Sehe ich auch so. Dieser Einwand richtet sich jetzt nicht an Dich, sondern an Maelo, der ja die Auffassung vertritt, dass Kalkriese der Ort der Schlacht am Angrivarierwall ist. Am Angrivarierwall wurden - den Quellen zufolge - die Wurfgeschütze gerade nicht "sparsam" eingesetzt. Vielmehr wurde die Infanterie zurückgezogen und die Germanen wurden allein durch den Beschuss vom Wall getrieben. Da muss mehr geflogen sein, als nur 17 heute noch auffindbare Geschosse. Ich glaube deshalb nicht, dass diese 17 Geschossspitzen eine grundlegende Neubewertung der Ereignisse von Kalkriese erforderlich machen.
MfG
Ich würde noch nicht so vorschnell meine Schlussfolgerungen ziehen, denn ich habe noch einige Pfeile im Köcher.
Es ist durchaus legitim die Anzahl der Geschossspitzen auf ein kleines Maß zu relativieren um seinen Standpunkt zu stärken. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass an diesem Ort auf Einwürfe darauf, dass dieses Fundspektrum in der Kalkrieser Senke doch eher klein ist für eine große Varusschlacht, geantwortet wurde, dass nach zweitausend Jahren, nachdem das Schlachtfeld oftmals abgesucht wurde und vielen anthropogenen Veränderungen unterlag, doch sehr umfangreich ist und doch auf eine große Schlacht hindeutet. Im Vergleich zu den anderen aufgefundenen Waffenteilen ist der Komplex der Geschosse als nicht klein zu werten.
Die Aufgefundenen Geschosse sind wohl vorrangig auf den Wall aufgetroffen und dort stecken geblieben. Nach der Schlacht wurden sicherlich viele Geschosse anhand der aus dem Wall ragenden Schäfte wieder eingesammelt. Viele der Geschosse die gänzlich in das Wallmaterial eingedrungen sind dürften in späteren Jahrzehnten oder Jahrhunderten, als der Wall in sich zusammenfiel und sich das Wallmaterial verteilte wieder an die Oberfläche gelangt sein und dort aufgesammelt, verlagert oder korrodiert sein. Sind unter diesen Umständen diese 17 bis in unsere Tage erhalten gebliebenen Geschossspitzen wenig? Zu wenig? Wer kann das beurteilen.
Wie bereits geschrieben handelt es sich bei den Geschossen die aufgefunden wurden um Fehlschüsse die ihr Ziel unterschossen und damit verfehlt haben, und im Wall aufgeschlagen sind. Die Torsionsgeschütze der Römer waren nach den Rekonstruktionen zu urteilen recht zielgenau und das Ziel was anvisiert wurde war sicherlich der Oberkörperbereich der auf dem Wall stehenden Germanen. Unter diesen Umständen sind Geschosse die im Wall auftreffen als beträchtliche Fehlschüsse zu werten mit einer Abweichung von mehr als 1,5m, rechnet man den Brustbereich als Ziel. Die Flugbahn der überwiegenden Mehrzahl der Geschosse wird höher als der Wall geflogen sein.
Zumindest ist sicher, dass der Wall mit Geschossen über eine ziemliche Breite bestrichen wurde, was einem Szenario zu der Schlacht am Angrivarierwall entsprechen würde.
Aber was ist mit den Geschossen die den Gegner nicht getroffen haben und an ihrem Ziel seitlich vorbeigeflogen sind oder es überflogen haben. Diese Fehlschüsse müsssen hinter dem Wall im Hangbereich eingeschlagen und ähnlich wiederzufinden sein wie bei der Schlacht am Harzhorn. Aber hier am Kalkrieser Berg Fehlanzeige. Fast keine Funde in irgendeiner Art im anstreichenden Hangbereich hinter dem Wall. Ungewöhnlich bis fast nicht Nachvollziehbar.
Es hat lange Zeit gedauert bis bei mir der Groschen gefallen ist, aber dann umso lauter. Die Erklärung dazu ist so simpel und dabei so einleuchtend, dass es fast schon weh tut.
Der Wall in der Niewedder Senke wurde fast exakt auf der Felsgesteinkante erbaut, also dem Übergang zwischen Hangbereich und Hangsandbereich. Nördlich dieser Linie wurde hier seit dem späten Mittelalter die Eschwirtschaft betrieben. Der Eschauftrag auf dem Oberesch ist mit teilweise über einem Meter Mächtigkeit als sehr hoch zu betrachten. Bei den Untersuchungen auf dem Oberesch wurde zwar der Frage nachgegangen ob mit dem Jahrhunderte andauernden Eschauftrag auch Funde zum Oberesch umgelagert wurden, jedoch der Frage zu wenig Beachtung geschenkt woher der Eschauftrag stammt. Mit Sicherheit wurde auch der nahe gelegene Hangbereich des ausstreichenden Kalkrieser Berges abgeplaggt. Und zwar in einer derart massiven Weise, dass hinter dem Wall keine Funde mehr auffindbar waren. Hier liegt ein entscheidender Grund vor, die gesamte Situation in Kalkriese neu zu überdenken und zu bewerten.
Bisher galt der Umstand dass hinter dem Wall keine Funde gemacht wurden als Beweis dafür, dass die Germanen mit der Wallstellung einen Sieg gegen die Römer errungen haben, weil demnach nicht hinter dem Wall gekämpft wurde. Und das ungeachtet der Tatsache, dass ein solcher Wall normalerweise kein allzu großes Hindernis für eine römische Armee darstellte und der Wall mutmaßlich schon während der Kampfhandlungen eingestürzt ist. Keine Funde hinter dem Wall-kein Kampf hinter dem Wall. Wenn aber das gesamte Terrain hinter dem Wall über einem langen Zeitraum der Eschwirtschaft unterlag und regelmäßig abgeplaggt wurde, dann kann es hinter dem Wall keine Funde mehr geben. Wohlgemerkt, es müsste aber Funde geben, zumindest von den Geschossen die ihr Ziel verfehlt haben und im Hang aufgeschlagen sind.