Kursk Juli 1943 - Operation Zitadelle

Das MGFA hat sich vor einigen Jahren in der Weise geäußert, dass es die Operationsgeschichte des 2. Weltkrieges für abschließend und erschöpfend dargestellt hält (eine entsprechende Buchreihe, begonnen mit "Weserübung" und "Blitzkrieg-Legende" wurde eingestellt, allerdings wurde die DRZW-Reihe komplettiert).

Offenbar sieht das die internationale Forschung anders. Hier nun eine Neuerscheinung zur Operationsgeschichte von "Zitadelle"/Kutusow bzw. Kursk und Orel 1943:

Dennis E. Showalter. „Armor and Blood" - The Battle of Kursk, the Turning Point of WW II". 2013. (den Wendepunkt sollte man nicht als "Kriegswende" verstehen, sondern als operationsgeschichtlichen Einschnitt mit dem Übergang der Wehrmacht zur Defensive, sowie den operationsgeschichtlichen Einschnitt für die Rote Armee).

Showalter, bekannt auch durch seinen Literatur-Disput zur Marne 1914 und zum Schlieffen-Plan mit Zuber, bringt eine übergreifende Studie, die die letzte Wehrmachtsoffensive auf Operationsniveau und die Planung der Roten Armee in einen größeren Kontext stellt - wer hier neue "Statistiken" oder Details erwartet, liegt falsch und sollte sich besser an DRZW 8 mit Friesers "Accounting" halten.

Bzgl. der Abbruchentscheidung Hitlers bringt Showalter die Wertung, dass eine Kombination von den Entwicklungen des Mittelmeerraumes, ein Ausspielen gegensätzlicher Auffassungen in der Wehrmacht durch Hitler und der unmittelbare Eindruck der Orel-Gegenoffensive vorläge.

Bereits zuvor ein weiterer Detailbericht:
George M. Nipe: Blood, Myth an Steel - the II. SS-Panzerkorps and the Road to Prochorowka July 1943. 2010



P.S. Die zahlreichen Neuerscheinungen zur Operationsgeschichte 1941 bis Moskau stelle ich an anderer Stelle zusammen.
 
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Vor Jahren erzählte mir ein ehemaliger Mitarbeiter des MGFA (so hieß die Behörde damals noch), der anerkannte Veröffentlichungen zum Krieg in Nordafrika und zum Elitewandel im deutschen Offizierkorps des Zweiten Weltkrieges vorgelegt hat, dass Operationsgeschichte im alten MGFA unter der Rubrik "Mord und Totschlag" geführt wurde (das war der amtsinterne Spottname).

Leitende Historiker wie Deist oder Volkmann hätten an diesen Themen kein Interesse gehabt. In Band 4 des Reihenwerkes hat Deist den Beitrag von Ernst Klink über den Russlandfeldzug in der zweiten Jahreshälfte 1941 überarbeitet, obwohl Klink als fähiger Operationshistoriker galt. Oder man denke an die Kritik an Band 8, den Frieser herausgegeben hat. Operationsgeschichte bedeutet für manche Zeitgenossen wohl, die verbrecherische Dimension des Krieges zu verharmlosen.

Meines Wissens gab Karl-Heinz Frieser in der MGZ mal ein Heft zum Thema Operationsgeschichte heraus, aber in Deutschland scheinen Militärhistoriker um dieses Thema einen Bogen zu schlagen.

Möglicherweise liegt das auch daran, dass man im Grunde eine militärische und eine wissenschaftliche Ausbildung braucht, um der Problematik gerecht zu werden.
 
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Das mag sein, wäre eine Erklärung. Über den Band 4 gab es dann ja auch den Eklat mit Hoffmann.

Es passiert jedenfalls nur noch wenig, ganz im Gegensatz zur internationalen Szene.
 
Die Thesen von Hoffmann sind - zurückhaltend formuliert - diskussionswürdig.

Sein kurzer Beitrag in Band 4 umgeht ja noch die Frage des Präventivkrieges oder lässt sie offen.

Ein Buch, das er nach seiner Pensionierung veröffentlichte, bezog da schon deutlicher Stellung, wobei er (die Diskussion ist ja hier bekannt) in dieser Publikation auch keine stichhaltigen Beweise vorlegt.

Die Herren Historiker haben übrigens die Freiburger Gerichte beschäftigt. Deist, Hoffmann und Schustereit klagten entweder gegen das Amt oder verklagten sich gegenseitig.
 
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Also eigentlich bin ich in dieser Thematik ganz allgemein nicht unbedingt zu Hause.

Aber es interessiert mich sehr.
Und ich habe da durchaus Fragen. Vieleicht sind diese sehr laienhaft, dies bitte ich dann zu entschuldigen.:rotwerd:

Ein generelles Problem bei dieser Offensive scheint wohl das Thema "Verzögerung" zu sein. Diese Offensive wurde immer wieder verschoben. Oder liege ich da falsch?

Aber warum?

Lag es in erster Linie an den Panzern?
Wollte man unbedingt die Neuentwicklungen (Panther/Tiger) einsetzen?
Ist dies der Hauptgrund für diese Verzögerungen?

Und hätte es diese Verzögerungen nicht gegeben, wären die Chancen für die Wehrmacht dann größer gewesen?

Und grundsätzlich:
War eine Offensive auf diesen Kursker Bogen eigentlich nicht viel zu offensichtlich?
 
Wie muß man eigentlich die grundsätzliche strategische Bedeutung dieser Schlacht im Nachhinein sehen? Offensichtlich gehen die Meinungen da stark auseinander.

Overy vergleicht sie mit Sedan 1870 oder Waterloo 1815 und bezeichnet Kursk als Wendepunkt.

In der ehemaligen Sowjetunion hat diese Schlacht eine Art überragende Bedeutung. Vieles davon wurde auch im Westen übernommen.

Nun hat sich gerade in den letzten Jahren auch viel in der Sichtweise geändert.

Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung von Karl-Heinz Frieser im schon erwähnten Band 8 von DRZW.
Aus deutscher Sicht bezeichnet er die Operation nicht als Katastrophe, sondern als "operativen Teilerfolg - mit temporärer Auswirkung."
Er stützt sich dabei auf die schon erwähnten Verlustzahlen an Mensch und Material, welche auf der Seite der Sowjetunion bedeutend höher waren und somit der anstehenden sowjetischen Sommeroffensive eine gewisse Schwungkraft nahmen.

Andererseits weißt er zurecht auf die Symbolkraft der Schlacht und dem psychologischem Terrain hin. Zum ersten Mal wurde eine deutsche Sommeroffensive zurückgeschlagen. Jedem Infanteristen mußte klar sein, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Und auch den deutschen Panzerbesatzungen mußte klar sein, daß sie gegen eine Art Hydra-Schlange ankämpften - einen Kopf schlägt man ab, zwei neue wachsen dafür heran.

Interessant in diesem Zusammenhang die Tabelle auf Seite 201:
Die Verluste an sowjetischen Panzern betrugen im Sommer 1943 im Kursker Bogen (Zitadelle, Kutuzov, Rumjancev) 6064 Stück gegenüber 760 bei der Wehrmacht. Ein Verhältnis von etwa 1:8!
Und trotzdem verfügte die Rote Armee über entsprechende Reserven.

Nun scheint es ja durchaus neuere Zahlen zu geben, wie im Ausgangsbeitrag dieses Thread schon dargestellt (Punkt 4). Grundsätzlich weiß ich auch nicht, wie die Zahlen aus dem BA-MA wirklich zu bewerten sind. Das ist eine grundsätzliche Frage.

Kann man die Operation "Zitadelle" wirlich als operativen Teilerfolg bewerten?
 
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Und auch den deutschen Panzerbesatzungen mußte klar sein, daß sie gegen eine Art Hydra-Schlange ankämpften - einen Kopf schlägt man ab, zwei neue wachsen dafür heran.

Geht es vielleicht auch eine Nummer kleiner. Das, was Du da als "Hydra" bezeichnest, der man "Köpfe" abschlägt, waren Menschen! Es waren Männer und Frauen, viele Väter oder Mütter!

So kann man auch "Feindbilder" produzieren. Und Du wirst keine seriöse Darstellung finden, die eine derartige problematische Methaper verwendet.

Wenn wir schon im Moment über Sprache und ihre Funktion als Instrument für den Aufbau von Feinbildern reden. :winke:
 
Geht es vielleicht auch eine Nummer kleiner. Das, was Du da als "Hydra" bezeichnest, der man "Köpfe" abschlägt, waren Menschen! Es waren Männer und Frauen, viele Väter oder Mütter!

So kann man auch "Feindbilder" produzieren. Und Du wirst keine seriöse Darstellung finden, die eine derartige problematische Methaper verwendet.

Wenn wir schon im Moment über Sprache und ihre Funktion als Instrument für den Aufbau von Feinbildern reden. :winke:

Bitte nicht falschverstehen.
Natürlich hast du recht und vieleicht habe ich mich da nicht richtig ausgedrückt.

Dieser "Hydra-Vergleich" wird in dem erwähnten Buch (DRZW) ausdrücklich erwähnt, bzw. zitiert. Er bezieht sich in erster Linie auf die sowjetischen Panzer - nochmals das erwähnte Verhältnis 1:8 Abschüssen aus deutscher Sicht. Dieser Hydra Vergleich bzw. Zitat, stammt glaube ich von einem deutschen Offizier. Aber so schnell kann ich das in diesem Werk jetzt nicht finden.:rotwerd:
 
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Kann man die Operation "Zitadelle" wirlich als operativen Teilerfolg bewerten?

Ich hätte da Schwierigkeiten. Der folgende sowjetische Stoß auf Charkov blieb höchst verlustreich - und glückte doch. Ähnliches galt für die Schlachten um die ersten Dnjepr-Brückenköpfe. Im Herbst war die Wehrmacht gezwungen, den Kuban-Brückenkopf aufzugeben. Im Oktober gelang es den Sowjets, Kiew zurückzuerobern. Trotz der hohen Verluste bei Kursk gelangen der Roten Armee in vier Monaten bedeutende Erfolge, die die beiden vorangehenden Winter/Frühjahrsoffensiven in den Schatten stellten. Auch nach dem Erfolg bei Kiew blieb sie während des Winters in der Offensive. Dabei gelang es nicht, die einstige Heeresgruppe Süd zu vernichten, doch selbst in dieser Zeit konnten enorme Gebiete zurückgewonnen und erstmals an einigen Stellen wieder die Vorkriegsgrenze erreicht werden.
 
Ich hätte da Schwierigkeiten. Der folgende sowjetische Stoß auf Charkov blieb höchst verlustreich - und glückte doch. Ähnliches galt für die Schlachten um die ersten Dnjepr-Brückenköpfe. Im Herbst war die Wehrmacht gezwungen, den Kuban-Brückenkopf aufzugeben. Im Oktober gelang es den Sowjets, Kiew zurückzuerobern. Trotz der hohen Verluste bei Kursk gelangen der Roten Armee in vier Monaten bedeutende Erfolge, die die beiden vorangehenden Winter/Frühjahrsoffensiven in den Schatten stellten. Auch nach dem Erfolg bei Kiew blieb sie während des Winters in der Offensive. Dabei gelang es nicht, die einstige Heeresgruppe Süd zu vernichten, doch selbst in dieser Zeit konnten enorme Gebiete zurückgewonnen und erstmals an einigen Stellen wieder die Vorkriegsgrenze erreicht werden.

Soweit stimme ich dir zu. Aber Frieser erwähnt auch, daß dieser operative Erfolg nur temporär war.
Und da muß man wohl auch einige Grundüberlegungen zur Operation "Zitadelle" anstellen:

Es handelte sich nicht um eine großangelegte Offensive, ähnlich wie "Barbarossa" oder die "Operation Blau". Zu solch breit angelegten Offensiven war die Wehrmacht 1943 wohl nicht mehr fähig. "Zitadelle" war wohl eher eine operative, offensive Operation. Der Großteil der noch verfügbaren Kräfte war um den Kursker Bogen zusammengezogen. Dies hatte natürlich Schwächen an anderen Abschnitten zur Folge. Und die Rote Armee war auf diese Offensive bestens vorbereitet. Hinzu kam dann die Landung der Westalliierten auf Sizilien. Dies hatte eine entsprechende Verlegung diverser Einheiten und somit eine Schwächung der Ostfront zur Folge. Und hätte Model nicht die Räumung des Orel Bogens und den Rückzug auf die Hagen Stellung einigermassen eigenmächtig befohlen, wäre ein weiteres militärisches Desaster aufgrund eines "Haltebefehls" wohl unausweichlich gewesen. Das gleiche gilt für Charkov. - "Ich verliere lieber eine Stadt als eine Armee" (Mahnstein).

Vieleicht war "Zitadelle" nur noch eine Art "Alibiunterhehmen"?

Das Gesetz des Handelns lag längst nicht mehr auf Seiten der Wehrmacht. Die Unterschätzung vor allem bezüglich der sowjetischen Ressourcen war offensichtlich.
 
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Zitadelle war in dem Sinne eine "politische" Offensive, als Hitler die Risse in den Bündnissen nach Stalingrad zum Ausgangspunkt der Sommeroffensive machte (vgl. diverse Studien, so Försters "Risse im Bündnis", Hillgruber etc.), damit sozusagen ein Alibiunternehmen. Der Kontext ist wichtig, um den Druck auf die Offensivoperation zu verstehen.

Davon abgesehen gab es militärische Motive. Der Termin und seine Verschiebungen sind verursacht:

- durch den Abnutzungsgrad der gepanzerten Verbände Ende März 1943, wodurch die ersten optimistischen Schätzungen (Ende April Offensive) obsolet wurden
- durch die verzögerten Auffüllungen
- durch die logistischen Probleme der Eisenbahnen, auch wg. Partisanenaktionen
- durch die Räumung des Rshew-Bogens und Verlegung der freiwerdenden Verbände
- durch die Verlegungen und Konzentrationen der Luftwaffe, die Zeit brauchten
- durch den operativen Streit: "wo und wie" und "wohin"?

So kam die Situation zustande, dass die Offensivrichtung der Roten Armee nicht verborgen blieb, und die Tatsache, dass dieses der deutschen Seite sehr wohl bekannt war.
 
@silesia:
Vielen Dank für den letzten Beitrag und die Beantwortung einiger meinerseits vorgetragenen grundsätzlichen Fragen!

Zurückkommen möchte ich jetzt noch einmal auf die Bilanz dieser Schlacht, bzw. welches Ergebnis man daraus schließen könnte.

Frieser spricht, wie schon dargelegt von einer Art operativen, aber zeitlich begrenzt Gewinn und macht dies letztlich an den Verlustzahlen fest.
Fraglich ist wohl nach wie vor, wie realistisch diese Zahlen wirklich sind.
(vergl. hierzu die Ausgangsfragen dieses Themas, Punkte 6 und 7).

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Schlußurteil des Historikers Sokolov zur Schlacht um Kursk:

Auf taktischer und tw. operativer Ebene gewann die Wehrmacht die Kursker Schlacht. Doch die Überlegenheit der Roten Armee hinsichtlich der personellen und materiellen Ressourcen war so überwältigend, daß die Deutschen unmöglich in voller operativer oder gar strategischer Hinsicht siegen konnten.
(Sokolov: The battle of Kursk S. 88)

Das wirft natürlich Fragen auf. Die Schlacht um Kursk gilt als größte Landschlacht der Militärgeschichte. Natürlich gibt es eine Art Mytenbildung.
Aber wie ist das Ergebnis dieser Schlacht endgültig zu bewerten?

Anmerkung:
Man muß wohl auch den zeitlichen Rahmen in dieser Frage berücksichtigen.
Auf deutscher Seite gab es die Operation "Zitadelle", welche abgebrochen wurde und dann auch als beendet angesehen wurde.

Auf sowjetischer Seite war das allerdings anders. Die Schlacht um Kursk dauerte wesentlich länger und umfasste auch die sowjetischen Gegenoffensiven.

Fraglich, wie man das alles einordnen sollte oder muß.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf das Ergebnis wollte ich auch noch zu sprechen kommen. Vorab: ich sehe das gegensätzlich zur Darstellung bei Frieser.

Bzgl. des Entstehungshintergrundes der Operation ist die Darstellung oben eine kurze Zusammenfassung von Frieser in DRZW 8. Die einzelnen Aspekte kann man natürlich sehr viel weiter aufreißen. Der Aspekt der Luftwaffenvorbereitung kommt mE bei Frieser zu kurz, ebenso wie der diplomatisch-politische Hintergrund, der Hitler nach dem Stalingrad-Debakel offensichtlich zu dieser Offensive antrieb, und auch den wachsenden Zweifeln der militärischen Ebene bzgl. der Durchführung dann keine Chance ließ.
 
Frieser spricht, wie schon dargelegt von einer Art operativen, aber zeitlich begrenzt Gewinn und macht dies letztlich an den Verlustzahlen fest.Fraglich ist wohl nach wie vor, wie realistisch diese Zahlen wirklich sind.(vergl. hierzu die Ausgangsfragen dieses Themas, Punkte 6 und 7).

Mich verwundern diese plauderigen Bewertungen von Frieser sehr. Ganz nebenbei: für das Manstein-Zitat oben verwendet er übrigens Paul Carell, an sich ein no-go für für DRZW 8.

Welches hohe Risiko überhaupt Zitadelle bot, zeigen die sowjetischen Gegenoffensiven und Angriffsaktivitäten sozusagen im Rückraum
- im Orel-Bogen (Kutusov)
- Mius-/Isjum-Schlachten.

Die aus Zitadelle dorthin verlegten Verbände zeigen zudem, wie defensiv agierende, mobile deutsche Großverbände in der Lage waren, hohe Verluste bei der Roten Armee zu erzeugen. Dagegen steht - abseits von Friesers "Aufrechnungen" der Verluste zur Wertung der Operation - der hohe eigene Abnutzungseffekt bei deutschen Verbänden aus dem nördlichen und südlichen Angriffsstreifen von Zitadelle. Das war ein überproportional negativer Effekt für die Stabilität der Ostfront II/1943, was Frieser kaum bewertet.

"Italien-Verlegungen" spielten beim Abbruch von Zitadelle überhaupt keine Rolle, vielmehr waren diese fast ausschließlich auf die Begegnung der russischen Operationen gerichtet.

Zu den "Verlustzählungen": Frieser müßte speziell über den Umstand stolpern, dass die bei der knapp drei Wochen später erfolgenden Großoffensive Rumjanzew eingesetzten beiden sowjetischen Panzerarmeen (1. und 5.) voll aufgefüllt waren, obwohl sich nach Zitadelle-Süd als aufgerieben und vernichtet eingestuft waren. Frieser erklärt das damit, dass sie im Rückraum durch Reserven neu aufgestellt waren, was schlicht eine Unmöglichkeit darstellt und keinen derartigen Vergleichsfall 1943/44 aufweist.

Die Erklärung muss vielmehr darin gesucht werden, dass ein Großteil der Ausfälle bis Mitte Juli instandsetzungsfähig waren, und dass auch ein Großteil der Besatzungen nicht ausgefallen ist (nach den üblichen OKH-Faustformeln mindestens 50% der gemeldeten "Abschüsse").

So treten Anfang August 1943 beide Panzerarmeen mit rd. 1100 Geräten - obwohl sie nach deutscher Lesart nicht mehr existierten - voll aufgefüllt zur Rumjanzew-Offensive an. Dazu einige Betrachtungen:

5. Panzerarmee:
2. PzK: in die Reserve zurück gezogen 23.7.1943, aufgefüllt am 3.8.1943
18. PzK: in die Reserve 17.7.1943, aufgefüllt aus "repairs"! (Sharp, Soviet OOB II, S. 33), aufgefüllt bis 3.8.
29. PzK: in die Reserve nach dem 13.7.1943, "repairs": 20 T34 pro Tag (!), aufgefüllt 3.8.1943
5. Garde-MechKorps: vermutlich ähnlich.

1. Panzerarmee:
6. PzK: "schnell" aufgefüllt durch Reparaturen bis Ende Juli 1943 (bis auf die ausgefallenen M3 Grant-Geräte)
3. MechKorps: dto.

Diese genannten Großverbände standen somit wie der Phönix aus der Asche (von Kursk) am 3.8.1943 mit 1100 Panzern in der bis dahin ungesehenen Konzentration von zwei Durchbruchsstellen in nur 7 km Breite zur Verfügung. Wenn man sich die übrigen "Restrukturierungen" der Roten Armee 1943/44 anschaut, sind regelmäßig mehrere Monate im Rückraum erforderlich gewesen, um solche Großverbände wie ein PzK oder MechKorps wieder aufzufüllen.

Während also die sowjetischen Verluste von "Totalausfällen" kritisch gesehen werden müssen, bleibt der Fakt der erheblichen Abnutzung der deutschen Großverbände, während andererseits sowohl bei Orel als auch bei Bjelgorod-Isjum sichtbar wird, welche Probleme intakte deutsche Großverbände* in der beweglichen Defensive selbst ganzen sowjetischen Panzerarmeen bereiten konnten.

Aufhellend - im Gegensatz zu den sowjetischen Reparaturen - ein Vorfall auf deutscher Seite, bei dem allein 58 der 200 erstmals neu eingesetzten Panzer V durch den Rückzug aus der Zitadelle-Offensive verloren gingen, weil sie ausgefallen waren und beim Rückzug nicht instandgesetzt werden konnten. Siehe Anlage, und das ist nur beispielhaft (die tatsächlichen Verluste hieraus dürften weit höher sein)!
 

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Welches hohe Risiko überhaupt Zitadelle bot, zeigen die sowjetischen Gegenoffensiven und Angriffsaktivitäten sozusagen im Rückraum
- im Orel-Bogen (Kutusov)
- Mius-/Isjum-Schlachten.

Es ist wohl Wegner Recht zu geben, dass spätenstens nach Stalingrad von einem "Ende der Strategie" im politischen und militärischen Sinne gesprochen werden kann. (B. Wegner: Das Ende der Strategie. in. Gezeitenwechsel im Zweiten Weltkrieg? Die Schlachen con Charkov und Kursk im Frühjahr und Sommer 1943..., Nr. 15. R. Foerster (Hrsg.) MGFA, 1996, S. 211.

Die Verweigerung von politischen Lösungen durch Hitler hatte als einzige Option die Hoffnung auf ein "Zerstreiten" der Alliierten. Die Zeit arbeitete jedoch gegen das 3. Reich, dass in 1943 den Abnutzungskrieg gegenüber der SU verlor.

Zwischen August 1942 und Februar 43 standen (Wegner, S. 212) 1.4 Mio (ohne 6. Armee) Abgängen (unwiederbringlichen Verlusten) lediglich 0.6 Mio Zugängen gegenüber.

Dieser Situation kontrastiert die deutlich Zunahme der Ist-Stärke der RKKA in 1943 und eine sehr deutliche materielle Zunahme der materiellen Ausstattung der Verbände, auch und vor allem mit zusätzlicher Artillerie (W. Dunn, Stalin`s Key to Victoty. The Rebirth of the Red Army in WWII, 2006, S. 127 ff, ähnlich bei Tooze, Ökonomie der Zerstörung)

Vor diesem Hintergrund eines zunehmendes Abnutzungskrieges, der sich gegen die Wehrmacht auswirkte, sind die Offensiven im Sommer / Herbst 1943 wohl zu bewerten.

Und Silesia weist m.E. völlig zu Recht darauf hin, dass die Bewertung von Kursk in den Kontext der gesamten Front gestellt werden muss und über die Zeit betrachtet werden sollte.

So folgten aufeinander, abgestimmt in 1943 folgende defensive bzw. offensive "Schlachten".

.........................Termin................RKKA..............RKKA Total Verluste
1. Kursk, ..............5-23. 7.............. 1,2.................178 tsd
2. Orel (Kutuzov)...12.7-18.8.............1,3.................430 tsd
3. Belg.-Charkow (Rumyantsev) 3.23.8..1,1................255 tsd
4. Smolensk (Suvorov)..7.8-2.10.........1,2.................451 tsd

(Quelle: Krivosheev: Soviet Casualties and combat lossen, 1997, S. 132ff)

Und es standen noch weiter 5 andere Großoffensiven für 1943 auf dem Plan, die einen ähnlichen numerischen Umfang gehabt haben. Sie zeigen, dass nicht zuletzt derjenige eine Schlacht gewonnen hat, der das "Schlachtfeld" behauptet und in der Lage ist, die "Ausfälle" zu bergen. Und an diesem Punkt ist für denjenigen in der Offensive ein "Ausfall" von einer anderen Qualität wie für den sich zurückziehnden Verteidiger. Für ihn wird der eigentlich "temporäre Ausfall" sofort zu einem "Totalverlust". Und die RKKA behaupte ab 1943 in der Regel die Schlachtfelder, um "temporäre Ausfälle" zu bergen.

Vor diesem Hintergrund ist es absolut erstaunlich, dass das "Schlagen aus der Hinterhand", wie von Mannstein u.a. befürwortet (vgl. Frieser: Schlagen aus der Nachhand - Schlagen aus der Vorhand, ebd. S. 101 ff) und das Nutzen der Vorteile einer mobilen Abwehr, wie von Silesia dargestellt, nicht konsequenter genutzt wurde. Aber vermutlich zeigt sich an diesem Aspekt das nicht ausgeprägte Denken des deutschen Generalstabs in Kategorien der "Grand Strategie", also auch der politischen Beurteilung von militärischen Optionen.

In Kombination mit dem Anstreben eines Separatfriedens mit der SU wäre das für Hitler / 3. Reich die einzige "rationale" Strategie gewesen, das politische System zu erhalten und einen Zweifrontenkrieg in einen Einfrontenkrieg zu überführen.

Über die zeitliche Stabilität einer derartigen außenpolitsichen Situation mag man sich streiten. Über die geringe politische Erwünschtbarkeit des Fortbestand des NS-Systems über das Ende von 1943 hinaus wird man wohl nicht streiten müssen.
 
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Zu den "Verlustzählungen": Frieser müßte speziell über den Umstand stolpern, dass die bei der knapp drei Wochen später erfolgenden Großoffensive Rumjanzew eingesetzten beiden sowjetischen Panzerarmeen (1. und 5.) voll aufgefüllt waren, obwohl sich nach Zitadelle-Süd als aufgerieben und vernichtet eingestuft waren. Frieser erklärt das damit, dass sie im Rückraum durch Reserven neu aufgestellt waren, was schlicht eine Unmöglichkeit darstellt und keinen derartigen Vergleichsfall 1943/44 aufweist.

Die Erklärung muss vielmehr darin gesucht werden, dass ein Großteil der Ausfälle bis Mitte Juli instandsetzungsfähig waren, und dass auch ein Großteil der Besatzungen nicht ausgefallen ist (nach den üblichen OKH-Faustformeln mindestens 50% der gemeldeten "Abschüsse").

Von Vasilevky gibt es eine Meldung an Stavka vom 14. July, nach der Schlacht bei Prokhorovka, indem er zum 29. TC und zum 18 TC Aussagen macht (Glantz, S. 384).

Zu Rotmistrov`s 29 TC, das südlich von Prokh. eingesetzt war, sagt er, dass ca. 60 Prozent "irreparable" und [Hervorhebung durch mich] instandsetzungfähige ("temporalily") Verluste eingetreten sind (vgl. Karte S. 183/184)

Für das 18. TC liegen die entsprechenden Werte bei 20 Prozent der Panzer.

Das würde Deine Vermutung m.E. stützen.

The Battle of Kursk - David M. Glantz, Jonathan Mallory House - Google Books
 
Danke für die Ergänzung.

Bei der sowjetischen 1. Panzerarmee ist in Glantz, From the Don to the Dnjepr (das eine tageweise Operationsstudie zu Rumjanzew enthält) erwähnt, dass auch Ersatzgerät zugeführt worden ist (rd. 200 T 34 und 1300 Fahrzeuge, wodurch der Ausstattungsgrad bei Panzern auf 80% und bei Fahrzeugen auf 55% gehoben werden konnte).

Auch diese Angabe ist ein Indiz, dass man offenbar genug Mannschaften für die Auffüllung binnen 2 Wochen verfügbar hatte.
 
Danke für die Ergänzung.

Bei der sowjetischen 1. Panzerarmee ist in Glantz, From the Don to the Dnjepr (das eine tageweise Operationsstudie zu Rumjanzew enthält) erwähnt, dass auch Ersatzgerät zugeführt worden ist (rd. 200 T 34 und 1300 Fahrzeuge, wodurch der Ausstattungsgrad bei Panzern auf 80% und bei Fahrzeugen auf 55% gehoben werden konnte).

Auch diese Angabe ist ein Indiz, dass man offenbar genug Mannschaften für die Auffüllung binnen 2 Wochen verfügbar hatte.
Das sollte auch nicht verwundern, denn im Juli 1943 hatte die Rote Armee eine Stärke von 6.6 Millionen Mann, zzgl. 1.1 Millionen Mann Stavka und 4.2 Millionen Mann Truppen in anderen Distrikten der SU, also insgesamt fast 12 Millionen Mann, zzgl paramilitärischer Einheiten.
Von diesen 6.6 Millionen an der Ostfront waren 5,768 Millionen bei den Bodentruppen, 358,000 in der Roten Luftwaffe, der Rest bei PVO und Roter Marine.
Allein Stavka und die Truppen in anderen Militärbezirken hatten im 7/43 10,400 Panzer, zzgl zu den 9,900 an der Ostfront. Immerhin waren von diesen 10,400 Panzern, rund 1600 schwere und mittlere Panzer. Ähnliches gilt für Artillerie und Kampfflugzeuge.
Die SU konnte es sich also leisten Truppen aus anderen Militärbezirken, inklusive Material, an die Ostfront zu schicken, wenn dies nötig war.
 
...denn im Juli 1943 hatte die Rote Armee eine Stärke von 6.6 Millionen Mann, zzgl. 1.1 Millionen Mann Stavka und 4.2 Millionen Mann Truppen in anderen Distrikten der SU, also insgesamt fast 12 Millionen Mann, zzgl paramilitärischer Einheiten...

Ich nehme an, das waren nicht alle Mitglieder des Generalstabs. War das eine Art Sonderreserve oder ein Ersatzheer wie bei der Wehrmacht?
 
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