Besiedlung Amerikas: solutréische Hypothese, Beringia, oder Südpazifik?

Ich habe die Schiffahrts-Diskussion zur Kenntnis genommen und steige da für Europa auch später wieder detaillierter ein. Insbesondere die Besiedlung Norwegens, die über die See aus Doggerland (Ahrensburger Kultur) erfolgte, und in ihren Anfängen (9.500 calBC) noch ins Epi-Paläolithikum fällt, ist spannend und für die "Robbenjäger"-Diskussion von Belang. Auf einigen norwegischen Felszeichnungen (Anlage) sind übrigens durchaus segelartige Installationen erkennbar.
Bjerck, H. B. (2007), Mesolithic coastal settlements and shell middens (?) in Norway. In Milner, N., O. E. Craig, and G. N. Bailey, Shell Middens in Atlantic Europe, 5-31. Oxford: Oxbow. | Hein Bjerck - Academia.edu
Weitere Belege für frühe Seefahrt finden sich im nachfolgenden Link. Die dortige Segel-Diskussion (Abstract 5) enthält leider keine konkreten Daten. Vielleicht hat jemand Lust, diesbezüglich tiefer in Bibliotheken bzw. bei Google einzusteigen..
http://www.ntnu.no/documents/10476/...LETE.pdf/221fa573-f348-476a-8671-554e76ad1686
Als Hinweis an Dich, Silesia: Der "Sonderfall Marianen" wurde aktueller Forschung zufolge bereits vor etwa 5.200 Jahren besiedelt, worüber sich die Lapita-Forschung noch kräftig die Köpfe kratzt (ICOMOS-Studie S. 79):
Moreover, simple dentate-stamped sherds have been securely dated to 1800 BC in northern Luzon and to at least 3200-3300 BC in the Marianas, so to start the ceramic sequence of the Bismarck Archipelago with only plain pottery seems incongruous. In conclusion, to be blunt, archaeologists are probably still missing the origin phase of Lapita in the Bismarcks, mainly because they do not really know what was happening further west just before the appearance of the currently earliest ceramic sites in northern Island Melanesia.
Aus der gleichen Zeitstellung (ca. 3.300 BC) gibt es auch Funde japanischer Jomon-Keramik (Herkunft über Glasuranalysen gesichert) auf Vanuatu. Hier ist jedoch denkbar, daß im Louvre in Paris, wo die Funde aufbewahrt werden, irrtümlicherweise japanische Scherben in die Vanuatu-Kollektion einsortiert wurden.
Jomon sherds from Aomori, Japan, not Mele, Efate - DICKINSON - 2013 - Archaeology in Oceania - Wiley Online Library
@sepiola: Du solltest wirklich mal an Deiner bekannten Lese- bzw. Zitierschwäche arbeiten:winke:.Hier noch mal das Originalzitat:
Manus may represent a real threshold in (human) voyaging ability as it is the only island (anywhere on the planet) settled in the Pleistocene beyond the range of one-way intervisibility.
"intervisibility" ist nicht "visibility" (Sichtweite), sondern bezieht sich darauf, daß an keinem Punkt der Überfahrt beide Landmassen sichtbar sind, man also hohe See ohne jede Landsicht befahren muß. Die damit verbundenen Probleme hast Du ja schön für die römische Seefahrt verdeutlicht, und damit auch gezeigt, daß die Römer nicht nur zeitlich weit hinter anderen maritimen Kulturen zurückblieben [Offenbar waren Galeerensklaven billiger und leichter beschaffbar als Segelmacher].
Eine andere Sache ist Sichtweite von Land aus. Da gibt es diverse Beispiele für "blind" besiedelte Inseln, u.a. Buka (Solomonen), und Zypern (bei Erstsiedlung von Libanon/ Syrien aus). Auch die Japanische Altsteinzeit müßte man sich noch mal genauer ansehen - eine Landbrücke nach Korea bestand vor ca. 45.000 Jahren nicht. Weiterhin der Hinweis, daß die westlichen Aleuten mehrfach nicht auf Sicht, teilweise (Medny (Insel) - Attu 335 km) wohl noch nicht mal "inter-visible" liegen/lagen. Ich verweise auch auf Rockall, ebenfalls wohl nicht "inter-visible", dessen paläolithische Besiedlung von der britischen Archäologie als denkbar und untersuchungswürdig ("does offer limited archeological potential") erachtet wird.
https://www.gov.uk/government/uploa..._data/file/197044/SEA7_PreArchaeology_CWJ.pdf (S. 38f)
Schon die Besiedlung Sahuls erforderte auf den südlichen zwei der fünf in Betracht gezogenen Routen (beide via Timor) "blinde" Überfahrten. Von den drei weiteren Routen via Sulawesi lagen die zwei südlicheren "on the border or intervisibility". Lediglich die Nordroute von Sulawesi über Halmahera war auf Sichtweite. Hier ist aber das Problem, daß Sulawesi von Borneo aus nur bei sehr niedrigen Wasserständen auf Sicht erreichbar war. Neueren Untersuchungen zu Folge wurden diese niedrigen Wasserstände erst nach 30.000 BP, also mindestens 15.000 Jahre nach Eintreffen der ersten Siedler in Sahul, erreicht. Somit ist die Besiedlung Sahuls ohne "blinde" Überfahrten höchst unwahrscheinlich. Entsprechende Analyse, einschließlich lesenswerter Diskussion zu Kolonialisierungsstrategien, minimalen Siedleranzahlen, und sich aus Wasserstands-/ Küstenverlaufssimulationen ergebenden weitergehenden Fragen wie Landemöglichkeiten und Nahrungs-/ Wasserangebot an den jeweiligen Küsten, führt zur Schlüßfolgerung:
http://archive.anthro.utah.edu/PDFs/allenoc.pdf
The northern route [from Timor] that eventually brought people on to or near the Bird’s Head of western New Guinea (..) is the most likely route of entry into Sahul.(..) In keeping with our understanding of the ability of behaviourally modern humans to solve problems with technology and determine the costs and benefits of their actions and decisions, we see little to recommend the parsimony of minimalist views that wash the first Australians and New Guineans ashore as helpless castaways. (..) People crossed Wallacea as a consequence of specialised foraging behaviour, in much the same manner as they had travelled from Africa to the edge of Sunda.
Interessant auch (S. 37):​
If bamboo rafts were used, however, there are interesting implications, for Birdsell (1977:144, following Munro 1868) argued that while suitable bamboos are nearly continuous along the northern route, they do not occur along the southern route beyond Java, and that if the southern route was used, different materials would have been demanded. Although the Pleistocene distribution of bamboo is unknown, if drier and cooler conditions pertained we might expect its Pleistocene distribution to have been even narrower than today. Understanding distributions of bamboo 45,000 years ago is also complicated by the likelihood that its usefulness to humans caused them to move this plant to locations beyond its natural distribution at that time.
Die Autoren belassen es dabei, dicke Fragezeichen an die "minimalist views" der steuerungslosen Bambusflöße zu malen, ohne die "interesting implications" weiter zu vertiefen. Ich verweise hier aber auf die von mir im vorangegangen Post zum Thema zitierte, Dir scheinbar entgangene Feststellung, daß zum Aushöhlen von Einbäumen geeignete Werkzeuge ab ca. 10.000 BC archäologisch belegt sind. Sofern die Melanesier damals nicht schon Ackerbauern waren und fleißig Land rodeten, fragt man sich doch, welchen Anlaß sie zur Herstellung von Adzen hatten. Daß der archäologische Befund häufig der Erstnutzung einer Technologie hinterherhinkt, ist bekannt, und wird an den sehr späten archäologischen Belegen von polynesischen Einbäumen deutlich. Für ost-indonesische/ melanesische Adzen mag ähnliches gelten.
 

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Denisova-Mensch

Ein Exkurs, der nur auf den ersten Blick ab vom Theme führt: Der im Altai aufgefundene, vor ca. 40.000 Jahren lebende Denisova-Mensch entpuppte sich als Hominide mit Genmaterial, das weder vom homo sapiens noch vom Neandertaler stammt. Analyse dieses Genmaterials wies nach Südostasien. Die indigene Bevölkerung Nah-Ozeanians (Australien, Neuguinea, Bougainville) teilt bis zu 8% Genmaterial mit dem Denisova-Menschen. Von diesem Epi-Zentrum aus fällt der Denisova-Anteil konzentrisch auf etwa die Hälfte in Ost-Indonesien, Teilen der Phillipinen und auf Fidji, sowie auf ein knappes Viertel in West-Polynesien. Im übrigen Südostasien wurden nur leichte Spuren, unterhalb der statistisch signifikanten Nachweisgrenze festgestellt.
Denisova Admixture and the First Modern Human Dispersals into Southeast Asia and Oceania
We computed pD(X) for a range of non-African populations and found that for mainland East Asians, western Negritos (Jehai and Onge), or western Indonesians, pD(X) is within two standard errors of zero when a standard error is computed from a block jackknife ( Table 1 and Figure 1). Thus, there is no significant evidence of Denisova genetic material in these populations. However, there is strong evidence of Denisovan genetic material in Australians (1.03 ± 0.06 times the New Guinean proportion; one standard error), Fijians (0.56 ± 0.03), Nusa Tenggaras islanders of southeastern Indonesia (0.40 ± 0.03), Moluccas islanders of eastern Indonesia (0.35 ± 0.04), Polynesians (0.020 ± 0.04), Philippine Mamanwa, who are classified as a “Negrito” group (0.49 ± 0.05), and Philippine Manobo (0.13 ± 0.03) ( Table 1 and Figure 1). The New Guineans and Australians are estimated to have indistinguishable proportions of Denisovan ancestry (within the statistical error), suggesting Denisova gene flow into the common ancestors of Australians and New Guineans prior to their entry into Sahul (Pleistocene New Guinea and Australia), that is, at least 44,000 years ago. 24 and 25 These results are consistent with the Common Origin model of present-day New Guineans and Australians.
Eine zweite Studie erweiterte den Kreis der zum Vergleich herangezogenen modernen Bevölkerung, und untersuchte verschiedene Admixtur-Szenarien.
Archaic human ancestry in East Asia
We suggest that direct gene flow from archaic populations is the most likely explanation for the shared genetic ancestry between East Asian populations and the Denisova genome, which is in line with some previous findings based on fossils (4, 2730) and genetic data from extant East Asians alone (10, 14). Whether this contact was separate from the contact with the ancestors of Oceanians or a population ancestral to both East Asians and Oceanians (and later diluted in East Asia by gene flow from other populations) is not clear. One possibility, suggested by the presence of highly divergent mitochondrial DNA lineages in two Denisova individuals (24, 64), is gene flow from a third as of yet unsampled archaic population into both Denisovans and the ancestors of East Asians.
Das Puzzle harrt weiterer Aufklärung. Das im Augenblick plausibelste Szenario sieht die Denisova-Menschen, die 60% ihres Genoms mit Neandertalern teilen, als Kreuzung zwischen Neandertaler und frühen (süd-)ostasiatischen Menschen. Diese wiederum wären aus Kreuzung von hono sapiens mit "a yet unsampled archaic population" hervorgegangen (vgl. dazu aber auch Fig. S2 in Reich e.a. 2011, erster Link oben, wonach Denisova und Ozeanier nicht direkt, sondern nur über eine gemeinsame Vorgängerpopulation verwandt wären). Geographisch plausible Kandidaten für die "archaic population" wären Java-Mensch (homo erectus javanicus) oder Homo floresiensis. Der Peking-Mensch (homo erectus pekinensis) kann wohl ausgeschlossen werden, da vorgenannte Studie kein signifikantes Denisova-Signal mehr in nordasiatischen Bevölkerungen nördlich Pekings, einschließlich Japan, auffand.
Die Orte und Zeitstelungen beider Admixturen (sofern es nur zwei und nicht mehr waren) sind unklar. Da sich nicht weit entfernt von Denisova mehrere Neandertaler-Fundstellen befinden, liegt die Annahme nahe, die zweite Admixtur sei dort erfolgt. Nordchina (Vergleichspopulation CHB "Han Chinese from Beijing") zeigt zwar vergleichsweise hohe Neandertaladmixtur, scheidet aber magels Denisova-Genen aus. Bei der weiterhin in Frage kommenden Vergleichpopulation CHS (Han Chinese from Southern China) stellt sich die Frage, wie weit der dortige hohe Neandertaler-Anteil nicht erst durch Han-Migration eingebracht wurde.
Neandertaler-Genfluß nach Südostasien/ Ozeanien ist kaum erforscht; generell scheint aber der Genfluss von Zentral-Sibirien nach Südostasien gering gewesen zu sein http://www.nature.com/nature/journal/v514/n7523/full/nature13810.html (Figure 2). Für Neandertaler-Daten siehe u.a. Dienekes’ Anthropology Blog: Neandertal admixture in modern humans: some of it adaptive, some selected-against (Sankararaman et al. 2014) (Tabelle oben links anklicken).
Für die zweite (archaisch->homo sapiens) Admixtur drängt sich die Region zwischen Java und Neu-Guinea auf. Skoglund/ Jakobsen (2. Link oben) haben jedoch noch einen weiteren Cluster mit hohem Denisove-Allel-Anteil identifiziert, der diverse süd-chinesische ethno-linguistische Minderheiten umfasst (Yi (Volk), She, Miao, Naxi, Tujia), so daß auch Admixtur weiter nordöstlich (Burma?), oder zwei unabhängige Admixtur-Ereignisse in Betracht kommen.
Klar ist lediglich, daß diese ursprünglich, wohl schon vor 45.000 Jahren oder noch früher archaisch durchmischte ("admixed") Population in Südostasien durch nachrückende, nicht oder sehr viel weniger durchmischte Populationen überschichtet bzw. verdrängt wurde. Zu diesen Populationen gehören insbesondere Austronesier, einschließlich taiwanesischer Aborigines, Malayen, nicht Papua-sprachiger Melanesier und Polynesier.
So weit, so gut. Nun wirds spannend: Skoglund-Jacobsen haben nämlich noch einen dritten Cluster mit hoher Denisova-Admixtur gefunden, und zwar in Südamerika. Ihre Kartierung (Anlage) enthält keine Meßpunkte im südlichen Südamerika (auch keine in Australien, mit nach Reich e.a. hoher Denisova-Admixtur), und unterzeichnet so Größe und Intensität dieses Clusters. Tatsächlich kamen in ihrer Messung (indigene?) Kolumbier und Karitiana auf die viert-und fünfthöchste Admixtur-Intensität, mit Werten um 0,528, also im satt-roten Bereich der Farbskala (Supp. Table S3, nachfolgender Link):
http://www.pnas.org/content/suppl/2...plemental/pnas.201108181SI.pdf#nameddest=STXT

Wie entstand der südamerikanische Cluster? Wohl kaum durch Migration aus Sibirien. Nordamerika hätte natürlich ein paar Messpunkte mehr erhalten können, aber wenn die Denisova-Allele Maya und Pima nicht maßgeblich erreichten, steht es um Ausbreitung entlang der amerikanischen Pazifikküste südwärts auch nicht wirklich gut. Klar ist ebenfalls, daß das Denisova-Signal kaum von Austronesisch-Sprechern nach Südamerika verbreitet wurde, dazu macht es sich in Taiwan und Zentralindonesien zu rar. Also wohl eine sehr frühe Migration durch den Südpazifik. Theoretisch schon von "archaischen Menschen" - falls sich frühe Datierungen (z.B. Pedra Furada sites, Calico Early Man Site) bestätigen, muss dies, allen technologischen Zweifeln zum Trotz, ernsthaft in Betracht gezogen werden. Für den Moment, bei den derzeit gesicherten amerikanischen Funddaten, spricht aber wohl mehr für Wanderung archaisch durchmischter Nah-Ozeanier.
 

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Was haben nun - abgesehen von den Andeutungen - die Denisova-"Einträge" in neuzeitlicher Population in Südamerika mit der Frage zu tun, in welchen archäologisch nachgewiesenen* Zeitsprüngen die Besiedlung des Südpazifiks erfolgte?

Inwiefern soll das dem derzeitigen Bild der Migration hinzufügen sein, ihm widersprechen und/oder eine zeitliche Vorverlagerung von Jahrzehntausenden hergeben?
 
Inwiefern soll das dem derzeitigen Bild der Migration hinzufügen sein, ihm widersprechen und/oder eine zeitliche Vorverlagerung von Jahrzehntausenden hergeben?
...das erkärt sich wohl nur einzig aus der Brillanz der vorgeschichtlichen Hochseefahrt, die später sehr zum Schaden der Menschheit empfindlich von den dummen Römern gekappt wurde:
Die damit verbundenen Probleme hast Du ja schön für die römische Seefahrt verdeutlicht, und damit auch gezeigt, daß die Römer nicht nur zeitlich weit hinter anderen maritimen Kulturen zurückblieben [Offenbar waren Galeerensklaven billiger und leichter beschaffbar als Segelmacher].
(hier fragt man sich zunächst, warum all die überlegenen maritimen Kulturen kein großes tausendjähriges Imperium inklusive Thermen & Co. zustande brachten, aber sei´s drum)
statt vorgeschichtlich high-tec zur See zu fahren, vergaßen oder verdrängten die dummen Römer all das solutreische Inselhopp- und Weltbesiedlungswissen, und was machten diese Dumpfbacken stattdessen? Oh wie peinlich! Sie umrundeten zu Lande ein Meer, legten ihre bürokratischen Provinzen drumherum und nannten es mare nostrum... Die Piratenplage auf diesem "ihrem" nun imperialen Binnenmeer werden sie mangels maritimem Können vermutlich zu Land ausgetrocknet haben...
Wie edel ist da doch der hehre solutreische Inselhopper, der kühn den Blick über die Hochsee schweifen lässt, und dann inselhoppend die öden unfruchtbaren europäischen Gefilde gen Amerika verlässt - ihm sollte man ein Denkmal setzen!

difficile est saturam non scribere
 
...das erkärt sich wohl nur einzig aus der Brillanz der vorgeschichtlichen Hochseefahrt, die später sehr zum Schaden der Menschheit empfindlich von den dummen Römern gekappt wurde:
Tja, dafür haben die dummen Römer ja dann von Barbaren die Rechnung serviert bekommen. Spannende Idee daß die Vernichtung des römischen Reichs die Vergeltung für die Vernichtung der vorgeschichtlichen Seefahrt durch die Römer gewesen sein könnte. Ich dachte schon immer daß die Griechen Intellektuelle waren, die Römer dagegen nur erstklassig ausgebildete Totschläger. :D

Aber Spaß beiseite: Ich finde es auffällig daß Menschen sich über die ganze Welt ausbreiten konnten zu einem Zeitpunkt als ihre technischen Möglichkeiten das aus unserer Sicht gar nicht zugelassen haben. Wie haben Menschen zum Beispiel Australien besiedeln können? Mit ein paar versprengten Fischern die mit einem Einbaum zum Angeln rausgepaddelt sind, abgetrieben wurden und dann entkräftet nicht mehr zurückpaddeln konnten ist das ja wohl nicht zu erklären. Nur wenn in der Heringshochsaison eine ganze Armada von entkräfteten Fischern mit Frauen hinten auf dem Einbaum an die australische Küste geschwemmt worden wären hätte sich dort eine bis heute bestehende menschliche Zivilisation etablieren können.

Aber vielleicht gabs ja mitten in der Heringssaison eine große konzertierte Fangaktion von Einbaumbesitzern. Die Frauen hockten hinten auf den Einbäumen um Heringe in Körbe aus Bambussprossen zu packen. Und dann kam ganz plötzlich ein wochenlang wehender steifer Nordwind.;)

Nochmal Spaß beiseite: Menschen haben in großer Zahl Orte erreicht die sie nur mit Booten erreichen konnten. Ich hab keine Ahnung von Denisovamenschen und will dazu auch nix sagen. Aber was Augusto über das mögliche Alter von prähistorischen Funden in Südamerika schreibt rechtfertigt auf jeden Fall daß man hergebrachte Clovis-first-Theorien nicht für unantastbar halten muß.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber was Augusto über das mögliche Alter von prähistorischen Funden in Südamerika schreibt rechtfertigt auf jeden Fall daß man hergebrachte Clovis-first-Theorien nicht für unantastbar halten muß.
Clovis first ist doch vom Tisch. Man muss nicht gegen etwas anargumentieren, was bereits überholt ist.
 
@sepiola: Du solltest wirklich mal an Deiner bekannten Lese- bzw. Zitierschwäche arbeiten:winke:.

Sollte ich ausnahmsweise mal nicht korrekt übersetzt haben, nehme ich Korrekturhinweise gerne entgegen.
Besonders gerne, wenn ich
a) den Eindruck habe, dass der Hinweis auf kompetentem Wissen basiert
b) den Eindruck habe, dass der Hinweise als Hilfeversuch gemeint ist und nicht als Beleidigungsversuch.

"intervisibility" ist nicht "visibility"
... sondern (guck mal hier)...

Die Autoren belassen es dabei, dicke Fragezeichen an die "minimalist views" der steuerungslosen Bambusflöße zu malen,
Von "steuerungslosen Bambusflößen" steht aber auch nicht so direkt was im Text...

Ich verweise hier aber auf die von mir im vorangegangen Post zum Thema zitierte, Dir scheinbar entgangene Feststellung, daß zum Aushöhlen von Einbäumen geeignete Werkzeuge ab ca. 10.000 BC archäologisch belegt sind. Sofern die Melanesier damals nicht schon Ackerbauern waren und fleißig Land rodeten, fragt man sich doch, welchen Anlaß sie zur Herstellung von Adzen hatten.
Das deutsche Wort für adzes heißt Dechseln.
Und wozu sie die Dechseln gebraucht haben?
Mit ein wenig Fantasie findet man so viele Antworten, wie man haben will.
 

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Was haben nun - abgesehen von den Andeutungen - die Denisova-"Einträge" in neuzeitlicher Population in Südamerika mit der Frage zu tun, in welchen archäologisch nachgewiesenen* Zeitsprüngen die Besiedlung des Südpazifiks erfolgte?

Inwiefern soll das dem derzeitigen Bild der Migration hinzufügen sein, ihm widersprechen und/oder eine zeitliche Vorverlagerung von Jahrzehntausenden hergeben?
Die Frage haben sich Einige gestellt, und in den letzten 14 Tagen sind gleich 3 Studien zum Thema herausgekommen. Nicht Studien von irgendwem: Eine hat M. Raghavan, dem wir die Ma'lta-Analyse verdanken, zusammen mit gefühlt knapp 100 anderen Autoren aus der halben Welt verfasst. Bei der zweiten haben sich Skoglund und D. Reich, die beiden in meinem vorherigen Post zitierten Denisova-Verbreitungs-Analytiker, zusammengetan. Die dritte schließlich stammt von zwei Mitarbeitern des MPI Leipzig, wo Neandertaler- und Denisova-Genome entschlüsselt wurden. Die Ergebnisse sind zum Teil widersprüchlich, und ich bin noch dabei, mir ein Bild zu verschaffen, was auch dadurch erschwert wird, daß nur die Abstracts frei verfügbar sind, so daß ich mich durch Supplementary Materials und Blog-Besprechungen kämpfen muß.

Zum Einstieg die Leipziger Studie - da gibt es außer dem Abstract noch nichts weiteres (Supp. Material hinter paywall, und die einschlägigen Blogger machen wohl gerade Urlaub):
Denisovan Ancestry in East Eurasian and Native American Populations
Here we analyze genome-wide single nucleotide polymorphism data from 2,493 individuals from 221 worldwide populations, and show that there is a widespread signal of a very low level of Denisovan ancestry across Eastern Eurasian and Native American (EE/NA) populations. We also verify a higher level of Denisovan ancestry in Oceania than that in EE/NA; the Denisovan ancestry in Oceania is correlated with the amount of New Guinea ancestry, but not the amount of Australian ancestry, indicating that recent gene flow from New Guinea likely accounts for signals of Denisovan ancestry across Oceania. However, Denisovan ancestry in EE/NA populations is equally correlated with their New Guinea or their Australian ancestry, suggesting a common source for the Denisovan ancestry in EE/NA and Oceanian populations. Our results suggest that Denisovan ancestry in EE/NA is derived either from common ancestry with, or gene flow from, the common ancestor of New Guineans and Australians, indicating a more complex history involving East Eurasians and Oceanians than previously suspected.
Wichtig hier: Das Denisova-Signal bei indigenen Amerikanern stammt nicht aus der rezenten polynesischen Bevölkerung (kein "Dankeschön" für die Süßkartoffel), sondern von einem archaischen gemeinsamen Vofahren der Neuguineer und austalischen Aborigines.
Dem Kind bzw. der Mutter kann man wohl auch einen Namen geben:
https://en.wikipedia.org/wiki/Haplogroup_B_(mtDNA)
Haplogroup B is found frequently in southeastern Asia.[3] A subclade of B4b that is labelled irregularly as B2 is one of five haplogroups found in the indigenous peoples of the Americas, the others being A, C, D, and X.
Because the migration to the Americas by the ancestors of Indigenous Americans is generally believed to have been from northeastern Siberia via Beringia, it is surprising that Haplogroup B and Haplogroup X have not been found in Paleo-Siberian tribes of northeastern Siberia (..) The subclade that is phylogenetically closest to American B2, namely B4b1, has been found mainly in populations of southern China and Southeast Asia, especially Filipinos and Austronesian speakers of eastern Indonesia (approx. 8%) and the aborigines of Taiwan and Hainan (approx. 7%).[10][11][12] However, B4b1 has been observed in populations as far north as Turochak and Choya districts in the north of Altai Republic (3/72 = 4.2% Tubalar),[13] Miyazaki and Tokyo, Japan (approx. 3%),[14] South Korea (4/185 = 2.2%),[9] Tuva (1/95 = 1.1% Tuvan),[13] and Hulunbuir (1/149 = 0.7% Barghut).[15]
Zu der Aufstellung kann man hinzufügen für B4b1: Tuvalu (5/60=8%). Uroma und Oma, also B* und B4, finden sich v.a. auf/in Java (7/41= 17%), Vietnam (4/32=12,5%), Molukken (2/31=6%), Trobriand (2/40=5%), den Cook-Inseln (2/71=3%), daneben jeweils Einzelfunde (~2-3%) auf Sumatra, Phillipinen, Nusa Tengara [ind. Inseln östl. Bali], New Britain, Futuna, und China.
Quelle: http://mbe.oxfordjournals.org/content/23/11/2234.full, Supp. Table S4
Den Rekord halten jedoch aktuell die Aeta, eine Negrito-Population auf Luzon/ Phillipinen, mit fast 21% B4b1.
http://digitalcommons.wayne.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=2057&context=humbiol
The relative prevalence of B4b1 among the negritos of Luzon suggests a presence in the Philippines prior to the Austronesian expansion approximately 4–6 kya, which could also predate the long-term separation of the Aeta and Agta indicated by the differentiation in autosomal genetic diversity.​
The frequency of Y-chromosomal haplogroups across the negrito populations is also consistent with the preservation of pre-Austronesian lineages. At more than 50%, K*-M9 is elevated compared with the general populations of the Philippines. Whether all these individuals belong to the same, as yet undefined, subclade of K, however, is not clear.
Diese yDNA-Haplogroup K2b-P331 ist ebenfalls hochinteressant. Es handelt sich hier nämlich um einen gut 50.000 Jahre alten Urahnen, der sich allerdings erstaunlich gut gehalten hat (Brüder sind noch auf Java und Bali zu finden). Seine Abkömmlinge teilten sich in zwei Linien. Die eine, K2b1, dominiert Australien, Neuguinea, Melanesien und Polynesien. Die zweite, K2b2, ist auch bekannt als Haplogruppe P. Hierzu gehören, in einer frühen Abspaltung, u.a. 28% der Aeta und 10% der Timoresen. Deren "Brüder" teilten sich dann weiter auf in die dominierende amerindische Haplogruppe Q, sowie die allseits bekannte Haplogruppe R, zu der u.a. der Ma'lta-Fund aus dem Altai (R0), sowie die Westeurasien dominierenden Gruppen R1a und R1b gehören.​
Wer also ein "Gesamtpaket" sucht, mit dem man einen Gutteil der amerindischen DNA (mtDNA B2, yDNA Q) erklären kann, wird bei den Aeta potentiell fündig.​
Forts. folgt.
 
Wichtig hier: Das Denisova-Signal bei indigenen Amerikanern stammt nicht aus der rezenten polynesischen Bevölkerung (kein "Dankeschön" für die Süßkartoffel), sondern von einem archaischen gemeinsamen Vofahren der Neuguineer und austalischen Aborigines.

Was nicht die Frage beantwortet, was das mit den derzeitigen pazifischen Expansionsmodellen und dem Möglichen Zeithorizont des Erreichens von Südamerika durch die pazifische Expansion zu tun hat, dazu siehe unten. Die Südamerika erreichende Migration (aus einer der Besiedlungswellen in den Südpazifiks) hat dann vermutlich den dortigen (südamerikanischen) Denisova-Eintrag transportiert.

Dass der Denisova-Eintrag durch die pazifischen Migrationen Südamerika erreicht hat, steht außer Frage. Da es mindestens zwei Besiedlungswellen im südpazifischen Raum gegeben hat, wird er dorthin logischerweise über die erste oder folgende Welle (die im südpazifischen Raum feststellbar sind) gelangt sei.

Am derzeit unterstellten Zeitablauf ändert das nichts. Unten zur Veranschaulichung eine Visualisierung.

Zur Erinnerung: die Denisova-Seitendebatte wurde hier eingeführt, um eine zeitliche "Vorverlagerung" derzeitiger Besiedlungsannahmen für Nord- und Südamerika über die ozeanische Schifffahrt "anzudeuten", noch dazu als potenzieller Vergleich von atlantischen und pazifischen Bedingungen (was ebenfalls mehr als fragwürdig ist, aber das sei mal dahingestellt). Dazu fehlt jeder Nachweis. Von den Details der einzelnen pazifischen Sprünge wie Ausnutzung bestimmter Strömungsverhältnisse, technologische Sprünge, etc., die mit den archäologischen Datierungen plausibel verbunden sind, ganz zu schweigen.
 

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Heine schrieb:
Aber was Augusto über das mögliche Alter von prähistorischen Funden in Südamerika schreibt rechtfertigt auf jeden Fall daß man hergebrachte Clovis-first-Theorien nicht für unantastbar halten muß.
Clovis first ist doch vom Tisch. Man muss nicht gegen etwas anargumentieren, was bereits überholt ist.

Eben, sehe ich ganz genau so wie Heine. Weiter oben ist darauf verwiesen worden, dass es Prä-Clovis-Fundschichten gibt.

Hier in Thema ging es um die atlantische Migrationsthese, und in den letzten Beiträgen über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, solche Distanzen zu überbrücken. Dabei wurde angedeutet, Denisova-Einträge in Südamerika würden auf eine Vorverlagerung der Besiedlung über die pazifische Expansion schließen lassen. Diese Diskussion wiederum entsprang der Frage, wann mittels Schifffahrt große Distanzen überbrückt wurden.
 
Clovis first ist doch vom Tisch. Man muss nicht gegen etwas anargumentieren, was bereits überholt ist.
Ich lass mich gern belehren. Deshalb hab ich grade bei einer schnellen und dreckigen Suche im Internet gefunden daß Prä-Clovis-Funde inzwischen unumstritten sind. Interessant. Allerdings hat diese Erkenntnis nicht dazu geführt daß in der Frage der Besiedelungswege neu gedacht worden ist. Wenn ich das richtig verstehe, geht die Forschung mehrheitlich immer noch davon aus daß die Besiedelung Amerikas nur über die Behringbrücke erfolgt sein kann. So hab ich bisher auch die Clovis-first-Theorie verstanden. Da wird nicht gesagt daß eine entwickelte Clovis-Cultur durch die Behring-Straße gewandert ist. Es wird gesagt daß Clovis die erste flächendeckende Kultur in Amerika war und daß Clovis aus Gruppen hervorgegangen ist, die über die Behringstraße eingewandert sind.

Diese Diskussion dreht sich aber doch um die Frage ob Einwanderer auch von woanders gekommen sein könnten. Das wird immer noch mehrheitlich bestritten. Dagegen habe ich argumentieren wollen. Mein Clovis-first-Hinweis hat das wohl verdeckt.
 
... im Paläolithikum aber noch mit Ausnahme der Gegenden, die mit einem Floß unerreichbar sind...
Floß? Wieso Floß? Wegen Kontiki? Wer weiß mit welchen Fahrzeugen die Menschen an die Orte gelangt sind die sie dann besiedelt haben. Beispiel Australien: Zwischen Australien und Asien war immer so viel Wasser daß australische Flora und Fauna die Grenze nicht überqueren konnte. Menschen haben es aber geschafft. Und zwar vor 60000 Jahren. Woher weiß man daß sie das mit Flößen gemacht haben müssen?
 
Dabei wurde angedeutet, Denisova-Einträge in Südamerika würden auf eine Vorverlagerung der Besiedlung über die pazifische Expansion schließen lassen. Diese Diskussion wiederum entsprang der Frage, wann mittels Schifffahrt große Distanzen überbrückt wurden.
Danke für die Klarstellung. Das wollte ich mit der unglücklichen Clovis-Bemerkung sagen. Wenn es Prä-Clovis-Funde gibt muß geklärt werden wie viel früher als Clovis die Spuren gelegt wurden und woher die Spurenleger gekommen sein könnten. Leider können wir uns nicht wirklich darüber auslassen wann mittels Schiffahrt welche Distanzen überbrückt wurden. Wir können nur spekulieren wann größere Distanzen überbrückt werden konnten.

Nochmal zur Klarstellung: Ich rede hier nicht einer Vorverlagerung der Besiedelung über die pazifische Expansion das Wort. Aber: Wenn in Südamerika aber menschliche Spuren zu finden sind, die deutlich älter sind als die mögliche Einwanderung von Menschen über die Behringbrücke, dann muß man eine Erklärung liefern können wie die Menschen zu so einem frühen Zeitpunkt da hin gekommen sind. Oder man muß sich von der Prämisse verabschieden daß die Einwanderung nur über die Behringbrücke passiert sein kann.
 
Das verstehe ich nicht ganz. Welche südamerikanische Funde genau sollen mit dem Einwanderungsweg Behringsstrasse kollidieren, resp. mit welchem Expansionsmodell "Nord-Süd" in Amerika? Dafür sind doch diverse Hypothesen vorgeschlagen? Meinst Du die Diskussion weiter oben im thread?
 
Diese Diskussion dreht sich aber doch um die Frage ob Einwanderer auch von woanders gekommen sein könnten. Das wird immer noch mehrheitlich bestritten. Dagegen habe ich argumentieren wollen. Mein Clovis-first-Hinweis hat das wohl verdeckt.

Gut, dann möchte ich zunächst skizzieren, wie die Autoren der weiter oben als erstes verlinkten aktuellen Arbeit (Raghavan et al: Genomic evidence for the Pleistocene and recent population history of Native Americans) die Besiedlung Amerikas und die australo-melanesischen Verwandtschaft darstellen:

Alle heutigen amerikanischen Ureinwohner stammen von Vorfahren ab, die durch eine ursprüngliche Einwanderungswelle während des LGM (Last Glacial Maximum) nicht früher als vor 23.000 Jahren aus Sibirien nach Amerika gekommen sind. Kurz nach der Trennung von den Ostasiaten kam es zu einem Geneintrag einer Bevölkerung, die durch den sibirischen Mal'ta Jungen repräsentiert wird und Bindeglied zwischen Europäern und amerikanischen Ureinwohnern ist. Danach kam es zu einer Isolation der Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner möglicherweise in Beringia. In der Folge ist weiterer Genfluss von ostasiatischen Bevölkerungen nachweisbar, der vor ca. 12.000 Jahren endete. Vor ca. 13.000 Jahren trennten sie sich in nord- und südamerikanische Ureinwohner. Weiterer Genfluss ist von den Inuit in athabaskische und an der nordwestpazifischen Küste lebende amerindische Bevölkerungen nachweisbar. Desweiteren wurde festgestellt, dass einige verstreute amerikanische Bevölkerungen, wie die Bewohner der Aleuten (Inseln am Südrand der Beringsee), die Surui (Brasilien) und Athabasken (Nordamerika), näher mit den Australo-Melanesiern verwandt sind als andere amerikanische Ureinwohner. Daraus folgert man einen australo-melanesischen Genfluss nach der Differenzierung der amerikanischen Ureinwohner. Die Forscher sehen eine Möglichkeit in einer nördlichen Route durch den ostasiatischen Kontinent über die Aleuten, die am Südrand der Beringsee Kamtschatka und Alaska verbinden.

http://www.sciencemag.org/content/early/2015/07/20/science.aab3884.full

Die zweite oben verlinkte Arbeit habe ich mir noch nicht zu Gemüte geführt.


Aleuten_Lage.jpg

Aleuten Lage“ von modified by Carport - Maps for Free. Lizenziert unter GFDL über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aleuten_Lage.png#/media/File:Aleuten_Lage.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Die zweite oben verlinkte Arbeit habe ich mir noch nicht zu Gemüte geführt.

Erstmal herzlichen Dank für die erste Zusammenfassung.

Auch die zweite Arbeit von Qin/Stoneking ändert im Resümee nichts an der Darstellung der bisherigen Migrationswege und Zeitfenster, sondern modifiziert diese Betrachtung mit Blickrichtung auf die Denisova-Einträge.

Dafür werden zwei potenzielle Szenarios mit "gleicher Plausibilität" aufgestellt.

1. Im ersten Szenario erfolgte der Denisova-Eintrag bei den gemeinsamen Vorfahren von Ost-Eurasiern (EE) und "native americans" (NA), mit einer "Verwässerungshypothese" nach der anschließenden Separation zwischen der EE/NA und den pazifisch-ozeanischen Bevölkerungsteilen. Die Denisova-Einträge sollen demnach nicht erst in den Popilationen der südostasiatischen Inselwelten erfolgt sein, sondern "näher" zu Südsibirien.

2. Beim zweiten Szenario geht der Aufsatz auf die Hypothese einer "Rück-Migration" von Ozeanien in ostasiatische Festland ein, so dass sowohl Denisowa-Einträge als auch australisch-Neu Guinea-Einträge in die modernen Populationen EE/NA zu verzeichnen wären. Allerdings sind derzeit weder dafür noch gegen die Rückeinwanderung sprechende archäologische Befunde bekannt, so dass die Hypothese weder bestätigt noch verworfen werden kann.

Die im zweiten Aufsatz bedachten Hypothesen ergeben daher keine neuen Aufschlüsse für Zeitfenster, Migrationsrichtungen und Migrationswellen nach Südamerika (was hier oben Ausgangspunkt der Frage der Überbrückung ozeanischer Distanzen war).
 
@Heine: Du hast die Raghavan-Studie schönt zusammengefaßt, mit einer Ausnahme: Die Studie (und das scheint mir ihr größtes Verdienst) widmet erhebliches Augenmerk der Analyse und Einordnung archaischer amerikanischer DNA. Details dazu sind in den "Supplementary Materials" zu finden
http://www.sciencemag.org/content/suppl/2015/07/20/science.aab3884.DC1/Raghavan-SM.pdf
Insbesondere lieferte/ untersuchte sie aDNA für:

  • "939", einen Fund von den Lucy Islands, British Columbia, datiert auf ca. 6.000 calBP, weiblich, mtDNA D4h3a7. mtDNA D4h wurde bereits im "Anzick Child" (Clovis) gefunden, sowie in aDNA von der Prince of Wales Insel vor Alaska (10.300 BP).
    Distinctive Paleo-Indian Migration Routes from Beringia Marked by Two Rare mtDNA Haplogroups
    In fact, the D4h3 branch shows an initial deep split into two sister subclades, one encompassing all D4h3 mtDNAs from the Americas (D4h3a) and the other consisting only of the sequence from China (D4h3b), thus posing the upper limit for the most recent common female Asian ancestor of D4h3. The Native American branch D4h3a is mostly found in South America, with the exception of eight samples from Mexico and two found in California. Several basal branches characterize D4h3a. Among these, D4h3a1 and D4h3a2, found only in Chile, have accumulated a large amount of internal variation, whereas D4h3a3, defined only by a control-region deletion at nucleotide position (np) 71 (Figure S1), is slightly less differentiated but shared between a single Chilean representative and a northern subcluster (Mexico and California).
    Die vorgenannte Studie schätzt das Alter von D4h3a auf 18.000 Jahre, das der "Mutter" D4 auf 40.000 Jahre (Tab. 3). Verbreitungskarten (links nach [Bundes-]Staaten, rechts nach "tribes") sind angehängt.
    [Hier scheint mir der in der Diskussion meist, so auch von Raghavan e.a., übersehene Fund von amtDNA M* in Britisch Columbia (ca. 5.000 calBP) erwähnenswert. M, die häufigste asiatische Haplogruppe, gehört nicht zu den "anerkannten" amerindischen Haplogruppen. Die nördlicheren Varianten M7 (Japan, Korea, Südchina), M8 (Kamschatka, Sibirien) und M9 (Tibet bis Taiwan) wurde für den Fund in BC ausgeschlossen, tiefergehende Analyse steht leider immer noch aus.
    https://public.wsu.edu/~bmkemp/publications/pubs/Malhi_et_al_2007.pdf
  • Enoque65, Piaui/ Ostbrasilien, 3.500 calBP, männl., mtDNA A2e
  • Chinchorro, Anique, Chile, 5.800 calBP, weibl., mtDNA A2
  • MARC1492, New Brunswick, Canada, 400 BP, weibl., mtDNA A2+
  • Pericúes, südl. Baja California, vor ca. 200 Jahren ausgestorben. Angegebenes Probenalter (keine eigene Analyse der Autoren, Schätzung?) 300-800 Jahre, 5xm, 1xf, mtDNA B2g1 (3x), CZ (2), C1c1
  • Fuego-Patagonier aus europäischen ethnolog. Sammlungen (Paris, Zürich). Probenalter 132-200 Jahre, 5xm, 6xf, mtDNA D4h3a (7x), C1b (2x), D1g5, D1g,
  • Nord-mexikanische Mumien (2, Sierra Tahahumara), undatiert (lt. Tab. S5 ">500 BP" ohne Quellenangabe), weibl., mtDNA C, C1b
Die aDNA zeigt keine Anzeichen "atypischer" DNA. Raghavan e.a. ermittelten für Fuego-Patagonier, nord-mexikanische Mumien und Pericués hohe genetische Affinität zu den jeweiligen heutigen indigenen Bevölkerungen der Region. Angesichts des geringen Alters dieser "aDNA" (in den meisten Fällen wohl post-kolumbisch) ist das wenig erstaunlich, und besagt lediglich, daß sich zu Kolumbus Zeit und danach wohl wenig Chinesen oder Polynesier an der amerikanischen Pazifikküste herumtrieben (oder sollte ich "herumsegelten" sagen?).
Interessanter und aussagekräftiger ist die ältere aDNA (Fig. S14): Chinchorro zeigt die stärkste nicht-amerindische Affinität zu Groß-Andamanern - etwa auf dem gleichen Niveau wie bei den Aymara, und so stark, daß diverse amerindische Gruppen (Athabascan, Zapotec, Pima, Algonquin, Alaskan Inuit u.v.m.) dahinter zurücktreten. Die meisten sibirischen Populationen kommen mit ihrem Mittelwert nicht einmal in das Konfidenz-Intervall für Groß-Andamaner, das bei diesen verhältnismäßg groß ausfällt. Aeta, auch "Papuan pygmies", schlagen sich hier allerdings relativ schlecht. Gleiches gilt für die von Skoglund/ Reich intensiv betrachteten Onge, ebenfalls von den Andamanen (auch hier jedoch recht großes Konfidenzintervall). Die Solomonen liegen aber noch relativ gut, knapp vor dem Altai, und im Bereich der meisten Sibirier. Die höchste ermittelte genetische Affinität zu Chinchorro haben "US Amerindians 1" (Westküste), Guahibo (Kolumbien/ Venezuela), "West Greenlanders", Yaghan (Yámana, Patagonien), Wichí (NW-Argentinien, Bolivien) und Toba (Volk) (Gran Chaco, Argentinien/Bolivien/Paraguay).

So richtig zusammen paßt das geographische Muster nicht. Deutlich wird ein genetisches Signal aus Süd(-ost-)Asien aus der Zeit vor den Lapita- und polynesischen Expansionen. Zeiger aus Ostasien/ Sibirien fehlen weitgehend. Das Verbreitungsmuster deutet sowohl auf südamerikanisch-kontinentale, als auch als transamerikanische Migration entlang der Pazifikküste hin. Kälte und Robbenjagd scheinen einige Nachfahren nicht zu schrecken.
Enoque65 bietet wenig Überraschung. Die größte Affinität gibt es zu Arara, Palikur und Kaingang, alles brasilianische Ethnien. Afrikanische Admixtur wurde nicht untersucht - dies hätte, mit Yoruba als "outgroup", wohl auch wenig gebracht. Da die Yoruba bekanntermaßen 10-20 westeurasische Admixtur in sich tragen, kann Raghavans Studie schon methodisch keine westeurasische Admixtur in Amerindern (noch dazu solchen im Vorwege "masked for European admixture") aufzeigen oder widerlegen.

Raghavan e.a. führten auch craniologische Analysen durch. Hier fehlten leider Vergleichsproben von den Andamanen, Aeta und/oder aus Melanesien (die Unter-Teams haben sich scheinbar nicht optimal koordiniert). Die im Haupttext zu findende, eher negative Einschätzung craniologischer transpazifischer Ähnlichkeiten deckt sich nicht ganz mit den Ergebnissen in den Supplementary Materials (Tab. S14): Für "Peruaner" ergab sich, nach Sta. Cruz Island vor der kalifornischen Küste, die höchste Ähnlichkeit zu Hainan (M) bzw. Südjapan (F) - vor den übrigen vier amerindischen Vergleichsmustern. Bei Kaweskar-Frauen (Patagonien) bestand die höchste Ähnlichkeit zu Moriori-Frauen (Chatham-Inseln südöstl. Neuseelands)*. Im Einzelbericht zu den Analysen (Supp. Materials, S. 53ff) werden diese Befunde nicht weiter erwähnt. Ansonsten heißt es dort:
Craniometric affinities of the Pericú male subsample with Australo-Melanesian populations indicate, in our view, convergence in terms of extreme dolichocephaly, probably as an effect of local adaptation/drift in a fairly isolated population.​
Und wenn im Haupttext steht:​
More importantly, our analyses demonstrated that the presumed ancestral ancient Paleoamerican reference sample from Lagoa Santa, Brazil (24) had closest affinities to Arctic and East Asian populations (S 15).​
hätte ich persönlich einen Verweis, daß es sich bei der "East Asian population" um Atayal, austronesischsprachige indigene Taiwanesen, und als solche präsumptive "Ahnen" der Polynesier, durchaus als der Interpretation hilfreich empfunden.​
--​
*) Chatham-Inseln und Moriori lohnen wohl noch einen zweiten Blick. Mir ist aufgefallen, daß der paleo-indianische Fundort Pedro Furada im Bereich der glazialen patagonischen Vergletscherung liegt, und wohl erst relativ kurz vor dem gemessenen Siedlungsalter eisfrei wurde. Bei einem "Robbenjäger"-Szenario kommt damit noch ein weiterer hypothetischer Migrationsweg in Frage (Anlage). Auf der Clipper route tats wahrscheinlich sogar ein Floß - dann aber wohl eher Fische fangen als Robben jagen.​

 

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Floß? Wieso Floß?

Gute Einwand, Kon-Tiki zählt natürlich auch als Floß.

Worauf es mir ankommt, hatte ich hier ein wenig ausführlicher erläutert:

Wenn man sich mal anschaut, welche Gegenden im Paläolithikum offensichtlich nicht besiedelt wurden, wird man feststellen, dass Distanzen von deutlich mehr als 100 km für die Paläolithiker in aller Regel nicht zu schaffen waren.

Die wenigen Beispiele, wo es mal etwas mehr als 100 km waren, sind besser durch unfreiwillige Siedler zu erklären als durch planmäßige Seefahrt.


Wer weiß mit welchen Fahrzeugen die Menschen an die Orte gelangt sind die sie dann besiedelt haben. Beispiel Australien:
Du hast natürlich recht: Was genau für Wasserfahrzeuge die Paläolithiker hatten, wissen wir nicht.

Bestenfalls hatten sie Wasserfahrzeuge, wie sie ihre Nachkommen in Australien verwendet haben:
surfresearch

Da die Aborigines erfinderisch waren, gehe ich davon aus, dass es sich bei einigen der abgebildeten Wasserfahrzeuge um spätere Entwicklungen handelt, die den palälothischen Siedlern noch nicht zur Verfügung standen.


Nach dem Ansteigen des Meeresspiegels waren die Aborigines vom Rest der Welt abgeschnitten.

Auch das relativ nahegelegene Tasmanien blieb isoliert:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tasmanien#Fr.C3.BChgeschichte
 
Ich schmeiß mal, als Kommentar zu sepiola, aber auch als Vorgrif auf die anstehende Andamanen-Melanesien-Südamerika Diskussion, das Stichwort Seenomaden in die Diskussion.
Die angehängten Bilder zeigen Verbreitungskarte, Boot, und typische Siedlung (4. Bild ist ein Relief aus Borobodur, 8. Jhd. n. Chr., mit Gruß nach Australien).
Viel Spaß bei archäologischer und genetischer Spurensuche....

Hier noch was zu Seenomaden und Madagaskar
BMC Genomics | Full text | Mitochondrial DNA and the Y chromosome suggest the settlement of Madagascar by Indonesian sea nomad populations
 

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