Reiseerlaubnis im 2. Weltkrieg

S

Schwalbe

Gast
Guten Abend an alle,

ich arbeite momentan an einem Romanmanuskript, dessen Handlung teilweise im Ostpreußen des Jahres 1944 angesiedelt ist. Bei einem Punkt stehe ich - trotz ausgiebiger Recherche - allerdings völlig auf dem Schlauch: War es im Herbst 1944, trotz des von Gauleiter Koch verhängten Verbots von Evakuierungsmaßnahmen, möglich, mit der Eisenbahn in den Westen zu reisen? Brauchte man dazu zwingend eine von offizieller Stelle erteilte Reisegenehmigung oder konnte man diese umgehen, indem man beispielsweise immer nur kürzere Strecken auf einmal zurücklegte?
Es wäre prima, wenn mir jemand auf die Sprünge helfen könnte ...
Schon jetzt herzlichen Dank für Ihre/Eure Hilfe!

Viele Grüße,
Judith
 
Ich denke, es kommt darauf an, WER reisen wollte. Ist es eine Person mit hohem Rang dann war es sicher kein Problem. Ist es aber ein gewöhnlicher Bürger, dann war es sicher sehr schwierig.
Aber ich kann mich jetzt auch irren. Vielleicht kann dir jemand besser weiterhelfen?
 
Die Fahrkarten der Reichsbahn in Ostpreußen wurde nur gegen Vorlage der Reisegenehmigung verkauft. Die Reisegenehmigung bekam man üblicherweise schnell und problemlos, wenn einem dringende familiäre Angelegenheiten in den Westen riefen. Ein Brief der Verwandtschaft - auch der zukünftigen Verwandtschaft oder der weit entfernten Verwandtschaft - hat gereicht. Das war nach dem Verhängen des Fluchtverbots auch der üblichste Weg vor dem Winter 1945 aus Ostpreußen rauszukommen. Das galt selbstverständlich nur für Reichsdeutsche, Staatsangehörige oder Ausländer erhielten keine Reisegenehmigungen mehr. (Mit dem Konstrukt Reichsdeutsch-Staatsdeutsch-Ausländer aus dem Reichsbürgergesetz lohnt sich im Zusammenhang mit Ostpreußen die Auseinandersetzung sicherlich :winke: )

Ein Aneinanderstückeln der Fahrkarten halte ich für schwierig. Die Reisen wurden aufgrund des Fluchtverbots ja erfasst und die Kontrollen in den Zügen waren streng. Dann lieber ein anderes Verkehrsmittel.
 
In bezeichneten "Zonen" hinter der Heeresgruppe Mitte (so auch den zwei Armeen an der ostpreußischen Grenze) gab es Ende 1944 auch s.g. ALRZ: "Auflockerungs- und Räumungszonen", mit organisierter Räumung.

- der Betrieb der Reichsbahn war stark durch die militärischen Transporte belastet.

- die Rückkehr von Frauen und Kindern in die ALRZ war durch Anordnung von Gauleiter Koch seit dem 17.12.1944 untersagt.

- Betriebe wurden abgebaut und inkl. Arbeitskräfte nach Westen verlagert. Ebenso landwirtschaftliche Güter.

- die HG definierte "kriegswichtige" Betriebe (zB Sägewerke, Baubetriebe). Die dort arbeitenden Personen konnten nicht abreisen.

- kleinere frontnahe Evakuierungsmaßnahmen (in Tiefe rund 30 km) wurden direkt in den "Reichseinsatz" überstellt.

Bei dem Räumungsverbot Kochs geht es um größere "Tiefen" des Armee-Rückraums, bzw. um eine generelle Räumung. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Bildung von Volkssturmeinheiten anlief, wofür man auf die männliche Bevölkerung zugriff.
 
@Monika, Lili, silesia: Vielen Dank für Eure Antworten.

Habe ich das richtig verstanden, dass eine Fahrkarte also grundsätzlich nur unter Vorlage einer Reiseerlaubnis ausgestellt wurde? Also auch, wenn man, sagen wir mal, nur mit der Kleinbahn ins Nachbarstädtchen fahren wollte, um Onkel Fritz zum 70. zu gratulieren?

Ich bin davon ausgegangen, dass eine Reiseerlaubnis nur innerhalb der Ostgebiete bzw. zum Verlassen dieser benötigt wurde. Sobald man "Im Reich" war, konnte man sich doch (sofern überhaupt ein regelmäßiger Zugverkehr stattfand) frei bewegen, oder?

Schöne Grüße,
Judith
 
Habe ich das richtig verstanden, dass eine Fahrkarte also grundsätzlich nur unter Vorlage einer Reiseerlaubnis ausgestellt wurde? Also auch, wenn man, sagen wir mal, nur mit der Kleinbahn ins Nachbarstädtchen fahren wollte, um Onkel Fritz zum 70. zu gratulieren?
Reisegenehmigung - Reiseerlaubnis war die Nomenklatur der DDR. ;) Für die Benutzung der Reichsbahn war in Ostpreußen eine Reisegenehmigung erforderlich, auch wenns nur nach "nebenan" ging und auch wenn es nur mit einer Tertiärlinie war.

Ich bin davon ausgegangen, dass eine Reiseerlaubnis nur innerhalb der Ostgebiete bzw. zum Verlassen dieser benötigt wurde. Sobald man "Im Reich" war, konnte man sich doch (sofern überhaupt ein regelmäßiger Zugverkehr stattfand) frei bewegen, oder?
Nein. Es mag sein, dass man in dem ein oder anderen Teil des Reichs auch 1944 noch das Gefühl hatte, dass man sich frei bewegen könne, aber dem war nicht so. In Wahrheit konntest oft noch nicht mal unbehelligt mit dem Radl irgendwo hin fahren.
 
Reisegenehmigung - Reiseerlaubnis war die Nomenklatur der DDR. ;)

Huch, danke für den Hinweis :)

Nein. Es mag sein, dass man in dem ein oder anderen Teil des Reichs auch 1944 noch das Gefühl hatte, dass man sich frei bewegen könne, aber dem war nicht so. In Wahrheit konntest oft noch nicht mal unbehelligt mit dem Radl irgendwo hin fahren.

Das ist zwar nicht die Antwort, die ich mir erhofft hatte ... aber trotzdem vielen Dank dafür. Dann muss ich mir wohl einen Plan B überlegen.

Schöne Grüße
Judith
 
Eigentlich ist doch Lili auf deine Frage eingegangen? Oder hattest du noch eine andere Frage? Welche Antwort hast du dir denn erhofft? Noch eine Frage zum Gauleiter Koch?

LG Monika
 
Eigentlich ist doch Lili auf deine Frage eingegangen? Oder hattest du noch eine andere Frage? Welche Antwort hast du dir denn erhofft? Noch eine Frage zum Gauleiter Koch?

LG Monika

Nein, alles gut ;-). Sachlich war Lilis Antwort perfekt.
Ich hatte nur gehofft, für meine Protagonistinnen doch noch ein Schlupfloch zu finden und sie ohne Reisegenehmigung aus Ostpreußen rauszukriegen.

Schöne Grüße
Judith
 
Wie oben erwähnt, könnte diese Reisegenehmigung dadurch obsolet gewesen sein, dass eine Person in den ALRZ bzw. im rückwärtigen Frontraum von 30 km Tiefe ansässig war. Hier griffen die Heeresgruppenbefehle, die eine "Auflockerung" oder Räumung vorsahen, mit Ausnahme "kriegswichtiger" Funktionen.

In den Räumen wurden auch landwirtschaftliche Betriebe geräumt, das Vieh und Erntebeständebestände requiriert oder rückwärtig verbracht. Dortigen Personen war schon deswegen der Verbleib nicht möglich.
 
Dazu gab es noch ein Hindernis, 1944, besonders Ende '44 war "mal eben" Eisenbahn fahren eh nicht mehr, da viel Infrastruktur zerstört war. Ich schau mal ob ich den Bericht meiner Großtante über ihre Verlegung in den Westen noch finde und rekapituliere ihn grade nur mal aus meiner Erinnerung. Sie war Ende '44 in einer BDM/RAD-Einheit, die dann von Brodnica (damals Strasburg in Westpreußen) nach Westen verlegt wurde. Den Ankunftsort hab ich leider nicht mehr im Kopf. Es ging, bei Tiefschnee für die Gruppe erstmal mit dem Pferdeschlitten fürs Gepäck und zu Fuß zur Bahnstation, ab da dann mit dem Zug voran, häufig mit langen Stationen auf Abstellgleisen. Da viele Brücken zerstört waren mussten sie häufig über behelfsmäßige Fußbrücken über die Flüsse. Immer wieder wurde die Zugfahrt wegen Fliegeralarm unterbrochen und alle mussten den Zug verlassen.
 
Vielen Dank für Eure Überlegungen.

@Silesia: Ort der Handlung ist Wehlau bei Königsberg, also im Herbst '44 noch nicht in nächster Frontnähe.

@YoungArkas: Ja, das mit den zunehmenden Schäden im Eisenbahnnetz ist wirklich ein Argument. Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Andererseits berichtete z. B. Marianne Peyinghaus in den Briefen, die sie in den Jahren'41-'44 aus Ostpreußen schrieb, bis in den Spätsommer '44 hinein von (Vergnügungs-)Fahrten mit der Eisenbahn, z. B. nach Königsberg.
Von A nach B schien man - irgendwie - ja zu kommen, wenn auch unter so widrigen Umständen wie Deine Großtante berichtet hat. Das größte Problem scheint wirklich die Reisegenehmigung zu sein.

Schöne Grüße
Judith
 
Hallo, bin neu hier im Forum und über das Reisethema auf diesen Beitrag gestoßen.
Ist zwar nicht ganz passend, aber vlt könnt Ihr mir weiterhelfen...
Is es realistisch, dass Deutsche Staatsbürger, die in den USA gearbeitet/gelebt haben, 1944 von den USA aus privat nach Deutschland reisen konnten?
Das erscheint mir ob der bereits erfolgten Landung der Alliierten in der Normandie schon etwas abenteuerlich.
Allerdings weicht meine Mutter nicht davon ab, dass ihr Großvater aus den USA kam und die Familie im damaligen Whartegau besucht hätte. Auf der Flucht im Winter 1944/1945 wäre er dann "verschwunden" (angeblich wollte er nur noch kurz Zigaretten holen gehen - er war Pfeifenraucher??)...
Irgendwie kann/will ich das nicht glauben, allerdings ist meine Mutter die Einzige, die ich noch fragen kann (sie is noch topfit).

Danke schon mal vorab.....
 
Ohne jetzt genaueres zu wissen, halte ich es für höchst unwahrscheinlich, allerdings nicht für unmöglich, dass es eine solche Reise gegeben hat.
Viele Deutsche, vor allem solche, die man verdächtigte mit den Nationalsozialisten zu sympathisieren, wurden in Internierungslager verbracht. Andere arbeiteten für die US-Streitkräfte. Schon das dürfte die Reisen zwischen dem Reich und den Staaten erschwert haben. Kriegsbedingt dürfte auch ein interkontinentaler Passagierverkehr, der über Drittstaaten lief - etwa USA > Argentinien > Spanien > besetztes Frankreich > Deutschland - eher rar gewesen sein. Evtl. als Passagier oder Matrose auf einem Frachtschiff. Man müsste also für eine solche Reise, die zudem im höchsten Maße illegal gewesen sein dürfte und womöglich als Akt der Spionage oder des Hochverrats gewertet worden wäre, einige Wochen Dauer ansetzen.
Mögliche Fehler, die als Ursache für die Geschichte deiner Mutter möglich sind:
1. Sie setzt Erinnerungsversatzstücke falsch zusammen. Das passiert vielen Zeitzeugen. Ich habe das an mir selbst schon bemerkt: In meiner Erinnerung wollten meine Eltern mit mir (damals 12) am 40. Jahrestag der DDR von West- nach Ostberlin reisen (warum meine Eltern das hätten tun sollen, weiß ich nicht, die hatten keine Sympathien für die DDR). Ich habe das Jahre später mal überprüft und festgestellt, dass die Herbstferien, in denen wir in Berlin waren, Wochen vor dem 40. Jahrestag waren. Ich habe also in meiner Erinnerung die Ereignisse mehrerer Wochen zu einem zusammengezogen (wir kamen nicht nach Ostberlin, weil die Grenzbeamten willkürlich zählten: 1-2-3-rein-1-2-3-raus. Mein Vater und ich waren "2 und 3 rein", meine Mutter "1 raus". Insofern reisten wir natürlich nicht in die DDR ein und in meiner Erinnerung gab es keine Diskrepanz...)
2. Es waren nicht die USA, sondern ein anderes amerikanisches Land, welches zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Krieg mit dem 3. Reich war (einige Länder Lateinamerikas erklärten Dtld. erst 1945 den Krieg, die meisten Kriegserklärungen aus Lateinamerika geschahen eh nur pro forma). Deine Mutter hätte dann "aus Amerika" mit "aus den USA" gleichgesetzt, was in Dtld. üblich ist, aber nicht in anderen Ländern, vor allem nicht im hispanophonen Bereich.
3. Er war nicht auf der anderen Seite des Atlantik, sondern in einem der Orte, in Deutschland, die Amerika heißen (unwahrscheinlich, da die alle sehr, sehr klein sind).
4. Er war irgendwo, aber es war nicht angezeigt, dies öffentlich zu sagen. Z.B. Gefängnis, KZ etc. Daher für die Kinder eine Legende, welche die Kinder glauben würden < allerdings auch nicht ganz wahrscheinlich, was wäre, wenn ein Kind der falschen Person erzählt hätte: "Opa aus Amerika ist zu Besuch."?
5. Er hat in Frankreich oder Italien gegen die Amerikaner gekämpft und war auf Heimaturlaub oder verletzt (aber dafür wird er wahrscheinlich, wenn deine Mutter alt genug war, sich zu erinnern, zu alt gewesen sein.)​
 
Okay, interessante Variationen, aber er hat in oder bei NY gelebt, da lebte auch eine Tante meiner Mutter.

Da auch mein Onkel früher davon erzählt hatte (der war älter als meine Mutter), passt das mit dem Großvater aus NY schon insoweit. Und die Großmutter war ja auf der Flucht aus Kalisch (Warthegau) dabei, Post kam nach dem Krieg auch nach Hause.
Komisch nur, dass niemand dann später darüber gesprochen hat, angeblich immer nur hinter vorgehaltener Hand (traute sich in der DDR ja wohl auch niemand).

Und ein wesentlicher Aspekt ist ein markanter Tabakbeutel (an den hat meine Mutter noch ganz konkrete Erinnerungen) den hatte ihr Vater dann später.....(der war zur Fluchtzeit aber in Italien im Krieg - verbrieft über die deutsche Wehrmachtsauskunftsstelle)....

Vlt war ihr Opa, also mein Urgroßvater, der immer sehr auf Etikette bedacht gewesen sein soll, aber auch n Spion (für welche Seite auch immer) und hat sich einfach abgesetzt...

Is schon komisch mit dem plötzlichen Verschwinden, denn zum Zeitpunkt der Flucht waren die Russen gerade erst über die Weichsel gesetzt....Und außer das es kalt war, war nix besonderes mit der Treck.
Und Polen waren zu dem Zeitpunkt ja auch noch nicht im deutschen Stammland unterwegs, die ihn irgendwie "um die Ecke" gebracht haben könnten...

Gibt es eigentlich irgendwelche Auskunftsstellen über solche Leute, also die aus dem Geheimdienstmilieu?

Da könnte ich vlt weiterkommen....

Vielleicht kan mir ja jemand weiterhelfen
 
Vlt war ihr Opa, also mein Urgroßvater, der immer sehr auf Etikette bedacht gewesen sein soll, aber auch n Spion (für welche Seite auch immer) und hat sich einfach abgesetzt...

Falls du das aus meinen Worten herausgelesen hast:
Man müsste also für eine solche Reise, die zudem im höchsten Maße illegal gewesen sein dürfte und womöglich als Akt der Spionage oder des Hochverrats gewertet worden wäre, einige Wochen Dauer ansetzen.

Das war nicht intendiert.

Gegen Ende des Krieges umzukommen, warum auch immer, war nicht gerade schwer...
 
Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen... verwunderlich ist für mich auch, dass nix darüber bekannt ist, ob der Großvater irgendwann mal für tot erklärt wurde....

Alles merkwürdig....

Na, bin ja erst am Anfang der Suche.
 
Wieso sollte der Opa in NY gewesen sein, während seine Frau, der Sohn und die Enkelin im "Warthegau", also im besetzten Polen waren'? Im "Warthegau" lebten zwar beim Einmarsch der Wehrmacht auch noch Deutschstämmige, aber es kamen auch Deutsche als Besatzer hin. Und die hatten später zT einiges zu verbergen. Also die Fokussierung auf den Rest der Familie und, was die im "Warthegau" zu suchen hatten (wenn ich es mal so formulieren darf), dürfte mehr zur Erhellung beitragen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, eteas Erhellung in die dunkle Zeit...

Meine Mutter ist 1941 im Warthegau geboren, ihre Eltern (meine Großeltern) sind in der Umsiedlungsaktion 1939/40 aus Galizien (war zu dem Zeitpunkt plötzlich russisch besetztes Ostpolen - Hitler-Stalin-Pakt) vor den Russen "heim ins Reich" "geflohen worden" und haben dann in Kalisch (Warthegau) ein Gut bewirtschaftet. Die davor dort lebenden Polen waren bereits vertrieben.

Insofern durften/sollten/mussten die neuen Volksdeutschen (Galizien gehörte bis zum Ende des 1. WK zu Österreich) dort als Umsiedler leben.
Und der Vater meiner Mutter (mein Großvatrr) wurde von dort auch als Deutscher zur Wehrmacht (Gebirgsjäger in der 114. Jägerdivision im Art. Regiment 661 auf dem Balkan und in Italien, dort April 45 in amerikanische Gefangenschaft) 1942 eingezogen.

Der Großvater meiner Mutter allerdings (und um den geht es mir ja...), ist irgendwann, schon vor dem 2. WK bereits von Galizien aus nach NY und hat dort gearbeitet.
Das war also noch vor dem Einmarsch der Roten Armee mit Beginn des 2. WK .

Und der hat seine Familie (Ehefrau, Tochter und Enkelin, sprich meine Mutter), dann schon im Whartegau, besucht.....

Und da ist er dann "einfach so" verschwunden.

Das mit dem Verschwinden ist an sich in den Kriegswirren 1945 nicht so ungewöhnlich, was mich jedoch total irritiert ist, dass er überhaupt zu Besuch kommen konnte. Und das er in NY war ist verbrieft.

Und wenn man sich den Verlauf der Offensiven der Roten Armee anschaut, dann war bis Dezember 1944 im Osten, also alles westlich der Weichsel (inkl. erobertes polnisches Gebiet, dem Warthegau) ja eigentlich noch alles in "deutscher Ordnung "....

Und nach dem Krieg wurde über den Opa aus USA kaum noch gesprochen, was an sich in der DDR nicht weiter verwunderlich ist.
Aber er ist meiner Kenntnis auch nie für tot erklärt worden. Stellt sich mir zusätzlich die Frage, warum eigentlich nicht (Witwenrente)?

Irgendwie komisch.
 
Is es realistisch, dass Deutsche Staatsbürger, die in den USA gearbeitet/gelebt haben, 1944 von den USA aus privat nach Deutschland reisen konnten?
Sicherlich wäre das für 1944 als nicht besonders wahrscheinlich einzustufen, jedoch auch nicht unmöglich, auch nicht zwingend einer Odyssee gleichkommend, sollte eine relativ (in)direkte Reiseroute via bspw. Portugal und Spanien gewählt worden sein.

Die Neutralität Portugals brachte sehr ambivalente Verhaltensweisen hervor. Die Geschichte des Passagierdampfers Serpa Pinto (Schiff) – Wikipedia ist dabei nicht uninteressant. Dieses Schiff hat während des Krieges sowohl jüdische Flüchtlinge westwärts über den Atlantik gebracht, wie auch in umgekehrter Richtung Deutsche die es ins Nazi-Reich zog. In “Das Schicksalschiff“* wurde das aus zeitgenössischer Perspektive für das Jahr 1942 von Rosine de Dijns verarbeitet.
Ende Mai 1944 wurde die hunderte jüdischen Flüchtlingen transportierende und sich auf dem Weg nach New York befindliche Serpa Pinto (nicht erstmals) von einem deutschen U-Boot gestoppt, alle zum Verlassen des Schiffes aufgefordert, und nach stundenlangem Hin und Her dann doch nicht versenkt.
Über die genauen Gründe hierfür kann ich nichts sagen. Meines Wissens sind die Nazis aus verschiedenerlei Gründen bewusst behutsam mit Portugal umgegangen. Bei einer früheren Begegnung der Serpa Rosa mit einem deutschen U-Boot wurde ein versenkungslustiger Kaleu durch Intervention aus Berlin gestoppt.

Was ich aus den späten 70ern, damals 12-13jährig, vage erinnere, sind Gespräche meiner Eltern über Salazar-Hitler-Weltkrieg-Themen mit einem portugiesischen Freund in Oporto, dessen Familienreederei seit Generationen im Transatlantikverkehr aktiv war. Da war in den letzten Kriegsjahren in beide Richtungen noch so einiges auf Individuums-Ebene möglich. Mit dem Ende der Diktatur in Portugal 1974 wurde begonnen in so manch Töpfen zu rühren, auf denen für Jahrzehnte der Deckel des Schweigens gelegen hatte. Im gemischt deutsch wie portugiesischen Umfeld meiner Eltern kamen damals beim Blicken auf die Geschichte für manche sehr unliebsame Fragen auf. Inhaltliche Details erinnere ich wenige, hitzige Stimmungen in den Diskussionen sehr wohl.

* Hier eine Rezenssion: Verzweifelte Odyssee - Über Rosine de Dijns Bericht „Das Schicksalsschiff“ : literaturkritik.de
 
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