Das ist ja jetzt nicht der einzige piktische Bildstein, denn ein solcher ist der Bullion Stone Bullion tatsächlich, wenn auch ein recht besonderer. Insofern kannst du schon davon ausgehen, dass es sich um einen bergaufreitenden trinkenden alten Mann handelt. Das Scottish National Museum in Edinburgh, wo er steht interpretiert ihn - nicht im Webeintrag, aber in der Ausstellung als "almost a caricature" eines betrunkenen piktischen Clanchefs. Einige der heutigen Beiträge haben auf Details aufmerksam gemacht, die diese Interpretation (Karikatur) stützen.
Da verstehe ich den Zusammenhang nicht ganz. Inwiefern soll das Wissen, dass es sich nicht um den einzigen piktischen Bildstein handelt, vom Bildinhalt überzeugen?
1. Gibt es sonst welche Überlieferungen von solchen Trinkhörnern der Pikten. Denn was ich hier sehe, ist nur ein hornartiger Gegenstand, den sich ein Reiter vor’s Gesicht hält. Es ist nicht eindeutig dargestellt, weder dass der Mann trinkt, noch dass er bläst, oder etwas ruft. Der Gegenstand könnte genausogut zur Veränderung der Stimme oder zur Erzeugung irgendwelcher Töne dienen. Soviel ich weiß, dient hier einzig das Wissen über die Trinkhörner der Kelten zur Interpretation, während sowohl die dargestellte Situation auf einem schreitenden Pferd, als auch die Position des Horns gegen das Trinken sprechen. Würde die Darstellung tatsächlich ein Trinkhorn zeigen, würde dies auch bedeuten, dass der Bildhauer noch nie aus einem Trinkhorn getrunken hatte.(!) Der Dargestellte müsste pudelnass sein, nachdem die Flüssigkeit aus dem nach oben gehaltenen Zipfel des Horns in sein Gesicht geschwappt ist.
2. Wird ein Bild von einem Reiter in einem renommierten Museum schief aufgehängt, werde ich deshalb den Reiter kaum als bergauf reitend interpretieren, auch wenn der Kurator darauf besteht. Die dargestellte Bewegung des Pferdes lässt keine solche Interpretation zu; sie entspricht genau der Grundlinie des Reliefs. Der einzig erhaltene Originalrand der Steinarbeit ist rund, alle anderen Ränder sind Bruchränder. Stellt man das Bild mit der Grundlinie gerade, sind die gemeißelten Seiten nun nach rechts gelehnt, das ist alles. Die linke Seitenlinie ist eindeutig durch den runden Rand des Steines bedingt, während die rechte Seitenlinie diese lediglich (leicht korrigiert) wiederholt. Allein wegen diesen schiefen Seitenlinien zu behaupten, der Bildhauer sei halt unfähig gewesen, ein bergauf schreitendes Pferd darzustellen (»almost a caricature«), während er beim Reiter sehr wohl fähig war, die Körperhaltung zu neigen, ist in meinen Augen eher eine »Beinahe-Karikatur« von Museum-Statements. Wie dem auch sei, dies tangiert die Frage nach dem Nutzen des Horns nur am Rande.
3. Aufgrund von seltenen Requisiten auf einer erhaltenen Darstellung, wie hier das Horn und das Zaumzeug, den Dargestellten als Führer einer Gruppierung zu identifizieren, macht nur Sinn, wenn die Zuordnung sonst belegt ist. Ob man hier das Pferd als »müde», »friedlich», oder gar als ehrfürchtig gebeugt sieht, ist äußerst Subjektiv. Worauf stützt sich also die Behauptung, hier sei ein »Clanchef« abgebildet? Es ist womöglich allein die Interpretation des Horns als Trinkhorn, die den Abgebildeten zum Clanchef macht. Wäre das Ding ein »battle horn«, ›battle whistle‹, oder sonst ein die Stimme verändernder Gegenstand, würde dies den Mann sofort degradieren.
Die Hauptfrage ist also immer noch: gibt es sonst irgendwelche Darstellungen, bzw. Funde von piktischen Trinkhörnern?