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2. Die Eskalation im Juli 1914 im Rahmen einer Konfliktspirale - ähnlich der Kuba-Krise - bestand aus Drohung, Wahrnehmung der Drohung und entsprechenden Reaktionen. Und die Diskussion von Trachtenberg, Levy und anderen bezog sich zentral auch auf die Frage, in welcher Reihenfolge - im Sinne einer kausalen Verursachung - Bethmann am 29. bzw. 30. Juli kurz "einknickte". Die einen argumentieren, dass die harte Haltung Englands im Rahmen der Konflikteskalation dazu geführt hat und die anderen führen an, dass die Mobilisierung von Russland eine abschreckende Wirkung hatte.
In diesem Sinne hätte - ähnlich wie in der Kuba-Krise - die weiteren Schritte im Rahmen der Eskalation - ähnlich wie beim Pokern - durchaus dazu führen können, dass eine Seite "aussteigt" und nicht mehr weiter den Einsatz erhöht. Die Logik der Konflikteskalation war im Juli 1914 genauso sinnvoll wie in der Kuba- Krise und damals standen wir so dicht wie nie wieder an der Schwelle zum Atomkrieg (vgl. Beiträge in: J. Bligh: Cuba on the brink. 1993)
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Das ist m.E. eine bemerkenswerte Parallele.
(Davon abgesehen, dass die Gefahr der Apokalypse 1983 nach meinem Dafürhalten zumindest nicht ferner war)
B-H macht sich am Vorabend der Krise, und des Krieges, darüber Gedanken ob es noch sinnvoll sein könne einen Baum im Garten zu pflanzen, wenn dieser doch alsbald von der russischen Gefahr niedergewalzt werden würde.
@Lafayette,
das mag nun wirklich erstaunlich sein, und hat mich auch erstaunt; .doch war die Wahrnehmung zu dieser Zeit allgemein so, dass man von einem nicht beinflussbaren und dramatischen Erstarken Russlands ausging.
Insbesondere die Regierenden des DR im fraglichen Zeitraum waren weniger durch die diesbezügliche Gegenwart beunruhigt, als durch die Aussicht, dass sich die militärische Lage in den folgenden 3-4 Jahren dramatisch verschlechtern würde.
Wenn also Russland bereits 1914 zu großen Konfrontation bereit wäre, dann wäre es nicht nur besser diese jetzt zu haben, als in einer späteren Phase des Pokerspiels, um das treffende Bild von Thane zu gebrauchen, sondern es gäbe auch Gründe diese Konfrontation zu suchen.
Ein ähnliches Muster findet sich in der Kuba-Krise, jedoch mit höherer Zeitverdichtung, und auch höherem Risiko.
Die Stationierung russischer Trägersysteme für Nuklearwaffen vor der Küste der USA befand sich in einem Anfangsstadium, würde aber sehr viel schneller wachsen als etwa der, gegen die Mittelmächte gerichtet empfundene, militärstrategische russische Eisenbahnbau bis 1917/18.
Betrachtet man vergleichend die Risiko-Wahrnehmung der Administration Kennedy´s während der Kuba-Krise mit den Akteuren des DR in der Julikrise, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, so kommt man hierbei zu einem zumindest vergleichbaren „Brinkmanship“.
Denn immerhin:
„14 Kennedy ordered families of White House staff to either leave Washington or be near a telephone [Burlatsky 1991, page 168], providing evidence for his estimate that the crisis could have ended in war as being between one-in-three and even [Blight & Welch 1989, page 84]. During the height of the crisis, Robert McNamara thought he might not live out the week [McNamara 1986, page 11]. .. „
http://nuclearrisk.org/paper.pdf Dr. Martin E. Hellman PDF-Seite 9 /Fußnote 14
Es gibt vielleicht eine weitere Ähnlichkeit: Das Unverständnis gegenüber dem Gegenüber.