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Quelle: http://www.ndr.de/geschichte/chronologie/nszeitundkrieg/stadthaus137_page-2.html Hamburger Polizisten als Täter beim Nazi-TerrorSo wurden aus den Reihen der Ordnungspolizei besonders skrupellose Mitarbeiter für das berüchtigte "Kommando zur besonderen Verwendung" (K.z.b.V.) rekrutiert. Das Kommando führte Razzien ganzer Straßenzüge durch und war wegen seiner schweren Misshandlungen gefürchtet, mit denen es "Geständnisse" erpresste. [...] Die Hamburger Ordnungspolizei war auch mit einigen Bataillonen im Kriegseinsatz. So sollen die rund 500 Beamten des Bataillons 101 für 38.000 Erschießungen sowie für die Deportation von 45.200 Männern und Frauen verantwortlich sein. [...] Die Zusammenarbeit zwischen Kripo und Ordnungspolizei mit der Gestapo seien in Hamburg eng verflochten gewesen, sagt der Historiker Diercks. "Durch das Zusammenwirken der Stellen entstand für die Bürger der Eindruck, die Gestapo sei allgegenwärtig, obwohl sie in Hamburg nur ein paar Hundert Leute umfasste." [...] Zusammen liefen die Fäden des polizeilichen Nazi-Terrors im Stadthaus, das bei einem Luftangriff der Alliierten 1943 schwer beschädigt wurde und für die Beamten kaum noch zu nutzen war. Der Hamburger Senat will in dem Gebäude, das 2013 an einen privaten Investor verkauft wird, eine Dokumentationsstelle einrichten. Bis dahin erinnern nur eine Gedenktafel und drei Stolpersteine auf dem Fußweg an die Gräueltaten, die im Stadthaus von Hamburger Polizisten geplant und begangen wurden.
Etkar Josef André kam am 17. Januar 1894 in der Aachener Friedrichstraße 73 zur Welt. Sein Vater Bernhard André war Kaufmann und gehörte laut Geburtsurkunde zur jüdischen Glau¬bens¬gemeinschaft, Mutter Sofie, geb. Koch, war der Religion ebenfalls beigetreten. Etkar wuchs mit einem Bruder auf. Bereits 1899 starb der Vater an Lungentuberkulose, worauf die Mutter mit den Söhnen zu Verwandten nach Lüttich, Belgien, zog. Da sie selbst auch tuberkulös war, wurden die Kinder wegen der Ansteckungsgefahr mehrere Jahre in einem Wai¬sen¬haus untergebracht. Etkar André nahm nach dem Schulabschluss eine kaufmännische Aus¬bildung auf, die ihm nicht lag, er absolvierte dann eine Lehre im Schlosserhandwerk.
Seit 1911 war er als Mitglied der Sozialistischen Partei Belgiens aktiv, später als Sekretär der Sozialistischen Arbeiterjugend in Brüssel. Da er die deutsche Staatsbürgerschaft behalten hatte, meldete er sich 1914 im Rheinland als Kriegsfreiwilliger, wenn auch zu Beginn nur mit geringen deutschen Sprachkenntnissen. Als Soldat im Inf.-Res.-Regiment 236 Köln-Deutz nahm er an den Kämpfen an der Flandernfront teil, geriet 1918 in französische Kriegsge¬fan¬genschaft und wurde 1920 entlassen. Seine freiwillige Kriegsteilnahme hat er später bedauert. Zunächst hielt er sich dann ab 1920 in Koblenz auf, wo er sich der Sozialistischen Ar¬bei¬ter¬jugend und der SPD anschloss. Auf der Suche nach Arbeit gelangte er 1922 nach Ham¬burg und war als Schau¬er¬mann im Hafen beschäftigt, zeitweilig auch als Bauarbeiter. Er wurde Mit¬glied im Deutschen Bauarbeiter-, später im Deutschen Transportarbeiterverband. Ein Schwer¬punkt seiner Partei- und Verbandsarbeit bestand darin, sich um die Belange der Ar¬beits¬losen zu kümmern, immer mehr haderte er aber mit der Politik der SPD und trat Anfang 1923 der in seinen Augen politisch konsequenteren KPD bei.
Schon bald gehörte er zum engeren Kreis um Ernst Thälmann, seine offene, kameradschaftliche Art, seine Hilfs-be¬reitschaft und sein soziales Engagement mach¬ten ihn sehr beliebt, für jeden hatte er ein Ohr. Auch jetzt setzte er sich weiter stark für die Interessen der Arbeitslosen und ihrer Fami¬lien ein, deren mate¬rielle Not ihn erschütterte. Bis 1925 war Etkar André Führer der Er¬werbs¬losen¬bewegung in Hamburg. 1924 gehörte er zu den Gründern des Roten Frontkämpferbundes Was¬¬serkante – Ernst Thälmann bezeichnete den RFB als "anti-faschistische Schutz- und Wehr¬organisation des Pro¬letariats" –, und war deren Leiter, außerdem Mit¬glied der 1925 in Ham¬burg gegründeten Roten Ma¬rine. Ähnlich wie Betriebsgruppen des RFB in den Fabriken sollten in ihrem Namen Bordgruppen unter den Besatzungen aller See- und Handelsschiffe ent¬ste¬hen, bei gegenseitiger Hilfe und Unterstützung der An¬gehörigen. RFB und Rote Marine unterstützen u.a. den Kampf der KPD gegen den Neubau von Pan¬zer¬kreuzern der Reichs¬marine oder übernahmen die Sicherung von Wahllokalen und Veranstaltungen, beide wurden 1929 verboten. Ihre Mitglieder blieben auch in der Illegalität überwiegend aktiv, André für die Nachfolgeorganisation "Kampfkomitee gegen das RFB-Verbot".
Als politischer Leiter des KPD-Gaues Wasserkante erhielt er ein kleines Salär von monatlich 100,– RM. Für die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter übernahm er, geschult in der Reichspartei¬schule der KPD, Aufgaben als Instrukteur und Pro¬pa¬gan¬dist, was aufgrund seiner Franzö¬sisch¬kenntnisse auch mit Reisen nach Belgien und Frankreich verbunden war. André war mehr Aktivist als Parteifunktionär, er sah sich als "Mann von der Straße", begegnete seinen Mitmenschen in Augenhöhe und mit Respekt, gleichzeitig galt er als umsichtig, kühn und entschlossen, packte mit an, wo es erforderlich war und blieb immer fair. Dafür wurde er ge¬schätzt. Innerhalb des Parteiapparats war seine Rolle nicht herausragend, er gehörte weder dem Zentralkomitee noch dem Politbüro an, nahm weder an programmatischen Ausein¬an¬der¬setzungen teil noch an innerparteilichen Flügelkämpfen.
Andrés Lebensgefährtin Martha Berg, geb. Schmidt, betätigte sich aktiv in der KPD-Frauen¬gruppe, sie lernten sich kennen als Parteigenossen, ab 1926 entwickelte sich eine Beziehung, obwohl Marthas Ehe noch nicht geschieden war. Daraus wurde der Vorwurf Ehebruch abgeleitet, der einer späteren Legalisierung der Beziehung im Wege stand und eine Heiratsgenehmigung verhinderte. Die beiden zogen 1928 von der Grindelallee nach Barmbek in die Adler¬straße 12, wo sie bis 1933 wohnten. Hauptmieterin der Wohnung und im Hamburger Adressbuch eingetragen war Frau Berg, Martha.
Als Abgeordneter der KPD wurde André 1928 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt, 1931 ein weiteres Mal, diesmal als Mitglied der Stadtvertretung Cuxhaven, bis 1937 zu Hamburg gehörend, wo er vorübergehend einen Zweitwohnsitz in der Poststraße 8 (bei Wesel) führte. Andrés Name war inzwischen nicht nur innerhalb der KPD und der Arbeiterbewegung ein Begriff, sondern auch allen Gegnern der kommunistischen Partei. Der RFB war in diverse Stra¬ßenkämpfe verwickelt, Konfrontationen gab es sowohl mit SA-Angehörigen als auch mit der Polizei und den SPD-nahen Reichsbannergruppen. Gegenseitige Provokationen und Rache¬aktionen zwischen NSDAP/SA und KPD/RFB hatten Verletzte und Tote zur Folge, vereinzelt gab es Schusswechsel. Etkar André als einem der bekanntesten und charismatischsten Arbei¬terf¬ührer in Hamburg wurde Verantwortung und Rädelsführerschaft für nahezu alle KPD-Aktionen unterstellt.
Im März 1931 kam es zu einem Anschlag, der wahrscheinlich ihm gelten sollte, dem aber sein Parteifreund Ernst Henning zum Opfer fiel. Henning war ebenfalls Bürger¬schafts¬ab¬ge¬ordneter, er wohnte in Bergedorf und hatte in den Vierlanden an einer Parteiveranstaltung teilgenommen. Auf der Rückfahrt in einem gut besetzten Nachtbus wurde er nach der Frage "sind Sie André?" trotz Richtigstellung von SA-Männern erschossen, weitere Fahrgäste erlitten teils schwere Schusswunden. Die Täter flüchteten anschließend, stellten sich aber später der Polizei bzw. wurden verhaftet und angeklagt. Der Tat vorausgegangen war einige Mo¬nate zuvor die Sprengung einer NSDAP-Versammlung in Geesthacht durch Kommunisten, es war zu schweren Kämpfen gekommen, bei der zwei SA-Leute getötet wurden. Ob André etwas damit zu tun hatte, ist nicht erwiesen, der Hass auf ihn hatte sich allerdings weiter vergrößert. An der Trau¬erfeier für Ernst Henning nahm Etkar André jedenfalls teil, das belegen Aussagen und Fotos.
Es war eine Gro߬ver¬¬an¬stal¬tung mit geschätzten 35000 Teil¬neh¬mern. Der Trauerzug begann in der Jar¬re¬straße vor einer damals dort befindlichen Leichenhalle. Hinter dem von berittenen Schutzleuten begleiteten Leichenwagen gingen dreißig Ange¬hö¬rige des Rotfront¬kämpferbundes mit erhobener Faust, Etkar André an der Spitze. Ihnen folgten 120 Kranzträger und 150 Fahnen und Standarten kommunistischer Gruppen aus Ham¬burg und dem Reichsgebiet, anschließend die vielen Trauergäste, überwiegend schwarz ge¬kleidet, mit Musik- und Schalmeienkapellen, es ertönten Kampflieder und Sprechchöre. Der Vorbeimarsch des Zuges zur Krematoriumshalle in Ohlsdorf dauerte über eine Stunde. An der Gedenkfeier nahmen neben Familienmitgliedern auch der Bürger¬schafts¬präsident und der Vizepräsident teil, während Ernst Thälmann die Ge¬denkrede hielt. Der größere Teil des Trauerzuges musste im Freien bleiben und demonstrierte Geschlossenheit. Auf dem Rück¬weg löste sich die Versammlung zunächst auf, doch kleinere Grup¬pen in der Fuhls¬büttler Straße sammelten sich wieder, man entrollte die Fahnen, marschierte in breiter Front zum Barm¬beker Bahnhof. Von André wird später behauptet, er habe die Führung übernommen. Die Menge steigerte sich in Sprechchöre hinein, bis es kurz vor den Bahnhofsbrücken zur Eska¬lation kam. Von der Baustelle eines Neubaus wurden Bretter und Steine geholt, eine Barri¬kade gebaut, die Straßenbahn gestoppt, es erscholl die "Inter¬na¬tio¬nale".
Zwanzig den Zug begleitende Polizisten fühlten sich immer stärker bedrängt, bis einige von ihnen die Waffen zogen und Warnschüsse, schließlich Schüsse in die Menge abgaben. Ein un¬¬beteiligter 20-Jähriger erlag einem Kopfschuss, er war sofort tot, was den Aufruhr weiter an¬heizte. Ein¬getroffene Polizeiverstärkung und Demonstranten bekämpften sich stundenlang, bis zum Barmbeker Markt zogen sich die Kämpfe hin, auf beiden Seiten gab es viele Verletzte.
Der Prozess gegen die drei 20- bis 25-jährigen Henning-Attentäter, von einem NSDAP-Funk¬tio¬när zur Tat angestiftet aber laut Parteierklärung angeblich keine Mitglieder, fand im No¬vem¬ber 1931 statt. Sie erhielten Zuchthausstrafen von je 6 bzw. 7 Jahren, verbüßten die Stra¬fen bis zum 9. März 1933 und gelangten aufgrund der Hindenburg-Amnestie in die Freiheit.
Wenige Tage zuvor, am 5. März 1933, war Etkar André verhaftet worden. Bereits seit der Macht¬¬ergreifung durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 galt André als höchst ge¬fährdet, ihm wurde von Freunden nahegelegt, Deutschland zu verlassen, doch er lehnte ab. Am 1. März zogen er und Martha von der Adlerstraße in die Zeughausstraße 4. Er beteiligte sich noch am Wahlkampf für die Reichstagswahlen am 5. März in Cuxhaven, hielt dort am 4. März eine Rede. Tags darauf fuhr er mit dem Zug zurück nach Hamburg, wo durch die Ge¬stapo unter Missachtung der Abgeordnetenimmunität seine Festnahme erfolgte. Die An¬kla¬ge gegen ihn lautete auf Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit gemeinschaftlichem, vollendetem Mord im Fall des SA-Truppenführers Dreckmann im September 1932 und versuchtem Mord in sieben Fällen bei dem schon beschriebenen Vorfall in Geesthacht im Januar 1931.
Auf ihn wartete eine dreieinhalbjährige Einzelhaft im Untersuchungsgefängnis, Zelle 122, er war laut Strafakte "streng getrennt zu halten von allen wegen Hochverrats inhaftierten Per¬sonen". Man fürchtete offenbar seinen möglichen Einfluss auf Mithäftlinge. Um die Isolation ertragen zu können, stellte er Anträge, Zeitungen halten und Bücher ausleihen zu dürfen, gern löste er Kreuzworträtsel und Schachaufgaben und bat um entsprechende Zeitungen, einen Bleistift, auch mal ein Dominospiel. Ein Antrag auf das Tragen eigener Wäsche wurde genehmigt. Martha Berg als Verlobte besuchte ihn regelmäßig, so oft sie durfte: zweimal monatlich eine halbe Stunde. Sonst kamen nur der Staatsanwalt und sein Verteidiger Dr. Grise¬bach; andere Angehörige lebten nicht in Deutschland und Freunde hatten kein Be¬suchsrecht. Mit seinem als Zahnarzt in Belgien lebenden Bruder hielt er Briefkontakt. Von Anfang 1935 gibt es den Hinweis, die Braut wolle ein Aufgebot bestellen, Etkar beantragte die nötigen Papiere, eine Trauung ist in den Gefängnisakten nicht festgehalten.
...Mir fehlt einfach das Verständnis für die Gesamtzusammenhänge. Der Konkurs des Außenhandelshauses Schlubach, Thiemer & Co., die Pleite der Norddeutschen Wollkämmerei in Delmenhorst (sollte aber auf HH keine direkten Auswirkungen gehabt haben), etc.
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