BerndHH
Aktives Mitglied
Moin zusammen,
folgendes Thema (wurde vielleicht schon angesprochen?) beschäftigt mich schon eine ganze Zeit und ich habe bislang noch keine befriedigende Antworten darauf finden können.
Es war mehrfach die Rede, dass SS-Männer, die im KZ ihren Dienst taten, systematisch dazu erzogen bzw. abgerichtet wurden, um in der Lage zu sein, ihre grausamen Taten zu begehen. Es geht um die Frage der stufenweise Entmenschlichung, die für uns aus heutiger Sicht kaum noch nachzuvollziehen ist.
Aber reicht das alles aus, um die Taten der SS-Totenkopfstandarte zu erklären? Vielleicht, denn die KZs waren hermetisch abgeschlossen und wenig drang nach außen. Am wenigsten vielleicht sogar aus der Perspektive der Täter, die ja erst einmal dahin gebracht werden mussten, um das zu tun, was kaum ein Mensch verstehen kann. Was sie dort machten, ging nur ihre Kameradschaft etwas an. Um als SS-Mannschaftsdienstgrad bei “Totenkopf” Kariere machen zu können, führte um den Zugführerlehrgang im KZ Dachau vermutlich gar kein Weg daran vorbei.
Über das wie gibt es wahrscheinlich auch gar keine Antworten, denn das ABC der Schinderei, der Schleiferei, des Drills entstammt der Phantasie der Unteroffiziere/SS-Scharführer und wurde nirgends schriftlich festgehalten. Vermutlich haben sie sich auch nur dem altpreußischen Drill wie verschärfte Geländeausbildung, Strafexerzieren, etc. bedient.
Aber möglicherweise gibt es ja Quellen, Erzählungen von Zeitzeugen, Aufzeichnungen von Eicke selbst, die etwas mehr Licht in diese Zeit bringen?
Gruss,
Bernd
folgendes Thema (wurde vielleicht schon angesprochen?) beschäftigt mich schon eine ganze Zeit und ich habe bislang noch keine befriedigende Antworten darauf finden können.
Es war mehrfach die Rede, dass SS-Männer, die im KZ ihren Dienst taten, systematisch dazu erzogen bzw. abgerichtet wurden, um in der Lage zu sein, ihre grausamen Taten zu begehen. Es geht um die Frage der stufenweise Entmenschlichung, die für uns aus heutiger Sicht kaum noch nachzuvollziehen ist.
Im Standardwerk von Eugen Kogon (Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. Verlag Karl Alber, München 1946. 44. Auflage: Heyne Verlag, München 2006. ISBN 978-3-453-02978-1, S. 56-57) findet sich folgender Hinweis:
Denn mit der Einrichtung der KL verband die SS verschiedene Nebenziele. An erster Stelle erhielten die SS-Totenkopfverbände in ihnen ihre Härteausbildung.
Zu diesem Zweck wurden alle Haß-, Macht- und Unterdrückungstriebe wachgerufen und durch Praxis wie Anschauung in den KL bis zur Weißglut entfacht. Unerbittliche, keiner menschlichen Regung mehr zugängliche Fachleute der Brutalität, die wie die Derwische hinter der Fahne ihres Propheten hermarschierten, während links und rechts die Opfer ihres Fanatismus zu Tausenden fielen – und das war es, was Himmler brauchte, wenn es galt, nicht nur das deutsche Volk im Zaum zu halten, sondern auch der Vielfalt der Welt mit ihren “minderwertigen” Rassen Herr zu werden.
Das psychologische Totenkopf-Training ließ in der Tat nichts zu wünschen übrig. Zuerst wurden die meist jungen Leute, die für den KL-Wachdienst und als sogenannte KL-Stammannschaften vorhergesehen waren, nach allen Regeln preußischer Kasernenhofkunst gedrillt: bis ihnen das “Wasser im Arsch kochte”, wie der allen Soldaten bekannte Unteroffiziers-Fachausdruck lautete.
“Damit ihr stahlharte deutsche Männer werdet und nicht als Weichlinge vor diesen Untermenschen steht!”, pflegte der Traditionsträger Eicke zu sagen. Hatten sie am eigenen Leibe genügend erfahren, was Kasernenhof bedeuten kann, so wurden sie auf die Schutzhäftlinge losgelassen. An ihnen tobten sie ihre doppelte Wut aus: die über das Ausbildungsreglement, das sie eben noch selbst zu erdulden hatten, das ihnen aber, kaum überwunden, schon als Vorbild und als Inbegriff männlichen Darseins erschien, und die Wut über die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Wer sich in der Härtepraxis als besonders tüchtig erwies, wurde rasch befördert…
Denn mit der Einrichtung der KL verband die SS verschiedene Nebenziele. An erster Stelle erhielten die SS-Totenkopfverbände in ihnen ihre Härteausbildung.
Zu diesem Zweck wurden alle Haß-, Macht- und Unterdrückungstriebe wachgerufen und durch Praxis wie Anschauung in den KL bis zur Weißglut entfacht. Unerbittliche, keiner menschlichen Regung mehr zugängliche Fachleute der Brutalität, die wie die Derwische hinter der Fahne ihres Propheten hermarschierten, während links und rechts die Opfer ihres Fanatismus zu Tausenden fielen – und das war es, was Himmler brauchte, wenn es galt, nicht nur das deutsche Volk im Zaum zu halten, sondern auch der Vielfalt der Welt mit ihren “minderwertigen” Rassen Herr zu werden.
Das psychologische Totenkopf-Training ließ in der Tat nichts zu wünschen übrig. Zuerst wurden die meist jungen Leute, die für den KL-Wachdienst und als sogenannte KL-Stammannschaften vorhergesehen waren, nach allen Regeln preußischer Kasernenhofkunst gedrillt: bis ihnen das “Wasser im Arsch kochte”, wie der allen Soldaten bekannte Unteroffiziers-Fachausdruck lautete.
“Damit ihr stahlharte deutsche Männer werdet und nicht als Weichlinge vor diesen Untermenschen steht!”, pflegte der Traditionsträger Eicke zu sagen. Hatten sie am eigenen Leibe genügend erfahren, was Kasernenhof bedeuten kann, so wurden sie auf die Schutzhäftlinge losgelassen. An ihnen tobten sie ihre doppelte Wut aus: die über das Ausbildungsreglement, das sie eben noch selbst zu erdulden hatten, das ihnen aber, kaum überwunden, schon als Vorbild und als Inbegriff männlichen Darseins erschien, und die Wut über die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Wer sich in der Härtepraxis als besonders tüchtig erwies, wurde rasch befördert…
…Was jedoch den alten Adel auszeichnete, eine gewisse Schutzfunktion für die Schwachen, wurde im Neuadel der SS ins Gegenteil verkehrt. Die männliche Sphäre der Ehre galt nur gegenüber dem arischen Blut. „Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht“, sagte der Reichsführer-SS Himmler kalt, „interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird.“ Echte Rassekrieger seien unbarmherzig, erfordern unerbittliche Härte.
Gefahr für die SS drohte von einer natürlichen Tötungshemmung, von der Scham, einer gewissen Humanitätsschwelle, die daher als Schwäche denunziert wurde. Humanitätsduselei. Demgegenüber sollte die Grausamkeit eine kalte Vernunft, die Logik der Geschichte abstrahlen. Der SS-Mann muss durch gnadenlosen Drill zuerst selbst gebrochen werden, um jene Härte zu erwerben; um zu lernen, das Wort „unmöglich“ nicht mehr auszusprechen. Hans Buchheim (Hans Buchheim: Anatomie des SS-Staates, 1965) geht sogar so weit zu sagen, „dass die Demütigung der SS-Rekruten sich qualitativ nicht von der eines (arischen, E.H.) KZ-Häftlings unterschied.“ Das ärgste Schimpfwort war Schlappschwanz; einen heulenden SS-Mann durfte es nicht geben. Als Ergebnis dieser Erziehung kamen Männer heraus, denen die Ermordung der „Untermenschen“ als ritterliche Tat erschien – wie die Arbeit eines Arztes, der Müllbeseitigung. Dabei ging es weniger um eine ideologische Indoktrination als um die Form eines Habitus, der die Härte der Ausbildung, die Härte der Mordarbeit durch Formen einer bestimmten Kameradschaft auffing. Selbst die individuelle Liebe zur Ehefrau, zur Freundin, diente zur Entlastung, zur Schuldabwehr. Ein Wehrmachtsleutnant schwärmte noch in seinen Erinnerungen von der „prachtvollen männlichen Erscheinung, der typischen, bei der Waffen-SS anzutreffenden Elite.“ (Quelle: Ernst Hanisch: Männlichkeiten: eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, Böhlau Verlag, 2005, ISBN: 978-3205773146)
Für mich ist diese Erklärung immer noch zu dünn. Aus falsch verstandener Kameradschaft zum Mörder werden? Gut, die Ausbildung der SS war hart, sehr hart. Weil der Scharführer, der Rottenführer einen Rekruten zur Sau gemacht hat? Weil der Rekrut die Patronen mit dem Mund aufheben musste, die er vorher unachtsam fallen ließ? Weil er zum xten Mal bis zum Erbrechen über die Hindernisbahn (in der SS-Kaserne Veddel hieß sie zynisch „Beamtenlaufbahn“) musste? Weil jemand Prügel (den “Heiligen Geist”) bekommt. Dresche, weil die gesamte Gruppe, der gesamte Zug, wegen seiner Minderleistung bestraft wurde? Kogon nennt Beispiele, wo ungehorsame SS-Staffelanwärter, SS-Rekruten ebenfalls die Prügelstrafe bekamen und zu den Schutzhäftlingen gestellt wurden. In einer Filmdokumentation wurde sogar erwähnt, dass ein oder zwei SS-Männer, die “quer schossen”, von ihren eigenen Kameraden (wieder einmal der Heilige Geist), nachts auf dem Kasernenhof totgetreten wurden. Gefahr für die SS drohte von einer natürlichen Tötungshemmung, von der Scham, einer gewissen Humanitätsschwelle, die daher als Schwäche denunziert wurde. Humanitätsduselei. Demgegenüber sollte die Grausamkeit eine kalte Vernunft, die Logik der Geschichte abstrahlen. Der SS-Mann muss durch gnadenlosen Drill zuerst selbst gebrochen werden, um jene Härte zu erwerben; um zu lernen, das Wort „unmöglich“ nicht mehr auszusprechen. Hans Buchheim (Hans Buchheim: Anatomie des SS-Staates, 1965) geht sogar so weit zu sagen, „dass die Demütigung der SS-Rekruten sich qualitativ nicht von der eines (arischen, E.H.) KZ-Häftlings unterschied.“ Das ärgste Schimpfwort war Schlappschwanz; einen heulenden SS-Mann durfte es nicht geben. Als Ergebnis dieser Erziehung kamen Männer heraus, denen die Ermordung der „Untermenschen“ als ritterliche Tat erschien – wie die Arbeit eines Arztes, der Müllbeseitigung. Dabei ging es weniger um eine ideologische Indoktrination als um die Form eines Habitus, der die Härte der Ausbildung, die Härte der Mordarbeit durch Formen einer bestimmten Kameradschaft auffing. Selbst die individuelle Liebe zur Ehefrau, zur Freundin, diente zur Entlastung, zur Schuldabwehr. Ein Wehrmachtsleutnant schwärmte noch in seinen Erinnerungen von der „prachtvollen männlichen Erscheinung, der typischen, bei der Waffen-SS anzutreffenden Elite.“ (Quelle: Ernst Hanisch: Männlichkeiten: eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, Böhlau Verlag, 2005, ISBN: 978-3205773146)
Aber reicht das alles aus, um die Taten der SS-Totenkopfstandarte zu erklären? Vielleicht, denn die KZs waren hermetisch abgeschlossen und wenig drang nach außen. Am wenigsten vielleicht sogar aus der Perspektive der Täter, die ja erst einmal dahin gebracht werden mussten, um das zu tun, was kaum ein Mensch verstehen kann. Was sie dort machten, ging nur ihre Kameradschaft etwas an. Um als SS-Mannschaftsdienstgrad bei “Totenkopf” Kariere machen zu können, führte um den Zugführerlehrgang im KZ Dachau vermutlich gar kein Weg daran vorbei.
Über das wie gibt es wahrscheinlich auch gar keine Antworten, denn das ABC der Schinderei, der Schleiferei, des Drills entstammt der Phantasie der Unteroffiziere/SS-Scharführer und wurde nirgends schriftlich festgehalten. Vermutlich haben sie sich auch nur dem altpreußischen Drill wie verschärfte Geländeausbildung, Strafexerzieren, etc. bedient.
Aber möglicherweise gibt es ja Quellen, Erzählungen von Zeitzeugen, Aufzeichnungen von Eicke selbst, die etwas mehr Licht in diese Zeit bringen?
Gruss,
Bernd