Eyre Crowe im britischen Foreign Office

Ein weiterer Aspekt des französischen Drängens auf Überleitung der Entente zu einem vorbehaltlosen Bündnis sind die Armeegespräche sowie das spätere Marineabkommen. Zum ersten war die Bedrohungslage Frankreichs während der Marokkokrisen der Impulsgeber, zu zweiten das Marinewettrüsten, dass die Briten zur Aufgabe ihrer Mittelmeerposition (dem "Highway" nach Indien) zwang, mit denen bekannten und oben erwähnten innenpolitischen Friktionen.

Die Militärgespräche, aus deutscher Sicht schon vor 1914 "Beweis" der Einkreisung, sind mit der Initialzündung Marokko-Krise verbunden. Ob sie auch ohne stattgefunden hätten, ist Spekulation. Immerhin gab es - nicht verwunderlich, wenn man sich mit der Innensicht der britischen Army und des relativ jungen General Staff beschäftigt, der umtriebig nach Aufgaben "suchte" - Personenkreise in der Army, die das aktiv betrieben. Die Politik ließ das - vor 1911 als "Antwerpen-Fall" behandelt - zu, auch im Rahmen der politischen Grundsatzlinie, sich von Frankreich nicht auf Bündniszusagen festnageln zu lassen.

Zusammenfassend Elizabeth Greenhalgh:
Victory through Coalition - Britain and France during the First World War

"Significantly, it was German action that inspired the talks between British and French general staffs. They began after the Moroccan crisis of 1905 and were instigated by the French who were anxious to know whether Britain would support France if it came to a Franco-German war. The French Ambassador put the question formally in January 1906 to Sir Edward Grey, who noted: ‘It was inevitable that the French should ask the question; it was impossible that we should answer it.’
The first staff talks seem to have taken place in secret during December 1905 between the French military attache ́ in London, Colonel Huguet, and the Director of Military Operations at the War Office, General Grierson. The same month the permanent secretary of the Committee of Imperial Defence communicated some questions about French intentions to the French General Staff via Colonel Charles a` Court Repington, the military correspondent of The Times. A later DMO, the Francophile Sir Henry Wilson, pushed forwards detailed planning for the intervention of a British force on the continent. This planning was committed to paper at the height of the Agadir crisis in July 1911, despite Asquith’s qualification of military talks as ‘rather dangerous’. The question of Belgian neutrality was discussed the following year and a warning given that the French should not violate it. This warning led to the French Plan XVII’s failure to undertake offensive action in the one area where it might have interfered with the German advance. On the other side of the balance sheet, it should be admitted that without the violation of Belgian neutrality it may not have been possible to persuade the British cabinet to opt for war at all.

The naval talks began slightly later. One of the architects of the Entente cordiale who had become naval minister in 1911, The ́ophile Delcasse ́, was astounded to find that there were no equivalent naval arrangements to compare with those of the army. The earlier decisions on the part of the French to concentrate in the Mediterranean and on the part of Admiral Fisher to concentrate British naval power in the North Sea in order to counter the German threat suited both parties but implied no obligations. Desultory talks during 1911 were interrupted the following year by Lord Haldane’s mission to Berlin to attempt some reconciliation of the Anglo-German naval race. The failure of that mission led to the realisa- tion that a more formal agreement was needed between the Royal and French navies. Ratification of the strategies guiding the disposition of both fleets came in 1913 and had the double result of confirming British dependence on the French in the Mediterranean and of granting a hostage to fortune in that some could now argue that the Royal Navy had a moral commitment to defend the coasts of northern France. (Any such ‘moral’ commitment takes no account of the fact that Britain could not afford to allow any aggressive German presence in the North Sea or English Channel.)
Although these military and naval arrangements were settled and epitomised by the Grey–Cambon exchange of letters in 1912, there was no British commitment to intervene on the side of France in the event of a European war. "
 
Der preußische Kriegsminister von Heeringen brachte im April 1913 vor der geheimen Reichshaushaltskommission folgendes zum Ausdruck: "Ein bisher unerhörter Grad an Kriegsbereitschaft sei auf Seiten der Russen erreicht und die gesamte Reorganisation werde werde wohl in 2 Jahren abgeschossen sein." (1)

(1) Groh, Die geheimen Sitzungen der Reichshaushaltskommission vom 24.04. und 25.04.1913. Bericht des Generalmajors Wenninger am 24.04.1913 an den Bayrischen Kriegsminister.

Die geheimen Sitzungen in Sachen Haushalt und Heeresvermehrung sollten insbesondere die SPD-Fraktion zum Mitstimmen in der Heeresvermehrung bewegen. Die (Über-)Zeichnung der "russischen Gefahr" war dabei wesentlicher Bestandteil, mit der russischen Heeresvermehrung wurde intern die Notwendigkeit der deutschen begründet. Damit würde man - angesichts der Abneigung der SPD gegen das zaristische Russland - "punkten", und die Heeresvermehrung durchsetzen.

Eigentliche Schlagrichtung der Heeresvermehrung war allerdings die Erkenntnis, dass die Umsetzung der Moltke-Planung für den Westfeldzug aufgrund der Stärke des französischen Heeres zweifelhaft wurde. Substantiell hatten sich die Relationen gegenüber der Denkschrift Schlieffens 1905, die bereits den Boden für eine deutsche Heeresvermehrung ebnen sollte, sogar noch verschlechtert. Moltke musste infolge des Kriegsrates im Dezember 1912 in Erkenntis gewinnen (ähnlich wie das nach den ernüchternden Präventivkriegsüberlegungen 1905 bei Schlieffen gewesen sein dürfte), dass er mit der vorhandenen Substanz die Feldzugplanung nicht umsetzen konnte.
 
Im Prinzip ist vieles zur britischen Position gesagt worden. Es ist jedoch ein wenig "zerfasert worden. Deswegen die zentralen Punkt nochmal kurz in der Zusammenfassung.

Ausgangspunkt und These
Crowe war ein notorischer Deutschenhasser und hat seinen nicht gering zu veranschlagenden Einfluss im Foreign Office für eine antideutsche Außenpolitik Großbritannien eingesetzt.

Bei Konad Canis, Der weg in den Abgrund heisst es beispielsweise zu Crowe: "Der antideutsche Zug dommnierte durchaus besonders im Foreign Office mit Hardinge, Eyre Crowe, Bertie und Nicolson, das vom Parlament weitgehend unabhängig intern die Außenpolitik steuerte."

Eyre Crowe hat ja in seiner Denkschrift von 1907 behauptet, dass das Deutsche Reich praktisch seit 1890 England regelmäßig erpresst habe.

Im Prinzip wollte ich selber noch zusätzlich etwas schreiben, aber die wesentlichen Punkte sind eigentlich bereits formuliert.

Das, was als "deutschfeindlich" von Turgot beschrieben wird, entspringt im wesentlichen dem "Edwardian"- "Foreign Office Mind", so wie Otte es darstellt (bei Turgot ist diese Befürchtung als Beispiel ausformuliert). Geprägt durch die Erfahrungen der 80er und 90er Jahre mit einer dominanten deutschen Position auf dem Kontinent. Und erklärt die kritische und vorsichtige Haltung gegenüber dem DR.

Diese Sichtweise wird hier bereits auch in den Beiträgen von Silesia ausführlich dargestellt und deswegen lediglich die Wiederholung.

Man muß hier den Zeitenwandel berücksichtigen, und die Professionalisierung und Entpersonalisierung ("bottom up" statt "top down") der britischen Außenpolitik. Hier fand ein Generationenwechsel statt, Ausbildung spielte eine größere Rolle, und auch ein System- bzw. Verfahrenswechsel, den zB Zara Steiner beschreibt. ...

Bei Crowe Emotionen wie Haß hinein zu interpretierten, findet keine Grundlage. Hier spielten auch keine Phobien eine Rolle, gegen Deutschland oder meinetwegen auch Rußland oder Frankreich (bei weiteren Beispielen der "neuen" Generation), sondern Lageanalysen und Grundüberzeugungen über Bedrohungen oder Chancen der britischen Politik.

Die Grundüberzeugungen Crowes, selbstredend probritisch und ansonsten gegen alle:

1. Jedes kontinentale Bündnis zwischen Deutschland und Rußland wird letztlich Frankreich ebenfalls einbeziehen und England mittelfristig bedrohen

2. Großbritannien kann in der Verbindung von europäischer Politik und asiatischem "Great Game" gegen Rußland nicht standhalten, somit muß zwingend eine Verständigung mit Rußland zur Ausschaltung dieser Bedrohung her.

3. Großbritannien muß die Entente mit Frankreich und Rußland unter allen Umständen aufrechterhalten*, und sich dafür auch klar positionieren, mit einer Politik der Stärke und klaren Linien gegen beide und natürlich gegen Deutschland.** ... ***

4. In diesem Kontext basiert Großbritanniens Sicherheit und die des Empire ausschließlich auf einer Flotte, die jedem Rüstungswettlauf standhalten muß, egal wieviel Geld das kosten würde.

In dem Sinne trat er - und da wird das Fundamentale sichtbar - auch für eine Politik der Stärke gegen Rußland auf, so zB 1912/14 in der Krise um Persien, die als strategische Bedrohung für Indien gewertet wurde. Überdies war Crowe im Kontext seiner Zeit wie viele auch mit darwinistischen Zügen geprägt, Politik als "struggle for survival" (in dem Fall bezogen auf das "Empire") zu verstehen. In dem Sinne war er auch ein "Falke" (-> Rose) bzw. Hardliner, wo er Bedrohungen für das Empire sah (und das betraf alle, nicht nur Deutschland).

Worum es mir oben ging, war der Kontext dieser Person und die fundamentale (emotionslose!) Basis seiner außenpolitischen Einschätzung. Hier muß man akzeptieren, dass Crowe der festen Überzeugung war, dass ein Bündnis oder eine Entente mit Deutschland iS eines (förmlichen!) Interessenausgleiches für Großbritannien nachteilig sein würde. ...

Mit den "Deutschen" oder "Deutschland" hatte das bei Crowe nichts zu tun, sondern mit den gegebenen Konstellationen GB/FRA/RUS, die das Empire sicherten (defensiv!).

Diese Konstellationen -und auch nicht mehr, etwa feste Bündnisse- waren für ihn Fixpunkt, denn sie sicherten den Status Quo für Großbritannien gegen mögliche Aggressionen zu seinen Lasten.

Die zugleich unruhige und unzuverlässige, als auch starke und wachsende Großmacht Deutsches Reich. Alle britischen Lage- und Strategieanalysen erkennen diese deutsche Großmachtstellung und ihre Dynamik an. Das läßt sich relativ einfach anhand der wahrgenommenen Bedrohung für Frankreich ablesen. Und das läßt sich an den britischen Befürchtungen für einen deutsch-russischen Kontinentalblock ablesen (womit stets - und das hat nicht mit russophilen Fraktionen zu tun - argumentiert wurde, wenn Russland nachgegeben werden sollte.

Rußland wurde als dynamischer und aggressiver als das Deutsche Reich eingeschätzt. Im Gegensatz zur wirkungslosen deutschen "Risikoflotte" verfügte es jedoch über ein weit größeres, nämlich reales Bedrohungspotenzial für das Empire in Asien. Und genau dieser weit größeren Bedrohung in Gestalt von Russland gab man - rational und defensiv im Sinne eines "Containment" ausgerichtet, durch das wiederum die Beziehung zu Frankreich erheblich aufgewertet wurde - temporär nach.

Bei Mombauer findet sich dieser Gedankengang in einer ähnlichen Form ausformuliert. Aus ihrer Sicht war die zentrale Frage der britischen Regierung vor 1914, wer aus der Sicht der britischen Interessen über den eigentlichen Krieg hinaus der bedeutsamere Verbündeter sein würde. Und natürlich indirekt als Garant für den Fortbestand des Empire agieren könnte.

Es war eine geopolitische Sicht auf die strategischen Konstellationen, die sich gravierend von der Sicht der betroffenen Kontinentalnationen unterschied.

So befürchtete London, im Falle eines siegreichen Krieges, gewonnen durch ein Bündnis aus R und F, dass vor allem Russland ein extrem gefährlicher Gegner für die britischen Interessen in Fernost (Indien etc.) bzw. auch im mittlern Osten (Persien etc.) wäre. Und das galt es zu verhindern!

Diese potentielle Bedrohung der politischen und wirtschaftlichen Interessen des britischen Empire vor 1914 durch Russland und Frankreich wurde als deutlich gefährlicher eingeschätzt, wie die Bedrohung durch die Achsenmächte. Man hat somit mit Russland koaliert, weil man sich durch Russland bedroht sah. Das ist der eine zentrale Aspekt für die britische Sicht.

Dieser relativ neutralen bzw. auch opportunistischen "Bedrohungsanalyse" wurde jedoch durch die deutsche Wirtschaftspolitik, die "Risikoflotte", durch die Forderung nach Neutralität bei dem Krieg gegen F und R zusätzlich aggressive Momente hinzugefügt, die auch als aktive Bedrohung gegen GB und der "Pax Britannica" interpretiert worden sind. Und das ist der andere zentrale Aspekt für die britische Entscheidung gegen die Achsenmächte.

Im Prinzip kann man die britische Position dahingegend vereinfacht darstellen, soviel Unterstützung für F und R wie nötig, um die Entente aufrechtzuerhalten, aber ohne zu einem Krieg zu ermuntern und gleichzeitig soviel Abschreckung wie nötig, um D und Ö-U vom Krieg abzuhalten. Auf die zusätzliche Bedeutung der anglo-japanischen Allianz in diesem Kontext hatte Silesia separat hingeweisen.

Darwin, J.: Unfinished Empire: The Global Expansion of Britain
French, D.: British Economic and Strategic Planning: 1905-1915
Harris, J.P.: Great Britain, in The Origins of World War I, Hamilton & Herwig (Eds)
Lowe, C.J. & M.L. Dockrill: Mirage of Power, British Foreign Policy, 1902-14, Vol III, 1972
Nielson, Keith: Control the Whirlwind. Sir Edward Grey as Foreign Secretary 1906-16, in: The Makers of British Foreign Policy, 2001, Otte, T.G. (Ed.); S. 140ff
Otte, T.G.: The Foreign Office Mind, 2011
Otte, T.G.: Almost a Law of Nature? Sir Edward Grey, the Foreign Office, and the Balance of Power in Europe, 1905-12, S. 75ff
Siegel, Jennifer: Endgame - Britain, Russia and the Final Struggle for Central Asia
Steiner, Z.S. & K. Neilson: Britain and the Origins of the First World War. 2003, 2. Edition
Steiner, Z.: British Power and Stability. The Historical Record, in: Power and Stability. British Foreign Policy, 1865-1965, S. 24ff
Tomaszewski, Fiona K.: A Great Russia - Russia and the Tripple Entente, 1905 to 1914, 2002
Evgeny Sergeev & E. Eiiu Sergeev: The Great Game, 1856-1907: Russo-British Relations in Central and East Asia, 2013
 
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Eine Anmerkung vorweg: Wenn ich in diesem Thread primär die britische Außenpolitik kritisiere, bedeutet das nicht, das ich damit die deutschen diplomatische Fehlleistungen übersehe. Ich denke, dass ich habe ich schon in vielen Threads hinreichend deutlich gemacht. Nur, das ist so meine Wahrnehmung, werden die Fehler der Triple Entente zu wenig gewürdigt bzw. berücksichtigt. Clark hat in dieser Hinsicht Abstand von der etwas deutschlastigen Darstellung vergangener Tage Abstand genommen und die Perspektive gewechselt. Das war sicher fällig.

Hier beispielsweise ein paar Anmerkungen zur britischen auswärtigen Politik in der 1.Marokkokrise.

Nach der russischen Niederlage gegen Japan war Mallet der Auffassung, das ein schwerer Konflikt mit Deutschland vor der Tür stünde. Sein Briefpartner Bertie schrieb an Mallet, das sicher Schwierigkeiten zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich bevorstehen und verlieh seiner Freude darüber Ausdruck, das Marokko zwischen Berlin und Paris als offene Wunde bestehe, so wie einst Ägypten zwischen London und Paris. (1)

Crowe wollte zwischenzeitlich aus bester Quelle erfahren haben, dass das Deutsche Reich die Prioritäten seiner Außenpolitik einer Korrektur unterziehen wird. Präferenz wird nicht mehr die Annäherung an Russland sein, sondern die an Japan und den USA. (2)

Da Tokio und Washington beides britische Partner bzw. Verbündete waren, war die Stoßrichtung Crowes Memo an den Außenminister klar. Lansdowne war entsprechend verärgert und agierte auch so in der heraufziehenden schweren diplomatischen Krise. Denn schon am 09.Aril schreib der ansonsten eher gemäßigte Lansdowne: „Ich habe nur wenig Zweifel, daß der Kaiser jede Gelegenheit benutzen wird, uns ein Bein zu stellen.“ (3)

Man mutmaßte, übrigen falsch, das die Deutschen es auf einen deutschen Stützpunkt an der marokkanischen Küste abgesehen hätten. Am 11.April fiel die Entscheidung sich eng an Frankreich zu halten und den deutschen Vorschlag nach einer Konferenz abzulehnen. Lansdowne meinte, „die Franzosen würden uns nie verzeihen, wenn wir sie im Stich ließen.“ Der Premier Balfour stimmte dem zu. (4) Die Entente war immer noch „nur“ ein kolonialer Interessenausgleich, mehr nicht, und doch wurde schon 1905 klar Stellung bezogen. Entscheidend hierbei war die Sorge darüber, wie die britische Haltung in Paris wahrgenommen werden würde.

Als der französische Außenminister Delcassè zurücktrat, warm man in London in heller Aufregung. Man verurteilte das Entgegenkommen des französischen Kabinetts Rouvier auf das Schärfste. Die antideutschen Kräfte im Foreign Office waren auf das höchst alarmiert und waren entschlossen die britische Politik ganz unmissverständlich auf Kurs, profranzösisch und klar antideutsch, zu bringen. Mallet schrieb zu diesem Zwecke an den britischen Außenminister Lansdowne:“ Als ich Delcassès Rücktritt erfuhr, schrieb ich Lord Lansdowne, ich dächte, daß die Dinge für die Entente ernst aussehen; ich fragte ihn, was wir tun würden, falls Deutschland seinen Sieg sicherstellen und einen Hafen fordern würde. Ich drängte ihn, dass er Sie den Franzosen sagen lassen soll, wir stünden ganz bei Ihnen. Lord Lansdowne forderte mich auf, die Admiralität zu konsultieren.“ (5) Mallet tat wie befohlen und erfuhr von Fisher, das es für die britischen Interessen gefährlich wäre, wenn die Deutschen Mogador bekämen. Es sei aber eine herrliche Gelegenheit, um im Bunde mit Frankreich gegen die Deutschen zu kämpfen. (6) In Wahrheit stellte ein deutscher Hafen kein Problem für Fisher dar, wenn er als Ausgleich Tanger bekäme. Davon einmal abgesehen, war dies nicht das Ziel Berlins.

Lansdowne war entsprechend beunruhigt und schrieb an seinem Chef Balfour:“ Es kann sein, dass Deutschland auf Frankreich wegen eines Hafens an der marokkokanischen Küste Druck ausübt. Kann ich der französischen Regierung raten, nicht nachzugeben……(7)
Ich möchte jetzt den Beitrag nicht endlos ausufern lassen, aber es ist doch schon eine recht einseitig ausgerichtete Politik will man meinen. Und wie hier die antideutsche Gruppe samt Fisher agiert haben, ist recht deutlich geworden. Und zu dieser Zeit war die Entente, auch nicht informell, eine Bündnis, aber eine interessierte Fraktion wollte dies so gehandhabt haben.



(1) Bertie an Mallet vom 31.März 1905, MS, Reihe A
(2) Crowe am Lansdowne am 29.März 1905, Lansdowne MS, Bd.XIV.
(3) Lansdowne an Lascelles vom 09.April 1905, Lansdowne MD, Bd. XIV
(4) Foreign Office 99/434
(5) Mallet an Bertie vom 13.April, Bertie MS, Reihe A
(6) Mallet an Bertie vom 24.April 1905, Bertie MS, Reihe A
(7) Lansdowne an Balfour vom 23.April 1905, Balfour MS, Add. MS 49729
 
Bereits vor der Marokko-Krise gab es einen frz. Vorstoß, aus dem Interessenausgleich mit GB ein festes Bündnis mit verbindlicher Zusage des Beistands in einem Kontinentalkrieg zu machen. Dieses war für die britische Außenpolitik keine Option, weswegen - die Briten lavierten, verzögerten, lehnten ab - die Entente kriselte (frz. Unsicherheiten über die Verlässlichkeit von GB). Bereits ohne Marokkokrise herrschte hier Alarmstimmung.

Die britische Lageanalyse betr. deutscher Ziele war sachlich völlig zutreffend: Zuspitzung der Marokkofrage, Keil in den britisch-frz. Interessenausgleich zu treiben, das temporär geschwächte Russland auf die Seite zu ziehen, den strategischen Partner Japan von GB (gegen Russland!, nicht gegen das DR) abzuspalten.

Holstein und Bülow waren sich einig, dass Deutschland "am besten gedient sei, wenn die marokkanische Wunde offengehalten würde" (Winzen, Bülows Weltmachtkonzept). Dazu sollte Konfrontationspolitik vorgetrieben werden, bei bekanntermaßen verschwindend geringen deutschen ökonomischen Interessen in Marokko bzw. Sinn- und damals völlig substanzlosen Rohstoffphantasien mit dem aggressiven Zweck der Aufspaltung der Entente (die zu diesem Zeitpunkt aus britischer Sicht allein eine Globalfunktion hatte, dass Empire gegen eine koordinierte frz.-russ. Bedrohung zu sichern). Außerdem war erklärtes Ziel, mittels einer Krise den Sturz des frz. Außenministers Delcasses herbeizuführen (Holstein, bereits 1904).

Der Plan scheiterte, mit einem für Deutschland sogar gegenteiligen Ergebnis: die Risikopolitik mit Kriegsdrohung Deutschlands (was man zu sich leisten wagte, da Russland im Kriegsfall nach der Niederlage in Fernost militärisch unfähig zum Beistand für Frankreich sein würde - siehe auch den Schlieffen-Plan mit "Westausrichtung") richtete sich auf einen extrem hohen Konfliktgrad, nämlich das Testen des englischen Interesses am weltweiten Interessenausgleich mit Frankreich. Mit den Pressionen bewirkte das Deutsche Reich 1. die von GB bislang verweigerte Beistandszusage in der Krise und somit 2. die Intensivierung der frz.-brit. Beziehungen (Dülffer, Vermiedene Kriege, S. 577). Das britische Commitment war nach internem Tauziehen um den Kurs im Foreign Office unvermeidbar, wenn die Entente nicht gesprengt werden sollte, was wiederum keine Option war. Deutscherseits verpasste man sogar Deeskalationschancen, indem man nicht nach dem Sturz Delcasses (Ziel erreicht!) einlenkte, da die "Demütigung Frankreichs offenbar nicht ausreichte.

Deutscherseits lag eine völlige Fehlkalkulation der britischen globalen Ziele zur Absicherung des Empires (was alles nicht "antideutsch" oder "profranzösisch", sondern ausschließlich ein probritischer Ansatz war: Absicherung Cape-Cairo, Mediterranean, Middle East, India). Schlimmer noch, im Zuge dieser Fehlkalkulation eskalierte man in der deutschen politischen Führung eine Krise bis kurz vor den Krieg (Berliner Blätter meldeten bereits die französische Mobilmachung, bei der "Illusion des Kurzen Krieges" und dem 1914 völlig vergleichbaren Mobilmachungsdruck ein Spiel mit dem Feuer im Pulverfass).

Hier wie parallel in Mittleren Osten mischte sich eine deutsche imperialistische Politik in eine (selbstverständlich weder bessere noch schlechtere) imperialistische französisch-britische Politik ein: mit amateurhafter, völlig unrealistischer Zielsetzung, ohne belastbare Lageanalyse als Grundlage! Wie im Fall Irak-Persien mischte man sich - mit einer eigentlich kontinentaleuropäischen Stoßrichtung, in bereits bestehende imperialistische Krisensituationen ein und warf ohne Sinn und Verstand mit eigentlich "kontinentalem Interesse" Zündhölzer in globale, aus deutscher Sicht periphere "hot spots".

Der Hinweis auf die Hafenfrage ist zu ergänzen: selbstverständlich war das eine global-strategische, erstrangige Provokation für Großbritannien, die in der Royal Navy auf massivsten Widerstand stieß (hier ist auch das Fisher-Zitat im Kontext der Gremien zu sehen, und der Kontext war diametral anders!). Die seestrategische Bedeutung für die Kolonien und für Krisen ist auch Forum schon besprochen worden. Fishers "Sinneswandel" ist auf Greys Intervention zurückzuführen, dem Deutschen Reich einen Hafen zu verschaffen, um die Krise zu deeskalieren (an der GB insoweit kein Interesse hatte, als es keinesfalls zu einer beständigen, GB verpflichtenden Bündniszusage für einen französischen Kontinentalkrieg kommen sollte).

Warum verfocht Grey dieses Hafen-Zugeständnis, woher kommen die Kurswechsel?

1. zunächst: Weil er nicht der strategischen Beurteilung der Navy folgte, vielmehr die Bedeutung herunterspielte, um die Krise zu lösen (wäre übrigens im deutschen Interesse gewesen). Deutschland sollte den Hafen bekommen, gegen den klaren Willen der Navy und aller Strategiegremien, die den Hafen als Ausgangspunkt weiterer deutscher Konfrontationen mit GB ansahen). Fisher lenkte "nach außen" ein und schloß sich demonstrativ Grey an.

2. danach: Nicht der Royal Navy oder Fisher gelang es, Grey vom Gegenteil zu überzeugen, sondern das war die Dynamik der Krise und das durch Grey Zugeständnis an die deutsche Seite massiv gestiegene Missstrauen Frankreichs, im Stich gelassen zu werden. Ironischerweise ist der erneute Kurswechsel von Grey nicht der kritischen deutsch-britischen Hafenfrage zugestanden, sondern ausschließlich der drohenden Sprengung der Entente, die sich GB angesichts des prognostiziert schnell sich wieder erholenden Russlands unter keinen Umständen leisten konnte. Grey schloß sich somit nicht dem richtigen Sachurteil der Navy an, sondern "improvisierte" aufgrund des frz. Misstrauens.
 
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Die britische Lageanalyse betr. deutscher Ziele war sachlich völlig zutreffend: Zuspitzung der Marokkofrage, Keil in den britisch-frz. Interessenausgleich zu treiben, das temporär geschwächte Russland auf die Seite zu ziehen, den strategischen Partner Japan von GB (gegen Russland!, nicht gegen das DR) abzuspalten.

Holstein und Bülow waren sich einig, dass Deutschland "am besten gedient sei, wenn die marokkanische Wunde offengehalten würde" (Winzen, Bülows Weltmachtkonzept). Dazu sollte Konfrontationspolitik vorgetrieben werden, bei bekanntermaßen verschwindend geringen deutschen ökonomischen Interessen in Marokko bzw. Sinn- und damals völlig substanzlosen Rohstoffphantasien mit dem aggressiven Zweck der Aufspaltung der Entente (die zu diesem Zeitpunkt aus britischer Sicht allein eine Globalfunktion hatte, dass Empire gegen eine koordinierte frz.-russ. Bedrohung zu sichern). Außerdem war erklärtes Ziel, mittels einer Krise den Sturz des frz. Außenministers Delcasses herbeizuführen (Holstein, bereits 1904).

Habe leider nur sehr wenig Zeit, deshalb nur ganz kurz.

Das
Ziel der aggressiven deutschen Vorgehensweise war nichts geringers als die Sprengung der Entente. Das sollte auf der verlangten Konferenz realisiert werden. Der Sturz Delcassès, dem Architekten der Entente, war "bestenfalls" ein Etappenziel, das der Demütigung Frankreichs diente.

Aber das Ziel Hafen Mogadaor oder Crowe seine Fantasien hinsichtlich der neuen Prioritäten der deutschen Außenpolitik waren nicht erklärte Ziele. Es ging um die Entente.
 
Ich bin noch am Anfang der Krise.

Zu Beginn der Krise waren es doch interessanterweise Bertie und Mallet, nicht etwas der sehr erfahrene Sanderson oder Lansdowne, die Alarm schlugen und eine Kriegsgefahr beschworen. Der Außenminister Lansdowne sah sich in der Folge geradezu einen „Trommelfeuer“ an warnenden, mahnenden Memos, Beschwerden, Briefen etc. ausgesetzt. Und privat, siehe oben, hatten sie (Mallet und Bertie) gar nichts gegen diese Krise einzuwenden. Sie war bestens geeignet das band zwischen Frankreich und Großbritannien zu verfestigen und die Frontstellung gegen das Deutsche Reich.

Zum Thema Hafen:
Tirpitz Devise lautete: “Mund halten und Schiffe bauen.“ Man darf mit Fug und Recht davon ausgehen, das er die ganze Krise verurteilte und sicher nicht auf die Idee gekommen war, ein Hafen an der nordafrikanischen Küste zu verlangen. Mallet hingegen war die pathologische Neigung Fishers zum Präventivkrieg gegen das Deutsche Reich wohl bekannt und er bat ihm einen drastischen Brief an Lansdowne zu verfassen.

Lord Fisher hielt eigentlich die Frage ob das Deutsche Reich einen Hafen erhielt oder nicht für sonderlich wichtig, „of course it would not matter to us whether the germans got Mogador or not but I am going, to say all the same. Mallet wusste Fisher aber zu packen. Er schrieb an Bertie: „ He is a splendid chap and simply longs to have a go at Germany. I abound in his sense and told him I would do all I Could with Lord. L. Tja, so konnte Lansdowne nur noch die Frage hinsichtlich eines Hafens als vitales britisches Interesse einstufen, obwohl diese Forderung vom Deutschen Reich zu keiner Zeit erhoben wurde und auch nicht Ziel war.

Lansdowne telegrafierte an Bertie, „ to give all the supports we can.“ Von Cambon wurde diese Aussage als Bündniszusage begriffen.
 
Gut, dann lassen wir die Diskussion sein und die unterschiedliche Sicht auf die englische Außenpolitik so stehen.
 
Ironischerweise ist der erneute Kurswechsel von Grey nicht der kritischen deutsch-britischen Hafenfrage zugestanden, sondern ausschließlich der drohenden Sprengung der Entente, die sich GB angesichts des prognostiziert schnell sich wieder erholenden Russlands unter keinen Umständen leisten konnte.

Damit sind wir wieder am Kern des Verständnisses der britischen Außenpolitik in 1905.

Nochmal eine kurze Rückblende. Die Position von Grey ist nur vor dem Hintergrund der Entwicklung zwischen 1890 und 1905 zu verstehen.

Gekennzeichnet war sie durch 2 relevante Faktoren:
1. Eine starke Dominanz bzw. semi-Hegemonie des DR in der Folge von Bismarck auf dem Kontinent. Basierend auf der geographischen Lage, der Wirtschaft und seiner Armee.

2. Die zunehmende außenpolitische Relevanz der Bülowschen Formel von der "Weltpolitik" in Kombination mit der Tipitzschen "Risikoflotte", dem Konflikt mit GB nicht zuletzt durch den "Burenkrieg".

Zu diesen Veränderungen der Rahmenbedingungen zwischen GB und dem DR kamen für GB zwei Einsichten, dass das "Empire" durch Krieg entweder mit Frankreich oder mit Russland massiv bedroht war. In dieser Phase stand GB mehrfach am Rande eines militärischen Konflikts mit F oder R.

Verbunden war diese Sicht mit der Erkenntnis, dass das DR, obwohl keine wirklich rivalisierenden Interessen zwischen DR und GB vorhanden waren, als Partner für den Schutz des Empire ausfiel.

Vor dem Hintergrund dieser sehr "schlichten" Erkenntnis zur Geographie und zu den Machtpotentialen der europäischen Großmächte war die Marokko-Krise der Auslöser für die Neuorientierung der britischen Außenpolitik, aber weder der Grund noch die Ursache.

In diesem Sinne fürchtete man die Russen und die Franzosen als Bedrohung der britischen kolonialen Gebiete mehr, wie die Deutschen. Und aus der britischen Sicht diente die Neuausrichtung in 1905 dem Gleichgewicht der Großmächte mehr, indem es die Entente unterstützte.

Und genau diese Instabilität der Interessen innerhalb der Entente ist dann auch ihr zentrales Problem und erklärt teilweise auch die Eigendynmik im Zuge der Juli-Krise 1914.

1. In 1914 war Russland in der komfortabeln Situation, die beiden westlichen Großmächte für seine Interessen kämpfen zu lassen. Obwohl R. in 1914 mit seiner Rüstung nicht kriegsbereit war, konnte und wollte es diesen Vorteil nutzen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sich im Konflikt mit GB die Möglichkeit abzeichnete, dass zu einem späteren Zeitpunkt, die Bereitschaft von GB für R in den Krieg zu ziehen, geringer sein könnte. Das erklärt zumindest teilweise das Interesse von R an dem Konflikt in 1914.

Mit gleichzeitigen Rückwirkungen auf die Bereitschaft von F für R in den Krieg zu ziehen. Es ergab sich somit ein begrenztes "Zeitfenster", in dem R die beiden westlichen Großmächte als Koalitionspartner für einen Krieg gegen das DR bzw. Ö-U zur Verfügung hatte.

2. Die gravierendsten territorialen Konflikte ergaben sich dann ironischerweise zwischen GB und R im Bereich von Persien. Und gefährdeten die Position in Indien. Somit ging die nachhaltigste Bedrohung des britischen Empire von R aus, aber sicherlich nicht vom DR, trotz der tirpitzschen "Risikoflotte".

3. In dieser Situation nahm die britische außenpolitische Analyse gerade in 1914 eine Neubewertung der wahrgenommenen zunehmenden Schwäche des DR vor. Nicht zuletzt, da GB das DR als Gegengewicht zu R auf dem Kontinent dringendst benötigt hat. Nur das DR konnte sicher stellen, dass R den "Rücken" auf dem Kontinent für eine Expansion in den Fernen Osten nicht frei hatte.

Wenn es in 1914 nicht zum Krieg gekommen wäre, dann wäre eine Neubewertung der Allianzen nicht unwahrscheinlich gewesen.
 
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Damit sind wir wieder am Kern des Verständnisses der britischen Außenpolitik in 1905.

Nochmal eine kurze Rückblende. Die Position von Grey ist nur vor dem Hintergrund der Entwicklung zwischen 1890 und 1905 zu verstehen.

Gekennzeichnet war sie durch 2 relevante Faktoren:
1. Eine starke Dominanz bzw. semi-Hegemonie des DR in der Folge von Bismarck auf dem Kontinent. Basierend auf der geographischen Lage, der Wirtschaft und seiner Armee.

2. Die zunehmende außenpolitische Relevanz der Bülowschen Formel von der "Weltpolitik" in Kombination mit der Tipitzschen "Risikoflotte", dem Konflikt mit GB nicht zuletzt durch den "Burenkrieg".

Die Änderung der Rahmenbedinungen war schon durch die Reichsgründung von 1871 gegeben. Im Prinzip wurde aus britischer Sicht lediglich Frankreich durch das Deutsche Reich ersetzt.

Der Konflikt wurde vor allem durch die Presse hochgepeitscht. Und die krüger Depesche Wiöhelm war ohne Frage kontraproduktiv, aber das britische Vorgehen war durch starke Rücksichtslosigkeit geprägt und da kann man sich über eine negative Presse nun wirklich nicht ernsthaft wundern.


Vor dem Hintergrund dieser sehr "schlichten" Erkenntnis zur Geographie und zu den Machtpotentialen der europäischen Großmächte war die Marokko-Krise der Auslöser für die Neuorientierung der britischen Außenpolitik, aber weder der Grund noch die Ursache.

In diesem Sinne fürchtete man die Russen und die Franzosen als Bedrohung der britischen kolonialen Gebiete mehr, wie die Deutschen. Und aus der britischen Sicht diente die Neuausrichtung in 1905 dem Gleichgewicht der Großmächte mehr, indem es die Entente unterstützte.
Die Kurskorrektur, Aufgabe der Splendid Isolation, wurde schon früher in die wege geleitet. Zunächst kam man äußerst bereitwilig den USA auf dem amerikanischen Kontinent, Kanada, großzügig entgegen. 1902 schloß man mit Japan ein Bündnis ab. 1905 mit Frankreich die Entente Cordiale, die ihren Ausgang in Faschoda hat.

1907 kam als Abschluss die Einigung mit Russland, die du mit recht als instabil bezeichnest. Russland hat seine Interessen in Asien, hier Persien und Afghanistan, rücksichtslos genutzt, nicht eingehalten und von den Briten entsprechende Unterstützung bei den eigenen Ambitionen verlangt. Diese Politik barg Gefahren, die auch im Foreign Office gesehen wurden aber als sekundär eingestuft wurden. Primär war der Erhalt des eigenen Empire mit Unterschützung Frankreichs und Russlands. Das Deutsche Reich und auch Öterreich-Ungarn konnten diesen Schutz nicht geben und mussten eben deshalb beiseite stehen. Wollten sie dies nicht, wurden sie beiseite geschoben. Das barg Gefahren in sich, diese wurden auch gerade im Foreign Office gesehen, aber der Erhalt des Empire wurde sehr zum Schaden Europas eben über alles gestellt.
 
Primär war der Erhalt des eigenen Empire mit Unterschützung Frankreichs und Russlands.

Dann haben wir ja ein Konsens gefunden über die zentrale, rationale Grundlage für die Außenpolitik von GB.

Das Deutsche Reich und auch Öterreich-Ungarn konnten diesen Schutz nicht geben und mussten eben deshalb beiseite stehen. Wollten sie dies nicht, wurden sie beiseite geschoben.

Ich weiss nicht, wer das DR hätte wirtschaftlich beseite hätte schieben wollen. In diesem Sinne wäre es auch politisch nicht möglich gewesen. Und GB war auf ein starkes DR als stabiles Gleichgewicht zu R angewiesen.

In diesem Sinne ist GB ohne irgendwelche Forderungen in den WW1 eingetreten und hat seine ausgleichende Funktion auch in der post WW1 Phase gespielt.


Das barg Gefahren in sich, diese wurden auch gerade im Foreign Office gesehen, aber der Erhalt des Empire wurde sehr zum Schaden Europas eben über alles gestellt.

Nein. Das Commonwealth war der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg von GB. Dieser die Voraussetzung für den sozialen Konsens. Es ging somit auch um Außenpolitik, die immer das Primat hatte, aber es ging auch um die soziale und politische Stabilität auf der Insel.

Deswegen kann ich in den Handlungen von Whitehall absolut keinen ungewöhnlichen nationalen Egoismus erkennen, im Vergleich zu anderen europäischen Großmächten.
 
ch weiss nicht, wer das DR hätte wirtschaftlich beseite hätte schieben wollen. In diesem Sinne wäre es auch politisch nicht möglich gewesen. Und GB war auf ein starkes DR als stabiles Gleichgewicht zu R angewiesen.

In diesem Sinne ist GB ohne irgendwelche Forderungen in den WW1 eingetreten und hat seine ausgleichende Funktion auch in der post WW1 Phase gespielt.

Ja, das ist shon komisch. Das Deutsche Reich war einer der wichtigsten Handelspartner Großbritanniens, aber das spielte im Zweifelsfalle keine so große Rolle. Siehe die Marokkokrisen oder die Annexionskrise. GB hat sich am Vorabend des Weltkrieges stärker auf das Deutsche Reich eingelassen und umgekehrt war man zu sehr großen Entgegenkommen bereit. Es reichte aber eben nicht für mehr aus, denn London war nicht bereit ohne Frankreich und Russland in Sachen Deutsches Reich zu handeln.

Nein. Das Commonwealth war der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg von GB. Dieser die Voraussetzung für den sozialen Konsens. Es ging somit auch um Außenpolitik, die immer das Primat hatte, aber es ging auch um die soziale und politische Stabilität auf der Insel.

Deswegen kann ich in den Handlungen von Whitehall absolut keinen ungewöhnlichen nationalen Egoismus erkennen, im Vergleich zu anderen europäischen Großmächten.

Die Gefahr war die weitgehende außenpolitische Isolierung des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns. Sowohl die Russen als auch die Franzosen erwarteten von London Unterstützung für ihre Ambitionen. Sei es der Balkan odere gerade Nordafrika. Dadurch geriet Großbritannien in Handlungsnöte, hat aber seinen egoistschen Interesse folge geleistet und damit letzten Endes, sicher ungewollt, die lage in Europa durch die Zementierung der Blöcke verschärft. Das wurde in London erkannt und sah auch die damit verbundenen enormen Gefahren.
 
Letzten Endes ist es so, das Großbritannien nicht mehr in der Lage war, auch nicht gewaltsam, sein Empire zusammenzuhalten. Man war auf das Wohlverhalten Russlands und auch Frankreichs zwingend angewiesen und dafür waren Grey und Co. bereit so manche Kröte zu schlucken. Und natürlich sah man im Foreign Office die Möglichkeit eines Auseinanderbrechens Österreich-Ungarns aufgrund der aggressiven russische Balkanpolitik oder der eines Losschlagens des Deutschen Reiches, da diese Mächte sich immer mehr in die Enge getrieben sahen.

Diese Möglichkeit, das Losschlagens Deutschlands, ließ die Briten sich sehenden Auges aber nochmehr an der Triplen Entente binden. In der Vergangenheit hat Großbritannien mit seiner Balance of Power sich immer auf die Seite der Schwächeren gestellt und damit eben für ein gewisses Mächtegleichgewicht in Europa sichergestellt. Das hat sich zu Ende des 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts aus sicherheitsstragegischen Gründen, eben den Erhalt des Empire, gravierend geändert.
 
Richtig! Eine wichtige Stimme, die auch eine Bewertung der Haltung von GB bzw. von Grey ermöglichte, waren die Ausfürhungen des ehemaligen Botschafters Fürst Lichnowskys von 1912 bis 1914 in London.

von Lichnowskys "Denkschrift", genauer eine Ansammlung privater Aufzeichnungen, findet sich zusammen mit Anmerkungen des dt. Außenministers v. Jagow auch in:

The guilt of Germany for the war of German aggression : Prince Karl Lichnowsky's memorandum; being the story of his ambassadorship at London from 1912 to August, 1914, together with Foreign Minister von Jagow's reply (1918)

eine deutschsprachige Ausgabe erschien in der Schweiz:
Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky: Meine Londoner mission 1912-14 (1918)

Und hier die Sicht des dt. Außenministers von Jagow:
Ursachen-und-Ausbruch-des-Weltkrieges

1. Er kommt von London nach Kriegsausbruch zurück und anstatt sein "Versagen" durch eine kriegsorientierte Sicht von GB bzw. von Gry zu erklären und somit zu entschuldigen, passiert genau das Gegenteil.
Und das war auch nur folgerichtig. Mit einer Darstellung von GB oder Grey als "Kriegstreiber" hätte v. Lichnowsky nicht sein "Versagen" entschuldigt, sondern im Gegenteil seine gesamte Londoner Tätigkeit ad absurdum geführt. Also blieb ihm nur sich seinen Frust von der Seele zu schreiben.
 
Einige Hinweise im Nachtrag:

neue Publikation zu Crowe:
Dunn: The Crowe Memorandum - Sir Eyre Crowe and Foreign Office Perceptions of Germany, 1918-1925 (geht auch auf 1907 ein!)
The Crowe Memorandum: Sir Eyre Crowe and Foreign Office Perceptions of ... - Jeffrey Stephen Dunn - Google Books

Nicolson:
Drinkwater: Sir Harold Nicolson and International Relations:The Practitioner as Theorist
Sir Harold Nicolson and International Relations:The Practitioner as Theorist ... - Derek Drinkwater - Google Books

Foreign Office im Überblick:
Otte: The Foreign Office Mind: The Making Of British Foreign Policy, 1865–1914
The Foreign Office Mind: The Making of British Foreign Policy, 1865–1914 - T. G. Otte - Google Books
 
Interessant zu Eyre Crwoe ist, das ausgerechnet er es war, der am Ende der Julikrise dazu riet, Frankreich und Russland nicht so ohne weiteres zu folgen.
 
Thomas Sanderson hatte zu Crowe seinen umfänglichen Memorandung umfänglich Stellung bezogen.

"Ich habe diese Bemerkungen niedergeschrieben, teils weil die Umstände selbst von beträchtlichen Interesse sind, teils weil sie dazu beitragen darzutun, daß die Geschichte der deutschen Politik unserem Land gegenüber nicht das einförmige Bild schwarzer Taten ist, wie das Memorandum sie zu schildern scheint.
Es hat viele Gelegenheiten gegeben, bei denen wir angenehm im Einklang mit Deutschland gearbeitet haben und nicht wenige Fälle, in denen uns seine Unterstützung nützlich war." [...]

Hervorhebung durch mich
BD, Band 3, S.702
 
Welche Methode verwendet der polnische Soldat im Film The Way Back – Der lange Weg (2010) zur Bestimmung der Himmelsrichtung? Er steckt einen Stab in den Boden, der einen Schatten wirft, und stellt sich dann mit dem Rücken und ausgebreiteten Armen dazu hin. Daraus ermittelt er den Süden. Wie funktioniert diese Methode genau? Ist das eine Variante der Schattenstock-Methode?
 
Ich habe ja weiter oben Crowe und sein berühmtes Memorandum erwähnt.
Crowe war ja davon überzeugt, das Deutschland eine Gefährdung des Gleichgewichts in Europa sei und eine Beschwichtigungspolitik gegenüber Berlin lehnte er ab.

O-Ton Crowe:

"Den Drohungen des Erpressers nachzugeben, bereichert ihn, aber es ist seit langem durch die einhellige Erfahrung bewiesen, daß dies zwar dem Opfer einen vorübergehenden Frieden sichern kann, aber nach immer kürzer werdenden Zeiten freundschaftlicher Nachsicht mit Sicherheit zu neuen Belästigungen und höheren Forderungen führen wird"

Crowe argumentierte weiter, dass Großbritannien niemals den deutschen Forderungen nachgeben sollte, denn:

"Das Handwerk des Erpressers wird in der Regel durch die erste Entschlossenheit gegen seine Forderungen und die Entschlossenheit, lieber alle Risiken einer möglicherweise unangenehmen Situation auf sich zu nehmen, als den Weg endloser Zugeständnisse fortzusetzen, ruiniert." (1)

Crowe hatte also kein allzu gute Meinung von Deutschland und war der Meinung gegenüber Deutschland Härte zu zeigen. Crowe seine Ansichten über den deutschen Imperialismus und den britischen Pflichten kannst du in den genannten Memo kennenlernen.

Sir Charles Hardinge hatte das Memorandum von Eyre Crowe an Lord Sanderson, der bis 1906 der Ständige Unterstaatsekretär im Foreign Office gewesen war, weitergegeben.
Hardinge war ganz offenkundig unangenehm berührt von Sanderson Stellungnahme berührt, da Sanderson für Deutschland Stellung bezog.
Hierüber informierte Hardinge am 25.02.1907 Grey; auch mit dem Hinweis, das er Sanderson Stellungnahme an Crowe weitergeleitet hat.

Sir Edward Grey hielt das Memo für höchst wertvoll, wie er am 28.01.1907 in einem entsprechenden Vermerk zum Ausdruck brachte.

In der Julikrise dann, war es Eyre Crowe, der unmissverständlich dafür eintrat, sich auf die Seite Russland und Frankreichs zu stellen.

(1) Dunn, Das Crowe Memorandum. Sir Eyre Crowe und die Wahrnehmung Deutschlands durch das Auswärtige Amt
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Folge ein paar, längst nicht die vollständigen, Äußerungen von Lord Sanderson zu Crowe seinen Memo.

Zu Marokko:

„Ich glaube nicht, das in Graf Bülows Reichstagserklärung bei der Bekanntmachung des englisch-französischen Abkommens etas anderes erblickt werden kann, als eine Auffoderung an Großbritannien und Frankreich, zur gegebenen Zeit dessen Einwirkungen auf die deutschen Interessen zu erörtern, sobald diese Interessen berührt würden. Wir waren dazu genötigt, um die Zustimmung Deutschlands zur Konversion der ägyptischen Schuld zu erlangen und die deutsche Regierung war schließlich nicht unvernünfig. Herr Delcassé ignorierte Deutschland vollkommen, als er in Marokko vorzugehenbegann. Das Vorgehen Frankreichs und seiner Forderungen waren zweifelos sstark übertrieben und wurden entstellt wiedergegeben. Aber außerdem besteht kein Zweifel, daß Herr Delcassè unentwegt eine Reihe von Manövern betrieb, um Deutschland zu isolieren und seine Bündnisse zu schwächen.

Deutliche Aussagen von einem Mann, der es wissen muss. Weiter im Text.

„Die deutsche Regierung und das deutsche Volk sind äußerst empfindlich, wenn sie bei Erörterung wichtiger Fragen ignoriert oder vernachlässigt werden, und es ist nicht überraschend, daß sie bei diesem Anlass sehr aufgebracht waren und beschlossen Frankreich eine schwere Demütigung zuzufügen. Das sie auch den Wunsch hatten, uns von Frankreich zu trennen, den Übergang des Abkommens in ein Bündnis zu verhindern und an der etwaigen Entwicklung Marokkos jeden Anteil zu erlangen, den sie erlangen konnten, ist ohne Zweifel ebenfalls richtig. Die dabei angewandten Methoden waren für die deutschen Politik charakteristisch und schlugen wie bei anderen Gelegenheiten fehl.“

Samoa

„Ich entsinne mich der samoansischen Verhandlungen nicht sehr genau, aber ich habe den Eindruck, daß wir da nicht absolut sauber gehandelt haben und Lord Salisbury zwar unserseits alles Ansprüche zustand, aber gleichzeitig sein Möglichstes tat, um den Widerstand der Vereinigten Staaten zu wecken. Es ist kaum anzunehmen, das die deutsche Regierung das nicht wusste. Sie behauptet jedenfalls immer, das wir sie nicht fair behandelt hätten und einige unserer eigenen Diplomaten waren geneigt, diese Ansicht zu teilen.“

Sansibar

Die Haupttatsachen des Falles waren wie folgt:

„Großbritannien und Frankreich waren durch ein gegenseitiges Übereinkommen verpflichtet, die Unabhängigkeit und Integrität Sansibars zu achten. Deutschland hatte keine derartige Verpflichtung. Es drang daher ein und erwarb einen beträchtlichen Teil der Besitzungen des Sultans auf dem Festland und war in der Lage noch mehr zu tun. Wir waren durch die Macht der Verhältnisse genötigt mit ihm über diese und andere Fragen ein Abkommen zu schließen, zu dem die Abtretung Helgolands gehörte und wir auch ein Übereinkommen mit Frankreich treffen. Das Vorgehen Deutschlands war zweifellos ärgerlich für uns, aber wir haben kein Anspruch auf ein Monopol für Erwerbungen in Afrika und man kann kaum behaupten, daß wir nicht unseren vollen Anteil erhalten hätten.“

„Ich habe diese Bemerkungen niedergeschrieben, teils weil die Umstände selbst von beträchtlichen Interesse sind, teils weil sie dazu beitragen, dazutun daß die Geschichte der deutschen Politik unserem Land gegenüber nicht ein einförmige Bild schwarzer Taten ist, wie das Memorandum sie zu schildern scheint.

Fortsetzung im nächsten Beitrag.
 
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