Kriegsausbruch 1914: Schlieffenplan und Julikrise

Magellan

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Liebe Geschichtsinteressierte,

ich habe schon mehrfach gelesen, dass es seit 1913 im deutschen Generalstab keine Alternative zum sog. Schlieffenplan mehr gegeben habe. Das würde bedeuten, dass die militärische Führung im Falle eines Kriegsaubruchs fest davon ausging, einen Zweifrontenkrieg zu führen und alternative Szenarien nicht mehr ernsthaft erwog. Ein Krieg würde damit automatisch fast ganz Europa umfassen.
Falls das stimmt, meine erste Frage: Wer war für die Entscheidung verantwortlich, auf alternative Pläne zu verzichten?
Meine zweite Frage: Sebastian Haffner schrieb 1964 (Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg), weder Reichskanzler Bethmann Hollweg noch die Österreicher hätten vor Kriegsausbruch gewusst, dass es in der Schublade des Generalstabs nur noch den Schlieffenplan gab. Bethmann Hollweg habe lange versucht, England neutral zu halten, ohne zu wissen, dass der geplante Durchmarsch durch Belgien England fast sicher in den Krieg hineinziehen würde. Die Österreicher (vor allem Armeechef Conrad) hätten einen begrenzten Krieg gegen Serbien führen wollen und darüber hinaus gedacht, durch den deutschen "Blankoscheck" einen möglichen Krieg gegen Russland gemeinsam bestehen zu können.
Die deutsche politische Führung sowie Österreich werden durch die Darstellung zum Teil (aber nur zum Teil) von der Verantwortung entlastet, der deutsche Generalstab aber umso mehr belastet. Was ist an dieser Darstellung dran?
Vielen Dank für eure Auskunft!
 
Die Beantwortung Deiner Fragen findet sich teilweise in dem folgenden Thread. Daneben sind eine Reihe von weiteren guten Threads im Geschichtsforum vorhanden. Da wirst Du ein wenig selber suchen / lesen dürfen.

http://www.geschichtsforum.de/f62/der-kult-der-offensive-48746/

Ansonsten würde ich Dir das Buch von Mombauer empfehlen, weil sie als "Moltke-Spezialistin" die Sichten - auch des Militärs - sehr gut darstellt.

https://books.google.de/books?id=-NnwAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=Die-Julikrise-Europas-Weltkrieg&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Die-Julikrise-Europas-Weltkrieg&f=false

Gleichzeitig findet sich bei Janz (14-Der große Krieg) eine differenzierte Darstellung, die die unterschiedlichen Sichten von KWII, dem Militär und der Politik kompetent zusammenfasst. Und das Buch hast Du ja bereits und beide Bücher führen über den Erkenntnisstand von Haffner hinaus.
 
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Liebe Geschichtsinteressierte,

ich habe schon mehrfach gelesen, dass es seit 1913 im deutschen Generalstab keine Alternative zum sog. Schlieffenplan mehr gegeben habe. Das würde bedeuten, dass die militärische Führung im Falle eines Kriegsaubruchs fest davon ausging, einen Zweifrontenkrieg zu führen und alternative Szenarien nicht mehr ernsthaft erwog. Ein Krieg würde damit automatisch fast ganz Europa umfassen.
Falls das stimmt, meine erste Frage: Wer war für die Entscheidung verantwortlich, auf alternative Pläne zu verzichten?
Meine zweite Frage: Sebastian Haffner schrieb 1964 (Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg), weder Reichskanzler Bethmann Hollweg noch die Österreicher hätten vor Kriegsausbruch gewusst, dass es in der Schublade des Generalstabs nur noch den Schlieffenplan gab. Bethmann Hollweg habe lange versucht, England neutral zu halten, ohne zu wissen, dass der geplante Durchmarsch durch Belgien England fast sicher in den Krieg hineinziehen würde. Die Österreicher (vor allem Armeechef Conrad) hätten einen begrenzten Krieg gegen Serbien führen wollen und darüber hinaus gedacht, durch den deutschen "Blankoscheck" einen möglichen Krieg gegen Russland gemeinsam bestehen zu können.
Die deutsche politische Führung sowie Österreich werden durch die Darstellung zum Teil (aber nur zum Teil) von der Verantwortung entlastet, der deutsche Generalstab aber umso mehr belastet. Was ist an dieser Darstellung dran?
Vielen Dank für eure Auskunft!

Es gab 1914 keine durchorganisierte militärische Planung außer dem "Schlieffenplan" von 1905, in etwas von Moltke veränderter Fassung.
Der Plan in seinen Grundzügen war allgemein bekannt, auch in Frankreich, Großbritanien und Russland. Es wäre daher widersinnig anzunehmen, dass die Regierenden des Deutschen Kaiserreichs diesbezüglich ahnungslos gewesen sein könnten.
Jedoch der Kaiser scheint überrascht darüber, dass es nur diesen gibt. Dessen Entmachtung in militärischen Fragen machte Moltke zur Vorbedingung seines Amtsantritts.

Der österreichische Armeechef Conrad ist ein permanenter Kriegstreiber und
das allgemeine Empfinden der dünnen KuK-Oberschicht ist depressiv im Blick auf die eigene Zukunft. Man findet sich als Untergangskandidat in einer Reihe mit dem Osmanischen Reich
 
Liebe Geschichtsinteressierte,

ich habe schon mehrfach gelesen, dass es seit 1913 im deutschen Generalstab keine Alternative zum sog. Schlieffenplan mehr gegeben habe. Das würde bedeuten, dass die militärische Führung im Falle eines Kriegsaubruchs fest davon ausging, einen Zweifrontenkrieg zu führen und alternative Szenarien nicht mehr ernsthaft erwog. Ein Krieg würde damit automatisch fast ganz Europa umfassen.
Falls das stimmt, meine erste Frage: Wer war für die Entscheidung verantwortlich, auf alternative Pläne zu verzichten?...

Im Grundkurs deutsche Militärgeschichte Band 1 steht auf S.416/418, daß die politische Leitung (zuerst von Bülöw und später von Bethmann Hollweg) den Plan akzeptiert haben. Offenbar muss es wohl 1913 oder danach eine Rückfrage "ob denn wirklich kein anderer, politisch weniger gefährlicher Operationsplan möglich wäre" gegeben haben. Müsste man vielleicht genauer in Gerhard A. Ritter "Staatskunst und Kriegshandwerk Bd2, S.254f." nachlesen (habe ich nicht). Vielleicht steht es auch vertiefter in Bd2 des Grundkurs deutscher Militärgeschichte, den ich aber auch leider nicht hier habe.
 
Danke für eure Infos und Tipps!
Haffner (den ich ansonsten als populärwissenschaftlichen Autor sehr schätze) scheint da nicht ausreichend informiert gewesen zu sein.
Die Diskussion hier zum "Kult der Offensive" ist lang, aber oft wirklich lesenswert, gut argumentiert und belegt.
Das Büchlein vom Mombauer habe ich, muss ich nochmal lesen.
Habe gerade bei Oliver Janz (14-Der große Krieg) nachgeschaut, er meint, es sei das Ziel der politischen Reichsleitung gewesen, das gegnerische Bündnissystem zu destabilisieren, wobei das Risiko eines europäischen Krieges bewusst in Kauf genommen wurde - ein höchst fahrlässiges Verhalten.
Hintergrund scheint mir die deutsche "Einkreisungspsychose" dieser Zeit zu sein. Man sah sich zunehmend isoliert und war nicht in der Lage (oder nicht bereit?), diese (zum Großteil selbst verschuldete) Isolation politisch zu überwinden. Also erhoffte man sich einen diplomatischen oder zur Not auch militärischen "Befreiungsschlag".
Hochgradig riskant und am Ende erfolglos, aber angesichts der Tatsache, dass das Deutsche Reich damals das wirtschaftlich und militärisch stärkste Land Europas war, vielleicht noch zu verstehen.
Völlig unklar ist mir allerdings, warum man sich in Österreich-Ungarn auf das Risiko eines gesamteuropäischen Krieges einließ. Wirtschaft und Infrastruktur der einzelnen Landesteile waren dort ganz unterschiedlich entwickelt, der Staat durch ungelöste Nationalitätenkonflikte latent instabil. Außerdem war die k.u k. Armee auf einen größeren Krieg nicht vorbereitet, schon vor dem Kriegseintritt Italiens erlitt sie in Serbien und an der Ostfront heftige Niederlagen, von denen sie sich nicht mehr erholte. Was trieb die politische und militärische Führung Österreich-Ungarns zu einem derart riskanten Spiel?
 
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Hochgradig riskant und am Ende erfolglos, aber angesichts der Tatsache, dass das Deutsche Reich damals das wirtschaftlich und militärisch stärkste Land Europas war, vielleicht noch zu verstehen.

So ähnlich argumentiert Hewitson

https://books.google.de/books?id=bn4SBwAAQBAJ&pg=PA58&dq=hewitson+germany&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=hewitson%20germany&f=false

Also erhoffte man sich einen diplomatischen oder zur Not auch militärischen "Befreiungsschlag".

Hochgradig riskant und am Ende erfolglos, aber angesichts der Tatsache, dass das Deutsche Reich damals das wirtschaftlich und militärisch stärkste Land Europas war, vielleicht noch zu verstehen.

Das trifft die politische und militärischen Optionen durchaus. Und es beschreibt auch die "Gemütslage" der Entscheidenden in Wien und Berlin, die sich an die Idee der "letzten Chance" zur Stabilisierung einer bereits anachronistisch gewordenen europäischen politischen Struktur klammerten.

Völlig unklar ist mir allerdings, warum man sich in Österreich-Ungarn auf das Risiko eines gesamteuropäischen Krieges einließ.

Am ehesten kann man die Situation mit einer "Flucht nach vorne" beschreiben. In der Tat fielen die Ansprüche von Österreich als Großmacht zu agieren mit seinen Mitteln auseinander.

Zudem wurde es mit einem militanten Nationalismus auf dem Balkan konfrontiert, der durch das politische Vakuum des erzwungenen Rückzugs des Osmanischen Reichs aus dieser Region entstanden war. Und auf diese Entwicklung hatte Ö-U keine angemessene politische Antwort.

Die Konfrontation mit Serbien war im Kern der Versuch von Österreich-Ungarn, die Position als Hegemon über den Balkan zu stabilisieren bzw. zu erweitern.
 
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So ähnlich argumentiert Hewitson

https://books.google.de/books?id=bn4SBwAAQBAJ&pg=PA58&dq=hewitson+germany&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=hewitson%20germany&f=false



Das trifft die politische und militärischen Optionen durchaus. Und es beschreibt auch die "Gemütslage" der Entscheidenden in Wien und Berlin, die sich an die Idee der "letzten Chance" zur Stabilisierung einer bereits anachronistisch gewordenen europäischen politischen Struktur klammerten.



Am ehesten kann man die Situation mit einer "Flucht nach vorne" beschreiben. In der Tat fielen die Ansprüche von Österreich als Großmacht zu agieren mit seinen Mitteln auseinander.

Zudem wurde es mit einem militanten Nationalismus auf dem Balkan konfrontiert, der durch das politische Vakuum des erzwungenen Rückzugs des Osmanischen Reichs aus dieser Region entstanden war. Und auf diese Entwicklung hatte Ö-U keine angemessene politische Antwort.

Die Konfrontation mit Serbien war im Kern der Versuch von Österreich-Ungarn, die Position als Hegemon über den Balkan zu stabilisieren bzw. zu erweitern.

Im Kern ist das doch wieder die Frage nach den Eintrittswahrscheinlichkeiten oder "Erwartungswerten" (um eine kleine entscheidungstheoretische Anleihe bei der Ökonomie abzuliefern).:pfeif:

Man kann das an der plastischen Formel "Selbstmord aus Angst vor dem Tod" verdeutlichen.

Dein erster Aspekt betrifft die Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten, ob und welches Risiko die Flucht nach vorn in die Konfrontation (das Szenario "Selbstmord") nach sich zieht.

Dein zweiter Aspekt kombiniert das mit der Einschätzung der wahrgenommenen Probleme der eigenen Großmachtstellung und somit des status quo und seiner weiteren Gefährdung "ohne die Flucht nach vorn".

Der dritte Aspekt ist die Frage, diese (perzipierten) "Erwartungswerte" anhand der Realitäten zu überprüfen und somit die Frage der Fehleinschätzungen der Risiken.
 
Völlig unklar ist mir allerdings, warum man sich in Österreich-Ungarn auf das Risiko eines gesamteuropäischen Krieges einließ. Wirtschaft und Infrastruktur der einzelnen Landesteile waren dort ganz unterschiedlich entwickelt, der Staat durch ungelöste Nationalitätenkonflikte latent instabil. Außerdem war die k.u k. Armee auf einen größeren Krieg nicht vorbereitet, schon vor dem Kriegseintritt Italiens erlitt sie in Serbien und an der Ostfront heftige Niederlagen, von denen sie sich nicht mehr erholte. Was trieb die politische und militärische Führung Österreich-Ungarns zu einem derart riskanten Spiel?
Wurde das Risiko eines großen Konflikts denn so gesehen? Geplant war ein lokaler Krieg mit der diplomatischen Rückendeckung Deutschlands sollte anderen (F, RU) das Risiko eines großen Krieges aufgedrückt werden.

Bei der wirtschaftlichen und militärischen Stärke dürfte Wien bewusst gewesen sein, dass Deutschland stärker war. Aber gegen Serbien hätten die Mittel doch wohl ausgereicht wenn nicht durch schlechte Führung (die Zeit für eine ausreichende Mobilmachung wurde nicht genutzt und in den Aufmarsch kamen davon abweichende Befehle um sich mit einem Teil der Kräfte gegen Russland zu stellen) die Umsetzung behindert worden wäre.

Allen Großmächten muss man vorhalten, die gesellschaftlichen Auswirkungen eines Krieges komplett unterschätzt zu haben. Die Soldaten fehlen halt auf ihren Arbeitsplätzen und benötigen zusätzlich viel mehr Material als in Friedenszeiten produziert wird. In Europa haben nur die Briten da halbwegs eine Lösung gefunden, zu Lasten ihrer Kriegskosten.
 
Was trieb die politische und militärische Führung Österreich-Ungarns zu einem derart riskanten Spiel?

Beschäftige dich beispielsweise mit den beiden Balkankriegen und deren Ergebnisse. Dort findest du teilweise Antworten.

Danke für eure Infos und Tipps!
Das Büchlein vom Mombauer habe ich, muss ich nochmal lesen.

Muss man nicht wirklich, denn das Buch von Mombauer ist m.E. nach doch ein wenig arg einseitig geraten.
Wenn man diese Büchlein liest, bekomme ich doch den Eindruck vermittelt, das doch nur die Zweibundmächte Schuld auf sich geladen haben und doch über Alternativen verfügt hätten. Nun, wir wissen, nicht zuletzt dank Christopher Clark, das dem so nicht ist, denn Petersburg hatte auch gewaltig am Rad der Eskaltionsspirale gedreht und über Alternativen wie auch Paris verfügt.

Ein Blick in die Anhänge zeigt beispielsweise, das Frau Mombauer beispielsweise Konrad Canis sein bedeutendes dreibändiges Werk über die deutsche Außenpolitik dort nicht anzutreffen ist. Gleiches gilt auch für die Studie von Kießling. Paris, Petersburg und London waren ebenfalls wichtige Akteure in der Julikrise, aber Annika Mombauer würdigt deren Rolle keine entsprechende Aufmerksamkeit. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, das zur englischen Außenpolitik sich ebenfalls kein Hinweis in ihrem Büchlein findet.
Wer die These der praktischen Alleinschuld des Deutschen Reichs vertritt, wird hier entsprechend bedient.
 
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Also erhoffte man sich einen diplomatischen oder zur Not auch militärischen "Befreiungsschlag".
Welche Belege gibt es denn für einen "mil. Befreiungsschlag" ? Ich bin jetzt nicht so im Thema drin, aber wenn laut Ritter "Staatskunst und Kriegshandwerk" Bd2 S.254f bis 1913 ohne jede Rückfrage der Schlieffenplan von v.Bülow bzw. von v. Bethmann Hollweg akzeptiert wurde, so sieht es für mich eher danach aus, daß dieser Plan von der politischen Ebene als Verteidigungsplan angesehen wurde und fern jeder Realität war. Mag sein, daß es einzelne Stimmen gab, die für einen Präventivkrieg waren (Afred Graf von Waldersee seit 1882), aber die sind von der politischen Führung (Kaiser&Bismarck) abgelehnt worden (siehe Quelle Grundkurs deutsche Militärgeschichte Band 1 steht auf S.419). Meiner Meinung nach war man eher auf eine Konsolidierung und Verstetigung aus und ist dann 1914 durch den Mord auf den österreichischen Thronfolger in den Krieg gezogen worden, der so nicht gewollt war.
 
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Welche Belege gibt es denn für einen "mil. Befreiungsschlag" ?

Natürlich gibt es Belege für einen "Befreiungsschlag", der in diesem Fall als Präventivkrieg zu verstehen wäre, so zumindest die primäre Motivation von Moltke. Es gab Berichte über eine deutliche Steigerung der Rüstungsanstrenungen durch Russland, die auf dem Papier eine Bedrohung für das DR nach 1916 hätten darstellen können.

Das Thema wurde ausführlich in den entsprechenden Thread dargestellt und vor allem Mombauer kann als beste Kennerin von "Moltke" eingestuft werden.

Ich bin jetzt nicht so im Thema drin, aber wenn laut Ritter "Staatskunst und Kriegshandwerk" Bd2 S.254f bis 1913 ohne jede Rückfrage der Schlieffenplan von v.Bülow bzw. von v. Bethmann Hollweg akzeptiert wurde

Du irrst in einer Reihe von Punkten. Die Darstellung bei Ritter (Bd. II, S. 254ff) ist vor allem eine Kritik an der erzwungenen kommentarlosen Übernahme militärischer Pläne durch die Politik. Ein Spezifikum der deutschen Situation, die eine klare Trennung der militärischen Bereiche und der politischen vorsah. Dieses Machtproblem konnte ein Bismarck noch zu seinen Gunsten - wie beispielsweise 1870/71 - entscheiden, späteren Kanzler fehlte die Unterstützung durch den Monarchen.

Besonders deutlich wird das im Fehlen einer Planungsstelle, die die unterschiedlichen Pläne und Anforderungen im Falle eines Krieges koordinieren sollte. (vgl. dazu beispielsweise Craig: The Politics of the Prussian Army).

Ein Beispiel für dieses Defizit auf der höchsten militärpolitischen Ebene sind die isolierten Planungen für die Kriegsführung bei der Armee und der Marine (auch im Forum schon diskutiert).

Und die Verantwortung trifft in diesem uneingeschränkt KW II als Oberbefehlshaber seiner Armee und semi-autokratisches Oberhaupt seines Staates.

daß dieser Plan von der politischen Ebene als Verteidigungsplan angesehen wurde und fern jeder Realität war.

1. Schlieffen war kein Dummkopf und war sich der geostrategischen komplizierten Situation des DR bewußt.

2. Schlieffen war sich ebenso der "Unführbarkeit" eines langanhaltenden Abnutzungskrieges (vgl. dazu beispielsweise Jarausch: The illusion of limited war oder auch S. Förster: Der deutsche Generalstab und die Illusion des kurzen Krieges, in: Lange und kurze Wege in den Ersten Weltkrieg, S. 117 ff) aufgrund der hochgrad destruktiven Konsequenzen für die Wirtschaft und die Gesellschaft bewußt.

3. Vor diesem Hintergrund ergab sich der militärische Zwang, nur einen kurzen Blitzkrieg als überhaupt politisch sinnvolle Option - im Sinne von Clausewitz - überhaupt denken zu können.

4. Zunächst kann man den Krieg in 1914 durchaus als ein "Verteidigungskrieg" von Seiten der meisten Parteien definieren, da primär keine territorialen Ansprüche eine Rolle bei der Motivation für den Kriegseintritt gespielt haben (ob die hegemomialen Absichten von Ö-U in Bezug auf Serbien als territoriale Ansprüche zu definieren wären, kann man streiten). Es ging im wesentlichen um die Stabilisierung des machtpolitischen Status quo und somit um die Sicherung der Position von Ö-U.
 
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Natürlich gibt es Belege für einen "Befreiungsschlag", der in diesem Fall als Präventivkrieg zu verstehen wäre, so zumindest die primäre Motivation von Moltke.....
Wie ich schon geschrieben habe, muss man deutlich zwischen Militär und politischer Führung unterscheiden. Die Militärführung hat schon nach 70/71 an einen Präventivkrieg gegen Frankreich gedacht, später dann gegen Russland. Planungen gegen Russland wurden ab 1882 durch v.Waldersee forciert, aber alles Drängen wurde durch die politische Ebene zurückgewiesen. (siehe Grundkurs deut. Mil.gesch. BdI S.419) Als dann Schlieffen seine Denkschrift 1905 vorgelegt hat, hat dies auch nicht zu einem politischen Umdenken geführt. Sicher hat man dem Plan zugestimmt, aber mindestens 8 Jahre gab es nicht einmal Rückfragen zu Alternativen ! Er schlummerte vor sich hin im Schreibtisch des Generalstabes. Wenn ich doch als Reichskanzler wirklich an einen Präventivschlag denke, versuche ich doch den Plan von allen Seiten zu verstehen und zu optimieren, aber das war bis 1913 überhaupt kein Thema. Und möglichst schnell dann auch auszuführen, aber das unterblieb. 1913 war die politische Führung geradezu gezwungen über Alternativen nachzudenken, denn bekanntlich wurde 1913 der österr. Generalstabschef Alfred Redl als russischer Spion enttarnt, der über Jahre hinweg mil. Geheimnisse weitergab. Gerade letzter Punkt zeigt doch deutlich, daß gerade die politische Führung ab dann doch nun überhaupt kein Interesse mehr an einen Präventivkrieg a la Schlieffen haben sollte, denn der war nun der Entente durch den Spion Redl längst bekannt. Somit ist es für mich völlig logisch, daß das Deutsche Reich passiv durch das österr. Handeln in den Krieg geführt wurde und aufgrund des Mangels an Alternativen der Schlieffenplan umgesetzt werden musste.
 
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Wie ich schon geschrieben habe, muss man deutlich zwischen Militär und politischer Führung unterscheiden.

Das ist völlig korrekt und wurde bei Craig ausführlich in seinen Konsequenzen beschrieben. Nebenbei waren in Preußen bzw. im DR zwischen dem Kriegsministerium und dem Generalstab organisationelle und bzw. Kommunikationsbarrieren vorhanden. Der Generalstab agierte relativ losgelöst von dem Kriegsministerium (vg. z.B. Mombauer: Helmuth von Moltke and the Origins of the First World War S. 182 ff und Afflerbach: Falkenhayn: Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich S. 147ff)

Die Probleme der schlechten Kommunikation zwischen KW II, dem Kanzler bzw. "Außenminister" und den militärischen Stellen wie Kriegsministerium bzw. Generalstab illustriert eine der Episoden im Rahmen der Juli-Krise.

Von KW II kam die Anregung Ende Juli, nur im Osten aufzumarschieren. Darauf teilte Moltke mit, dass das nicht möglich sei. Dieser Darstellung hat Groener später widersprochen und hat darauf hingewiesen, dass die zuständige Abteilung im Generalstab, die er leitete, durchaus einen kurzfristigen Aufmarsch Ost hätte leisten können.

Diese Planung wäre dann konsistent mit dem Ziel von Moltke gewesen, im Osten gegen Russland Krieg zu führen und wäre konsistent mit der Hoffnung von Bethmann Hollweg, England außen vor zu halten. Zumal ein Durchmarsch durch Belgien bzw. die Niederlande dann nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Militärführung hat schon nach 70/71 an einen Präventivkrieg gegen Frankreich gedacht, später dann gegen Russland. Planungen gegen Russland wurden ab 1882 durch v.Waldersee forciert,

Die Darstellung ist nicht ganz korrekt. Es ist über die Jahre schrittweise Veränderung der Konzepte vorhanden, die von Moltke d.Ä über Waldersee, der sich noch stark an Moltke d.Ä. orientierte zu Schlieffen vorhanden, so zumindest die Darstellungen bei Ritter (G. Ritter: Der Schlieffenplan, S. 13 - 25, oder bei G. Craig: The Politics of the Prussian Army, S. 273 ff, oder auch bei R. Citino: The German Way of War. S. 190 ff.)

Die Entwicklung geht von einer Ermattungsstrategie bei Moltke d.Ä. zu einer Niederwerfungstrategie, die mehr auf Vernichtung abzielt, bei Schlieffen und seinem Schüler Ludendorff über.

Bei Moltke d.Ä. ist es noch ein in seiner strategischen Ausrichtung defensiver Aufmarsch im Westen und Osten mit operativen Offensiven. Sogar in der Konsequenz mit einem Rückzug auf den Rhein und angelehnt an die deutschen Festungen (vgl.auch dazu (S. Lange: Hans Delbrück und der Strategiestreit. S. 125).

Und an diesem Punkt ist der Unterschied am deutlichsten zwischen den eher "defensiven" militärischen Konzepten von Moltke d.Ä. und den offensiven Konzepten eines "schnellen Krieges" von Moltke d.J.

Sicher hat man dem Plan zugestimmt, aber mindestens 8 Jahre gab es nicht einmal Rückfragen zu Alternativen!

Für einen Kanzler wäre es ein politischer Stilbruch gewesen, zu versuchen, die Planungen des nach 1871 sakrosanten Generalstabs zu beeinflussen. Der Kaiser war der formale Vorgesetzte des Generalstabschefs und somit hätte der Kanzler über den Kaiser bzw. dann auch noch über den Kriegsminister versuchen müssen, auf den Generalstabschef einzuwirken.

Dieses hätte vor allem KWII als eine massive Einschränkung seiner Rechte als Oberbefehlshaber interpretiert und es hätte das komplizierte Verhältnis zwischen dem Monarchen und seinen Kanzlern zusätzlich belastet.

Wenn ich doch als Reichskanzler wirklich an einen Präventivschlag denke, versuche ich doch den Plan von allen Seiten zu verstehen und zu optimieren, aber das war bis 1913 überhaupt kein Thema.

Wieso 1913? Ansonsten wird in Deinem "Grundkurs" sicherlich nicht stehen, dass der Kanzler in 1914 einen Präventivkrieg führen wollte.

Der Kanzler wollte im Rahmen einer "Risikostrategie" im Juli 1914 durch einen Bluff einen "lokalen Krieg" führen und durch politische Mittel die Demütigung bzw Deklassifizierung von Russland als Großmacht erneut erreichen, was Moltke durch militärische Mittel erreichen wollte.

Somit waren sich der Kanzler und Moltke in der Zielsetzung einig, aber nicht in der Nutzung der Mittel.
 
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Wieso 1913? Ansonsten wird in Deinem "Grundkurs" sicherlich nicht stehen, dass der Kanzler in 1914 einen Präventivkrieg führen wollte. ....
Wie oben schon geschrieben, änderte sich 1913 durch das Aufdecken der Redl-Spionage für Russland die Situation, denn man musste nun davon ausgehen, daß die Russen den Schlieffenplan kannten. Angenommen, es hätte kein Attentat auf den österr. Thornfolger oder irgendeinen anderen Angriff auf Deutschland und seine Verbündeten gegeben, so wäre es nie zu einem "Präventivkrieg" gekommen. Welche Belege hast Du bzw. haben die Befürworter denn für diese These ?
 
Wie oben schon geschrieben, änderte sich 1913 durch das Aufdecken der Redl-Spionage für Russland die Situation, denn man musste nun davon ausgehen, daß die Russen den Schlieffenplan kannten.

Redl und der Schlieffenplan haben nichts miteinander zu tun, da die Information zwischen den beiden Generalstäben "dürftig" war.

Ansonsten: Die Aufmarschplanung der Russen richtete sich im wesentlichen an den Forderungen der Franzosen aus und folgte dem Imperativ des "War by timetable". Und der russische Mobilisierungs- und Aufmarschplan stammte aus dem Jahr 1912.

Du wirst kaum, sofern Dich das Thema interessiert, darum herumkommen, die Links, die beispielsweise Silesia bereitgestellt hat, zu lesen.

Das wird Deine Fragen beantworten.
 
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Redl und der Schlieffenplan haben nichts miteinander zu tun, da die Information zwischen den beiden Generalstäben "dürftig" war. ...
Wo hast Du denn diese Falschmeldung her ? Die haben sogar eng auf militärischer Geheimdienstebene zusammengearbeitet, ohne das der österr. Kaiser von einzelnen Dingen Bescheid wusste. Der soll von der Spionage Redl erst aus der Zeitung gehört haben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nicolai_%28Geheimdienstoffizier%29 schrieb:
Im selben Jahr begann seine Karriere beim militärischen Geheimdienst des preußischen Großen Generalstabes, als er die Nachrichtenstation in Königsberg übernahm. Er baute die Nachrichtenstation Königsberg zum Führungsstab für die Spionage gegen Russland aus. Nach zweijähriger Dienstzeit wurde er Anfang 1913 Chef des Geheimdienstes III B, die u. a. zur Aufklärung des österreichischen Spionagefalls Redl beitrug. Nicolai leitete den deutschen Geheimdienst von 1913 bis 1919. Er richtete den Geheimdienst III B intensiv auf den Krieg aus. Nicolai schrieb unter anderen: „Vor jeder Neuerwerbung, Lieferung pp. frage sich der N.O. [Anmerkung: N.O. = Nachrichten-Offizier]: Welchen Nutzen bringt sie für den Krieg.“[2]
 
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Wo hast Du denn diese Falschmeldung her ? Die haben sogar eng auf militärischer Geheimdienstebene zusammengearbeitet, ohne das der österr. Kaiser von einzelnen Dingen Bescheid wusste. Der soll von der Spionage Redl erst aus der Zeitung gehört haben.

Da liegt evt. ein Irrtum über die Aussage von thanepower oben vor. Die bezog sich (nur) auf die Genese und Kenntnis des Schlieffenplans.
 
Vielen Dank! So ist es gemeint gewesen.

Ansonsten war die Atmosphäre zwischen den Generalstäben bei weitem nicht so gut wie man eigentlich erwarten sollte.

Das ging so weit, dass Moltke nach Eröffnung der Feindseligkeiten an die Adresse von Conrad die Aufforderung schickte, er solle doch mal anfangen richtig Krieg zu führen - also gegen Russland - und seinen Krieg bzw. die Polizeiaktion gegen die Serben endlich beenden.
 
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