsmittel hatte man ja auch mit den Wagen verloren.
Wenn man sich dann schon auf Cassius Dio trotz der 200 Jahre zwischen der Schlacht und ihm stützt, dann sollte man berücksichtigen, dass ihm zufolge eben das verbrannt oder zurückgelassen wurde, was nicht benötigt wurde. Dies dürfte nicht für Nahrungsmittel und Waffen gelten.
Desweiteren waren die Römer gerade vier Tage unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in diesen vier Tagen anfingen, ihre Maultiere zu schlachten und zu fressen, ist nicht gerade hoch. Ist ja nicht so, dass es tiefster Winter gewesen und über Monate gedauert hätte, was sie dort erlebten.

Ich hab's noch mal nachgelesen: Wenn man Cassius Dio folgt, hätte die (militärtaktisch unkluge) Verbrennung der Wagen - wie gesagt nur der Wagen mit Dingen, die man nicht benötigte - irgendwann zwischen dem Abend des zweiten Tages und dem Weitermarsch des dritten Tages stattgefunden. Wenn man dies also als gegeben annimmt und weiterhin damit annähme, dass die Nahrungsmittel völlig aufgebraucht wären, wofür es allerdings keinen Grund gibt, dann hätten die Römer maximal zwei Tage gehungert. Für gesunde erwachsene Menschen stellt das kein Problem dar.

aber so rein topografisch scheint mir das Gelände dort nicht mehr geeignet zu sein, mehrere Tausend Legionäre in Bedrängnis zubringen, die nach dem ersten Überfall ja noch übrig waren ("Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen").

Diesen Abschnitt habe ich zwar in meinem vorherigen Posting zitiert, aber irgendwie ist die Antwort darauf untergegangen. Mir ist nicht so recht begreiflich, warum du ein Gelände, welches du - warum überhaupt? - mit einem fortgeschrittenen Stadium der Varusschlacht in Verbindung bringst, mit einem Tacitus-Zitat garnierst, welches entweder einen Zeitpunkt vor dem Angriff oder während eines frühen Stadiums des Angriffs markiert.
 
nun, oben im Thread wurde auch das mit dem Zurücklassen/Verbrennen der Wagen erwähnt.
Glaubt man also Cassius Dio, es soll ja auch heute "Geschichtsschreiber/Populärhistoriker" geben, die 200 Jahre alte Ereignisse halbwegs korrekt wiedergeben, so hat Varus seine "Friedensarmee" durch das Zurücklassen von Dingen (und wohl auch Menschen und Tieren) wieder in eine schlagkräftige römische "Kriegsarmee" ohne unnötigen Ballast verwandelt.

Was dabei als notwendig erachtet wurde, wissen wir nicht, es gibt da allerdings den Fund , der als Bettgestell gedeutet wird.

Was mich wundert, Funde römischer Handmühlen oder Teilen davon sind nicht erwähnt. Jdenfalls habe ich nichts davon gelesen.
Selbst wenn auch nur noch 3200 Römer an der Schlacht beteiligt waren, wären das so ~ 400 Mühlen. Die waren alle auf Maultieren befestigt und etliche dürften entweder unter den toten Tieren begraben worden sein oder wurden im Kampfgetümmel verloren .
Da sich mit so einem Ding kaum einer abschleppt, müssten die liegengeblieben sein. Die Frage, wo?
 
Zuletzt bearbeitet:
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Was mich wundert, Funde römischer Handmühlen oder Teilen davon sind nicht erwähnt. Jdenfalls habe ich nichts davon gelesen.
Selbst wenn auch nur noch 3200 Römer an der Schlacht beteiligt waren, wären das so ~ 400 Mühlen. Die waren alle auf Maultieren befestigt und etliche dürften entweder unter den toten Tieren begraben worden sein oder wurden im Kampfgetümmel verloren .
Da sich mit so einem Ding kaum einer abschleppt, müssten die liegengeblieben sein. Die Frage, wo?

Dürften unter den Objekten sein, die von den anwohnenden Germanen bevorzugt aufgelesen wurden, so wie Kochtöpfe und andere direkt verwertbare Gebrauchsgegenstände.
 
über 400 Stück? Die müssten sich dann im Fundgut germanischer Siedlungen dieser Zeit finden, und zwar gehäuft.
 
im Gegensatz von Stahl rostet Stein nicht und läßt sich auch nicht umarbeiten.
Mein Prof meinte mal, wär Auto fährt, fährt mit einem Teil eines römischen /keltischen usw Schwerts durch die Gegend. Zwar eines ganz winzigen , aber immerhin.
Eisen und Gold sind die am meisten recycleten Metalle
 
Steinerne Mühlen können zwar nicht eingeschmolzen werden aber sie nutzen ab. Irgendwann taugt sie als Mühle nicht mehr, wird dann vielleicht noch als Wetztstein verwendet und landet am Ende als Fuß für einen Trog oder Teil eines Fundaments im Boden. Ob man es dann noch erkennen kann als das was es einst war, ist fraglich.
 
Handmühlen, insbesondere aus Eifelbasalt, waren sehr begehrt. Die aus Eifelbasalt, weil sie besonders wenig Abrieb (Steinchen zwischen den Zähnen) hatten. Auch in der Spätantike und im FrühMA noch ein äußerst beliebtes Handelsgut (wenn nicht Luxusgut). Das würde zumindest erklären, warum Handmühlen - wenn sie denn tatsächlich wenig bis gar nicht gefunden wurden - so wenig auftauchen.

Edit: Wikipedia-Artikel "Weser" sagt, leider ohne nähere Literaturangabe:
Schon die Römer befuhren bei der versuchten Eroberung Germaniens mit ihren Schiffen die Weser. Eine römische Flottenstation wurde bei Bremen-Seehausen ausgegraben. Trotz der Varusschlacht gab es weiterhin Handel entlang der Weser mit Produkten aus dem Römerreich. So wurden an Mittel- und Unterweser und Hunte zahlreiche römische Mahlsteine aus Eifel-Basalt gefunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gut, dann ist das ja auch geklärt. Erbeutete Steine und gekaufte lassen sich nun mal nicht unterscheiden, eine Jahreszahl oder eine Seriennummer hatten die ziemlich sicher auch nicht und von Inventarnummern oder ähnlichen Kennzeichnungen für Armeemühlsteinen ist wohl auch nicht auszugehen.
Auch wenn beim Untergang der Varuslegionen so ganz grob 1500 Handmühlen verloren wurden, sie dürften sich kaum im Fundgut der Jahrhunderte identifizieren lassen.
 
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