Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Na bitte, geht doch!:winke:

El Quijotes Hinweise laufen darauf hinaus, dass bei der Übersetzung auf den Kontext zu achten ist, das "vergisst" Du immer noch manchmal.

Zum Kontext der campi, die Tacitus erwähnt, möchte ich noch einmal folgendes anmerken:
Einmal sind die campi so trügerisch, dass man Dämme und Brücken bauen muss, um durchzukommen.
Das andere Mal stehen Bäume auf dem campus.

Daraus kann man nun Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten ziehen.

Oder man kann es bleiben lassen und lieber sinnfreien Klamauk treiben.
 
MOD:

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Nun denn, versuch ich das mal wieder sachlich zu beantworten...

El Quijotes Hinweise laufen darauf hinaus, dass bei der Übersetzung auf den Kontext zu achten ist, das "vergisst" Du immer noch manchmal.

Wie Sepiola durch die Anführungszeichen andeutet, vergesse ich den Kontext nicht, sondern beachte ihn absichtlich nicht. Dem ist natürlich nicht so. Nur vergleiche ich bei meinen Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten auch andere Quellen oder die Meinungen anderer Historiker über diese Quellen. Ich will es am Beispiel erklären:
Dios Beschreibung enthält eine Menge Andeutungen über die angeblich undurchdringlichen Gefilde in Germanien, ebenso schreibt auch Tacitus auch vom nahezu undurchdringlichen "Dschungel" auf dem Weg zum Saltus.
Nun könnte man ja annehmen, dass solcherart beschriebenes Gelände auch ideal war um den Germanen bei Gefahr ausreichend Schutz vor dem römischen Militär zu bieten. Könnte man doch annehmen, oder?
Nun finde ich aber ausgerechnet in den Quellen offenbar anderslautende Aussagen, z.B, bei Caesar im "Gallischen Krieg". Er berichtet beim zweiten Rheinübergang, der gegen die Sueben gerichtet war, was die Kundschafter der Ubier berichteten (6,10):
"(4) illi imperata faciunt et paucis diebus intermissis referunt: Suebos omnes, posteaquam certiores nuntii de exercitu Romanorum venerint, cum omnibus suis sociorumque copiis, quas coegissent, penitus ad extremos fines se recepisse; (5) silvam ibi esse infinita magnitudine, quae appellatur Bacenis; hanc longe introrsus pertinere et pro nativo muro obiectam Cheruscos ab Suebis Suebosque a Cheruscis iniuriis incursionibusque prohibere."
((4) Jene taten so und berichteten in wenigen Tagen, dass sich die Sueben bei der Nachricht vom Anrücken der Römer mit all ihren einzelnen Streitkräften und denen ihrer Hörigen tief hinein bis an die äußerste Grenze ihres Landes zurückgezogen hätten. (5) Dort sei er der ungeheuer große Wald Bacenis (Buchenwald - Ostfale), der, gewissermaßen eine natürliche Grenzmauer, Sueben und Cherusker voneinander trenne, indem er Einfälle und Beschädigungen unmöglich mache.)


Schlussfolgernd über den Sinn des Gesagten komme ich zum Ergebnis, dass im ganzen Suebenland keine ausgedehnten Urwälder vorhanden waren, die einigermaßen Schutz boten, man sich bis an den Rand des Gebietes zu diesem Zweck zurückziehen musste (in einen Buchenwald, der kaum Unterholz haben dürfte!)
Gut, wir sind hier wahrscheinlich südlich des Harzes, wie sieht es nördlich aus?

Tacitus berichtet, dass nach der Idistavisoschlacht, die in 16 nachweislich an der Weser stattfand, die Cherusker folgendes taten (Annales,2,19):
"qui modo abire sedibus, trans Albim concedere parabant,..."
(Sie, die eben eben noch Vorkehrungen trafen, ihre Wohnsitze zu verlassen und über die Elbe zurückzuweichen,...)

Verstehe ich hier den Sinn des Gemeinten richtig, dass im gesamten Cheruskergebiet keine ausreichend undurchdringlichen Gebiete vorhanden waren, dass sich der gesamte Stamm also gezwungen sah über die Elbe auszuweichen?
Aber laut Dio befand sich doch Varus bereits nach kurzer Zeit, vor Beginn der Angriffe gegen ihn, in schwer passierbarem Gelände. Dio (56,20,1) schreibt (ins Deutsche übersetzt):
"Das Gebirge war nämlich reich an Schluchten und uneben, die Bäume standen dicht und überhoch gewachsen, so dass die Römer schon vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, dem Bauen von Wegen und Brücken, wo es sich erforderlich machte, große Mühe hatten."

Hier befinden sich also weder Wege noch Brücken, die Bäume bilden (sinngemäß) fast eine Mauer. Und da müssen die Cherusker über die Elbe, wo doch in der Nähe solch zum Schutz der Leute idealer Urwald, nebst Gebirge, vorhanden war?
Überhaupt war doch, wenn ich den Sinn des Gemeinten in den Texten Von Dio, Paterculus und Tacitus richtig verstanden habe, bis auf kleine Siedlungsflecken alles voll von solchen Wäldern und Mooren. Trotzdem flohen die Germanen (oder sie hatten es vor) bis an oder über ihre Gebietsgrenze, bis sie einigermaßen schuzbietendes Gebiet erreichten!

Dann erreichen mich auch noch folgende Informationen:
Zum Charakter der germanischen Landschaft stellte Matthias Bode (Wie erreichte Tiberius den kranken Drusus?
Überlegungen zur Reise des Tiberius durch Hessen 9 v. Chr.)
erst kürzlich fest:
"Um zu erklären, wie Tiberius seine Rettungsmission organisiert hat, müssen die traditionellen Annahmen zur Landschaft in Hessen überdacht werden. Denn Tacitus’ verregnete Urwälder Germaniens würden enorme Hindernisse für die Römer mit sich bringen. Der taciteische Dschungel aber hat den Blick auf die ökologischen Realitäten jener Tage verstellt. Angesichts der überlieferten Geschwindigkeitsangaben muss man konstatieren, dass Drusus und dann Tiberius bei der Rettungsmission keine Probleme mit der Landschaft hatten. Im Gegenteil: Die gesamte Reise muss sich in landwirtschaftlich genutztem Offenland abgespielt haben. Im Gegensatz also zur traditionellen Vorstellung von den Urwäldern Germaniens wird für die zu bereisenden Gebiete ein deutlicher Anteil von Offenland angenommen."
Und weiter:
"Die weitgehend offene Landschaft wird von vielen Wegen durchzogen gewesen sein. Wege und Triften verbanden die Siedlungen untereinander und diese mit besonderen Orten wie Warten, oppida, Heiligtümern, Furten, Pässen, Bergwerken, Salinen usw. Einige dieser Wege müssen sicherlich eine überregionale Bedeutung besessen haben. Wenn sich Strabo erregt, die Germanen führten eine Art »Guerilla-Krieg«, in dem sie die unwissenden Römer im Unklaren über die Straßen und die Nahrungsvorräte ließen, dann zeigt dies, dass die Straßen vorhanden waren, man sie nur finden musste."
Er stellt abschließend fest:
"Es ist für Tiberius unmöglich, mit leichter Reiterei in einem undurchdringlichen Dschungel zu operieren. Tiberius kann niemals hoffen, den Leichnam des Drusus auf römisches Gebiet zu schaffen, wenn er sich von Baum zu Baum, von Tal zu Tal in unwegsamem Waldgebiet durchschlagen muss.
Die genannten Reisezeiten sind nur in einer offenen, durch Wege und Triften erschlossenen Kulturlandschaft denkbar. Anders formuliert: Da Drusus auf dem Rückweg eines Feldzuges vom Pferd fällt und Augustus im Winter der Prozession entgegengeht, entsteht ein Zeitrahmen, der nur durch die Annahme einer offenen Kulturlandschaft zwischen dem Sommerlager und Mainz erklärbar wird."

Bei meinen Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten, grade am Beispiel der "campi", habe ich dann immer solche Überlegungen im Kopf und Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geschriebenen drängen sich auf, zumal, wie an anderer Stelle diskutiert, mit dem ominösen saltus bei Tacitus möglicherweise keine Landschaft bezeichnet wurde, sondern ein in den Anfängen befindliches Landgut gemeint sein könnte.

Das Ganze ist jetzt ein wenig umfangreich geworden, aber ich hoffe, es ist kein sinnfreier Klamauk.

Grüße
Ostfale
 
Zum Charakter der germanischen Landschaft stellte Matthias Bode (Wie erreichte Tiberius den kranken Drusus?
Überlegungen zur Reise des Tiberius durch Hessen 9 v. Chr.)
erst kürzlich fest...
Tust Du hier nicht genau das, was Du Tacitus und Dio (durchaus nicht ganz zu Unrecht) vorwirfst?

Das Germanien jener Zeit war sicher nicht ein einziger undurchdringlicher Dschungel, durchsetzt mit trügerischen Sümpfen und praktisch so unbewohn- wie unpassierbar. Das Germanien jener Zeit war aber ebenso sicher nicht eine einzige große, zusammenhängend entwickelte und bewirtschaftete Agrarlandschaft. Beide Landschaftstypen wird es gegeben haben, beide Landschaftstypen finden sich auch in den zeitgenössischen Beschreibungen. Daß dabei unwegsame, unerschlossene und damit bestens als Versteck geeignete Urwälder sich gerade im Grenzbereich zwischen zwei Stämmen/ Herrschaftsgebieten finden, halte ich für überaus plausibel. Auch daß im Kriegsfall alle Nicht-Kombattanten sich entgegen der Anmarschrichtung des Feindes absetzen, zumal wenn sie vielleicht noch Hab und Gut in Sicherheit bringen wollen und entsprechend langsam vorankommen, ist in meinen Augen völlig nachvollziehbar. Und drittens: Falls das Szenario sich tatsächlich so abgespielt hat, Arminius den Varus bewußt in eine Falle locken wollte und Varus sich tatsächlich in die Falle locken ließ, erscheint mir ebenso plausibel, daß Arminius für den Hinterhalt ganz gezielt ein Gelände gewählt hat, in dem die römischen Legionen ihre übliche Gefechtstaktik nicht oder nur schwer aufziehen konnten.
So recht verständlich ist mir bisher nicht, was Deine Zweifel begründet.
 
Nur vergleiche ich bei meinen Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten
Zunächst gilt es, den Sinn des Gemeinten zu erfassen.

Die Schilderungen von Velleius Paterculus, Tacitus und Cassius Dio sind vom Sinn her eindeutig.

Überhaupt war doch, wenn ich den Sinn des Gemeinten in den Texten Von Dio, Paterculus und Tacitus richtig verstanden habe, bis auf kleine Siedlungsflecken alles voll von solchen Wäldern und Mooren.
Wenn Du Aussagen wie Tacitus' "terra, etsi aliquanto specie differt, in universum tamen aut silvis horrida aut paludibus foeda" meinst, hast Du den Sinn des Gemeinten wohl ganz richtig erfasst. Von daher kann es auch keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass mit saltus im Tacitus-Kontext "solche Wälder" gemeint sind.

Das Gemeinte richtig zu verstehen und das Gemeinte zu glauben oder ggf. anzuzweifeln, sind zwei Paar Stiefel. Ich habe immer noch den Verdacht, dass Du diese Ebenen nicht immer auseinanderhältst.


Schlussfolgernd über den Sinn des Gesagten komme ich zum Ergebnis, dass im ganzen Suebenland keine ausgedehnten Urwälder vorhanden waren,
Eine willkürliche "Schlussfolgerung", die sich den Angaben des Textes so nicht entnehmen lässt.
Der Text bietet zwei Informationen über das Rückzugsgebiet der Sueben. Die erste Information lautet: an der äußersten Grenze ihres Landes - also so weit weg von den anrückenden Römern wie nur irgend möglich.
Die zweite Information lautet, dass sich dort ein großer Wald befindet, der sich als natürliche Grenzmauer eignet.

Über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein weiterer Wälder im ganzen Suebenland macht der Text nicht die geringste Andeutung. Hier spekulierst Du am Sinn des Gemeinten vorbei.


Verstehe ich hier den Sinn des Gemeinten richtig, dass im gesamten Cheruskergebiet keine ausreichend undurchdringlichen Gebiete vorhanden waren, dass sich der gesamte Stamm also gezwungen sah über die Elbe auszuweichen?
Auch hier spekulierst Du ohne Rücksicht auf den Sinn des Gemeinten. Von undurchdringlichen Gebieten ist an dieser Stelle überhaupt nicht die Rede, weder diesseits noch jenseits der Elbe. Schon gar nicht kann es der von Tacitus beabsichtigte "Sinn des Gemeinten" gewesen sein, den Leser mit kryptischen Hinweisen über die Topographie des gesamten Cheruskergebiets zu versorgen.


Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geschriebenen drängen sich auf
Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geschriebenen sind immer möglich und manchmal auch nötig. (Siehe z. B. oben El Quijotes Bemerkungen zu Cassius Dio, denen ich mich anschließe.) Aber das ist, wie gesagt, eine andere Baustelle.

Und was speziell die Wälder betrifft:
Die pauschalen Angaben vieler römischer Autoren (auch solcher, die gar nichts zur Varusschlacht überliefern, z. B. Plinius), wonach Germanien größtenteils von Wäldern bedeckt gewesen sein soll, sind mehr als zweifelhaft.
Das heißt aber nicht, dass es zwischen Rhein und Elbe gar keine größeren Wälder gegeben hat und jede Erwähnung eines Waldes erstunken und erlogen sein muss.
 
Tust Du hier nicht genau das, was Du Tacitus und Dio (durchaus nicht ganz zu Unrecht) vorwirfst?
...
So recht verständlich ist mir bisher nicht, was Deine Zweifel begründet.

Hallo Alfirin,
Germanien war den Römern ziemlich gut bekannt. In den gut 20 Jahren, in denen sich die verschiedensten Heere dort aufhielten, war das auch kein Wunder, Selbst ein Caesar hatte offensichtlich weit vorher kaum Orientierungs- und Handlungsschwierigkeiten aufgrund der Topographie des Geländes - und er war zuerst dort -, zumindest habe ich bei ihm nichts darüber gelesen. Außerdem berichteten sicher Fernhändler und einheimische Führer auch über die jeweilige Gegend.
Einen Varus dann in auswegloses Gelände zu locken, ist doch dann so schwer machbar. Die Aufständischen mussten doch auch irgendwo in zivilisierter Gegend wohnen (Landwirtschaft, Viehzucht, Wegesystem) - und sicher führte auch diese oder jene Ferntrasse vom Gebiet der Weser dorthin, vielleicht auch durch ein Grenzgebirge oder einen Wald, doch aber als gangbare Trasse! Vielleicht nicht in direkter Richtung, aber sie war sicherlich zu benutzen und allemal leichter zu passieren, als sich baumfällend und brückenbauend durch Dickichte zu mühen, das auch noch mit ungeeigneter Begleitung!
Hier glaube ich Dio nicht, halte den Florusbericht vom Überfall im Lager für glaubwürdiger und auch "technisch" machbarer. Ein Überfall von "innen" heraus, mitten im Frieden, schlimmer geht es kaum.

Beste Grüße
Ostfale
 
Zunächst gilt es, den Sinn des Gemeinten zu erfassen.

Wenn Du Aussagen wie Tacitus' "terra, etsi aliquanto specie differt, in universum tamen aut silvis horrida aut paludibus foeda" meinst, hast Du den Sinn des Gemeinten wohl ganz richtig erfasst. Von daher kann es auch keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass mit saltus im Tacitus-Kontext "solche Wälder" gemeint sind.

Das Gemeinte richtig zu verstehen und das Gemeinte zu glauben oder ggf. anzuzweifeln, sind zwei Paar Stiefel. Ich habe immer noch den Verdacht, dass Du diese Ebenen nicht immer auseinanderhältst.

Da ich keine Tacituszitate aus der Germania, wo es um die Beschreibung des Bodens geht, gemeint habe, kein Kommentar dazu.
Es ging mir schlicht und einfach darum, darzustellen, dass ich der Meinung bin, dass Germanien damals schon ein kultiviertes Gebiet, wenn auch auf weit niederem Niveau als das römische Reich, war und das Land eine dafür geeignete Infrastruktur (Siedlungen, die durch Wege/Strassen verbunden waren, welche überwiegend durch bearbeitetes Land führten, besaß. Die Existenz wilder, bewaldeter oder sumpfiger Gegenden ist doch unbestritten. Nur spielte sich dort nicht das Leben ab, vielleicht wurde dort gejagt oder Pilze gesammelt, aber römische Heere zogen da nicht durch, wenn kein Weg vorhanden war (Marserfeldzug in 14 - da ging es auf vorher noch nicht gegangenem und schwierigen WEG über das ansonsten unbekannte Gebirge um die Feinde nicht zu warnen). Ausnahme bildet die nordeutsche Tiefebene mit ausgedehnten Mooren, bloß gab es dort auch reichlich Bohlwege um sie passierbar zu machen.
 
Hier glaube ich Dio nicht, halte den Florusbericht vom Überfall im Lager für glaubwürdiger und auch "technisch" machbarer. Ein Überfall von "innen" heraus

Was meinst Du mit "Überfall im Lager, von innen heraus"?
Was steht denn bei Florus?

Florus beschreibt eine Invasion aus allen Richtungen: undique invadunt.

Alsdann schildert Florus ein Gemetzel in Wäldern und Sümpfen: per paludes perque silvas.

Auch wenn wir uns an Florus halten, kommen wir um die Wälder und Sümpfe nicht herum.
 
Germanien war den Römern ziemlich gut bekannt. In den gut 20 Jahren, in denen sich die verschiedensten Heere dort aufhielten, war das auch kein Wunder
Das wäre einerseits ein eigenes Thema wert, würde sich andererseits aber weitestgehend in puren Spekulationen erschöpfen: Wie sammelten die Römer geo- und topografische Informationen, wie gaben sie sie weiter, wie weiträumig konnte ein römischer Feldherr somit planen über den Horizont seiner Kundschafter hinaus?
Selbst ein Caesar hatte offensichtlich weit vorher kaum Orientierungs- und Handlungsschwierigkeiten aufgrund der Topographie des Geländes - und er war zuerst dort -, zumindest habe ich bei ihm nichts darüber gelesen.
Caesar war am Ort der späteren Varusschlacht?
Einen Varus dann in auswegloses Gelände zu locken, ist doch dann so schwer machbar.
Wenn Varus sich auf einheimische Führer verlassen muß (oder verlassen will) und die ihn verraten, warum nicht? Selbst ein Vordringen in dichtesten Urwald ist alles andere als abwegig, wenn Arminius einem allzu vertrauensseligem Varus vorschwindelt, "das ist nicht weit, das ist nur hier so schlimm". So außergewöhnlich ist dieses Szenario jetzt nicht in der Geschichte.
Und wenn dann Varus tief genug drin steckt im Dschungelschlamassel, die verräterischen Führer sich inzwischen verdrückt haben und die ersten Zweifel kommen, ob das wirklich so die prickelnde Idee war - ein kilometerlanger Heerzug läßt sich nicht so einfach wenden. Dann greifen die im Hinterhalt lauernden Germanen an, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abschnitten des Zuges bricht zusammen, und Varus bleibt nur noch eine mögliche Richtung: nach vorn.
Die Aufständischen mussten doch auch irgendwo in zivilisierter Gegend wohnen (Landwirtschaft, Viehzucht, Wegesystem) - und sicher führte auch diese oder jene Ferntrasse vom Gebiet der Weser dorthin, vielleicht auch durch ein Grenzgebirge oder einen Wald, doch aber als gangbare Trasse!
Natürlich eine ungeklärte (und wohl nie zu klärende) Frage: Wie kriegt Arminius den Varus dazu, von der leicht gangbaren Trasse abzuweichen? Welchen strategischen Vorteil verspricht sich Varus (bzw. wird ihm versprochen von Arminius)? Zeitgewinn, ehe die Aufständischen sich in voller Stärke sammeln können? Überraschungsmoment, wenn die Legionen im Rücken der Aufständischen auftauchen? Alles denkbar und noch mehr. Wie gesagt, so abwegig ist das Szenario nicht, als daß ich deshalb an Dios Darstellung des Ablaufs grundsätzlich zweifeln würde.
 
Natürlich eine ungeklärte (und wohl nie zu klärende) Frage: Wie kriegt Arminius den Varus dazu, von der leicht gangbaren Trasse abzuweichen?
Wenn es eine solche "leicht gangbare Trasse" überhaupt gab...

Es ging mir schlicht und einfach darum, darzustellen, dass ich der Meinung bin, dass Germanien damals schon ein kultiviertes Gebiet, wenn auch auf weit niederem Niveau als das römische Reich, war und das Land eine dafür geeignete Infrastruktur (Siedlungen, die durch Wege/Strassen verbunden waren, welche überwiegend durch bearbeitetes Land führten, besaß. Die Existenz wilder, bewaldeter oder sumpfiger Gegenden ist doch unbestritten.
Dann sind wir ja einer Meinung.
Vielleicht können wir uns auch noch auf ein paar weitere Punkte einigen:
- Varus wird im Großen und Ganzen nicht orientierungslos in der Magna Germania herumgetappt, sein. Er kann sich aber nicht in jedem Waldgebiet ausgekannt haben wie in seiner Westentasche.
- Die vorhandenen germanischen Wege waren unbefestigte Naturwege, die bei Regenwetter schnell matschig wurden. Vor allem, wenn dann die ersten 1000 Mann darübergetrampelt waren...
- Die römischen Truppen waren geübt darin, Schneisen durch den Wald zu hauen und Bohlenwege anzulegen.
 
Was meinst Du mit "Überfall im Lager, von innen heraus"?
Was steht denn bei Florus?

Florus beschreibt eine Invasion aus allen Richtungen: undique invadunt.

Alsdann schildert Florus ein Gemetzel in Wäldern und Sümpfen: per paludes perque silvas.

Auch wenn wir uns an Florus halten, kommen wir um die Wälder und Sümpfe nicht herum.

1. Mit "von innen heraus" wollte ich andeuten, dass keine Fremden von "außerhalb" des römischen Heeres, sondern Verbündete, bzw. sogar ins Heer intregierte Hilfstruppen, von denen man im allgemeinen ein solches Handeln nicht erwartet, diesen Überfall durchführten. Auch will ich damit tatsächlich einen Angriff von Germanen, die sich innerhalb des Lagers befanden (Töten der Wachen, öffnen der Tore um das Groß der Angreifer hereinzulassen) für möglich erscheinen lassen. Die Angreifer von außen kamen dann sicher aus allen Richtungen. Ich nehme an, dass sich vor dem Sommerlager auch einige Germanen niedergelassen hatten, vielleicht die verbündeten Germanen, die Gefolge der Fürsten u.v.a.m. Detaillierte Informationen dazu habe ich nicht, schließe es nur aus den Andeutungen von Paterculus, dass sich verschiedene Parteien der Germanen vor dem Tribunal einfanden um angebliche Streitigkeiten zu schlichten.

2a. Entweder gelang es einem bedeutenden Teil der Legionen aus dem Lager zu entkommen und in einiger Entfernung (im waldigen Sumpf/sumpfigen Wald) das unfertige Notlager zu errichten, aus dem sie dann in der Endphase ausbrachen und auf dem freien Feld abgeschlachtet wurden (Du siehst, ich hab Tacitus ein wenig eingebunden), dann bezieht sich Florus auf die Situation am Notlager.
oder
2b. Auch Florus gab nicht den tapferen Legionen die Schuld an der Niederlage und bemüht, genauso wie Paterculus, das Klischee der unüberwindbaren Sümpfe und Wälder (wie in unseligen Zeiten der "General Winter" schuldig an manchem Desaster war), an denen die Tapferkeit Roms scheiterte.
Dies, zusammen mit der Wiederholung vom hinterlistigen Verrat und dem sorglos-unfähigen Varus, machte die Legionen stärker und die Germanen schwächer, als sie tatsächlich wohl waren, vermute ich. Hintergrund mag eine Anweisung des Augustus sein, dieses Ereignis zu verschweigen. In seinem Tatenbericht, der Res Gestae, fehlt es jedenfalls.
Hochspekulativ wäre die Vermutung, dass an anderer Stelle (Senatsakten, etc.) das Geschehen sogar verfälscht dargestellt wurde und einige unserer berichtenden Freunde somit ein falsches Bild vermitteln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann sind wir ja einer Meinung.
Vielleicht können wir uns auch noch auf ein paar weitere Punkte einigen:
- Varus wird im Großen und Ganzen nicht orientierungslos in der Magna Germania herumgetappt, sein. Er kann sich aber nicht in jedem Waldgebiet ausgekannt haben wie in seiner Westentasche.
- Die vorhandenen germanischen Wege waren unbefestigte Naturwege, die bei Regenwetter schnell matschig wurden. Vor allem, wenn dann die ersten 1000 Mann darübergetrampelt waren...
- Die römischen Truppen waren geübt darin, Schneisen durch den Wald zu hauen und Bohlenwege anzulegen.

Somit, Sepiola, sind wir insgesamt 4mal einer Meinung!
 
http://www.geschichtsforum.de/738628-post4044.html


So, ich habe Rückmeldung aus Kalkriese erhalten. Bei der "Westfälischen" habe ich ebenfalls angefragt aber noch keine Antwort.
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Sehr geehrter Herr X.

ein Schwert der 2. Legion gibt es nicht aus Kalkriese – es wurde bisher überhaupt nur ein einziges kleines Schwertklingenfragment gefunden. Wohl aber gibt es Bruchstücke von Schwertmundblechen, darunter eines mit einer Inschrift, die evtl. auf eine 1. Legion hinweist (legio I).

Dieses Objekt ist aber seit mehr als 15 Jahren bekannt und auch publiziert. Wenn auch die 1. Legion nicht an der Schlacht beteiligt war, so kann doch ein Objekt aus dieser schon vor der Varusschlacht existierenden Legion zu den an der Schlacht beteiligten Truppen gelangt sein. Die Probleme der Lesung und die Interpretation hat Prof. Rainer Wiegels ausführlich bearbeitet:
R. Wiegels: Legio I in Kalkriese Zu einer Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide. In: Lehmann, Gustav-Adolf / Wiegels, Rainer, Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsbefunde. Beiträge zu der Tagung des Fachs Alte Geschichte der Universität Osnabrück und der Kommission ‚Imperium und Barbaricum’ der Göttinger Akademie der Wissenschaften in Osnabrück vom 10. bis 12. Juni 2004 (Göttingen 2007) 89-111.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Wilbers-Rost
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Nachtrag zum Thema "Phantomschwert der Zweiten Legion"

Nachdem der verantwortliche Redakteur der "Westfälschen" mir zunächst versichert hatte das Hr. Brepohl tatsächlich von einem Schwert der Zweiten Legion gesprochen hatte ist es mir nun mit einiger Verzögerung gelungen mit Hr. Brepohl direkt zu sprechen. In einem Telefonat gab er heute an nicht von einem Schwert - sondern eben vom bewußten Schwertmundblech gesprochen zu haben!

Fall geklärt...)) Aber schade das es nicht gestimmt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
1. Mit "von innen heraus" wollte ich andeuten, dass keine Fremden von "außerhalb" des römischen Heeres, sondern Verbündete, bzw. sogar ins Heer intregierte Hilfstruppen, von denen man im allgemeinen ein solches Handeln nicht erwartet, diesen Überfall durchführten.
Davon schreibt Florus kein Wort. Weder von Verbündeten noch von ins Heer integrierten Hilfstruppen.

Auch will ich damit tatsächlich einen Angriff von Germanen, die sich innerhalb des Lagers befanden (Töten der Wachen, öffnen der Tore um das Groß der Angreifer hereinzulassen) für möglich erscheinen lassen.
Möglich ist viel, nur schreibt Florus nichts davon.

2b. Auch Florus gab nicht den tapferen Legionen die Schuld an der Niederlage und bemüht, genauso wie Paterculus, das Klischee der unüberwindbaren Sümpfe und Wälder (wie in unseligen Zeiten der "General Winter" schuldig an manchem Desaster war), an denen die Tapferkeit Roms scheiterte.
Von "unüberwindbar" schreibt Florus auch nichts.
Er gibt auch weder den Sümpfen noch den Wäldern die Schuld.
Der Buhmann ist eindeutig Varus. Der lässt - arrogant, realitätsblind und fahrlässig - die Legionen ins Messer laufen.

Erst bei Cassius Dio wird das Wetter (nebst den Baumriesen) nahezu zum Hauptschuldigen. Varus werden zwar auch einige Fehler angelastet, aber im Vergleich zur Darstellung bei Florus kommt er recht gut weg. Da hatte ich mal ein schönes Zitat gefunden:
http://www.geschichtsforum.de/709758-post3423.html

Hintergrund mag eine Anweisung des Augustus sein, dieses Ereignis zu verschweigen.
Dafür gibt es kein Indiz.
Im Gegenteil: Auf dem Grabstein des M. Caelius wird der Krieg des Varus ungeniert erwähnt:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/msz/produktionen/geschichte/start1.swf

In seinem Tatenbericht, der Res Gestae, fehlt es jedenfalls.
Was hätte eine Niederlage auch in einem Dokument des Eigenlobs zu suchen?
 
Sepiola,
Du hattest geschrieben:
"Alsdann schildert Florus ein Gemetzel in Wäldern und Sümpfen: per paludes perque silvas."

Genau genommen, "schildert" er hier keine Details, hat sicher auch nicht vor, ein Schlachtdetail zu beschreiben.
Eigentlich lautet der entprechende Text so:
"Nihil illa caede per paludes perque silvas cruentius,nihil insultatione barbarorum intolerabilius, praecipue tamen in causarum patronos."
also
"Nichts war grausamer als dieses Gemetzel in Sümpfen und Wäldern, nichts war unerträglicher als der Hohn der Barbaren, besonders aber gegen die Gerichtsherren."
Im Grunde fasst er doch nur wertend das Geschehen zusammen, erst danach nennt er tatsächlich Einzelheiten, die aber letztlich nur die Grausamkeit des Feindes unterstreichen.
Den Topos von Sümpfen und Wäldern kann man hier auch verstehen als allgemeine Beschreibung des Landes, in dem das Ereignis stattfand. Vielleicht betont er hier dadurch auch die Sinnlosigkeit des Aufenthalts der Legionen in solch einer "kulturlosen" Gegend und deren fürchterlichen Untergang dort.

Aber das ist eine Interpretation von mir.

Ja, bei den Res gastae war mein Ansinnen unklar formuliert.
Natürlich passt da eine Niederlage nicht rein, aber Augustus (Gallias et Hispanias provincias, item Germaniam qua includit Oceanus a Gadibus ad ostium Albis fluminis pacavi. Übers: Die Provinzen Galliens und Spaniens, ebenso Germanien habe ich hefriedet, ein Gebiet, das der Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschließt.) verkündet hier die Befriedung Germaniens bis zur Elbe!

Sicher war dieser Zustand bis zur Varusschlacht gegeben, danach nicht mehr!
Daraus habe ich meine obige Vermutung ("Hintergrund mag eine Anweisung des Augustus sein, dieses Ereignis zu verschweigen.") hergeleitet.
Ich bitte um Nachsicht, manchmal ist der Gedanke schneller als die Finger beim Schreiben.

Natürlich beschreibt Florus hier ("34. So griffen sie den Ahnungslosen und nichts derartiges Befürchtenden überraschend an, als jener - welche Sorglosigkeit! - vor Gericht lud, und von allen Seiten brachen sie herein. Das Lager wurde ausgeraubt, drei Legionen überwältigt.") keinen genauen Ablauf.
Die von Dir angesprochenen "Ausschmückungen", die ich geschrieben hatte, dienen lediglich der Darstellung möglicher Szenarien, die ich auch in Einklang mit dem Bericht des Tacitus zu bringen versuchte.
Manchmal erlaube ich mir halt auch eigene Gedanken um meine Ansichten verständlich zu machen.

Grüße
Ostfale
 
Sepiola,
Du hattest geschrieben:
"Alsdann schildert Florus ein Gemetzel in Wäldern und Sümpfen: per paludes perque silvas."

Genau genommen, "schildert" er hier keine Details, hat sicher auch nicht vor, ein Schlachtdetail zu beschreiben.
Eigentlich lautet der entprechende Text so:
"Nihil illa caede per paludes perque silvas cruentius,nihil insultatione barbarorum intolerabilius, praecipue tamen in causarum patronos."
also
"Nichts war grausamer als dieses Gemetzel in Sümpfen und Wäldern, nichts war unerträglicher als der Hohn der Barbaren, besonders aber gegen die Gerichtsherren."
Im Grunde fasst er doch nur wertend das Geschehen zusammen, erst danach nennt er tatsächlich Einzelheiten, die aber letztlich nur die Grausamkeit des Feindes unterstreichen. ...

Wo ist da ein Unterschied? Das eine ist so detailliert wie das andere! :grübel:
 
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