Die Schlacht an den pontes longi.

Hallo zusammen,

der Wall verläuft offensichtlich in mehreren Bögen, meines Erachtens ist er errichtet worden wegen einiger guter Gründe:
1. Lebten um die Zeitenwende dort wohl Zivilisten, also Bauern. Zumindest für ein Haus sind die Pfostenlöcher gefunden worden.
2. Wenn Bauern uraltes Wiesenland urbar machen wollen, geschieht das weniger wie heute durch Umpflügen der Grasnarbe, zumal heutige tiefgreifende Pflugscharen nicht zur Verfügung standen, sondern durch Abtragen der Grasnarbe und Ablegen der Rasenstücke dorthin, wo sie nicht stören, sondern sogar noch einen guten Nebeneffekt haben.
3. Dafür bot sich der Rand des Waldes in südlicher Richtung bergaufwärts an. Von diesem langgestreckten Hang flossen sicherlich mehrere bachartige Rinnsale ins nördliche Moor, besonders zur Schneeschmelze und nach starken Regenfällen. Heute sind noch zwei gut zu sehen.
4. Für diese Rinnsale/Bäche wurden Lücken im entstehenden Wall gelassen, die bei zu starkem Wasseraufkommen geschlossen werden konnten. Somit musste das anfallende Wasser südlich (hangaufwärts) des Walls quer abgeleitet werden. Da kommt selbst ein militärtechnisch unbegabter Bauer auf die Idee, dieses mittels eines vor dem Wall verlaufendem Grabens zu ermöglichen. Da das Gelände leicht nach Osten abfällt, konnte das Wasser somit in diese Richtung abfließen, bzw. durch die dort befindlichen, geöffneten Durchlässe zur Feldbewässerung gedient haben (je nach Bedarf).
5. Dem Wall wiederum dienten am gewundenen Waldrand stehende Jungbäume von Flachwurzlern (man google nach solchen Baumsorten) zur Stabilität. Daher sind die Reste der Stämme heute noch im Wallrest zu erkennen, die Wurzeln, da sehr dünn, hinterließen keine sichtbaren Spuren. Warum auch sollten ansonsten Pfosten für einen angenommenen Zaun auf dem Wall so tief in den Boden gerammt werden?
6. Sinnigerweise bietet solch ein Wall auch etwas Schutz Richtung Berg, zumindest gegen den Einfall von Wildtieren, die das Getreide oder andere Feldfrüchte stibitzen wollen - da benötigten die Leute sicher weniger Wachen am Feld...

Nach intensiver Besichtigung des Geländes (geschehen vor zwei Jahren) würde ich auf diese obige Erklärung kommen, wüsste ich nicht von den Kampfhandlungen, sondern nur vom Wall. Aber auch mit diesem Wissen ist das kein Problem, da sich der vorhandene Wall als Deckung für Angreifer auf Vorbeimarschierende in jedem Fall einigermaßen gut eignet. Ebenso würde er sich gut eignen, zufällig in der Nähe (östlich) lagernde Truppen nachts ein wenig "anzufeuchten", indem ich die Bachdurchlässe alle schließen lasse. Auch kann ich tags darauf den Marschweg zwischen Wall und Moor gut durchnässen um besser (den Tross) angreifen zu können.
Aber sicher interpretiere ich das alles falsch, doch immer wieder kommt mir die simple Erklärung in den Sinn, wenn ich von den mich wenig überzeugenden militärischen Erklärungen für die Form, die Durchlässe, die "römischen" Spitzgräben lese oder höre. Wo ist denn der ultimative Hinweis, dass das Konstrukt ausschließlich (und so ungeeignet) nur für militärische Zwecke errichtet wurde? Ich fand ihn nicht!

Grüße
Ostfale

Nein Ostfale, das Haus in Kalkriese ist älter als der Wall. Niemand baut ein Haus in einer Flashfloodzone und wenn er doch den Fehler begangen haben sollte, wäre der Aufwand ein neues Haus zu errichten wesentlich geringer als der, einen 400 m langen Wall aufzuwerfen. Zumal... wenn man Probleme mit der Drainage hat, dann ist so ziemlich das dämlichste, was man machen kann das, die Grasnarbe abzutragen. Genau das ist in Kalkriese aber passiert. Zudem befinden sich im Wallmaterial Material aus den Abfallgruben des Hauses, was dafür spricht, dass es beim Bau des Walls schon geraume Zeit aufgegeben war. Es ist nicht einmal geklärt, ob Reste dieses Hauses zum Zeitpunkt des Kalkrieser Ereignisses oberirdisch noch zu erkennen waren.
 
Es ist wirklich ein bissel viel verlangt, einen mehrere hundert Meter langen, vielleicht zwei bis drei Meter hohen Grassodenwall, der im Grunde nur den Hangwald von dem davorliegenden, rund gut 100 Meter breitem Gelände trennt, mit einer wirksamen Grenzsicherungsanlage zu vergleichen.
Mit Angrivarierwall ist möglicherweise eine der vielen (von den nördlichsten Kelten errichtete) Wallanlage/Wallburg gemeint, die an der Grenze zum Siedlungsgebiet der Cherusker lag. Ansonsten ist die Errichtung einer möglicherweise kilometerlangen, weitgehend durchbruchssicheren Befestigungsanlage meiner Kenntnis nach tatsächlich für germanische Stämme äußerst ungewöhnlich. Welchen Sinn sollte sowas denn haben?
 
Hallo @ElQ,

was ist, wenn die Gegend nicht ständig bewohnt war, also der Ursprungswall (wie von mir beschrieben) durch die eine Kampfpartei mittels weniger Stunden Arbeit für den militärischen Zweck ausgebessert/erhöht wurde und deshalb die beschriebenen Utensilien dorthinein kamen?
Die Grasnarbe muss der Bauer abtragen, sonst kann er dort nichts säen (übrigens gibt es weltweit abschüssige Felder ;-) ). Deshalb auch oberhalb davon der Graswall mit verschließbaren Durchlässen, damit die Flut die Muttererde nicht wegspülen kann!
Übrigens wäre ich (auf dem Land groß geworden) auch dämlich. Vor zehn Jahren hatte ich beim Bau meines Hauses ebenso die wilde Grasnarbe auf ca 1500 qm entfernt (allerdings mit breiter Baggerschaufel) um einen kleinen Garten und Zierrasen anlegen zu können. Anfangs war das Gelände dort auch schräg, musste später Erde aufschütten und nivellieren. Vielleicht sind deshalb die Siedler dort auch wieder verschwunden, weil zuviel Wasser...

Nachtrag: Wer sagt denn, dass da nur ein Haus stand? Bisher wurde nur ein solches gefunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht um die Dimensionen. Angrivarier und vor allem auch die Cherusker waren ja keine kleinen Stämme, entsprechend groß waren ihre Territorien, und entsprechend groß war ihre gemeinsame Grenze (sofern die denn überhaupt fest definiert war), 30 km bis 50 km wenn nicht mehr wird die lang gewesen sein. Eine effektive Grenzbefestigung müsste also auch mindestens 30 km bis 50 km lang gewesen sein, darüber dass es so einen langen Grenzwall nicht gab sind wir uns wohl alle einig.

Der Grenzwall musste doch gar nicht so lang wie die Grenze sein:

Liest man weiter, stößt man schon im nächsten Kapitel auf die Stelle: " Romanos flumen aut montes claudebant" (Der Fluss oder Berge schlossen die Römer ein. Tacitus, Annalen 2, 20.)

Hinter dem durch Sumpf geschütztem Wald wird eine Bergkette gelegen haben. Die Engstelle zwischen Fluss und Bergen oder dem durch den Morast geschützten Wald war durch den Wall geschützt. Wald, Berge und Fluss spielen in der Schlacht eine Rolle und Germanicus konnte das Schlachtfeld überblicken. Viel mehr als 5km dürfte der Wall also nicht lang gewesen sein.

Wenn die weitere Grenze durch eine Berg- oder Hügelkette gebildet wurde, erübrigte es sich sowieso, die komplette Grenze zu befestigen.

Und einen 30 km langen Grenzwall hätten die Angrivarier sicher nicht bemannen können.
 
Mit Angrivarierwall ist möglicherweise eine der vielen (von den nördlichsten Kelten errichtete) Wallanlage/Wallburg gemeint, die an der Grenze zum Siedlungsgebiet der Cherusker lag. Ansonsten ist die Errichtung einer möglicherweise kilometerlangen, weitgehend durchbruchssicheren Befestigungsanlage meiner Kenntnis nach tatsächlich für germanische Stämme äußerst ungewöhnlich. Welchen Sinn sollte sowas denn haben?

Du fragst jetzt nicht wirklich, welchen Sinn ein Wall hat? Ich gehe davon aus, Du meinst warum ausgerechnet zwischen Angrivariern und Cheruskern ein Wall gebaut wurde, obwohl diese von Germanen selten benutzt worden sein sollen, und beantworte dies weiter unten.

Tacitus berichtet nicht von einer Wallburg, sondern von einem Wall oder Damm zwischen zwei natürlichen Hindernissen (Fluss und Wald mit Sumpf). Er bezeichnet ihn auch nicht als "weitgehend durchbruchsicher", sondern als breit ("lato"). Und wie der Schlachtverlauf zeigt, war der Wall ja tatsächlich nicht durchbruchsicher.

Darüber, ob die Germanen zu blöd waren, Erde auf einen Haufen zu werfen, haben wir erst im Kalkriese-Thread diskutiert.

Auch Knüppeldämme durch Sumpfgebiete gab es in Germanien schon vor den Römern. Und auch nachher. Zu behaupten, dass eine Ethnie etwas nicht kann, was eine andere ihr vorgemacht hat, darüber sollten wir doch wohl lange hinweg sein. Und spätestens Cäsar, wenn nicht schon die Kelten, haben es den Germanen vorgeführt. Wenn dies Wissen nur selten angewandt wurde, heißt dies nur, dass man es nicht als nötig ansah.

Welcher Grund könnte zu dem Bau des Angrivarierwalls geführt haben? Tacitus berichtet, dass zwischen den Gebieten einzelner germanischer Ethnien gewöhnlich ein Stück Wildnis lag. Für die Zeit vor Christi Geburt sind getrennte Siedlungskammern archäologisch belegt. Bis zu den Zeiten des Tacitus wird sich dies aber an vielen Stellen geändert haben. Dort, wo Stammesgebiete direkt aneinanderstießen gab es erhöhtes Konfliktpotential. Ein Wall kann eine gute Idee gewesen sein, Konflikte zu vermeiden.

Vielleicht war eine Grenze durch einen Mythos abgesichert und der Grenzwall hatte somit religiöse Bedeutung. Vielleicht wurden Raubzüge auch einfach so häufig durch diese Enge geführt, dass man reagieren musste. Wir wissen es nicht, aber ein Sinn lässt sich schnell finden. Daher gibt es auch keinen Grund, hier die Angabe des Tacitus anzuzweifeln, weil ein solches Bauwerk unüblich war.
 
Hallo El Quijote,
mit "zuviel Wasser" meinte ich gewitterartige Regenfälle, die direkt auf die Nutzflächen treffen und dort Erde wegspülen, trotz bestem Damm gegen die rauschenden Bäche. Das vernichtet im ungünstigsten Fall die gesamte Saat. Wenn das ein paarmal in wenigen Jahren passiert, sucht man sich einen bessere Ackerstelle und zieht fort...
Lieber Riothamus, ich zumindest halte die Germanen nicht für blöd. Geschrieben hatte ich lediglich von "militärtechnisch unbegabten Bauern".
Tacitus schrieb etwa: „Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte.“ (hab ich aus Wikipedia auf die Schnelle)
Da fängt das Problem an, die Angrivarier hatten lediglich eine Seite durch einen breiten Damm erhöht. Letzterer bildete die Grenzlinie zu den Cheruskern. Welche Cherusker? Sind damit nicht etwa die Kampfscharen der Cherusker gemeint, die an der Schlacht teilnahmen und sich jenseits des Angrivarieraufgebots im sumpfigen Wald versteckten?
Also ist vielleicht überhaupt kein auf lange Sicht angelegter "Grenzwall" gemeint, der die Stammesgebiete trennte?
Warum schreibt Tacitus nicht von einem Kampfplatz der von Moor und Wald umschlossen war, erwähnt stattdessen den Fluss? Warum lässt er den Wald letztlich auch vom Moor umschlossen sein? Der Wald zog sich in Kalkriese nach Süden den Berg hoch, wie kommt da ein Moor hin?
Ging Arminius´Plan nicht dahin, die Römer auf den, eine Seite sperrenden, Damm zu locken und Germanicus dann mit den fein versteckten Cheruskern quasi von hinten in die Zange zu nehmen, was Germanicus erahnte und vereitelte?
Der Damm muss dann wiederum so angelegt sein, dass er von den Römern zwingend angegriffen wird, idealerweise steht solch ein Damm dann quer zur Marschrichtung, oder verengt diese deutlich, oder? Auch sollte der Damm dann auch sehr hoch und breit sein um, so geplant, bis zum Eingreifen der Cherusker standzuhalten, so gewaltig sah der Kalkriesedamm offensichtlich nicht aus, gleichfalls machen dann mehrere Durchlässe recht wenig Sinn.
Eine Seite wurde erhöht. Mal angenommen, das, was erhöht wurde, war vorher schon ordentlich hoch, beispielsweise eine Seite einer bestehenden Wallburg, die noch dazu den Marschweg durch ihr Vorhandensein verengt und nun in Richtung anmarschierende Legionen verstärkt/erhöht/verbreitert wurde.
Nochmal, schreibt Tacitus hier wirklich von einem die Stammesgebiete trennenden breiten Grenzwall oder dient die Anführung des Walls lediglich der Beschreibung der Aufstellung der an der Schlacht beteiligten Stämme?
Oder steht da in der Textstelle was anderes drin, ist vielleicht schlecht übersetzt?
Abschließend noch, ich zweifle niemals Angaben des Tacitus an, maximal äußere ich leichte Zweifel an der Interpretation selbiger.
Grüße
Ostfale
 
Zuletzt bearbeitet:
Da fängt das Problem an, die Angrivarier hatten lediglich eine Seite durch einen breiten Damm erhöht. Letzterer bildete die Grenzlinie zu den Cheruskern. Welche Cherusker? Sind damit nicht etwa die Kampfscharen der Cherusker gemeint, die an der Schlacht teilnahmen und sich jenseits des Angrivarieraufgebots im sumpfigen Wald versteckten?
Das ist wieder die berühmte Stelle, wo Kalkriesegegner, die in Kalkriese den Angrivarierwall vermuten, immer wieder ignorieren, dass hier erstens ein Plusquamperfekt benutzt wurde und zweitens - diese Frage bleibt jedes Mal unbeantwortet - welchen militärtaktischen Nutzen es gehabt hätte, einen Wall zwischen den Verbündeten aufzuwerfen. Weiterhin bleibt die Frage, warum im Gegensatz zur taciteischen Beschreibung ds Angrivarierwalls, wo die Germanen den Sumpf im Rücken hatten, in Kalkriese die Römer den Sumpf im Rücken hatten und zu guter letzt, wo denn der flumen in Kalkriese abgeblieben ist, von dem Tacitus im Rahmen der Schlacht am Angrivarierwall mehrfach spricht.


Warum schreibt Tacitus nicht von einem Kampfplatz der von Moor und Wald umschlossen war, erwähnt stattdessen den Fluss?
Gute Frage! Wo ist dieser Fluss in Kalkriese?


Warum lässt er den Wald letztlich auch vom Moor umschlossen sein? Der Wald zog sich in Kalkriese nach Süden den Berg hoch, wie kommt da ein Moor hin?
Noch ein Grund, warum die Identifikation Kalkrieses mit der Schlacht am Angrivarierwall nicht einmal mehr auf tönernen Füßen steht.

Nochmal, schreibt Tacitus hier wirklich von einem die Stammesgebiete trennenden breiten Grenzwall oder dient die Anführung des Walls lediglich der Beschreibung der Aufstellung der an der Schlacht beteiligten Stämme?
Wozu sich die Mühe machen, einen Wall aufzuwerfen, der nicht als Fortifikation gedacht ist, sondern um verbündete Kämpfer nach Ethnien zu trennen? Das ergibt keinen Sinn. Zumal all dies hätte geschehen müssen, als die Germanen erst nach der verlorenen Schlacht bei Idistaviso noch auf der Flucht waren, kehrt machten und die Römer überholten, um sie dann zu überfallen. (Man kann hieraus vielleicht noch ziehen, dass die germanische Niederlage bei Idistaviso wohl nicht so schwer war, die von Tacitus vordergründig behauptet.)
Wer den Angrivarierwall nach der taciteischen Beschreibung als Grenzwall ablehnt, muss die Frage beantworten, welchen militärtaktischen Sinn es gemacht haben soll, die verbündeten Ethnien durch einen Wall ohne fortifikatorischen Nutzen zu trennen.
 
Oder steht da in der Textstelle was anderes drin, ist vielleicht schlecht übersetzt?
Abschließend noch, ich zweifle niemals Angaben des Tacitus an, maximal äußere ich leichte Zweifel an der Interpretation selbiger.

Die Interpretation ist an die Worte und ihre Grammatik gebunden.

silvas quoque profunda palus ambibat nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.

extollere - aufwerfen, herausheben. Hier - extulerant - 3. Person Plural Plusquamperfekt (= Vorvergangenheit). Alternativ: efferre.

dirimere -trennen, abbrechen, beenden, auflösen, unterbrechen, stören: Hier - dirimerentur - 3. Prs. Pl. Imperfekt Passiv Konjunktiv. (Imperfekt = in der Vergangenheit nicht abgeschlossene Handlung, die grammatische Konstruktion verweist also nicht auf ein punktuelles - perfektives, in der Vergangenheit abgeschlossenes - Ereignis hin, wie die Schlacht.)

"Die Angrivarier hatten den Wall aufgeworfen, damit sie von den Cheruskern (dauerhaft*) getrennt würden."

*Das dauerhaft steht nicht wörtlich im Text, ist aber in der Verwendung des Imperfekts angelegt. Deshalb einerseits durch Fettdruck hervorgehoben, andererseits in Klammern.
 
Warum schreibt Tacitus nicht von einem Kampfplatz der von Moor und Wald umschlossen war, erwähnt stattdessen den Fluss? Warum lässt er den Wald letztlich auch vom Moor umschlossen sein? Der Wald zog sich in Kalkriese nach Süden den Berg hoch, wie kommt da ein Moor hin?

Wieso gehst Du davon aus, dass der Angrivrierwall in Kalkriese stand? Tacitus berichtet doch klar von einem Fluss, der dort fehlt.

Er berichtet auch, dass die Fusstruppen der Germanen auf dem Wall standen, und sich die Reiter in den Wäldern versteckten. Die Germanen hatten sich also nicht nach Ethnien gegliedert. Die Interpretation als Unterteilung der Schlachtordnung ist somit nur möglich, wenn man den Satz isoliert betrachtet und die Verwendung des Imperfekt, wie El Quijote schreibt, beiseite lässt.

Der Text findet sich übrigens hier. Wenn man rechts auf 'focus' klickt, kommt man zu einer englischen Übersetzung.

Edit: Die Wälder stehen bei Tacitus im Singular.
 
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Hallo nochmal,

nein, Riothamus, ich gehe überhaupt nicht davon aus, im Grassodenwall den Angrivarierwall zu sehen. Allein schon deshalb nicht, weil auf einem frisch aufgeworfenen Wall, der nur punktuell gesichert/verstärkt war (Steine und Holzpfosten) überhaupt keine Massen von Kriegern einen sicheren Stand haben. Das Dingens wäre bei Kampfhandlungen ratzfatz runtergetreten worden. Ich halte den Wall für ein Konstrukt, welches anfangs anderen Zielen diente und erst aufgrund der Kampfsituation (Vorbeimarschieren der Legionen) als willkommene Deckung von einer Kampfpartei benutzt wurde.
Wenn schon nicht die Varusschlacht, dann würde das Gelände ideal zur Pontes-Longi-Schlacht passen (aber das geht ja nun überhaupt nicht, da man dann Amisia und Lupia als Orte ansehen müsste und nicht als die heutigen Flüsse Ems und Lippe. Das hat zwar schon ein in Geografie ziemlich gut geschulter und informierter Zeitzeuge von Tacitus gemacht (Ptolemäus - hatte auch die Ems als "Amasus" bezeichnet), jedoch steht es nun mal im einzig überlieferten Text der Annalen von Tacitus - die wievielte Kopie ist das denn eigentlich? - genau anders, also sind es Flüsse! Nun hat Josef Delz zwar in "Einleitung in die lateinische Philologie" von Fritz Graf, Wiesbaden 1997, in seiner interessanten Abhandlung zu Textkritik und Editionstechnik sehr anschaulich die schier endlosen Fehlerquellen der Textkopierer (ab Seite 51) beschrieben, aber da nur ein Textexemplar überliefert ist, kann nur vermutet werden, dass sich bei Tacitus möglicherweise auch sinnentstellende Kopierfehler eingeschlichen haben, u.a. auch sinnentstellende Verwendung von falschen Zeitformen, den Imperfekt beispielsweise...).

Schon aus diesem Grund hatte ich die Verwendung des Kalkriesewalls als Anlage zur Wasserableitung nach Osten als denkbare Möglichkeit oben beschrieben (nächtliche Flutung des Caecina-Lagers).
Dann, hypothetisch angenommen, hier fand die Pontes-Longi-Schlacht statt, wäre das Schlachtfeld am Angrivarierwall weiter östlich an einem Fluss zu suchen. Mich wundert nun, dass Tacitus den Namen desselben nicht nannte,. Wäre es die Weser, hätte er das doch anführen können, aber vielleicht gaben seine Unterlagen dafür keinen Hinweis.

Ansonsten Dir und besonders auch El Quijote Dank für die Erläuterung der Textstellen. Als in Latein leider wenig geschulter Mensch ist das sehr hilfreich und weiterführend!

Grüße
Ostfale
 
Dann hatte ich das falsch verstanden.

Wieso müsste man Ems und Lippe als Städte betrachten? Germanicus stand zwischen Lippe und Ems. Meist wird angenommen, dass der Oberlauf der Flüsse gemeint ist, also etwa das Gebiet der heutigen Stadt Delbrück, aber ganz so sicher ist das auch wieder nicht. Von dort zog Germanicus zum Ort der Varusschlacht. Irgendwann danach wird er von Arminius überfallen. Wiederum danach erfolgt der Rückzug, bei dem sich die Schlacht an den Pontes Longi ereignete. So stellt Tacitus es zumindest dar. Von dem Gebiet zwischen Ems und Lippe ist da schon lange keine Rede mehr.

Schon Delbrück hat dargestellt, dass die Schilderung der Germanicus-Feldzüge bei Tacitus so einige Brüche hat. Er hat einen Großteil dessen als Phantasiegebilde betrachtet. Tacitus berichtet klar im Sinne des Germanicus. Naheliegender als Phantasiegebilde dürfte es gewesen sein, dem Leser durch Auslassungen, Übertreibungen und Anordnung des Stoffes Sand in die Augen zu streuen, was durchaus erfolgreich war: So lange "wissen" wir noch nicht, dass diese Feldzüge nicht so erfolgreich waren, wie behauptet.

Hierher mag gehören, dass Tacitus nur von 'Fluss' redet. (Das Lateinische kennt zudem keine Artikel.)
 
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Edit: Die Wälder stehen bei Tacitus im Singular.
Reden wir über dieselbe Stelle?
postremo deligunt locum flumine et silvis clausum, arta intus planitie et umida: silvas quoque profunda palus ambibat nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur. hic pedes adstitit: equitem propinquis lucis texere ut ingressis silvam legionibus a tergo foret.

Also einmal Ablativ Plural, einmal Akkusativ Plural und einmal Akkusativ Singular. Gerade bei Wald halte ich allerdings semantisch die Frage ob Singular oder Plural für fast nebensächlich.
 
Schon Delbrück hat dargestellt, dass die Schilderung der Germanicus-Feldzüge bei Tacitus so einige Brüche hat. Er hat einen Großteil dessen als Phantasiegebilde betrachtet. Tacitus berichtet klar im Sinne des Germanicus. Naheliegender als Phantasiegebilde dürfte es gewesen sein, dem Leser durch Auslassungen, Übertreibungen und Anordnung des Stoffes Sand in die Augen zu streuen, was durchaus erfolgreich war: So lange "wissen" wir noch nicht, dass diese Feldzüge nicht so erfolgreich waren, wie behauptet.

Dem kann man wohl zustimmen.
Tacitus hat den Germanicus durchaus heroisiert. Und Tacitus hatte durchaus eine Art "Abneigung" gegenüber dem Tiberius. Germanicus wird bei ihm als eine Art "jugendlicher Held" dargestellt.

Andererseits hat gerade Tiberius offensichtlich realistisch gehandelt, was den Abbruch der Germanienfeldzüge angeht. Ließt man beim Tacitus "zwischen den Zeilen", so muß man zwangsläufig zu diesem Ergebnis kommen:

- nach dem Besuch des Varusschlachtfeldes gelingt es dem Germanicus, Arminius zu stellen. Offensichtlich begeht Germanicus aber einen entscheidenden strategischen Fehler: Er schickt Verstärkung gegen die fliehenden und panischen römischen Legionäre. Die Verstärkung wird schließlich von dieser Panik angesteckt.

- bei den pontis longi stehen vier römische Legionen vor der Vernichtung. Sie entgehen dieser nur durch Streitereien innerhalb des germanischen Lagers. Ein wirklicher Sieg ist dies offenbar nicht. Vielmehr können sich diese Legionen an den Rhein retten - womit selbst die Römer nicht gerechnet haben.

- die Schlacht von Idistavisio gewinnen die Römer lt. Tacitus. Entscheidend war dieser Sieg sicherlich nicht. Schließlich waren die Germanen unter Arminius offensichtlich stark genug für eine erneute Schlacht (Angrivarierwall). Bemerkenswert ist allerdings, daß die Germanen bei Idistavisio sich einer offenen Schlacht stellen. Dies spricht eher für die Stärke der Germanen und dem Selbstbewußtsein des Arminius.

Eigentlich klingt der Tacitus hier eher ein wenig "kleinlaut".
Herausgestellt als Erfolg werden eher unwesentliche Dinge, wie die Gefangennahme der Thusnelda oder die Rückeroberung der Feldzeichen der Varuslegionen. Dies mag symbolische Bedeutung gehabt haben. Mehr aber wohl nicht.

Bemerkung:
Ich glaube wir sind hier off topic. Gehört wohl mehr in den Germanicus thread.
 
Hallo Riothamus,

wo habe ich geschrieben, dass Ems und Lippe keine Gewässer sind? Ich habe lediglich auf die vage Möglichkeit der fehlerhaften Kopie des Tacitustextes hingewiesen und dies mit Ptolemäus versucht, begreiflich zu machen. Nun. für Dich also nochmal:
In der Karte der Magna Germania von Ptolemäus sind Amisia und Lupia als Städte/Orte definiert. Angegeben mit Längen- und Breitengrad (deren Ungenauigkeit unbestritten ist - hier geht es nur darum, als was ein Geografiefachmann und Zeitgenosse von Tacitus diese in seinem Werk definiert), was bei einem Fluss nun wirklich nicht geht! Nebenbei, ich hatte es oben schon gesagt, bezeichnet er die Ems mit "Amasus". Aber schau doch einfach mal selbst drauf...
Fakt ist, wir haben hier Überlieferungen, die entgegengesetzte Aussagen treffen, obwohl beide Verfasser über die gleichen Quellen verfügen müssten.
Weiterer Fakt:
Das Werk von Ptolemäus ist m.W. im 14.Jh in Konstantinopel entdeckt worden und wurde am Kaiserlichen Hof ins Latein übersetzt. Diese Übersetzungen sind erhalten.
Tacitus´Annalen sind offensichtlich das Ergebnis mehrerer Kopien der jeweiligen Vorgängerabschriften (zu möglichen Kopierfehlern siehe Josef Delz).

Aber natürlich ist communis opinio, dass Amisia und Lupia nur Flüsse sein können. Schließlich steht bei Tacitus ausdrücklich Fluss daneben. Das geht übersetzungstechnisch wirklich nicht anders! Dann muss sich aber Ptolemäus fragen lassen, warum er nun wieder Amisia und Lupia als Orte definiert und für den heutigen Fluss Ems ausdrücklich Amasus verwendet. Wo liegt der mögliche Fehler?

Grüße
Ostfale

PS: Was lernt jeder Lateinschüler am Anfang? Da war doch ein Reim, wo festgelegt ist, was alles männlich und was weiblich ist, oder so...
 
Danke @dekumatland, hilfreiche Antwort!

1. Betrachte ich die Geographike Hyphegesis von Ptolemäus nicht als Schulatlas, sondern als das, was es offensichtlich ist. Der erste bekannte Versuch die bekannte Welt des 2.Jh mittels eines Koordinatensystems darzustellen. So etwas kann nur jemand unternehmen, dem nahezu alle bekannten Informationen der damaligen Zeit zur Verfügung stehen und der in der Lage ist, diese Daten nach einem System zu ordnen! Selbst die in Konstantinopel angefertigten Übersetzungen liegen höchstwahrscheinlich fachlich nahe am Original, da hier lediglich Fakten und Namen übersetzt werden mussten. Im Gegensatz zum im Prosa geschriebenen Werk von Tacitus, der zudem offensichtlich parteiisch war, musste man nicht so genau den speziellen Satzbau, Stil und inhaltlichen Zusammenhang beim Kopieren/Übersetzen berücksichtigen. Demzufolge schätze ich den verwertbaren Inhalt als wesentlich brauchbarer ein, grade was Ptolemäus` Angaben zu geografischen Fakten betrifft. Dass seine Lageberechnungen nur im Breitengradbereich einigermaßen exakt sind (Äquator = Null, Pole = 90° - das gilt heute noch!), wogegen seine Längenangaben oft sehr gewagt sind, da damals kaum messbar, spielt in diesem Zusammenhang nur eine geringe Rolle!
Mir ist nicht wichtig, wo Amisia und Lupia genau lagen, sondern dass der damals bestens in Geografie bewanderte Mann in einem offiziellen Werk diese eindeutig als Orte kennzeichnete, ebenso den heute als Ems bekannten Fluss als "Amasus"!

2. Die tabula peutingeriana ist frühestens 200 Jahre später angefertigt worden. Vermutlich nach Agrippas Karte, die nach Abschluss der Weltvermessung angefertigt wurde. Dieses Werk hat aber sämtliche Gebiete östlich des Rheins nicht drauf, warum auch immer. Vielleicht ist die Vorlage abhanden gekommen, oder aber die Karte zeigte nur die bekannte römische Welt plus Nachbarn, mit denen Handel etc. betrieben wurde. Mit Germanien im frühen 4.Jh war offenbar kaum noch friedlich zu verkehren, nehme ich an. Schade eigentlich...
 
Mir ist nicht wichtig, wo Amisia und Lupia genau lagen, sondern dass der damals bestens in Geografie bewanderte Mann in einem offiziellen Werk diese eindeutig als Orte kennzeichnete, ebenso den heute als Ems bekannten Fluss als "Amasus"!

Eigentlich heißt es bei es bei Ptolemaios immer Ἀμισίου ποταμοῦ (also im Genitiv, die Nominativform wäre dann Ἀμισίος). Offensichtlich hat hier Ptolemaios das Geschlecht des Flusses an den Fluss selbst - ποταμός ist männlich - angepasst.
Τὴν δὲ παρωκεανῖτιν κατέχουσιν ὑπὲρ μὲν τοὺς Βρουκτέρους οἱ Φρίσιοι μέχρι τοῦ Ἀμισίου ποταμοῦ,...

Die Mündung des Flusses Amisios: ἀμισίου ποταμοῦ ἐκβολαὶ
und die Quelle dieses Flusses: αἰ πηγαὶ τοῦ ποταμοῦ

Dann gibt es bei ihm noch den Ort ἀμισία

2. Die tabula peutingeriana ist frühestens 200 Jahre später angefertigt worden. Vermutlich nach Agrippas Karte, die nach Abschluss der Weltvermessung angefertigt wurde. Dieses Werk hat aber sämtliche Gebiete östlich des Rheins nicht drauf, warum auch immer. Vielleicht ist die Vorlage abhanden gekommen, oder aber die Karte zeigte nur die bekannte römische Welt plus Nachbarn, mit denen Handel etc. betrieben wurde. Mit Germanien im frühen 4.Jh war offenbar kaum noch friedlich zu verkehren, nehme ich an. Schade eigentlich...

Das ist nicht ganz korrekt. Die Gebiete östlich des Rheins werden nicht mit Verkehrswegen gezeigt, Stammesnamen an der Rheingrenze werden allerdings noch erwähnt.
In dieser Zeit waren Germanen - frühe Franken etwa - bereits einer der Hauptrekrutierungspools für die römische Armee. Bekannt geworden ist ein gewisser Merobaudes (ich erkenne da einen Marbod wieder).
 
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