Germanische Landnahme und Toponyme

Gerade hierbei ist es durchaus die Frage, wann die Benennung erfolgte. Also wenn die Benennung erst in karolingischer Zeit erfolgte - bei Königswinter offenbar der Fall - dann wurde sie erst nach der Lautverschiebung vollzogen. Wir sind hier auch relativ nah am moselromanischen Sprachgebiet. Da anzunehmen ist, dass hierzu Spezialisten herangezogen wurden, ist ein Austrahlen aus dem Moselromanischen, bzw. die Rekrutierung von Moselwinzern durchaus wahrscheinlich.
 
Außerdem liegt Bonn natürlich nördlich der Hunsrück-Schranke, der Isoglosse (siehe auch Rheinischer Fächer) die verschobenes und unverschobenes t scheidet.
 
Außerdem liegt Bonn natürlich nördlich der Hunsrück-Schranke, der Isoglosse (siehe auch Rheinischer Fächer) die verschobenes und unverschobenes t scheidet.
In der Tat, das hatte ich übersehen. Andererseits kann man sich natürlich fragen, ob das "Abknicken" der dat-das-Linie am Rhein von SO-NW-Orientierung in O-W-Orientierung nicht irgendwie mit den Mosel-(und Saar-)Romanen zusammenhängt...
[Aber diese Frage diskutieren wir ja eigentlich in einem anderen thread].
 
Unter den Germanisten ist die Frage des Einsetzens und die Schnelligkeit der Verbreitung umstritten. Wir wissen nur ziemlich sicher, dass sie um 800 ziemlich abgeschlossen gewesen sein muss. Man geht gemeinhin von einem Zeitraum von etwa 500 bis etwa 800 aus. Daas Moselromanische ist bis ins 11. Jhdt nachweisbar. Allerdings darf man sich auch die Situation so vorstellen, als habe es nur statische Bevölkerungsgebiete mit einsprachiger Bevölkerung gegeben. Man muss von einer stark ausgeprägten Diglossie ausgehen, vielleicht auch von Bilingualität.
 
Dazu kommen dann wohl auch noch Spezialeffekte während der späteren Germanisierung. So wurde im 19. Jhd. festgestellt, dass das Hannoversche Wendland als Sprachinsel das holsteinisch-friesische "achtern" benutzte, während ringsum niedersächsisches "hinnern" vorherrschte. Vielleicht haben manchmal schon ein, zwei Pastoren ausgereicht, um eine bereits bilinguale Bevölkerung regional zu "Hochdeutschen" oder "Niederdeutschen", bzw. "Friesen" oder "Niedersachsen" zu machen.
 
Aus dem "Veneter"-Thread

In der Tat. Auch die frühe Germanisierung des Außenferns bestreitet niemand (obwohl z.B. Partenkirchen unverschoben ist). Aber in Hötting hört es dann auch auf - eigentlich schon in Völs, unverkennbar "im Tale", aus lat. vallis, mit typisch tirolerischem "-s"-Lokativ. Dieser wiederum ist Beleg für vorgermanische Namenskontinuität, und den Lokativ haben uns nicht die Bajuwaren erhalten. Guck mal auf die Karte bei Innsbruck: Grinzens, Axams, Götzens, Natters, Mutters, Lans, usw. Sistrans, Vill,, und insbesondere Rum sprechen eh für sich.

Zu Völs und Rum habe ich hier schon etwas geschrieben.

Den "-s-Lokativ" erklärt Cristian Kollmann am Beispiel Kiens als deutschen Genitiv:

Diesem *Kchíena entspricht genau der Beleg Kiehna von 1006–1039. Der aus demselben Zeitraum stammende Beleg Kienas zeigt dagegen bereits das Genitiv-s, wie es seit althochdeutscher Zeit bei einer Reihe von Ortsnamen im Tiroler Raum angehängt wurde. Das häufige Anfügen von s an Ortsnamen ist wohl als Indiz für den spät- und hochmittelalterlichen Siedlungsausbau durch die deutschen Stämme (Baiern, Franken, Alemannen) zu werten. Aus Kiehna wurde somit Kienas, weil das umliegende Gebiet zum ursprünglichen Siedlungskern oder zur ursprünglichen Flur dazugerechnet wurde. Dasselbe ist bei einem Namen wie Taufers anzunehmen. In vordeutscher Zeit waren Namen dieses Typs s-los. Den endgültigen Beweis dafür liefern die Ableitungen Kiener, Tauferer, die zeigen, dass das s nicht stammhaft ist.
Das gilt auch für die oben genannten Namen. Die Einwohner heißen Grinziger, Axamer, Götzner, Natterer, Mutterer, Lanner, Sistiger (früher Sisterer). Nicht Grinzenser, Axamser, Lanser...

Das -s haben also die Bajuwaren angefügt. Aber wann? Das -s kann aus althochdeutscher Zeit stammen oder erst aus viel späterer Zeit.

Eine gute Datierungshilfe liefert die Betonung.
Ortsnamen, die erst nach 1050 eingedeutscht wurden, haben den romanischen Akzent bewahrt. Ortsnamen, bei denen der Akzent auf die erste Silbe gerutscht ist, müssen vor 1050 germanisiert worden sein.
"So muss beispielsweise *Abuzánes, die romanische Vorform von Absam, vor 1050 eingedeutscht worden sein, sonst wäre die heutige Betonung nicht erklärbar, also: *Abuzánes > *Ábzanes > Ábsam. Hingegen ist Tobadíll irgendwann im Hochmittelalter, sicherlich jedoch nach 1050 übernommen worden."
Peter Anreiter; Christian Chapman; Gerhard Rampl
Die Gemeindenamen Tirols: Herkunft und Bedeutung
Innsbruck 2009

Die oben genannten Ortsnamen Grinzens, Axams, Götzens, Natters, Mutters, Sistrans werden alle auf der ersten Silbe betont, sind also vor 1050 eingedeutscht worden.

Das gilt ausnahmslos für alle vorgermanischen Gemeindenamen im Bezirk Innsbruck: Aldrans, Ampass, Birgitz, Fritzens, Fulpmes, Matrei, Mieders, Sellrain, Telfes, Volders, Wattens...
 
Die oben genannten Ortsnamen Grinzens, Axams, Götzens, Natters, Mutters, Sistrans werden alle auf der ersten Silbe betont, sind also vor 1050 eingedeutscht worden.

Das gilt ausnahmslos für alle vorgermanischen Gemeindenamen im Bezirk Innsbruck: Aldrans, Ampass, Birgitz, Fritzens, Fulpmes, Matrei, Mieders, Sellrain, Telfes, Volders, Wattens...
Nachtrag:
Zum vermuteten Ursprung der genannten Ortsnamen habe ich mir bei der Lektüre Anreiter/Chapman/Rampl folgendes notiert (ohne Gewähr auf Vollständigkeit, manchmal werden mehrere Möglichkeiten diskutiert):

Absam: keltisch (romanisiert)
Aldrans: vorrömisch, unklar
Ampass: keltisch
Axams: keltisch
Birgitz: vorrömisch
Fritzens: keltisch
Fulpmes: (indogermanisch)
Götzens: vorrömisch (keltisch?)
Grinzens: romanisch oder vorrömisch?
Matrei: vorrömisch, nicht keltisch
Mieders: ostalpenindogermanisch
Mutters: vorrömisch
Natters: ostalpenindogermanisch
Rum: vorrömisch
Sellrain: vorrömisch
Sistrans: ostalpenindogermanisch
Telfes: vorrömisch
Volders: ostalpenindogermanisch
Völs: vorrömisch
Wattens: romanisch
 
Den "-s-Lokativ" erklärt Cristian Kollmann am Beispiel Kiens als deutschen Genitiv:
Das -s haben also die Bajuwaren angefügt. Aber wann? Das -s kann aus althochdeutscher Zeit stammen oder erst aus viel späterer Zeit.
Wenn Kiens der einzige Beleg für den postulierten bairischen "-s Genitiv" ist, ist dies argumentativ sehr dünne. Zeitgleich mit der von Kollmann angeführten Schreibweise "Kiehna" findet sich auch schon die Schreibweise "Kienas", so dass "Kiehna" durchaus einen Transpriptionsfehler ("a" anstelle von "s") darstellen mag.
Für einen bairischen "-s Genitiv" fehlen mir zudem Belege außerhalb Tirols - selbst im Salzburgischen ist er nicht zu finden. Schon für das Althocheutsche scheint die Bildung mit lokativischem Dativ ("im Salzburgischen"), mit Präposition "ac", vorgeherrscht zu haben.
Eichler, Ernst; Hilty, Gerold; Löffler, Heinrich; Steger, Hugo; Zgusta ... - Ernst Eichler, Mouton De Gruyter - Google Books
Es scheint sich hier um ein spezifisch Tiroler Phänomen zu handeln:
TELFER-Homepage
Diese Ausscheidung des "-s" ist bei den allermeisten Ortsnamen mit vordeutscher Wurzel üblich. (Vergleiche die nichtdeutsche Endung "-s" mit der deutschen Endung "-en" in deutschen Ortsnamen wie Göttingen, Reutlingen, Oberhofen, Pfaffenhofen. Auch sie entfällt in Ableitungen: Göttinger, Reutlinger, Oberhofer, Pfaffenhofer.) (..)
Das Lokativ -s und somit seine Weglassung ist auch in Salzburg unbekannt, somit auch im östlichen Teil Nordtirols, das ja bis heute zur Salzburger Erzdiözese gehört (Schlitters und Uderns liegen links des Zillers).
Im westlichen Nordtirol hingegen ist nachgewiesen, dass die Mundart den starken Genitiv so sehr bevorzugt, daß sogar Ortsnamen deutschen Ursprunges ihr -s bekommen (Köfels, Kaisers, Sebls, u.a.) was allerdings gut in unser historisches Gesamtbild paßt.
Die These vom vorrömischen "-s Lokativ" geht auf Karl Finsterwalder, den Begründer der (Nord-)Tiroler Ortsnamensforschung, zurück (Link ganz am Ende des Posts). Weiterhin gibt es auch noch die These vom "lateinischen adjektivischen Plural -s" (Wattens < ad fundus Vattanus = Bei den vatanischen Besitzungen, den Gütern des Vattus).

Eine gute Datierungshilfe liefert die Betonung.
Ortsnamen, die erst nach 1050 eingedeutscht wurden, haben den romanischen Akzent bewahrt. Ortsnamen, bei denen der Akzent auf die erste Silbe gerutscht ist, müssen vor 1050 germanisiert worden sein.
"So muss beispielsweise *Abuzánes, die romanische Vorform von Absam, vor 1050 eingedeutscht worden sein, sonst wäre die heutige Betonung nicht erklärbar, also: *Abuzánes > *Ábzanes > Ábsam. Hingegen ist Tobadíll irgendwann im Hochmittelalter, sicherlich jedoch nach 1050 übernommen worden."
Peter Anreiter; Christian Chapman; Gerhard Rampl
Die Gemeindenamen Tirols: Herkunft und Bedeutung
Innsbruck 2009
Auf welcher Basis die Herren Anreiter, Chapman und Rampl zu ihrer Ableitung kommen, ist mir etwas schleierhaft. Die in Deinem Zitat angeführten ersten zwei Namen scheinen so nicht belegt:
Absam - Die Geschichte von Absam
Der Ortsname „Abazanes“ tritt um das Jahr 1000 erstmals in einer Urkunde, die in den Traditionsbüchern der Diözese Brixen eingetragen ist, auf. Weiters weist das Urbar des Grafen Meinhard von 1288 für "Abzan" eine Steuer aus.
Die Datierung der Germanisierung auf 1050 geht aus den Belegen nicht hervor, und steht im Wiederspruch zu Belegen aus der Nachbarschaft. Für Axams findet sich zwischen 1200 und 1218 noch die Nennung Berhtoldi plebani de Oscumnes, die erste Verkürzung auf Auxuns erfolgte zeitgleich um 1200.
Axams ? Wikipedia

Die oben genannten Ortsnamen Grinzens, Axams, Götzens, Natters, Mutters, Sistrans werden alle auf der ersten Silbe betont, sind also vor 1050 eingedeutscht worden.

Das gilt ausnahmslos für alle vorgermanischen Gemeindenamen im Bezirk Innsbruck: Aldrans, Ampass, Birgitz, Fritzens, Fulpmes, Matrei, Mieders, Sellrain, Telfes, Volders, Wattens...
Oh, da gibt es (neben Axams, übrigens bei Alteingesessenen "Axames" mit Betonung auf der zweiten Silbe genannt, vgl. Link weiter unten) einen Haufen Ausnahmen. Zunächst haben wir die einsilbigen Namen (Telfs). Dann traditionell zweisilbige Namen, bei denen auch die romanische Betonung schon auf der vorletzten, d.h. ersten Silbe, lag (vg. Roma, Pisa etc.). Natters z.B.wird auf idg. *nat (naß, feucht) zurückgeführt, und dürfte immer schon zweisilbig bzw. mit Betonung auf dem Bedeutungsstamm gewesen sein. Taufers wird auf oaidg.A *θúb-ēr ‘Talverengung' zurückgeführt, ebenso ursprünglich zweisilbig.

Bei vielen anderen Namen bedarf es keiner "deutschen" Betonung für die Ableitung. Ampass etwa dürfte die gleiche Wurzel wie (Cortina d') Ampezzo enthalten, und zeigt, dass auch friaulische Lautverschiebung wunderbar einige der um Innsbruck beobachteten Verschiebungen erzeugen konnte. Matrei als originär venetischer Name kann durch den venetischen Akzent auf der ersten Silbe erklärt werden. Wölbell bei Axams ("Val bella") bedurfte nicht unbedingt germanische Hilfe bei der Akzentverlagerung (vgl Valpolicella), und zeigt unverschobenes "b". Welche hochdeutsche Lautverschiebung das ebenfalls zu Axams gehörige Pafnitz aus dem vermuteten vulgärlat. pabunitiu (Futterplatz) hervorgebracht haben soll, ist mir schleierhaft - hier wäre doch wohl Pappnitz zu erwarten gewesen. Auch Pfons im Wipptal (1070 Phanes) bereitet diesbezüglich erhebliche Mühe, und erfordert systematisches Umgehen jeder Deutung aus pons (Brücke).
Und beim aus lateinisch villa hervorgegangene Innsbruck-Vill ist es dem letzten Buchstaben lautlich nicht anders ergangen als jeder französischen ville - ganz im Gegensatz zum alemannischen Weiler.

Schön auch Kollmans Analyse zu Kiens (a.a.O., S. 132ff)
Darüber hinaus ist in einer venetischen Inschrift in Este (Provinz Padua) der Vorname kvito belegt. Als kuitos begegnet der Name auch auf der gallischen Inschrift von Briona (Provinz Novara). (..) Ein entsprechender, mit unserem Wort ‘weiß’ urverwandter Personenname *Kwito < *Kwiton könnte also durchaus im Venetischen existiert haben und ins Gallische entlehnt worden sein. (..) Aus ostalpenidg. *Kwéidona, *Kwídona wurde im lateinischen Mund *Kwedona, *Kwidóna und durch vulgärlateinische Kürzung der Langvokale *Kwedó-na, *Kwidóna. Durch den westromanischen Ausfall von d in intervokalischer Stellung entstand *Kweó-na, *Kwióna und durch die alpenromanische Vereinfachung von Kw - zu K- schließlich alpenrom., altlad. *Keóna, *Kióna.
So erhalten wir durch Kollmann ein Beispiel der romanischen Verkürzung eines dreisilbigen auf ein zweisilbiges Wort. Die Akzentverlagerung von der zweiten auf die erste Silbe kann dann ebensogut aus dem Romanischen wie aus dem Altdeutschen abgeleitet werden [wobei Kiens in einer Region mit belegter frühbajuwarischer Besiedlung liegt,].

Birgitz schließlich wird erstmals 1254 als Burgutsche genannt, erst 1312 erfolgt die Lautverschiebung zu Pirgitz. Unverschoben im Anlaut blieben u.a. Telfs, Telfes, und Taufers.
http://wwwu.uni-klu.ac.at/agroetsc/downloads/wiss_02.pdf

Zusammengefasst hege ich erhebliche Zweifel an der postulierten These der (a) ausschließlich germanisch verursachten und (b) schon vor 1050 erfolgten Akzentverschiebung auf die erste Silbe. Das angeblich früh germanisierte Axams liefert für den zweiten Fall den Gegenbeweis (und die Nennung Auccumes aus 1208 mutet nicht wirklich bairisch an).

Wie auch in anderen "Grenzregionen" erfolgte der systematische Landesausbau erst im 12./ 13. Jahrhundert, belegt durch "Rodungsnamen" wie Reit im Winkl (Erstnennung 1160) oder Reutte/ Tirol (Erstnennung 1278). Für diese Zeit lässt sich auch weitgehende Germanisierung vorgermanischer Ortsnamen feststellen. Aus der Zeit davor gibt es eine Handvoll "ing"-Namen entlang des Inns - jedoch scheinen in Tirol "ing"-Namen noch bis ins 15.Jahrhundert hinein gegründet worden zu sein (fehlende Sekundärumlaute). "-heim" und "-beuren"-Namen fehlen in Nordtirol völlig, finden sich jedoch zweimal nahe Bruneck in Südtirol. Dort, und im angrenzenden Pustertal, wird von weitgehender Entvölkerung infolge von Slaven- bzw. Awareneinfällen, und nachfolgender bairischer Neubesiedlung ausgegangen. Für Zweisprachigkeit rund um Innsbruck bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts gibt es eine Vielzahl von Belegen, wie die Mischung aus verschobenen und unverschobenen vorgermanischen Orts- und Flurnamen, oder den noch 1160 bezeugten Personennamen Solvagnus.
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j...33mRUkVI3mTpj0L7dsX_CsQ&bvm=bv.80642063,d.ZWU

P.S: Habe gerade Deinen Folgepost gesehen. Besitzt Du das Buch von Anreiter/Chapman/ Rampl, oder hast Du es nur in einer Bibliothek angesehen? Die "keltische Insel" um Axams ist interessant, wo doch die dort angesiedelte Fritzens-Sanzeno-Kultur allgemein als rätisch gilt, und aus ihren Inschriften teilweise auf Sprachverwandschft mit dem Etruskischen geschlossen wurde, Nehmen Anreiter e.a. dazu Stellung?
Fritzens-Sanzeno-Kultur ? Wikipedia
 
Wenn Kiens der einzige Beleg für den postulierten bairischen "-s Genitiv" ist, ist dies argumentativ sehr dünne.
Schon klar, aber das ist sicher nicht der einzige Beleg. Aldrans ist z. B. für die Zeit um 1000 als "Alarein" belegt.

Für einen bairischen "-s Genitiv" fehlen mir zudem Belege außerhalb Tirols - selbst im Salzburgischen ist er nicht zu finden.
Wer an den richtigen Stellen sucht, der findet.

In Niederösterreich gibt es z. B. eine ganz schöne Häufung: Dietmanns, Raabs, Japons, Göpfritz, Geras, Irnfritz, Frühwärts, Seyfrieds, Vitis, Schrems, Thaures...

Da tippt "die Ortsnamenforschung" auch auf Genitivformen. (Ob die alle auf einen Genitiv zurückgehen, weiß ich natürlich nicht.) Peter Wiesinger erwähnt (beiläufig, in anderem Zusammenhang) z. B.
"ein genitivisches 1317 Almars vom PN A(da)lmâr ... oder Frühwärts
(N) bzw. dialektales ‘Frühwirds’ aus genitivischem 1230 Fribredzs vom PN Vrideprëht"
68. Die Bedeutung Der Eigennamen - Volksetymologien

Nicht so weit entfernt von Tirol, im Allgäu (wenn auch kein bairisches Dialektgebiet) finde ich z. B. Seltmans, Wilhams, Diepolz, Börlas, Akams, Luitharz, Bräunlings...

Die in Deinem Zitat angeführten ersten zwei Namen scheinen so nicht belegt:
Natürlich nicht, deswegen auch die Sternchen vor den Namen: *Abuzánes > *Ábzanes

Oh, da gibt es (neben Axams, übrigens bei Alteingesessenen "Axames" mit Betonung auf der zweiten Silbe genannt, vgl. Link weiter unten)
Falsch.
Auf S. 24 wird doch die Aussprache der Alteingesessenen belegt. Die betonen das a auf der ersten Silbe.

Bei vielen anderen Namen bedarf es keiner "deutschen" Betonung für die Ableitung. Ampass etwa dürfte die gleiche Wurzel wie (Cortina d') Ampezzo enthalten
Das glaube ich nicht; die frühest bezeugten Formen lauten "Ambans" bzw. "Ampitio".
Auf Spekulationen ohne Belege brauche ich wohl nicht einzugehen.


So erhalten wir durch Kollmann ein Beispiel der romanischen Verkürzung eines dreisilbigen auf ein zweisilbiges Wort.


Ki-ó-na?
Nach deutschem Sprachgefühl sind das immer noch drei Silben, mit der Betonung auf der zweiten. Wie in:

Worttrennung:Vi|o|la
Erst mit der Eindeutschung wird daraus Kíe-na

Unverschoben im Anlaut blieben u.a. Telfs, Telfes, und Taufers.
Das heißt, dass die Eindeutschung zwischen ca. 600 und ca. 1050 zu datieren ist.

Zusammengefasst hege ich erhebliche Zweifel an der postulierten These der (a) ausschließlich germanisch verursachten und (b) schon vor 1050 erfolgten Akzentverschiebung auf die erste Silbe.
Die Akzentverschiebung ist aber seit langem Konsens bei den Ortsnamenforschern.
Aus dem verlinkten Aufsatz von Karl Finsterwalder:
Bei dem alten Siedlungszentrum Imst im Oberinntal weist
der Ortsname Imst, der zwar keinen verschiebbaren Laut enthält, aber doch im alten Räteromanisch wesentlich anders, »Umiste«, gelautet hat (heute noch dafür im Engadin »D'Umaischt«) die deutsche Akzentverlegung auf die erste Silbe (Um, Im) auf, die Flurnamen haben dort aber den romanischen Akzent bewahrt, z. B. Lasigg aus lacu siccu (»trockener See«) oder Arzill (für den Ort einer Ziegelei verwendet) aus argilla = »Lehm«. Genau so in Absam bei Innsbruck, 1050 Abazanes (beides auf der 1. Silbe zu betonen), aber die Flurnamen mit dem Akzent auf der romanischen Tonsilbe (hier Endsilbe), Agertitsch, Lafätsch, Laveis (Pfeis). Auch dieser Sprachstoff, der für die Sprache der Bauernbevölkerung zeugt, weist schon Eindeutschung im 12. Jahrhundert auf. So wie ein urkundlich belegter Ortsname in Ridnaun, Morith, zum heutigen Mareith diphthongiert wurde, so auch die kleinsten Flurnamen: clivus »Hügel« zu Gleif, güla »Schlucht« zu Gaul, die vielen Pflanzennamen auf -etum wie fraxinetum »Eschenwald« zu Fraschneid, Verschneid {-etum über 4t zu -eid) — dieser letztere in Südtirol (Mölten).
Die Chronologie der sprachlichen Entwicklungen (erst Akzentverschiebung im 11. Jahrhundert, dann neuhochdeutsche Diphthongierung im 12. Jahrhundert) wird ja durch zahllose Belege gestützt.

Um die Sprachgeschichte aus den Angeln zu heben, musst Du schon mehr aufbieten als eine Handvoll Ausnahmen.



Für Zweisprachigkeit rund um Innsbruck bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts gibt es eine Vielzahl von Belegen, wie die Mischung aus verschobenen und unverschobenen vorgermanischen Orts- und Flurnamen, oder den noch 1160 bezeugten Personennamen Solvagnus.
Das lohnt sich doch, im Zusammenhang zu zitieren:

Vor der Wirklichkeit verblassen die Phantasien von ladinischen Innsbrucker Bürgern. Diese Wirklichkeit geben die vielen rein deutschen Einwohnernamen der Stadt Innsbruck zwischen 1180 und 1300 (nach den Urkundenregesten bei Stolz, Geschichte der Stadt Innsbruck), die gleichzeitigen Einwohnnernamen aus der Umgebung , besonders in den landesfürstlichen Steuerbüchern (1312), die ausdrückliche Bezeugung des Deutschen als Sprache des Volkes i. J. 1239 und die konsequent deutsche Umformung selbst der Flurnamen im 12. Jahrhundert. Die letzte Erwähnung von Romanen bei Innsbruck übrigens im Stadium des Sprachenwechsels
mit Namen wie Solvangnus (=Sulvanus) datiert von 1160.
Besitzt Du das Buch von Anreiter/Chapman/ Rampl, oder hast Du es nur in einer Bibliothek angesehen?
Leider muss ich jedesmal in die Bibliothek, um reinzuschauen.
 
Welche hochdeutsche Lautverschiebung das ebenfalls zu Axams gehörige Pafnitz aus dem vermuteten vulgärlat. pabunitiu (Futterplatz) hervorgebracht haben soll, ist mir schleierhaft
Sicher der gleiche Lautwandel, der z. B. von "tabula" zu "Tafel" geführt hat.

Vgl. italienisch "tavola", rätoromanisch "tavla", althochdeutsch "tavala", mittelhochdeutsch "tavele" > "tavel".

Auch Pfons im Wipptal (1070 Phanes) bereitet diesbezüglich erhebliche Mühe, und erfordert systematisches Umgehen jeder Deutung aus pons (Brücke).
Mühe bereitet die Herleitung aus "pons", denn der ursprüngliche Vokal ist nun mal ein "a".
Was sonst noch Mühe bereiten soll, ist mir nicht ganz klar.

Matrei als originär venetischer Name kann durch den venetischen Akzent auf der ersten Silbe erklärt werden.
Die Veneter können wir beim Thema "Germanische Landnahme" außen vor lassen. Jetzt ist ja der Veneter-Thread wieder offen.

Und beim aus lateinisch villa hervorgegangene Innsbruck-Vill ist es dem letzten Buchstaben lautlich nicht anders ergangen als jeder französischen ville
Ich weiß nicht, was das Französische hier für einen Erklärungswert haben soll. Der französische Beitrag zur Eindeutschung der Tiroler Ortsnamen scheint mir nicht viel erheblicher zu sein als der venetische Beitrag.

Wahrscheinlich hat doch die deutsche Sprache die Hauptrolle bei der Eindeutschung der romanischen Ortsnamen gespielt... :)
 
Aldrans ist z. B. für die Zeit um 1000 als "Alarein" belegt.
Auch diese Quelle scheint fragwürdig zu sein (nachträgliche Dokumentierung einer Schenkung).
http://www.koeblergerhard.de/wikiling_1/townDirectory/Aldrans
Offiziell wird von der ersten Nennung in 1157 ausgegangen
Tirol Atlas tiroLexikon / Alpenmodul, Aldrans
Dort lautet der Name "Alreines" - mit "-s Lokativ" (Eintrag p.);
Historische Abhandlungen der königlich-baierischen Akademie der Wissenschaften - Google Books
Wer an den richtigen Stellen sucht, der findet.
In Niederösterreich gibt es z. B. eine ganz schöne Häufung: Dietmanns, Raabs, Japons, Göpfritz, Geras, Irnfritz, Frühwärts, Seyfrieds, Vitis, Schrems, Thaures...
Da tippt "die Ortsnamenforschung" auch auf Genitivformen. (Ob die alle auf einen Genitiv zurückgehen, weiß ich natürlich nicht.)
Einige Namen scheinen aus dem Slawischen zu stammen (z.B. Schrems, von kremen=hartes Gestein). Bei anderen ist die Genitiv-Bildung mehr oder weniger offensichtlich, allerdings abgeleitet von deutschen Personennamen. Hier wäre interessant, ob das "-s" wie in Tirol lokativisch genutzt wird, also bei Ableitungen verschwindet, oder fester Ortsnamensbestandteil geworden ist (d.h., wird von "Dietmannern" oder "Dietmannsern" gesprochen). Hinzu kommt, dass in Tirol das "-s" an bestehende, vorgermanische Namen angehängt wird, also schon ein anderes Prinzip als in NÖ. Zu den Allgäuer Namen konnte ich nichts Näheres finden. Einige (z.B. Akams) muten vorgermanisch an, andere (z.B. Seltmans) scheinen hochmittelalterliche deutsche "-s- Genitive" zu sein. Ich schlage vor, wir überlassen die endgültige Klärung den örtlichen Ortsnamensforschern.

Auf Spekulationen ohne Belege brauche ich wohl nicht einzugehen.
Netter Versuch, aber so einfach lasse ich Dich hier nicht wegkommen:winke::

  • Matrei kam von Dir, Belege bei Schürr (für Matrei/ Brenner und Matrei/ Osttirol). Auf die dort ebenfalls am Beispiel Opitergium->Optergin dargestellte venetische Akzentverlagerung auf die erste Silbe, sowie Synkope und Akope, sei explizit verwiesen. Der heutige deutsche Name lässt sich einwandfrei, und ohne Bedarf für neuhochdeutsche Diphtongierung, aus dem Venetischen erklären.
    Spuren des Venetischen in Noricum | Diether Schürr - Academia.edu
  • Wolbell, Pafnitz und Birgitz sind belegt bei Gruber (Link im vorherigen Post).
  • Die Ableitung von Natters und Taufers findet sich im bekannten Wikipedia-Artikel zu Tiroler Ortsnamen.
Im Gegenzug gebe ich Dir bei Ampass und Axams Recht.
Ki-ó-na?
Nach deutschem Sprachgefühl sind das immer noch drei Silben, mit der Betonung auf der zweiten. Erst mit der Eindeutschung wird daraus Kíe-na.
Ja und nein. Es waren und sind immer noch drei Silben. Die Monophtongisierung erreichte bairische Dialekte im Süden nicht. Der italienische Name ist Chienas, lokale Aussprache wohl Ki-e-n(a)s. Wobei, wie ich sagte, in diesem Fall die belegte frühbairische Präsenz im Pustertal eine frühe Germanisierung des Namens gut möglich macht.
Monophthongierung ? Wikipedia

Unverschoben im Anlaut blieben u.a. Telfs, Telfes, und Taufers.
Das heißt, dass die Eindeutschung zwischen ca. 600 und ca. 1050 zu datieren ist. (..)
Die Chronologie der sprachlichen Entwicklungen (erst Akzentverschiebung im 11. Jahrhundert, dann neuhochdeutsche Diphthongierung im 12. Jahrhundert) wird ja durch zahllose Belege gestützt.
Oh, hier geht es aber ziemlich querbeet: Zunächst einmal war die germanische Akzentverschiebung Teil der ersten (germanischen) Lautverschiebung, trat also um/ab 500 v. Chr. ein. Dementsprechend wird sie als Beleg früher Germanisierung gesehen. Fehlt hochdeutsche Lautverschiebung, ist jedoch Akzentverschiebung zu beobachten, wird hieraus auf Eindeutschung ab dem 8. Jahrhundert geschlossen. Warum vorhandene Akzentverschiebung eine Germanisierung vor 1050 bezeugen soll, wie Dein vorheriges Zitat von Anreiter e.a. andeutet, ist mir nicht ganz klar. Mag sein, dass hier Erkenntnisse aus der Moselromania auf Tirol übertragen wurden- dies hielte ich jedoch für methodisch fragwürdig.
Eichler, Ernst; Hilty, Gerold; Löffler, Heinrich; Steger, Hugo; Zgusta ... - Ernst Eichler, Mouton De Gruyter - Google Books

Hinzu kommt, dass bei zweisilbigen Ortsnamen auch der romanische Akzent auf der ersten Silbe liegt. Die erste Nennung von Telfs ist um 1175 als Telves, damals schon zweisilbig (also auch romanischer Akzent auf erster Silbe), jedoch noch geschrieben mit unverschobenem "v". Für mich ein Beleg für fehlende Germanisierung.
Des weiteren reden wir hier über einen Sprachraum, der vorrömisch durch mindestens zwei Sprachen mit Inititialakzent geprägt war, nämlich durch Venetisch und durch Etrurisch. Rätisch, ob immer nun ein venetischer oder ein etruskischer Dialekt, darf man dann wohl auch noch dazu rechnen. Und aus dem Initialakzent des Gälischen wird teilweise auch auf einen solchen im Kontinentalkeltischen geschlossen (dies ist aber wohl umstritten).
Etruskisches Sprachgut im Lateinischen unter Ausschluss des spezifisch ... - Gertraud Breyer - Google Books
Wenn sich nun venetische (Matrei) oder andere vorrömische Ortsnamen bewahrt haben, warum sollten diese nicht auch den Initialakzent aus der Ursprache fortgeführt haben? Das laut Finsterwalder lateinische Flurnamen teilweise keinen Initialakzent zeigen, also erst spät germanisiert wurden, ist kein Gegenargument - auch deswegen nicht, weil die von ihm genannten Namen (Agertitsch Lafatsch, Laveis) alle auf dem Gemeindegebiet von Absam liegen, das offenbar gallo-romanisch war, und wo dementsprechend mit romanischem Akzent zu rechnen ist.

Die neuhochdeutsche Diphtongisiesierung kann sicherlich Hilfestellung bei der Datierung leisten. Finsterwalders Beispiel Mareit ist diesbezüglich exzellent: 1171 noch Maruta, um 1190 Mareit.
http://www.provinz.bz.it/opere-idra..._die_Flurnamenlandschaft_am_Mareiter_Bach.pdf

Damit landen wir exakt in der Zeit des hochmittelalterlichen Landesausbaus, mit der Gründung von Innsbruck und Hall/ Tirol, der Übertragung diverser Ländereien an das rekonstitutierts Stift Wilden, etc. Natürlich setzt dann massive Germanisierung ein, und natürlich werden auch die neugegründeten Städte vor allem deutsch besiedelt. Es gibt aber genug Anzeichen für vorherige romanische Restbevölkerung, wie die erwähnten Flurnamen, oder das erst nach 1254 im Anlaut verschobene Birgitz.
Das [Finsterwalder] lohnt sich doch, im Zusammenhang zu zitieren:
In der Tat (beachte meine Hervorhebungen)
Vor der Wirklichkeit verblassen die Phantasien von ladinischen Innsbrucker Bürgern. Diese Wirklichkeit geben die vielen [nicht: die ausschließlich] rein deutschen Einwohnernamen der Stadt Innsbruck zwischen 1180 und 1300 (nach den Urkundenregesten bei Stolz, Geschichte der Stadt Innsbruck), die gleichzeitigen Einwohnnernamen aus der Umgebung , besonders in den landesfürstlichen Steuerbüchern (1312), die ausdrückliche Bezeugung des Deutschen als Sprache des Volkes i. J. 1239 und die konsequent deutsche Umformung selbst der Flurnamen im 12. Jahrhundert. Die letzte Erwähnung von Romanen bei Innsbruck übrigens im Stadium des Sprachenwechsels mit Namen wie Solvangnus (=Sulvanus) datiert von 1160.
Stadium des Sprachenwechsels um 1160! Etwas anderes habe ich nie behauptet - Du allerdings schon!
[Solvangnus/ Sulvanus war übrigens entweder mächtig genug, oder als Name so zahlreich und lange vertreten, dass wir ihm auch Ortsnamen wie Sulvansbrukke (1288, bei Klausen), Sulfanstal (1381, Hof im Eggental bei Bozen), und Sulfenstein (an der oberen Isar, bairische Grenzmarke 1310) verdanken.
p.122-3. Verhandlungen des Achtzehnten Deutschen Geographentages zu Innsbruck]

P.S: Schürr schient übrigens mit Anreiters Deutung von Fritzens als keltisch nicht einverstanden zu sein:
Winter Verlag: Schürr: Etymol. Bemühungen um ?Fritzens
 
Auch diese Quelle scheint fragwürdig zu sein (nachträgliche Dokumentierung einer Schenkung).
Mit "scheint" kann ich nichts anfangen.
"in loco Alarein" ist aus einem Traditionskodex 995-1005 (das sind immer "nachträgliche" Dokumentierungen), nächster Beleg "in Alarun" von 1060 (laut Anreiter 1997).


Zu den Allgäuer Namen konnte ich nichts Näheres finden. Einige (z.B. Akams) muten vorgermanisch an, andere (z.B. Seltmans) scheinen hochmittelalterliche deutsche "-s- Genitive" zu sein. Ich schlage vor, wir überlassen die endgültige Klärung den örtlichen Ortsnamensforschern.
Ich kann auch gut damit leben, dass einige -s aus vorgermanischen Formen stammen, andere -s erst von den Bajuwaren hinzugefügt wurden. Jedenfalls ist das -s als solches kein Beleg für vorgermanische Namenskontinuität.

So erhalten wir durch Kollmann ein Beispiel der romanischen Verkürzung eines dreisilbigen auf ein zweisilbiges Wort.
Es waren und sind immer noch drei Silben.
Auch gut. Dann gab es halt keine romanische Verkürzung.

Allerdings zählt ein Diphtong nicht als zwei Silben. "liebe guote brüeder" sind für süddeutsche Dialektsprecher auch nur zweisilbige Wörter.


Auf die dort ebenfalls am Beispiel Opitergium->Optergin dargestellte venetische Akzentverlagerung auf die erste Silbe, sowie Synkope und Akope, sei explizit verwiesen.
Die Stelle mit der Synkopierung habe ich gefunden, die mit der Akzentverlagerung nicht. Kannst Du die bitte mal zitieren?

Auf jeden Fall wurde der Ortsname Op(i)tergin offensichtlich zu Opitérgium romanisiert, die heutige Aussprache ist jedenfalls Odérzo.

Der heutige deutsche Name lässt sich einwandfrei, und ohne Bedarf für neuhochdeutsche Diphtongierung, aus dem Venetischen erklären.
Dann müsstest Du erst mal den Einwand ignorieren, dass zwischen dem Venetischen und dem Deutschen ein paar Jahrhunderte liegen. Die Deutschen haben den Namen nicht von den Venetern übernommen, sondern von den Romanen.


Warum vorhandene Akzentverschiebung eine Germanisierung vor 1050 bezeugen soll, wie Dein vorheriges Zitat von Anreiter e.a. andeutet, ist mir nicht ganz klar.
Weil nur bei den nach 1050 eingedeutschten Namen die romanischen Akzente unverschoben bleiben.

Mag sein, dass hier Erkenntnisse aus der Moselromania auf Tirol übertragen wurden
Da liegst Du wieder falsch.
Die Erkenntnisse stammen in diesem Fall noch aus der Zeit vor der Erforschung der Moselromania.
Dass diese Erscheinung nicht nur in Tirol, sondern auch an anderen deutsch-romanischen Sprachgrenzen zu beobachten ist, sollte keinen Anlass für begründete Zweifel geben.

Wenn sich nun venetische (Matrei) oder andere vorrömische Ortsnamen bewahrt haben, warum sollten diese nicht auch den Initialakzent aus der Ursprache fortgeführt haben?
"Mutmaßlich venetische", bitte.
Am Beispiel Opitergium sehen wir, dass dort kein Initialakzent fortgeführt wurde.

der Übertragung diverser Ländereien an das rekonstitutierts Stift Wilden
Wilten, bitte.
Das t belegt die frühe Eindeutschung (9. Jh., muss aber ev. nochmal nachschauen) des romanischen "Veldidena".

In der Tat (beachte meine Hervorhebungen)
Stadium des Sprachenwechsels um 1160!
Wenn wir da etwas zum Sprachenwechsel ablesen wollen, dann sehen wir das Stadium, wo eine romanische Minderheit in einem ursprünglich romanischen, aber bereits mehrheitlich deutschsprachigen Dorf ihre Zweisprachigkeit aufgibt.


P.S: Schürr schient übrigens mit Anreiters Deutung von Fritzens als keltisch nicht einverstanden zu sein:
Da sieht man, auf was für einem schwankenden Boden die vorrömische Namensdeutung operiert:
Das sind Ortsnamen,
- die aus tausend Jahren jüngeren Formen erschlossen werden müssen
- die schon mehrere Sprachwechsel hinter sich haben
- bei denen unklar ist, auf welche Sprache sie zurückgehen
- und wo die in Frage kommenden Sprachen schriftlich entweder überhaupt nicht oder nur fragmentarisch belegt sind.

Wäre es nicht angebracht, auch und gerade an den venetischen Zuschreibungen erhebliche Zweifel anzumelden?

Anstatt hier die vergleichsweise exzellent belegte deutsche Sprachgeschichte zu bezweifeln?

jedoch noch geschrieben mit unverschobenem "v"
Wie im Mittelhochdeutschen zu dieser Zeit zu erwarten, meines bescheidenen Wissens nach. Die Verschiebung nach "f" haben wir erst im späten Mittelhochdeutsch. "Tavel" wird dann zu "Tafel", "tiuvel" (übrigens auch aus romanisch "diabolus") wird zu "Teufel".


  • Wolbell, Pafnitz und Birgitz sind belegt bei Gruber (Link im vorherigen Post).
Ja, und?
Aus Wolbell folgert Gruber bairische Siedler schon vor 1100.
Was genau möchtest Du aus Pafnitz und Birgitz folgern?
 
Wilten, bitte.
Das t belegt die frühe Eindeutschung (9. Jh., muss aber ev. nochmal nachschauen) des romanischen "Veldidena".

Hab nachgeschaut: "Uuiltina" (870-875)

Aber eigentlich egal, denn schon der Anlaut (als "w" gesprochen, nicht als "f" belegt eine Eindeutschung noch vor 800.

Das gilt übrigens auch für Wattens. Der Name muss vor 800 eingedeutscht worden sein.

(Wattens < ad fundus Vattanus = Bei den vatanischen Besitzungen, den Gütern des Vattus).

Romanes eunt domus, ad fundus Vattanus. :)

Nachträglich:

Auch diese Quelle scheint fragwürdig zu sein (nachträgliche Dokumentierung einer Schenkung).
http://www.koeblergerhard.de/wikiling_1/townDirectory/Aldrans

Ich glaube, das "d" in Aldrans ist "nachträglich"...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann auch gut damit leben, dass einige -s aus vorgermanischen Formen stammen, andere -s erst von den Bajuwaren hinzugefügt wurden. Jedenfalls ist das -s als solches kein Beleg für vorgermanische Namenskontinuität. (..)
Wenn wir da etwas zum Sprachenwechsel ablesen wollen, dann sehen wir [um 1160] das Stadium, wo eine romanische Minderheit in einem ursprünglich romanischen, aber bereits mehrheitlich deutschsprachigen Dorf ihre Zweisprachigkeit aufgibt.
Das können wir so als Konsens stehen lassen (selbst Inspruk als Dorf noch um 1160:winke:).
Der Rest sind noch ein paar technische Klärungen:

"in loco Alarein" ist aus einem Traditionskodex 995-1005 (das sind immer "nachträgliche" Dokumentierungen), nächster Beleg "in Alarun" von 1060 (laut Anreiter 1997).
Eigentlich sind die Dokumentierungen in Traditionsbüchern zeitnah, da sie ja auch Zeugennennungen enthalten. Ich hatte das Problem so verstanden, dass es zu der Zeit von Schenkungen an und von Bischof Albuin II von Brixen nur so wimmelt, und sich die Frage stellt, ob davon nicht die eine oder andere (oder auch alle) später "entstand", um Ansprüche (in diesem Fall Kloster St.Georgenberg bei Innsbruck) zu legitimieren. Die Urkunde selbst ist diese:
albuin_bischof_von_brixen_+_1006
C. 995/1005. Er [Albuin II, Bischof von Bricen] macht dazu noch die folgenden Schenkungen: Liegenschaften zu Aschau und Tann (südwestlich Mühldorf), zu Taur und Aldrans (beide bei Innsbruck) und den von seiner Schwester Geppa eingetauschten Teil eines Gutes zu Aschau: A.t. I. nr. 31, 39, 44.
Der Urtext ist (in deutscher Übersetzung) wohl hier wiedergegeben (Referenznr. allerdings unterschiedlich):
Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen in Tyrol ... - Franz Anton Sinnacher - Google Books

Weil nur bei den nach 1050 eingedeutschten Namen die romanischen Akzente unverschoben bleiben. (..)
Die Erkenntnisse stammen in diesem Fall noch aus der Zeit vor der Erforschung der Moselromania.
Dass diese Erscheinung nicht nur in Tirol, sondern auch an anderen deutsch-romanischen Sprachgrenzen zu beobachten ist, sollte keinen Anlass für begründete Zweifel geben.
Meine Frage bezog sich darauf, welche konkreten Fälle zur Datierung "nach 1050" herangezogen wurden.

Auf jeden Fall wurde der Ortsname Op(i)tergin offensichtlich zu Opitérgium romanisiert, die heutige Aussprache ist jedenfalls Odérzo. (..)
Am Beispiel Opitergium sehen wir, dass dort kein Initialakzent fortgeführt wurde.
Der Initialakzent muss lange genug bestanden haben, um in der Vorsilbe "Opi" nicht nur das "i" (durch venetische Synkopierung), sondern auch das "p" (zunächst durch venetische Palatisierung "p(h)"-"h", dann Assimilation "-h-t-"->"-t-") verschwinden zu lassen. Der nachfolgende t>d Wandel ist auch im Romanischen teilweise zu finden (ital./span. padre, madre, ital. guardino, span. jardin aus lat. hortus) Es handelt sich hier um Lenisierung, die im Romanischen aber typischerweise unbetontes "t", also noch Akzent auf der ersten Silbe voraussetzt [vgl. andernfalls ital. (ad)ottare, span. optar aus lat. (ad)optare; ital dotare (mit etwas ausstatten), span. dote (Mitgift) aus lat. dotare]. Keltisch (walisich, schottisch-gälisch) und süddeutsche Dialekte kennen Lenisierung jedoch auch im betonten Anlaut.
Lenisierung ? Wikipedia
Die Betonung kann erst nach allen vorgenannten Verschiebungen (wann immer diese beendet waren) auf die zweite Silbe gewandert sein.

Interessant ist auch die Palatisierung g->z der Folgesilbe. Sie ähnelt der ersten slawischen Palatisierung:
Palatalisierung ? Wikipedia
drug-ьb-a > nruss. družba: Palatalisierung g > ž, ausgelöst durch ь
weitere Beispiele im Neurussischen: bog vs. božij, pekar' vs. pečka, ploskij vs. ploščad'
Parallelen gibt es auch wohl zum Vannetais (dort Palatisierung von "g" zu [dž], vgl. (Gvozdanaovic S. 42f)
Durch weitere Palatisierung und Lenisierung wurde schließlich ž (gesprochen "sch") zu "z" (gesprochen "s") gewandelt. Dieser Wandel scheint ebenfalls Parallelen in der slawischen dritten Palatisierung, kombiniert mit asynchroner Lenisierung, zu haben (a.a.O., S. 40f.).
 
Der nachfolgende t>d Wandel ist auch im Romanischen teilweise zu finden
Er ist für das Westromanische geradezu typisch, Stichwort Lenisierung/Sonorisierung.

Die deutsche Lautverschiebung erlebt dagegen das Gegenteil. d > t, b > p, g > k


ital. guardino, span. jardin aus lat. hortus)
Das ist nicht korrekt. Das Etymon hierzu ist ein germanisches. Welches wiederum mit dem lateinischen hortus verwandt ist. Aber hortus setzt sich im Spanischen als huerta fort, im Italienischen als orto.



Es handelt sich hier um Lenisierung, die im Romanischen aber typischerweise unbetontes "t", also noch Akzent auf der ersten Silbe voraussetzt [vgl. andernfalls ital. (ad)ottare, span. optar aus lat. (ad)optare; ital dotare (mit etwas ausstatten), span. dote (Mitgift) aus lat. dotare].
Was du hier aufführst, hat mit Lenisierung nichts zu tun (nebenbei kommt spanisch dote natürlich aus dem Substantiv dos, dotis).

Keltisch (walisich, schottisch-gälisch) und süddeutsche Dialekte kennen Lenisierung jedoch auch im betonten Anlaut.
Gerade(!!!) im Süddeutschen das Ggt.

Durch weitere Palatisierung und Lenisierung wurde schließlich ž (gesprochen "sch") zu "z" (gesprochen "s") gewandelt.
Das hat nichts mit Lenisierung zu tun und ž enstpricht auch nicht "sch".
 
Zuletzt bearbeitet:
Er ist für das Westromanische geradezu typisch, Stichwort Lenisierung/Sonorisierung. (..)
Was du hier aufführst, hat mit Lenisierung nichts zu tun (nebenbei kommt spanisch dote natürlich aus dem Substantiv dos, dotis).
Ich hatte versucht, Beispiele zu wählen, die lautlich möglichst nah an "O(pi)terg-o" liegen. Offenbar war die Auswahl nicht ganz glücklich.
Daher die explizite Frage: Hat die westromanische t->d Lenisierung auch vor betonten Silben stattgefunden, oder lediglich vor unbetonten?
 
Das hat nichts mit der Betonung zu tun sondern damit, ob der zu lenisierende Verschlusslaut intervokalisch war (dann folgte i.d.R. die Lenisierng) oder eben nicht intervokalisch (dann folgte in der Regel keine Lenisierung).
 
Das können wir so als Konsens stehen lassen (selbst Inspruk als Dorf noch um 1160:winke:).

Über die Bemerkung über Innspruck gibts keinen Konsens.

Die gehört zur Rubrik Nonsens.

Ich sprach von einem ursprünglich romanischen Dorf um 1160.

Auf Innsbruck trifft diese Situation nicht zu.


Eigentlich sind die Dokumentierungen in Traditionsbüchern zeitnah
Schon richtig.
Ich habe mich zwischenzeitlich eines Besseren besonnen:
Ich glaube, das "d" in Aldrans ist "nachträglich"...

Ich hatte das Problem so verstanden
Du hast das "Problem" konstruiert.
 
Zurück
Oben